Damit wir dem Prinzip der Substantivgrossschreibung möglichst nahe kommen, gilt heute dafür die Parole: vereinfachte Grossschreibung. Diese soll erreicht werden 1. durch das möglichst konsequente Einhalten einer einfachen Grundregel, 2. durch das Einschränken von Ausnahmen und 3. durch Liberalisierung dort, wo keine wichtigen Sinnunterscheidungen auf dem Spiel stehen.
Bund für vereinfachte rechtschreibung (BVR)
nachgeführt
,
2023-11-06
Aus presse und internet
1979-10-17
1979-06-04
Bonns bürokratie blockiert die rechtschreibreform, weil die DDR nunmehr über den alten bonner vorschlag der "gemäßigten kleinschreibung" (siehe nachstehenden text) mit allen deutschsprachigen ländern verhandeln will. […] Klein oder groß, das ist die frage, auf die sich inzwischen die diskussion um die rechtschreibreform zentriert hat. Und während in der DDR, in Österreich und der Schweiz schon weitgehend abgeschlossene reformkonzepte vorliegen, hat Bonn seine 1958 von dem "arbeitskreis für rechtschreibregelung" erarbeiteten "Wiesbadener empfehlungen" sang- und klanglos zu den akten gelegt, obgleich noch im mai 1973 die bundesdeutschen kultusminister einstimmig eine kleinschreibreform gefordert hatten – wie schon vor rund 70 jahren orthographie-papst Konrad Duden. […] Noch zeigte das bonner innenministerium kein reform-interesse. Die kultusminister wiederum verwiesen lediglich auf ihren beschluß von 1973 über die "gemäßigte kleinschreibung". Beide seiten, so staatssekretär Fröhlich am 17. november 1978, wollten erst einmal eine bestandsaufnahme abwarten, die Österreichs regierung übernommen hat.
1979-05-29
Die Mehrheit des Parlaments war mit Erziehungsdirektor Alfred Gilgen der Meinung, eine Rechtschreibereform könne nicht vom Kanton Zürich im Alleingang durchgeführt werden. Es gelte vielmehr, eine für alle deutschsprachigen Länder geltende Lösung anzustreben.
1979-04-18
Einen ausgefeilten, in Varianten durchdachten Versuch lieferte der Ostdeutsche Dieter Nerius 1975. Und nun legt der Westdeutsche Wolfgang Mentrup eine Kritik und eine Modifikation der Neriusschen Regeln vor. Diesen verwandelten Entwurf nennt er «eingeschränkte Kleinschreibung», eingeschränkt gegenüber der radikalen Kleinschreibung. Auch Mentrup lässt es nicht bei einem einzigen Vorschlag bewenden, sondern gibt gleich einen zweiten mit. […] Wolfgang Mentrup arbeitet unter dem Gesichtspunkt der «Benutzbarkeit» und hat es dar auf angelegt, ein narrensicheres und lückenloses, zudem äusserst knappes System zu schaffen. […] Wir haben ihm zu danken für die Aufklärungsarbeit, die er geleistet hat, auch wenn wir seinen Folgerungen nicht vorbehaltlos zustimmen können.
1978-11
Es ist weder den barocken grammatikern noch ihren nachfolgern gelungen, genau zu umschreiben, was eigentlich unter einem substantiv zu verstehen wäre. Den begriff “nomen“, der die mittelalterliche grammatik beherrschte, konnte man leichter abgrenzen: Er umfasste alle wörter, die der deklination unterliegen, also neben den nomina propria vor allem auch die adjektive. Wohl unter dem einfluss der philosophischen substanzlehre hat sich dann aber das undefinierbare substantiv theoretisch verselbständigt, und es ist deutschem schulmeisterdenken und deutscher pedanterei (Grimm) gelungen, eine substantivweltanschauung aufzubauen.
1978-10-20
Der "Oesterreichischen gesellschaft für sprachpflege und rechtschreiberneuerung" ist es erstmals gelungen, vom 10. bis zum 12. Oktober in Wien Vertreter alle vier deutschsprachigen Länder (der BRD, der DDR, Oesterreichs und der Schweiz) am Verhandlungstisch zusammenzuführen, vorwiegend Hochschuldozenten und Pädagogen, und diese waren am Schluss ihrer Beratungen darüber einig, das Oesterreichische Bundesministerium für Unterricht und Kunst nachdrücklich zu bitten, über die politischen Kanäle die andern deutschsprachigen Länder einzuladen, gemeinsam eine Reform vorzubereiten und zuletzt zu beschliessen, ob man sie wolle oder nicht.
1977-05-21
Auf dem Weg zur Rechtschreibreform der deutschen Sprache ist nun eine wichtige Vorentscheidung gefallen. Die für die Durchführung der Reform vom Unterrichtsministerium eingesetzte Kommission entschied sich in einer Abstimmung dafür, die „gemäßigte Kleinschreibung“ als österreichische Stellungnahme in den folgenden internationalen Verhandlungen zu diesem Thema vorzuschlagen. Der Kommissions-Vorschlag wird nun Unterrichtsminister Dr. Fred Sinowatz vorgelegt, der über die endgültige Stellungnahme entscheiden wird.
„Die Großschreibung im Deutschen ist ein wahrer Segen. Sie abzuschaffen, käme furchtbar teuer“, erklärte Univ.-Prof. Jean-Marie Zemb (Universite de Paris III) in einem Interview in Wien. Der französische Germanist sieht die Vorteile der Großschreibung vor allem auf dem Gebiet der maschinellen Behandlung von Texten (Dokumentation, Übersetzung).
1976
In jüngster Zeit ist ein Vorschlag des Österreichers E. Wüster, das Problem der Groß- und Kleinschreibung im Deutschen durch Vermehrung der Großschreibung zu lösen, ins Gespräch gekommen. […] Der Hauptgrund dafür, daß Wüsters Vorschlag keine Lösung des Problems bringt, liegt darin, daß die Wortart ‘Substantiv’ oder ‘Hauptwort’ nicht klar abzugrenzen ist […]. Der andere Grund ergibt sich aus der Tatsache, daß es keine festen Regeln für die Getrennt- und Zusammenschreibung gibt, was wiederum mit einem Übergangsproblem zusammenhängt, nämlich dem, daß es Stufen des Zusammenwachsens von Wortelementen gibt.
1975-12-17
Grundsätzlich wird eine Reform der Rechtschreibung befürwortet. […] Es ist anzustreben, die Reform gemeinsam mit allen deutschsprachigen Ländern durchzuführen. […] Bei diesen Beschlüssen stützte sich die Erziehungsdirektorenkonferenz […] auf die Auswertungsergebnisse der von der Pädagogischen Kommission gestellten Fragen, die so lauteten: Frage 1: Halten Sie eine Rechtschreibreform grundsätzlich für erforderlich? Frage 3: Soll die Schweiz: a) Von sich aus Reformen anstreben (Alleingang)? b) Zusammen mit einem andern deutschsprachigen Land Reformen in die Wege leiten? c) Nur im Verband mit allen deutschsprachigen Ländern Reformen einleiten?
1975-10
Das „scharfe S“ (ß) […] wird in bestimmten (Auslaut-)Positionen widersprüchlich und willkürlich auch nach kurzem Vokal verwendet, z. B. die Fässer – das Faß. Es ergibt sich besonders beim Konjugieren der Verba ein ständiges „Pendeln“ zwischen ss und ß, z. B.: ich fasse, du / er / ihr faßt, wir / sie fassen; ich faßte, habe gefaßt (statt: fassen – fasste – gefasst). Dieser Hokuspokus bei der Umwandlung von „ss“ in „ß“ nach kurzen Selbstlauten muss endlich aufhören; es handelt sich dabei um eine Rechtschreibregel der Kurrentschrift. […] Schon seit über 100 Jahren fordern verantwortungsbewusste Rechtschreibreformer die sogenannte „reduzierte ß-Schreibung“, welche das „scharfe S“ (ß) auf seine ureigenste Aufgabe beschränkt: die Kennzeichnung eines „scharfen“ (stimmlosen) S-Lautes nach langem Selbstlaut und nach Zwielaut […]. Die Abschaffung des Längenzeichens „ß“ und sein widersprüchlicher Ersatz durch das Kürzezeichen „ss“ ist […] kein tauglicher Vorschlag zu einer Rechtschreibreform.
1975-06
General-GuisanStraße, General Guisan-Straße, General-Guisanstraße, General Guisanstraße oder General Guisan Straße? Wer sich in unsern Städten und Dörfern umsieht, findet bald diese, bald jene dieser fünf Schreibweisen, nur selten allerdings die regelrichtige: General-Guisan-Straße. Namentlich der erste dieser beiden Bindestriche ist allenthalben auf Widerstand gestoßen. In Zürich ist er durch einen Stadtratsbeschluß vom 29. Juni 1951 sogar in aller Form wegdekretiert worden. (Die PTT hat, wenigstens im roten Straßenverzeichnis der Telefonbücher, den Mut, sich über den unlogischen und zudem regelwidrigen Beschluß hinwegzusetzen.)
