Bund für vereinfachte rechtschreibung (BVR)
Das Problem einer internationalen Orthographie-Reform
- autor
- Sprater, Th.
- titel
- Das Problem einer internationalen Orthographie-Reform.
- verlag
- Aktien-Druckerei
- ort
- Neustadt a. H., Bayern
- datum
- umfang
- 85 s.
- digitalisierung 2006
-
Google-books: archive.org
- schrift, ortografie
- antiqua, ohne ſ, ohne ß
- titel
Inhaltsangabe
Vorwort |
Seite III |
|
1. | Schrift, Wortbilder, Lautbilder |
» 1 |
II. | Wirkliche Orthographie; historische Orthographie. |
» 3 |
III. | Folgen der historischen Orthographie. |
» 8 |
IV. | Reformversuche; Erfolg derselben |
» 13 |
V. | Notwendigkeit der Reform |
» 15 |
VI. | Wege zur Reform |
» 20 |
VII. | Radikale Reform |
» 22 |
VIII. | Internationale Reform |
» 24 |
IX. | Universale Reform |
» 25 |
X | Schwierigkeiten der Reform |
» 29 |
XI. | Zahl der Sprachlaute |
» 31 |
XII. | Zahl der Lautzeichen |
» 32 |
XIII. | Gleichheit, Ähnlichkeit, Verschiedenheit der Laute |
» 33 |
XIV. | Stellvertretende Lautzeichen |
» 34 |
XV. | Grosse Anfangsbuchstaben |
» 37 |
XVI. | Doppelvokale; Doppelkonsonanten |
» 41 |
XVII. | Monographen; Digraphen |
» 43 |
XVIII. | Diphthonge |
» 45 |
XIX. | Dehnung der Vokallaute |
» 46 |
XX. | Nasallaute |
» 47 |
XXI. | Tonsilben |
» 48 |
XXII. | Tonschwache Silben und Wörter |
» 52 |
XXIII. | Worttrennung |
» 53 |
XXIV. | Silbentrennung |
» 56 |
XXV. | Stumme Konsonanten |
» 57 |
XXVI. | Ästhetische Anforderungen an Druck und Schrift |
» 60 |
XXVII. | Form und Grösse der Buchstaben |
» 63 |
XXVIII. | Reihenfolge und Benennung der Buchstaben |
» 64 |
XXIX. | Diakritische Zeichen |
» 65 |
XXX. | Das Apostroph |
» 67 |
XXXI. | Interpunktionszeichen |
» 68 |
XXXII. | Zahlzeichen |
» 69 |
XXXIII. | Abgekürzte Schreibung |
» 70 |
XXXIV. | Einführung der Reform-Orthographie |
» 72 |
Schlusswort |
» 77 |
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Anhang |
» 79 |
Auszüge
Vorwort
Der Zweck dieser Schrift soll sein : 1) das orthographische Problem in möglichster Kürze allseitig zu beleuchten und dadurch dem Leser einen Einblick zu verschaffen in das verworrene Räderwerk und Getriebe der Rechtschreibung im allgemeinen, besonders aber unserer Deutschen Rechtschreibung, durch einen Vergleich mit den orthographischen Normen und Formen anderer Sprachen, speziell der englischen und französischen Rechtschreibung ; 2) die zahllosen Mängel der verschiedenen „historischen Orthographien“ darzulegen und dadurch die Notwendigkeit der Reform zu beweisen ; 3) die Schwierigkeiten zu zeigen, die sich einer solchen Reform entgegenstellen und besonders auf die Irrwege aufmerksam zu machen, die so gerne bei Versuchen einer Orthographie-Verbesserung von Anfängern und Neulingen eingeschlagen werden ; 4) schliesslich ein Wegweiser zu sein auf dem einzigen Pfade, auf dem man meines Erachtens zu einer wirklichen Reform gelangen kann.
Auch eine volle Reform, die sich auf die deutsche Sprache beschränken würde, muss in unserer Zeit als eine verfehlte Sache betrachtet werden; nur eine Reform, die für alle Sprachen der Erde geschaffen ist, hat noch eine Berechtigung. Diese internationale Reform wird kommen und muss kommen. Diese feste Überzeugung teilen mit mir wohl alle Männer, welche sich gründlich mit der Frage beschäftigt haben; fraglich ist wohl nur, ob wir dieselbe den Deutschen, den Franzosen, den Engländern oder Amerikanern verdanken werden; fraglich ist auch die Zeit, in der sie ins Leben tritt. Das angefangene Jahrhundert wird aber kaum zu Ende gehen, bevor das grosse Werk dieser Reform durchgeführt ist; die Rechtschreibung der Zukunft wird einen hervorragenden Platz einnehmen unter den Leistungen des zwanzigsten Jahrhunderts.