1975-04-03
Man kann eine ernste Sache auch mit Humor anpacken. So stellt die Zentralbibliothek ihre am 1. April eröffnete Foyer-Ausstellung über die Rechtschreibereform unter die in unserem Titel wiederholte Schlagzeile mit dem variablen Floh/floh. […] Die lehrreiche Ausstellung wurde von R. Landolt vom Bund für vereinfachte Rechtschreibung in Zusammenarbeit mit R. Diederichs von der Zentralbibliothek Zürich zusammengestellt und aufgebaut.
Zu einem gegenwärtig in der Schweiz laufenden Vernehmlassungsverfahren über eine Rechtschreibereform hat die Zentralbibliothek Zürich in Zusammenarbeit mit dem «Bund für vereinfachte Rechtschreibung» eine Ausstellung im Vestibül zusammengestellt.
1975
H. Haberl hat durch seine 2. untersuchung bewiesen, dass, gleichgültig ob es sich um erwachsene oder kinder handelt, die kleinschreibung schon nach kurzer gewöhnung leichter bzw. genau so gut gelesen wird wie die grossschreibung.
1974-06-18
«Die rechtschreibung ist insbesondere gesellschaftlich und gesellschaftspolitisch schädlich […]» Das Taschenbuch, in dem diese Sätze (und ähnliche) zu lesen sind, verdankt seine Entstehung dem letztjährigen Frankfurter Kongreß «vernünftiger schreiben», an dem profilierte Vertreter der Kleinschreibung und Simplificateurs der deutschen Sprache – neben Leuten mit abgewogenerem Urteil – Referate gehalten haben, die dank diesem Buche nun einer weiteren Oeffentlichkeit zugänglich sind.
1974-06-02
Neben der deutschen Sprache war das Dänische bis 1948 die einzige Sprache, die noch alle Substantive groß schrieb. Eine Einführung der Großschreibung im Schwedischen war nie gelungen, wohl aber dagegen im Norwegischen. […] Im Januar 1948 teilte der Unterrichtsminister, Hartvig Frisch, der Presse mit, daß seine Kollegen in der Regierung mit seiner Absicht einverstanden seien, in den Schulen den Uebergang zur gemäßigten Kleinschreibung durchzuführen. […] Ein Gesetz oder ein Parlamentsbeschluß war nicht nötig, da es staatsrechtliche Tradition ist, daß Rechtschreibreformen in Dänemark administrativ durchgeführt werden. […] 26 Jahre nach der Reform denkt kaum jemand mehr an diese Aenderung der Schreibweise noch daran, daß diese einmal überhaupt ein Problem war.
1974-05
Die Befürworter der Kleinschreibung sagen, andere europäische Sprachen kämen auch ohne Substantivgroßschreibung aus und die Benützer dieser Sprachen hätten weniger Schreibprobleme. Dies ist ernstlich zu bestreiten. Schreibprobleme haben zum Beispiel die Engländer und Franzosen […] mindestens so viele wie die Deutschsprachigen. Denken wir bloß an die Schwierigkeiten der Schreibung französischer oder englischer Laute […]. Und was die Verwendung der Großbuchstaben betrifft, so werden auch diese einem besondern, zum Teil sehr willkürlichen und unlogischen Regelwerk unterworfen. […] Wie soll in dieser Materie in den Druckereien eine einheitliche Schreibweise eingehalten werden, wenn vom Regelwerk her dem Chaos Tür und Tor geöffnet werden? […] Der also nicht gelungene Versuch zu einer befriedigenden Regelung der Eigennamenschreibweise beweist, daß die heutigen (ich betone: abgesehen von einigen Spitzfindigkeiten nämlich nicht so sehr großen) Schwierigkeiten der Groß- und Kleinschreibung sich bei Einführung der gemäßigten Kleinschreibung verlagern würden auf das Gebiet der Eigennamenschreibung und dort in verstärktem Maße aufträten. […] Eine Regelung der Rechtschreibung aber, die die Schwierigkeiten bloß verlagert, ist unerwünscht.
1974-01-23
Mit der Frage einer Reform der deutschen Rechtschreibung hat sich dieser Tage in Zürich unter dem Vorsitz von Ständerat Dr. F. Stucki eine von ungefähr 20 Organisatoren beschickte Konferenz befasst.
1974-01-13
In den letzten jahren ist die einführung der kleinschreibung erneut zu einem gesprächsgegenstand geworden. […] Die mangelnde rechtsgrundlage und die rücksicht auf die andern deutschsprachigen länder erschweren die reformbestrebungen. Vergleicht man für und wider, so überwiegen die vorteile der kleinschreibung. Noch näher zu behandeln sind die schreibweise der eigennamen und der abkürzungen. […] In jüngster zeit sind auch in der Schweiz mehrere vorstösse unternommen worden […]. Die veränderung des schriftbildes ist so gering, dass sie der leser manchmal erst nach längerem lesen oder überhaupt nicht feststellt. […] Die gross- und kleinschreibung ist aber nur ein teil der rechtschreibung. […] Es gibt nämlich noch andere unbefriedigend geregelte bereiche […].Die bisherigen reformbestrebungen haben aber deutlich gemacht, dass die zeit für die neuregelung all dieser bereiche noch nicht reif ist.
Der Philologe, der in seiner eignen Zunft auf den hundertjährigen und schließlich gescheiterten Versuch zur Einführung der gemäßigten Kleinschreibung zurückblickt, darf sich die Frage wohl durch den Kopf gehen lassen, ob mit den Substantivmajuskeln nicht bloß die Orthographie, sondern vielleicht unsere neuhochdeutsche Schriftsprache betroffen sei. […] Wie nun, wenn im 17. und 18. Jahrhundert deutsche Prosaisten ihren eigenen Stil so fortgebildet hätten, daß sie am visuellen Geländer der Substantivmajuskeln syntaktisch immer kompliziertere Sätze zu bauen wagten? […] Nicht die derzeitige Regelkasuistik ist zu schützen, sondern eine praktikable Art der Großschreibung. Man sollte ihr erlauben, mit einfachen Regeln auszukommen, indem man sie im berüchtigten Randgürtel der Grenz- und Zweifelsfälle liberalisiert.
1973-09-14
In der Einführung liest man die vernünftige Ansicht der Bearbeiter, daß sie eine begrenzte, wohlüberlegte Reform der deutschen Rechtschreibung für wünschenswert hielten, daß es jedoch nicht vertretbar sei, das Erwünschte hier bereits einzuführen. «Das könnte nur Verwirrung zur Folge haben. Eine Reform … kann nur ins Werk gesetzt werden durch übereinstimmenden Beschluß der vier Staaten deutscher Sprache.»
1973-07-18
Die geplante Einführung der gemäßigten Kleinschreibung hat uns im Ehapa-Verlag durchaus nicht überrascht. […] Gerade weil sich hobby an aufgeschlossene, technisch und populärwissenschaftlich interessierte Menschen wendet, ist es vielleicht prädestiniert, einen solchen Schritt heute zu wagen. […] Zunächst soll die Veränderung der Rechtschreibung in hobby wirklich gemäßigt sein, indem wir vorerst nur die Hauptwörter klein schreiben wollen, Satzanfänge und Eigennamen weiterhin groß (siehe hierzu S. 74: Die schönsten Tauchgebiete). Und dann soll's auch nicht das ganze Heft sein. Wenn sich aber herausstellt, daß unsere Leser diese neue Art der Rechtschreibung akzeptieren, können wir getrost weitergehen. und das ganze hobby in dieser Manier gestalten.
1973-06-09
Die Kultusminister der Länder haben sich auf einer Sitzung in Berlin für eine gemässigte Rechtschreibreform auf der Grundlage von Empfehlungen einer Expertenkommission aus dem Jahre 1958 entschlossen.
1973-05-11
Der schweizerische "Bund für vereinfachte rechtschreibung", der in engem kontakt mit den reformfreunden in den anderen deutschsprachigen ländern steht, hat sich daher mit der frage befasst, was künftig noch gross geschrieben werden soll, und hat seine vorschläge soeben publiziert.
1973-04-02
Für eine gemäßigte Kleinschreibung setzen sich immer mehr Pädagogen, Politiker und Privatleute ein. Deutschlands Orthographie-Papst Professor Grebe empfahl, schon vor einer Reform klein zu schreiben. […] In zahlreichen Landtagen brachten Abgeordnete klein geschriebene Anfragen ein: ob und warum nicht endlich die gemäßigte Kleinschreibung eingeführt würde. […] Mitte März einigte sich die gemeinhin kontrovers gestimmte Kultusministerkonferenz (KMK) auf die Vorab-Entscheidung, jetzt sei ein "günstiger Zeitpunkt" für die ersehnte Reform erreicht. Nur sei "ein gemeinsames Vorgehen in den Ländern mit deutscher Sprache nach wie vor erforderlich".
1973-03-05
Pädagogen und Politiker opponieren in Hessen gegen neue Rahmenrichtlinien. Sie sehen darin "eine Anleitung zur permanenten Revolution im Klassenzimmer". […] lm Deutschunterricht verlören, ginge es nach den Richtlinien-Autoren, Literatur und Rechtschreibung ihren heutigen Rang. […] Als einen Appell an die Öffentlichkeit wollen die Richtlinien-Autoren ihre Forderung verstanden wissen, die Überbewertung der Rechtschreibung in der Schule abzubauen und sie nicht mehr zum Kriterium von Eignungsbeurteilungen und Versetzungen zu machen. Weil die Verhältnisse aber noch nicht so sind, sollen Schüler immerhin noch "Grundkenntnisse der Rechtschreibung erwerben", um – so die Autoren – "vor ungerechtfertigten Benachteiligungen geschützt zu sein".
1973-02-23
Jetzt, so meint Paul Grebe, könnte die Zeit gekommen sein: „Die Konstellation war noch nie so günstig“ Außer in der Bundesrepublik nämlich arbeiten gegenwärtig ebenfalls in der Schweiz und in Österreich offizielle Rechtschreibkommissionen, was lange Jahre nicht der Fall war. Auch die DDR ist, wie Grebe aus persönlichen Informationen weiß, nicht grundsätzlich gegen eine Reform […]. Daß sich nun immer mehr Germanisten für eine Reform und den Abbau der Diskriminierung durch Sprache engagieren, ist auch deshalb erfreulich, weil die Germanistik im übrigen auch weiterhin als ein Fach in der Dauerkrise gelten darf.
1973-02-16
Die sogenannte gemäßigte Kleinschreibung scheint mir ein unglückseliger Kompromiß. […] Es gäbe andere Argumente, kulturhistorische, zivilisatorische, "geistige", die dafür sprechen, das Wort stehen zu lassen und nicht ein wort daraus zu machen, Substantive also auch weiterhin groß zu schreiben. Für die "gemäßigte" Kleinschreibung jedoch spricht so gut wie gar nichts.
1973-01-21
Oft schon bin ich gefragt worden, wie es sich eigentlich mit der «Amtlichkeit» der geltenden Rechtschreibung verhalte; ob man darauf verpflichtet werden könne und ob man deshalb alle Hin- und Herbeschlüsse des Dudens, einer ausländischen Instanz also, mitmachen müsse.
1972-06-22
Das Eidgenössische Departement des Innern hat einen vorberatenden Ausschuß für Fragen der Rechtschreibereform eingesetzt. Dieser ist beauftragt, zusammen mit den in der Bundesrepublik Deutschland und in Oesterreich zuständigen Organen die gegenwärtige Lage und die Absichten hinsichtlich der Rechtschreibebestrebungen in diesen Ländern abzuklären […].
1969-05-19
Mit Altmeier, dem fülligen Duodezfürsten im Land des Schinderhannes und der Loreley, versinkt am Rhein eine Epoche – mit Kohl, dem emporstrebenden Manager der Christenunion, soll zwischen Rüben und Reben eine neue Zeit beginnen. […] Und als der CDU-Landtagsabgeordnete Helmut Adamzyk unlängst „die Kleinschreibung von Hauptwörtern in unserem Bundesland Rheinland-Pfalz“ forderte, hatte Kohl („Warum denn nicht?“) nichts dagegen. Vogel freilich durchkreuzte das Vorhaben.
1969-02-17
An seiner Jahresversammlung in Aarau befaßte sich der Schweizerische Bund für vereinfachte Rechtschreibung kürzlich u. a. mit der Antwort des Bundesrates auf eine Kleine Anfrage von Nationalrat Emil Schaffer (Langenthal). In der Anfrage war erklärt worden, daß in unserem Lande nur eine Minderheit der deutschsprachigen Bevölkerung die Rechtschreibung ihrer Muttersprache beherrsche.
1968-11-25
[…] der CDU-Landtagsabgeordnete Helmut Adamzyk, 42, […] ist der Urheber des Vorschlags: Er hat die „Abschaffung der Großschreibung“ angeregt. […] Als der Mainzer Landtag unlängst eine umfangreiche Verwaltungsreform beschlossen hatte, nutzte Adamzyk die Gelegenheit für sein Kleinschreib-Projekt. Stolz verriet er dem Chef: „Ich bin schon dabei, die nächste Reform einzuleiten.“ Kohl („Warum denn nicht?“) gab Adamzyk grünes Licht.
1968-06-29
Nationalrat Emil Schaffer, Bern (soz.), reichte die folgende Kleine Anfrage ein: […] Der Bundesrat wird angefragt, wie er die Frage der Vereinfachung der deutschen Rechtschreibeform, vor allem die Einführung der Kleinschreibung mit Ausnahme der Namen und des Satzanfangs, beurteilt […].
1968-05-08
Am Schweiz. Korrektorentag […] fand dieses Mal ein inhaltsreiches Podiumsgespräch […] statt, das von Chefredaktor August E. Hohler geleitet und von folgenden Diskussionsrednern bestritten wurde: Dr. Arthur Baur, Chefredaktor des «Landboten»; Alfred Falk, Korrektor bei Huber & Co. Frauenfeld; Dr. Paul Grebe, Leiter der Duden-Redaktion; Oto Nüssler, Geschäftsführer des Vereins für deutsche Sprache, Wiesbaden; Dr. Hans Rentsch, Redaktor am «Neuen Winterthurer Tagblatt»; Friedrich Wilhelm Weitershaus, Oberkorrektor, Gütersloh.
1967-02-16
Die Schriftreform bedeutet einerseits die Vereinfachung der allen Zeichenschrift, anderseits jedoch ihre totale Abschaffung und Ersetzung durch eine phonetische Orthographie, nämlich durch lateinische Buchstaben. Ist es überhaupt möglich, die Zeichenschrift, die durch ihre vorwiegend nichtphonetischen Prinzipien zu einem wesentlichen Bindeglied zwischen den zahlreichen, stark voneinander abweichenden Dialekten geworden ist, zu beseitigen?
1966-11
Ganz besonders dürfen die Sprachfreunde dem Jubilar danken und gute Wünsche mitgeben auf den Weg in und durch das achte Jahrzehnt: Wie oft stand er an den Vortragspulten der Zweigvereine des Deutschschweizerischen Sprachvereins; wie oft bereicherte er die Spalten des „Sprachspiegels“ mit seinen geschliffenen Aufsätzen zum Sprachleben oder zur Sprachpolitik; wie viele Vorträge hielt er vor Lehrern und für Lehrer, vor allem über Fragen der Jugendliteratur (noch steht er an vorderster Front im Kampf gegen die Schundware auf dem Büchermarkt); wie eifrig setzte er sich, ein überzeugter Anhänger der Kleinschreibung, für eine zeitgemäße Reform der Rechtschreibung ein, usw.
1966-08-01
Anstelle der „in ihrer Wirkung gefühlsarmen“ lateinischen Lettern sollten an Deutschlands Schulen wieder als Erstschriften die deutschtümelnde Fraktur als Druckschrift sowie die sogenannte deutsche Schreibschrift gelehrt werden. […] Mit 800 Bundes-Getreuen kämpft Arndt dafür, daß „kostbares Erbgut“ zur „ersten Schreibschrift erklärt“, „in allen Schularten intensiv gepflegt“ und für „spätere Geschlechter“ gerettet werde.
1966-07
Um Deutsch zu können, muß man vorher Griechisch, Latein und sogar noch Negerdialekte lernen. […] Wer kann Päd-agoge, Trans-port, Manu-skript oder Kilima-ndscharo richtig trennen, wenn er nicht die etymologischen Bestandteile dieser Fremdwörter kennt? Aber wehe dem, der neun Jahre lang Latein und sechs Jahre lang Griechisch und von mir aus noch vier Jahre lang Ngudumbumbuli gelernt hat und meint nun, jetzt beherrsche er die deutsche Worttrennung. […] Das Volk der Dichter und Denker nimmt die Worttrennungen einmal etymologisch vor, dann wieder nach Sprachsilben. Ganz willkürlich. […] Entweder wir trennen die fremden und die Fremdwörter nach ihren etymologischen Bestandteilen (und lernen Griechisch, Latein und Kasavangdudu usw.), oder wir trennen sie nach Sprachsilben. Mit Rechtschreibreform hat das Verlangen nach gleichmäßigen Trennungen nichts zu tun.
1965
Trotz der grossen Schwierigkeiten, die sich dadurch ergeben, dass Eigennamen als Gattungsnamen verwendet werden können, lässt sich also doch mit Hilfe einiger formaler Merkmale vor allem durch den Artikelgebrauch eine Begrenzung der Kategorie Eigennamen angeben.
1964-10-03
Unter den Vorschlägen zur Rechtschreibreform taucht immer wieder die Forderung auf, die Schreibung der griechischen und lateinischen Fremdwörter, insbesondere auch solcher von wissenschaftlicher oder kultureller Bedeutung, der deutschen Aussprache anzugleichen, also Ersetzung von ph durch f, von th duch t, von y durch i in Wörtern etwa wie Orthographie, Phonetik, Theorie, Theater, Synthese, Rhythmus, Mythus, Mystik u. a. m., obwohl sich sehr beachtliche Stimmen wiederholt und mit guter Begründung dagegen ausgesprochen haben.