I. Schrift, Wortbilder und Lautbilder.
Die Wiederherstellung einer wirklichen, die Schaffung einer möglichst vollkommenen Lautschrift auf grund der allgemein anerkannten wissenschaftlichen Ergebnisse der Phonetik ist die Aufgabe und das einzig berechtigte Ziel einer Orthographie-Reform.
Vergleichen wir die einfache, wenn auch nicht gerade mustergiltige Orthographie der alten Griechen und Römer mit der Rechtschreibung moderner Sprachen, besonders der englischen, französischen und deutschen, so sieht jedermann, der nur einigermassen mit diesen Sprachen vertraut ist, dass in dieser Beziehung ein gewaltiger Rückschritt unleugbar ist. Während in allen Sparten des öffentlichen Lebens, besonders in Wissenschaft und Technik, in den letzten Jahrhunderten fast nur Fortschritte zu verzeichnen sind, herrscht in der Orthographie unserer Kultursprachen eine beklagenswerte und unheilvolle Stagnation.
VI. Wege zur Reform.
Über das Endziel der Reform, nämlich die Herbeiführung einer vollständigen Übereinstimmung von Sprachlauten und Lautzeichen, ist wohl alle Welt einig. Die Schwierigkeit liegt darin, den richtigen Weg zu finden, auf welchem man zu dieser Übereinstimmung gelangt.
Wer an dieser Reform ernstlich mitarbeiten will, möge ja nicht glauben, er dürfe etwa einen einzelnen Buchstaben, oder eine Konsonantenverbindung, oder einen Diphthong, oder eine Endung, oder eine Ableitungssilbe aus dem Gesamt-Gefüge des orthographischen Baues herausgreifen, um da zu ändern und zu verbessern. Er muss vielmehr einen vollständigen Bauplan ausarbeiten oder wenigstens auf grund eines vorliegenden Bauplanes weiter arbeiten, wenn eine wirkliche, volle, allumfassende Reform erzielt werden soll; sonst wird es gehen wie bei der Springprozession in Echternach: „3 Schritte vor und 2 zurück“.
Eine stufenweise Reform muss von vornherein als verfehlter Weg angesehen werden. „An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen“ gilt auch hier, und die Frucht einer solchen Reform ist die ununterbrochene orthographische Anarchie.
Halbe Massregeln gelten allgemein als verwerflich, sie schaden mehr als sie nützen. […] Wer ans Ziel gelangen will, darf nicht auf halbem Wege stehen bleiben. Im bürgerlichen Leben liebt man ganze Arbeit, nicht Flickwerk und Stückwerk.
Als die Franzosen vor hundert Jahren das metrische System in ihrem Lande einführten, hielten sie es nicht für angezeigt, dem Fuss oder der Elle etwa alle 20 Jahre ein paar Linien anzufügen, um so nach etwa 1000 Jahren zum idealen Zukunftsmasse, dem Meter zu gelangen. Ohne übertriebene Ängstlichkeit thaten sie einen entschiedenen Schritt vorwärts und setzten mit einem Schlage an die Stelle der damaligen sehr verschiedenen Längenmasse das einheitliche Meter.
VII. Radikale Reform.
Unsere modernen Orthographien befinden sich im Zustande der Degeneration; die Krankheit hat den ganzen Organismus erfasst. Da helfen keine kleinen Palliativmittel mehr, nur eine Radikalkur kann Hilfe bringen. – Viele Reformer empfehlen und befolgen in ihren Verbesserungsversuchen den Grundsatz, bei beabsichtigten Abweichungen von der hergebrachten Schreibweise möglichst schonend vorzugehen; aber die Erfahrung belehrt jeden, der sich eingehend mit der Frage beschäftigt, dass man den orthographischen Pelz nicht mehr waschen kann, ohne ihn gründlich nass zu machen.
VIII. Internationale Reform.
Die Schaffung einer internationalen Orthographie resp. Lautbezeichnung an Stelle der derzeitigen nationalen Rechtschreibungen muss das Ziel jeder Reform sein, welche Anspruch auf allgemeine Anerkennung erheben will.