1963-11-06
Seit einigen Tagen liegt eine 34 Seiten umfassende „Stellungnahme der Schweizerischen Orthographiekonferenz zu den Empfehlungen des Arbeitskreises für Rechtschreibregelung (Wiesbadener Empfehlungen)“ als Broschüre gedruckt vor […]. Diese Schrift bedeutet die Absage der Schweiz an die sogenannte gemäßigte Kleinschreibung
1963-10-27
Mancher Leser wird sich an die seit Jahren wieder hin- und herwogende Diskussion um die Orthographiereform mit Unlust erinnern und fragen, ob es damit nun plötzlich so eile […]. Die nach beiden Weltkriegen stürmisch auftretenden Reformer haben die alte Erfahrung in den Wind geschlagen, daß in dieser Sache alle radikalen Vorschläge Gefühle verletzen, die dann längere Zeit auch für milde Offerten nicht mehr ansprechbar sind. Es ist nun einmal nicht dasselbe, ob man sich […] darauf einigt, eine von der Praxis längst unterspülte Regel ohne viel Lärm mit einer angemesseneren zu vertauschen, oder ob die Reformpartei darauf beharrt, sozusagen vom Schaltbrett aus eine Neuerung durchzusetzen, die das jedem vertraute Schriftbild aufs Mal entscheidend verändern und entwerten müßte.
Eine alte erfahrung: Das fehlen echt radikaler vorschläge führt dazu, dass auch unsere milden viel lärm verursachen.
1963-08-24
Unter dem Vorsitz von Alt-Regierungsrat Wanner (Schaffhausen) und Ständerat Dr. Stucki (Netstal) tagte in Zürich am 20. und 21. August die von der Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren im Auftrag des Eidg. Departements des Innern einberufene Schweizerische Orthographiekonferenz. […] Sie empfiehlt die grundsätzliche Beibehaltung der bisherigen Großschreibregeln, allerdings gemildert durch eine Lockerung ihrer Handhabung in dem Sinne, daß in Grenzfällen zwischen dem großen und kleinen Anfangsbuchstaben die Wahl bleibt.
1963-08-13
Am 20. August tritt in Zürich die schweizerische Konferenz für Rechtschreibreform zusammen. Ihr ist die Aufgabe gestellt, die Vorschläge, die von offizieller deutscher und österreichischer Seite in dieser Sache vorliegen, zu beraten und eine Stellungnahme festzulegen, die an einer demnächst in Wien stattfindenden Orthographiekonferenz aller deutschsprachigen Länder von der schweizerischen Delegation zu vertreten sein wird. […] Man sieht: die eigentliche Pièce de résistance der Stuttgarter Vorschläge bildet den wichtigsten Punkt auch dieses neuen Reformprogramms. Die Forderung nach Kleinschreibung der Substantive […] steht wiederum an der Spitze, und sie dürfte auch in den künftigen Diskussionen das meistumstrittene Postulat bleiben. […] Die Verantwortung, die dieser Konferenz zufällt, ist nicht gering. […] Die Konferenz dürfte also gut daran tun, es in weiser Beschränkung bei jenen Aenderungen bewenden zu lassen, bei denen mit allgemeiner Zustimmung gerechnet werden darf.
1963-06-26
Ich sehe eine große Gefahr für die ganze deutsche Sprachstruktur in der Abschaffung der Großschreibung: Die Schriftsteller werden, bewußt oder unbewußt, Substantivierungen wegen Unklarheit vermeiden, und das bedeutet eine tiefgreifende Veränderung und Verarmung der Ausdrucksweisen im Deutschen.
1961-08-01
Sein Name steht als Titel auf Millionen von Bänden, die täglich unschätzbare Dienste leisten in Schulstuben, Bureaus, Kanzleien, Redaktionen und Druckereien, kurz: überall, wo deutsche Sprache gesprochen, geschrieben und gedruckt wird. […] Könnte Duden heute die weitere Entwicklung seines Werkes überblicken, er wäre wohl erfreut und betrübt zugleich. Erfreut dürfte er sein über das hohe Ansehen, das sein Name im ganzen deutschen Sprachraum genießt […]. Betrübt wäre er wohl, zu sehen, wie sein Werk so oft durch engstirnige Interpreten in Verruf gebracht und wie es in unverantwortlicher Weise zu politischen Zwecken mißbraucht wurde und wird.
1961-05-10
Im März 1854, nahezu sechzehn Jahre nach Vertragsabschluß, konnte endlich der erste Band "auf des geliebten Vaterlandes Altar" (Jacob Grimm) gelegt werden. Er war von Jacob Grimm zusammengestellt und umfaßte den Buchstaben A und die erste Hälfte der mit B beginnenden Wörter und war als Gelegenheit benutzt worden, "den wust und unflat unserer schimpflichen, die gliedmaßen der sprache ungefügig verhüllenden und entstellenden schreibweise aus(zu)fegen" - will sagen: Jacob Grimm hatte die Kleinschreibung der Hauptwörter wieder eingeführt, wie sie in der Tat in fast allen Schriftsprachen üblich ist. Der Verleger fürchtete allerdings mit Recht, diese Eigenmächtigkeit könnte das Publikum verwirren; spätere - aber nicht alle - Bearbeiter haben dann auch wieder die bis heute gültigen Regeln der Orthographie respektiert.
Zum «wust und unflat» gehörte nicht nur die substantivgrossschreibung, sondern auch die fraktur. Beides war gleich umstritten.
1959-05-12
Die scheinbar so unscheinbare Frage der Silben „hin“ und „her“ und „vor“ und „hier“ in Verbindung mit „auf“ und „ab“ und „an“ betrifft den Sprachgeist selbst. Und der ist mehr als „ein“ Traditionswert, er ist die Tradition selbst. […] Eine gewisse, vordergründige Ideologie der Modernität versucht den Verteidigern der Sprachtradition Traditionalismus nachzusagen. Bei wem verfängt das noch? Es machen sich überall so viele Pseudomodernisten breit, in der Architektur, im soziologischen Gerede, in der Dekoration und im Espresso- und Barstil, der doch wohl mit Avantgarde soviel zu tun hat wie Papierservietten mit einem gut gebratenen Stück Fleisch, daß man sich das Plakat „Reaktionär“ oder „Traditionalist“ oder was sonst gelassen vor die Haustür kleben läßt.
1959-03-31
«Orthographie oder ortografi?», eine Diskussionssendung über die geplante Rechtschreibereform (Köln) mußte ausfallen, weil die vorgesehenen Diskussionsteilnehmer nicht an einen Tisch zu bringen waren. Eins zu Null für Herrn Duden.
1958-11
Es wäre bedauerlich und müßte als Zeichen stumpfsinniger Beharrlichkeit gewertet werden, wenn der nunmehr seit mehr als einem Jahrhundert von namhaftesten Germanisten geführte Kampf für die Kleinschreibung bei der erstrebten Reform der Orthographie nicht siegreich beendet würde.
1957-02-25
George Bernard Shaws letzter Wunsch, den größten Teil seines Nachlasses zur Schaffung eines neuen „britischen Alphabets von 40 Buchstaben“ zu verwenden, wurde von einem Londoner Gericht als „nicht erfüllbar" bezeichnet.
1957
Von Rechtschreibreformen sprechen heißt über Meinungskämpfe berichten, die mit erstaunlicher Regelmäßigkeit aufbrechen und zumeist unerwartet heftig verlaufen. Und zu Rechtschreibreformen Stellung nehmen heißt sich Kampflinie zweier Parteien begeben, denen beiden ihr Standort so unanfechtbar erscheint, daß sie nichts davon aufzugeben bereit sind.
2. 1956
Unsere besondere Aufmerksamkeit galt im Berichtsjahre der Rechtschreibung der jungen Soldaten. Es lag nahe, zu einer Zeit, da die sogenannte Orthographiereform nicht bloß die Schulwelt beschäftigt, die schriftlichen Arbeiten der Rekruten etwas genauer im Hinblick auf Wort- und Zeichenfehler zu mustern. […] Unsere Erhebung bei den Rekruten zeigt, daß die Schule ihrer Aufgabe, der Jugend das Fundament der Rechtschreibung zu vermitteln, doch einigermaßen gerecht wird. Sozusagen alle beherrschen die Großschreibung der eigentlichen Substantive; die Unsicherheit beginnt erst bei den dingwörtlich gebrauchten Tätigkeits- und Eigenschaftswörtern. […] Was am wenigsten befriedigt, ist die Interpunktion. […] Es gibt so vieles in der Rechtschreibung, das die Schüler lernen müssen, daß wir das, was im Hinblick auf die Gebrauchssprache entbehrlich erscheint, in der Schule auch als entbehrlich behandeln. […] Es gibt auch in der Rechtschreibung eine eiserne Ration, ein Notgepäck. Die direkte Rede gehört nicht dazu. Es gehören ebenfalls nicht dazu die verzwackten Bestimmungen über die Groß- oder Kleinschreibung von Adjektiven und Adverbien, wie das Beste, am besten, aufs neue, etwas Neues, etwas anderes.
1956-01-25
Die Diskussion über das Rechtschreibproblem, über die Frage, ob in Deutschland und im gesamten Gebiet der deutschen Sprache, also auch in Österreich, in der Schweiz und in Luxemburg, etwa „ee" statt „Ehe", „kan" statt „Kahn" oder „kann" und – ausgenommen die Satzanfänge – alles klein geschrieben werden soll, ist bald nach dem letzten Kriege wieder aufgelebt. Ihren Höhepunkt erreichte die Auseinandersetzung in den vergangenen beiden Jahren. Beide Seiten – die Fürsprecher einer von allen „Willkürlichkeiten“ der deutschen Rechtschreibung rigoros gereinigten „Stromlinien“-Schreibung und die Verteidiger der oft verwirrend schwierigen Rechtschreibregeln – haben sich in diesem Streitgespräch hoffnungslos ineinander verkrallt und führen es mit auffallender Gereiztheit, die sich in unsachlichen Argumenten und persönlichen Verunglimpfungen widerspiegelt.
1955-12-23
Im Hinblick auf die in verschiedenen deutschsprachigen Gebieten und Ländern in den letzten Jahren auf privater Basis erarbeiteten Reformvorschläge stellte die Ständige Konferenz der Kultusminister fest, daß allgemein die Anpassung der deutschen Rechtschreibung an den gegenwärtigen Stand der Sprachentwicklung gefordert und die Notwendigkeit gewisser Aenderungen anerkannt werde.
1955-04-17
Die Fragen zur Orthographiereform sind allerorten weiter diskutiert worden […]. Aber keineswegs ist die Gefahr der «Reformsturmflut» vorüber, und die endgültigen Entscheidungen, die in naher Zukunft bevorstehen, bleiben in beunruhigender Schwebe. Das ist der Grund dafür, daß wir noch einmal […] ins Gespräch eingreifen. Die geistigen, technischen, wirtschaftlichen Belange, die auf dem Spiele stehen, sind der höchsten Aufmerksamkeit des Publikums wert.
Zieht man aus der bisherigen Diskussion die Bilanz, so ist nicht daran zu zweifeln, daß eine Orthographiereform im Ausmaß der Stuttgarter Vorschläge keine Aussicht hat, durchzudringen. Das soll nun freilich nicht heißen, es müsse alles bleiben, wie es ist. Man wird im Gegenteil gut daran tun, den vorgesehenen Kongreß nicht etwa abzublasen; man soll ihn, wenn auch vielleicht etwas später, ruhig einberufen. Nach gut fünfzig Jahren ist es wohl an der Zeit, unsere Rechtschreibung wieder einmal gründlich zu bereden und die wirklich fälligen Aenderungen vorzunehmen.
Die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung hat über die Empfehlungen der «Arbeitsgemeinschaft für Sprachpflege zur Erneuerung der deutschen Rechtschreibung» vom 15. und 16. Mai 1954 ein Gutachten erstattet, das wir hier leicht gekürzt wiedergeben.
Die Diskussion über die «Stuttgarter Vorschläge» zu einer Reform der Rechtschreibung darf nicht ruhen, bis dieser Vorstoß, der eine Sprachvergewaltigung, noch krasser gesagt: eine Sprachschändung darstellt, abgewehrt ist. […] Die neue «ortografi» begeht ein Verbrechen wider den Geist der deutschen Sprache.
1955-02-04
Die Vereinfachung der deutschen Orthographie steht noch immer zur Diskussion. […] Obwohl die ganze Angelegenheit nicht von unserem Lande ausgegangen ist, müssen wir dazu Stellung beziehen, um vor allen Ueberraschungen und vollendeten Tatsachen geschützt zu sein. In diesem Zusammenhang wurde von der Neuen Helvetischen Gesellschaft am 2. Februar im Zunfthaus zum «Königstuhl» ein Diskussionsabend veranstaltet. […] In der anschließenden Diskussion, in der verschiedene Standpunkte zum Ausdruck kamen, überwog deutlich die Ablehnung.
1955-02-02
Die Gruppe Zürich der Neuen Helvetischen Gesellschaft veranstaltet am Mittwoch, 2. Februar, 20 Uhr 15, im Zunfthaus Königstuhl einen öffentlichen Diskussionsabend über die deutsche Orthographiereform und die Schweiz.
1954-11-11
Der sogenannte Duden-Ausschuß […] wird in nächster Zeit tagen, um Anträge zuhanden der verantwortlichen Instanzen Deutschlands, Oesterreichs und der Schweiz hinsichtlich der vielbesprochenen Vereinfachung der deutschen Rechtschreibung zu beschließen. In diesem Ausschuß ist auch der Deutschschweizerische Sprachverein vertreten; da seinem Vorstand daran lag, zu erfahren, wie «man bei uns» über die Erneuerung der Orthographie denkt, veranstaltete er kürzlich einen Ausspracheabend im «Weißen Wind».
1954-10
Von den rund 100 anfragen, die jeden monat die auskunftsstelle des Zweiges Berlin der Gesellschaft für Deutsche Sprache (Deutscher Sprachverein) erreichen, gehören regelmäßig über 50 in den bereich der rechtschreibung. So drängte sich der gedanke auf, einen eigenen abend ausschließlich der rechtschreibung zu widmen, und zwar am 24. märz unter der absichtlich etwas herausfordernd gehaltenen frage: Ist unsere rechtschreibung noch „richtig"? Es wurde die am besten besuchte und lebhafteste aller veranstaltungen.
1954-09-02
Nach einmütiger Auffassung erschwert die Reform das Lesen der deutschen Sprache. Statt zu einer Vertiefung in die in Schriftform vorhandenen Werke deutschen Geisteslebens führt sie nach Meinung der Versammlung zu einer Entfremdung vom deutschsprachigen Kulturgut, zu einer Produktionsverteuerung in der Herausgabe der Fach- und andern Zeitschriften und zu einer während jahrelanger Uebergangszeit sich bemerkbar machenden Verwirrung beim Leser, Abonnenten und Inserenten der Fachblätter.
1954-07-11
Um dem Leser eine Vorstellung zu vermitteln über die vorgeschlagenen Vereinfachungen und deren Auswirkung auf das Schriftbild, drucken wir nachstehend einen Ausschnitt aus Gottfried Kellers Novelle «Der Schmied seines Glückes» in der neuen Rechtschreibung ab. Da es für den Laien schwer halten dürfte, aus dem transkribierten Text die neuen Regeln zu erkennen, sei eine kurze Zusammenfassung der wichtigsten, das Schriftbild am stärksten verändernden Vereinfachungsmaßnahmen vorangestellt […]. Allein da ich Si in solcher verlegenheit sah, glaubte ich mich dergestalt auf di natürlichste weise bei Inen einzufüren, insofern ich etwa di ehre habe vor herren Adam Litumlei zu stehen.
Der Erreger Orthographiereform ist in Nachkriegszeiten immer besonders virulent. Als in den aufgewühlten Jahren nach 1945 vor allem in Deutschland und Oesterreich der alte Ruf nach Orthographiereformen aus der Abgeschlossenheit von mehr oder weniger sektiererisch anmutenden Reformbünden, von Berufsverbänden des graphischen Gewerbes, von Lehrerkonventen immer vernehmlicher in die Oeffentlichkeit herübertönte, sich zu massiven Eingaben an die Behörden verdichtete und diese sogar bei uns zu orientierenden Schritten veranlaßte, zeichnete sich die Gefahr einer unkontrolliert losbrechenden, alle Grenzen von Vernunft und Herkommen überspülenden Reformsturmflut ab. […] Die Behauptung, die deutsche Orthographie bedürfe heute einer Reform an Haupt und Gliedern, betrachten wir als maßlose Uebertreibung. Das schließt nicht aus, daß auch nach unserm Dafürhalten an vielen Stellen des orthographischen Systems Anlaß zu Ausbesserungen besteht, welche seine Handhabung wesentlich erleichter würden. Ueber ihre Dringlichkeitshierarchie kann man in guten Treuen verschiedener Meinung sein; den wünschbaren Gesamtumfang setzen wir persönlich wesentlich niederer an als die Mehrzahl auch der Schweizer Teilnehmer an der Stuttgarter Arbeitsgemeinschaft.
Das schroffe Nein, das die Zeitungsverleger- und Buchdrucker-Fachverbände als erste der geplanten Rechtschreibreform entgegengeschleudert haben, bedarf der Begründung vor der Oeffentlichkeit. […] Niemand kennt die Schwächen der heutigen Orthographie besser und niemand empfindet ihre Unzulänglichkeit schmerzlicher als gerade die Buchdrucker. Wenn sie sich trotzdem in die vorderste Reihe derer stellen, die einer abrupten, tiefgreifenden Umgestaltung den Kampf ansagen, so vor allem deshalb, weil sie eine zwar keineswegs ideale, aber doch festgefügte und gut eingespielte Ordnung einer jahre-, ja gar jahrzehntelangen Unordnung vorziehen. […] Kein Berufsstand – auch die Schule nicht – ist in so hohem Maße auf eine fest geordnete, allseits anerkannte Rechtschreibung angewiesen wie das Buch- und Zeitungsgewerbe; nirgends würde sich Unsicherheit, Nebeneinander und Gegeneinander ganz verschiedener Regeln so unheilvoll auswirken wie in den Tempeln der Schwarzen Kunst. Die Tauglichkeit von Reformvorschlägen darf also […] nicht allein vom Schreibtisch des Philologen oder gar nur von der Schulstube her beurteilt werden. […] In der Schweiz wird man übrigens gut tun, auf die große Konferenz hin mit Forderungen zu rechnen, die weit über das hinausgehen, was die «Arbeitsgemeinschaft» jetzt vorschlägt Diese Empfehlungen stellen ja ein Kompromißwerk dar, viel zu zahm, um jene einflußreichen Mitglieder der «Arbeitsgemeinschaft» zufriedenzustellen, die, wie ein Augenzeuge der Stuttgarter Verhandlungen schreibt, «die Orthographie so gründlich meucheln wollten wie nur möglich».
Wenn trotz allem Schulmeisterfleiß die Schüler nicht parieren und nicht richtig, wollte sagen, nicht «recht»schreiben lernen, so soll eben die Sprache selbst parieren. Und zwar gründlich, ein für allemal. Die Flausen ihrer orthographischen Willkür sollen ihr für alle Zeiten ausgetrieben werden. Man will ihr statt des Faltengewandes, das so viel Freiheit und Unberechenbarkeit zuläßt, ein knapp bemessenes Röcklein auf den Leib schneidern, eng anliegend, sachlich wie ein Trikot. Das neckische Faltenspiel der bisherigen Schreibweise, das den gleichen Laut bald mit eu, bald mit ö, jetzt mit ah, dann mit aa, dann einfach mit a zeichnet, paßt einfach nicht mehr in die Zeit der zweckhaft glatten Stahlrohrmöbel und Atomraketen. […] Der Weg ist dann von da nicht mehr so weit zur allgemeinen Einführung der Comic-strips anstelle des Sprachunterrichts, zum radikalen Fernsehen und zu den reinen Bildmagazinen, so daß wir die Zeit schon nahen fühlen, wo die Menschen ohne alles lästige Schreiben und Lesen auskommen. Damit wird das Orthographieproblem dann seine endgültige Lösung gefunden haben. […] Natürlich würde zunächst einmal der allergrößte Teil der heute in Bibliotheken aufbewahrten Bücherschätze in kürzester Zeit unlesbar.
1954-06-25
Die Teilnehmer unserer kleinen Enquête bildeten ihre Meinung auf Grund des extremen Reformvorschlages, der aus der gegenwärtig im Gange befindlichen Diskussion um eine deutsche Rechtschreibereform zu unserer Kenntnis gelangte. Er ist aufzufassen als ein Inventar aller Reformwünsche, die in den deutschsprachigen Ländern vor allem aus Lehrerkreisen angemeldet werden.
[…] beeile ich mich, zu erklären, dass ich mich auf die Seite der Opponenten gegen die geplante Verarmung, Verhässlichung und Verundeutlichung des deutschen Schriftbildes stelle.
Im Vergleich zu beiden [sprachen französisch und englisch] kann unsere deutsche Sprache als «beatus possidens» bezeichnet werden. Sie besitzt eine so reiche Formenunterscheidung (z. B. Fälle, Geschlechter, Adjektivflexion) und sie lebt noch so kräftig aus ihrem unmittelbaren Klang, dass sie sich eine massvolle Reform ihrer Rechtschreibgewohnheiten sehr wohl leisten kann, ja dass ihr daraus ein Gewinn an Kraft und Klarheit erwächst und darum kommt der Beobachter und Liebhaber einer lebendigen Sprache zum Schluss, dass wir heutigen Deutschsprechenden uns diese Erneuerung auch leisten sollten.
Die vorgeschlagene neue Orthographie lehne ich, wie jede Verarmung der Sprache und des Sprachbildes, vollkommen ab.
Rezept, die Sprache nach den geistig Schlichten und nach den faulsten Köpfchen auszurichten.
Nun, es ist kein Witz, sondern Ernst – vor 1900 hätte man geschrieben «thierischer» Ernst, und wenn die entfesselten Pedanten recht behalten, die uns etwas bescheren wollen, was sie unverfroren als Reform bezeichnen, dann wird es binnen kurzem «tirischer Ernst heissen. Der Sprecher dieser Reform heisst in Deutschland Thierfelder. Dafür kann er nichts; aber ein Minimum an Opferbereitschaft müsste ihn veranlassen, sich «tirfelder» zu nennen.
Somit stimmt dieser ganze fragebogen, wie er zur stellungnahme vorgelegt wurde, in mehrfacher beziehung heute nicht mehr. Vollständig abgeklärt ist eigentlich erst die forderung der gemässigten kleinschreibung, wie ich sie seit dreissig jahren anwende […]; ferner die weglassung des h nach t und r und die ersetzung des ph durch f in fremdwörtern […], sowie die weiterführung der bereits begonnenen eindeutschung geläufiger fremdwörter, die beseitigung ortografischer doppelformen, die vereinfachung der silbentrennung und kommasetzung und die ersetzung des scharf-s durch ss.
Die Entwicklung der Sprache, selbst wenn es sich um blosse Orthographie handelt, verläuft in Evolutionen wesensgemässer als in Revolutionen.
Sig der schizofreni?
Derjenige, dem die Orthographie zu schwer ist, soll nur ruhig nicht lesen und schreiben lernen: Seit das Radio, das Fernsehen und das Diktaphon erfunden worden sind, kommt man wieder ganz gut als Analphabet durch die Welt. Aendert man die Orthographie, ändert man die Sprache […]. Nie sah ich ein gewisses stets reformwütiges Schulmeisterdenken vollendeter widergespiegelt als nun in der neuen Orthographie.
Was ist mit unsern armen Lehrern los? fragte ich mich besorgt.
Für die meisten Verleger würde die Notwendigkeit, bei neuen Auflagen alle Bücher in der neuen ortografi neu setzen zu müssen, den wirtschaftlichen Ruin bedeuten, da der Stehsatz eine wesentliche Grundlage verlegerischer Kalkulation darstellt.
1954-06-24
Die Empfehlungen für eine deutsche Rechtschreibereform, die von der deutsch-österreichisch-schweizerischen Arbeitsgemeinschaft für Sprachpflege ausgearbeitet worden sind, wurden am Montag in Stuttgart veröffentlicht und damit zur allgemeinen Diskussion gestellt. […] Die in allen kulturellen Dingen lebhaft und geschliffen Stellung nehmende Wiener Zeitschrift «Forum» hat auch diesem Stuttgarter Bombenteppich eine Glosse gewidmet (Heft 6). Sie spricht von «fundamentalen Neuerungsplänen, die infolgedessen aller Fundamente entbehren»; man sei sie gewohnt gewesen. Das stimmt. Bisher war etwa alle Maikäferjahre die Rede davon. Diesmal ist die Gefahr ernst.
1954-06-23
Der Zürcher Preßverein befaßte sich nun […] an seiner Quartalsversammlung nach der Aufnahme einiger neuer Mitglieder ausschließlich mit der Frage der Orthographiereform. W. Heuer, Chefkorrektor der «Neuen Zürcher Zeitung», hielt das einführende Referat. […] In der anschließenden Diskussion […] stießen die Vorschläge der «Arbeitsgemeinschaft für Sprachpflege» 1954 auf starke Kritik.
1954-06-22
Die Arbeitsgemeinschaft erklärt, daß sie in ihren Empfehlungen «nur die wichtigsten Reformwünsche berücksichtigt» habe, die in den letzten Jahrzehnten in Aufsätzen, Denkschriften und Entschließungen geäußert worden seien.
Die Arbeitsgemeinschaft empfiehlt die gemäßigte Kleinschreibung aller Wortarten. Die großen Anfangsbuchstaben sollen nur für den Satzanfang, für Eigennamen, für Fürwörter der Anrede und für bestimmte Abkürzungen beibehalten werden. […] Nach weiteren. Vorschlägen, die insgesamt in acht Punkten zusammengefaßt sind, sollen die Buchstabenverbindungen vereinfacht werden.
1954-04-01
Dr. Konrad Duden würde, wenn er noch am leben wäre und mitwirken könnte, voll und ganz für eine gründliche vereinfachung unserer rechtschreibung eintreten! Ein halbes jahrhundert seit 1901 ist aber wahrlich zeit genug, daß die allgemeinheit zu der erkenntnis kommen sollte, die Dr. Konrad Duden schon vor der jahrhundertwende in sich trug und verfocht.
1954-03-09
Als vor gar nicht langer Zeit in Frankreich […] ein Attentat auf die Orthographie geplant wurde, da hat sich die Öffentlichkeit mit einer Vehemenz gewehrt, an der sich das deutsche Sprachgebiet hoffentlich ein Beispiel nehmen wird, wenn eines Tages solche Projekte uns zu überrumpeln drohen.
1954-01-29
Er ist der Auffassung, daß eine Orthographiereform, die das Schriftbild unserer Sprache mit einem Schlag wesentlich verändern würde, einen tiefen Graben zwischen den Generationen aufreißen und dem gesamten Geistesleben großen Schaden zufügen müßte.
1954
text: Der Platz, an dem ich schreibe. 17 Erklärungen zum Handwerk des Schriftstellers.
Die "empfehlungen" […] gehen wahrscheinlich weiter, als der schulausschuß der kultusminister-konferenz sich ursprünglich vorgestellt haben mochte. Doch ist er keineswegs so radikal, wie es in der presse schon öfters dargestellt worden ist […]. Er ist, da man von vorne herein ein praktisches ziel vor augen hatte, ein kompromißwerk.
1953-05-28
Mit der Reform der deutschen Rechtschreibung scheint es nun langsam Ernst zu werden. […] Letztes Jahr nun hat zum erstenmal das Gespräch über die Landesgrenzen eingesetzt. Ohne eigentlichen offiziellen Auftrag ist eine Gruppe von Gelehrten aus Westdeutschland, Oesterreich und der Schweiz in Konstanz zu einer ersten Sitzung zusammengetreten […]. Schon im Frühjahr 1948 hat sich die Konferenz der schweizerischen Erziehungsdirektoren […] mit der Frage der Rechtschreibreform befaßt und hierauf den Deutschschweizerischen Sprachverein mit den nötigen Vorarbeiten beauftragt, um die schweizerischen Vorschläge zuhanden der Vertreter unseres Landes an einer kommenden Orthographiekonferenz zu bereinigen. Der Sprachverein betraute einen […] zehnköpfigen „Duden-Ausschuß“ mit der übernommenen Aufgabe. Dieser Ausschuß hat inzwischen unter dem Vorsitz von Prof. Dr. A. Steiger (Küsnacht) in über fünfzig Sitzungen seines Amtes gewaltet. Er hat die Grundsätze für die künftige Rechtschreibung festgelegt und das ganze Dudensche Wörterbuch […] auf Reformbedürftiges hin untersucht.
1952
Allen vorschlägen gemeinsam ist […] das verlangen nach der einführung der antiqua in schrift und druck, ferner anpassung gebräuchlicher fremdwörter an die deutsche schreibweise und drittens die beseitigung möglichst vieler doppelschreibungen. Für die gruppe, die nur annähernd oder grobfonetisch schreiben will […] ergibt sich als minimalprogramm folgendes: gemäßigte kleinschreibung […], teilweise abschaffung der dehnungsbezeichnungen […], fonetische anpassungen […]. Das minimalprogramm […] trägt auch der vernünftigen forderung rechnung, daß das bestehende schriftbild nicht allzu sehr verändert werden dürfe […].
Die bedeutungsvollsten punkte dieses reformprogramms sind zweifelsohne der übergang zur gemäßigten kleinschreibung & die teilweise abschaffung der dehnungsbezeichnungen.
Es wird ein "bewußte, einsichtsvolle gestaltung der rechtschreibung gefordert, schon im hinblick auf ihre soziale bedeutung".
1950-09-23
Von diesem Charakter der Sprache und der Schrift her gesehen ist nun die übliche Substantiv-Großschreibung dreifach ein Fremdkörper: sie ist grundsätzlich klangfremd – sie ist nie ohne Spitzfindigkeiten durchführbar – sie ist im Verhältnis zu allen andern Zeichen und Ausdrucksmitteln viel zu präzis, so daß sie einen falschen Schein von Genauigkeit vortäuscht, wenigstens wenn man sie ernst nimmt. […] Darum bietet auch die starre, grammatikalisierte und logisierte Großschreibung, die wir heute haben, trotz einem auch in ihr noch lebenden Funken von Größe, für echten Gedankenausdruck keinen Vorteil. Ja, sie ist durch ihre scheinbare Präzision eher eine Gefahr, indem sie eine Idealität des Ausdrucksmittels vortäuscht, die eben einfach nicht besteht und nicht bestehen kann. Sich für wahre Interpretation auf sie zu verlassen, bedeutet etwa gleichviel, wie wenn man eine Rechnung, deren Meßgrundlagen nur auf Meter genau sind, nachher bis zu Zehntels-Millimetern ausführt. Man täuscht dabei durch das Verfahren eine Genauigkeit vor, die in Wirklichkeit nicht besteht.
1950-09
Die diskussion über die gemäßigte kleinschreibung hat einen gewaltigen sturm entfacht und auch im nächsten halben jahr noch da und dort die gemüter erregen. Die freunde der kleinschreibung freuen sich darob, denn die frage »groß oder klein?« soll nicht leichthin entschieden werden. Sie ist einer eingehenden prüfung wert. […] Das moderne deutsch der presse, des geschäftswesens, des romans, des schulbuches usw. usw. kann die substantivmajuskeln jederzeit entbehren. Es wird nicht jedermann leicht fallen, sich von der bisherigen schreibgewohnheit zu trennen. Es mag mancher das gefühl nicht loswerden, mit der großschreibung verliere die sprache etwas wesentliches. Die schule aber wird bei einer abschaffung der alten regeln erleichtert aufatmen und die nachteile wettzumachen wissen.
1950-07-08
Nun besitzen wir in den Majuskeln ein sehr einfaches Mittel, die Akzidentalsubstantive dem Leser deutlich zu machen und außerdem viele homonyme Wörter zu unterscheiden […]. Indes wollen die Anhänger der Kleinschreibung glauben machen, es gehe doch jeweils aus dem textlichen Zusammenhang hervor, welche Wortbedeutung gemeint sei. In vielen Fällen ist wirklich auch ohne Großbuchstaben der Sinn sofort klar, in manchen jedoch erst nach einigem Nachdenken, und in einzelnen bliebe eine Mehrdeutigkeit.
1950-07-01
Denn hell ist wieder einmal die Diskussion um eine gründliche Reform der deutschen Orthographie entfacht. Als erste Remedur ist die Abschaffung der großen Anfangsbuchstaben bei Hauptwörtern im Satzinnern in Aussicht genommen, und bereits haben weite Kreise der deutschschweizerischen Lehrerschaft, zur Stellungnahme offiziell aufgefordert, diesen Vorschlag begrüßt, ziemlich bedenkenlos, als sei die Großschreibung lediglich ein alter wilder Auswuchs unserer Schriftgestalt, den man schadenlos abschneiden könne. Wer sich indessen ernsthaft überlegt, ob es wirklich ratsam sei, die Substantivmajuskeln aufzugeben, der wird vorerst erfahren wollen, wie und warum diese Eigenheit der deutschen Schreibweise aufgekommen ist, und sodann kritisch prüfen, ob gewichtige Argumente für die Beibehaltung wiegen.
1950-06-16
Mit großem Mehr bekannten sieh alle vier Abteilungen des Stadtkapitels zur vereinfachten Rechtschreibung in der Frage der Groß- und Kleinschreibung. der Dingwörter. Ebenso entschieden wurde die gemäßigtere Lösung einer radikalen Vereinfachung vorgezogen. Eine weitere Vereinfachung der Rechtschreibung wird vom Kapitel nicht gewünscht.
1950-05-23
Am 7. Mai fand in Zürich unter dem Vorsitz von Dr. E. Haller (Aarau) die Jahresversammlung des Bundes für vereinfachte Rechtschreibung statt, der im abgelaufenen Jahr auf sein 25jähriges Bestehen zurückblicken konnte. Die von der Konferenz schweizerischer Erziehungsdirektoren vom 12. Oktober 1949 angeregte Abstimmung unter der Lehrerschaft der deutschen Schweiz hat bereits in verschiedenen Kantonen begonnen. Bis jetzt entschieden sich die Konferenzen meistens mit großem Mehr für die gemäßigte Kleinschreibung gegenüber dem heutigen Zustand und auch gegenüber dem Antrag des Duden-Ausschusses des Deutschschweizerischen Sprachvereins auf eine „vereinfachte Großschreibung“.
1950-03-17
Im österreichischen Buchgewerbehaus fand gestern eine Pressekonferenz zu dem Thema „Amtliches österreichisches Wörterbuch“ statt. […] Ministerialrat Stur erklärte, daß für das Wörterbuch 2000 Vorschläge eingelangt waren, die von einer Kommission von 35 Fachleuten geprüft wurden. Es wird keine Rechtschreibreform durchgeführt, sondern die alte Form revidiert […]. So wird zum Beispiel Dschip, mit einem Pfeil versehen, unter „Jeep“ zu finden sein.
1950-03-03
An dem neuen Werk arbeitet eine vierziggliedrige Kommission (Vorsitz Ministerialrat Stur) […]. In einem von der Kommission herausgegebenen Merkblatt heißt es: „Das ‚Amtliche österreichische Wörterbuch‘ ist selbstverständlich ein Wörterbuch der deutschen Gemeinsprache und kein Wörterbuch der österreichischen Umgangssprache oder gar der österreichischen Mundarten“. Das klingt beruhigend und ist geeignet, die Bedenken derer zu zerstreuen, die eine Herauslösung des Österreichischen aus der gesamtdeutschen Schriftsprache befürchteten. […] Über die künftige Schreibung der Fremdwörter hat sich eine besonders leidenschaftliche Debatte erhoben. Die Sachlage ist, wie der Vorsitzende der Kommission versichert, von der Tagespresse unrichtig und übertrieben dargestellt worden. […] Wir nehmen also mit Befriedigung zur Kenntnis, daß eine Reform der Fremdwortschreibung nicht geplant ist. […] Der Franzose sollte uns in sprachlichen Dingen überhaupt Vorbild sein […]. Der Franzose weiß auch am besten in Europa, daß Radikalismus gerade auf dem Gebiet der Sprache nur schädlich wirken kann. Selbst der Engländer ist hier anfälliger, wie der umstürzlerische, allerdings dann doch abgelehnte Entwurf einer Rechtschreibereform beweist.
Die Debatte um die neue Rechtschreibung hat schon zu zahlreichen Mißverständnissen geführt‚ bevor die zur Verhinderung sprachlicher Mißverständnisse überhaupt in Angriff genommene Arbeit noch fertiggestellt war. Berufene und Unberufene meldeten sich für und wider zu Wort‚ mancher fühlte sich übergangen‚ bevor er das Produkt mannigfaltiger Bemühungen überhaupt zu Gesicht bekommen hatte, die Witzblatt-Fabrikanten fanden ein neues Betätigungsfe1d und Humoristen übten sich bereits in der „Übersetzung“ diverser klassischer Verse in die neue „Unterrichtssprache“.
In Beantwortung einer Anfrage der Abg. Dr. Stüber und Genoſſen betreffend die deutſche Rechtſchreibung in Oeſterreich teilte Bundesminiſter für Unterricht, Doktor Hurdes, mit, daß die Preſſemeldungen über eine geplante Rechtſchreibreform jeder objektiven Grundlage entbehren. […] Die Reaktion auf die alarmierenden Nachrichten der Zeitungen über eine Rechtſchreibreform war derart heftig, daß eine Anregung zu einer Rechtſchreibreform in Oeſterreich derzeit auf Ablehnung ſtieße.
1950-03-02
Die Wiener Sprachgesellschaft an der Universität Wien veranstaltet Montag, den 6. März, um 18 Uhr im Hörsaal 41 der Universität einen Vortrag von Privatdozent Dr. Anton Sieberer über das Thema „Brauchen wir eine Rechtschreibreform?“.
1949-03-12
Nach dem Vorſchlag ſollen die Buchſtaben C, Y, X, Q und Doppel L, Doppel F und Ph aus der Orthographie verſchwinden. Der unabhängige Abgeordnete Sir Alan Herbert (Univerſität Oxford) ſprach ſich gegen den Antrag aus und gab das folgende Beiſpiel der neuen Orthographie: „Ei bil tu ſet up komiti tu introdius ei raſhunal ſpeling widh ei viu tu meiking ingliſh ei uerld languij.“ In der bisherigen Orthographie würde dieſer Satz lauten: „A bill to ſet up a comittee to introduce a rational ſpelling with a view to making Engliſh a world language.“
1946-08-24
So ist denn auch gewiß der Leitung der „Neuen Zürcher Zeitung“ der Entschluß nicht leicht gefallen, von der altgewohnten Fraktur zur Antiqua überzugehen.
1946-08-04
Der Anteil der Antiqua an den Druckwerken deutscher Zunge erlangte bei Ausbruch des ersten Weltkrieges den Höhepunkt. Langsam und in der Zeit Hitlerdeutschlands in steigendem Maße und durch Verbote beschleunigt, sank der Anteil der Antiqua am Schrifttum im Deutschen Reich auf ein Minimum. Erinnern wir uns nur an die schöne Goethe-Monumentalausgabe, die in Antiqua begonnen, auf höheren Befehl eingestampft und in Fraktur neu gedruckt werden mußte. Fraktur und Antiqua stehen sich heute als feindliche Brüder gegenüber; sie sind zum symbolischen Ausdruck zweier Weltanschauungen geworden. Unter dem Einfluß der europäischen Kultur folgte der Gebrauch der Antiqua im heutigen Gebiet der Schweiz demjenigen in den geistesverwandten Nachbarländern; Genf hielt sich an Frankreich, und Basel sowie Zürich folgten im großen ganzen und mit Ausnahme des letzten Jahrzehnts den reichsdeutschen Strömungen. […] Seit der Mitte des 18. Jahrhunderts machte sich besonders in Zürich unter dem Einfluß des Klassizismus eine Vorliebe für die Antiqua geltend. […] Unter dem zunehmenden Einfluß des reichsdeutschen Verlagswesens folgte die deutschsprachige Schweiz der Entwicklung im Reich, machte sich aber während des zweiten Weltkrieges frei. Damit gelangte die Antiqua bei uns zur Vorherrschaft.
1946-08-01
Unsere Fraktur stirbt eines natürlichen Todes, da es […] unmöglich geworden ist, die einem ständigen Abnützungsprozeß unterworfenen Schriftsätze zu erneuern und zu ergänzen. […] Von heute an wird also unser Blatt in der neuen Schrift erscheinen. Der Sprung von der Fraktur zur Antiqua, den wir tun, ist nicht so groß, wie er manchen auf den ersten Blick scheinen mag. Schon bisher ist ein Teil des Blattes, der Handelsteil, und sind eine Reihe ständiger Beilagen in Antiqua gedruckt worden.
1945-01
Aus Deutſchland kommt die Kunde, der Reichsminiſter für Wiſſenſchaft, Erziehung und Volksbildung habe „von ſich aus“ in die Rechtſchreibung eingegriffen und Regeln erlaſſen, die in einem 96 Seiten ſtarken Büchlein in den nächſten Wochen den deutſchen Schulkindern eingehändigt würden. Über dieſe Regeln […] könnte man reden; ſie bringen außer dem ungewohnten Schriftbild vieler Fremdwörter keine großen Umwälzungen, z.B. nicht etwa die Kleinſchreibung der Dingwörter […]. Was aber das ganze Unternehmen als gründlich verfehlt erweiſt, iſt die Beſtimmung, daß „der gegenwärtige Schreibgebrauch vorläufig auch weiterhin in Geltung bleiben kann“. Das iſt ſo ziemlich das Allerungeſchickteſte, was man in dieſer Sache beſtimmen konnte, denn durch dieſe „Beſtimmung“ wird alles unbeſtimmt; jeder ſchreibt, wie er will […].
1944-10-15
Nachdem die alte Schreibweise nach Duden „vorläufig“ weiterbestehen kann, wird nur ein Durcheinander entstehen. Der eine Autor schreibt so, der andere nach den neuen Regeln. Kommen zwei solcher Aufsätze in einer Zeitschrift zum Abdruck, dann wird mancher Uneingeweihte beim Lesen den Kopf schütteln und sich über die Arbeitsweise in der Druckerei seine Gedanken machen.
1943-05-01
Mit dem heutigen Tage ist auch der „Oberschlesische Wanderer“ zur deutschen Normalschrift, der „Antiqua“, übergegangen. […] Es ist sehr wichtig, wenn der ausländische Leser unserer Zeitungen, statt durch das Gewirr ihm fremd anmutenden Schrift dringen zu müssen, in den klaren Schriftformen der ihm vertrauten Antiquaschrift leichter und bereitwilliger unsere Sprache und Kultur in sich aufnehmen kann. Die deutsche Zeitung, die deutsche Zeitschrift und das deutsche Buch sind unsere Brücke zur Welt. Wenn wir zur Welt sprechen wollen, müssen wir alle Aeußerlichkeiten entfernen, die uns dabei hinderlich sein können.
1941-09-14
Ein Kulturvolk wie das deutsche, das sich mit dem Gedanken trägt, seine Rechtschreibung zu reformieren — und dies so bald wie irgendmöglich —, will durch Vereinfachung des Verwickelten sein geistiges Leben entlasten und ihm dadurch neue Kräfte und Wirkungsmöglichkeiten zuführen. Wir wissen, daß es sich da um ein gefährliches Unterfangen handelt, daß ein bißchen Zuwenig das Vorhaben um seine ganze Wirkung bringen kann und daß ein geringes Zuviel unabsehbare Verwirrung stiften, ungeahnte Gegenkräfte entbinden und unberechenbare Schwierigkeiten herbeiführen kann.
1938-11-20
Die Vorschriften über ß und ss verloren stark an Bedeutung, nachdem der Erziehungsrat im März 1933 die Deutsche Fraktur lediglich noch als Leseschrift erklärt halte. […] Der Erziehungsrat beschloß deshalb, die Lehrkräfte aller Schulstufen anzuweisen, im Unterricht das ß oder sz durch ss zu ersetzen.
1931-06-17
Die geringe Konſequenz, die im Syſtem der deutſchen Rechtſchreibung liegt, die vielen Regeln, die anderſeits wieder unzählige Ausnahmen zur Folge haben, ließen unſere deutſche Rechtſchreibung zum mitgeſchleppten Ballaſt unſerer Schrift und zum Sorgenkind der Schulen werden. […] So war ſich denn die zahlreich verſammelte Hauptſchullehrerſchaft des Landes einig in dem Beſchluß, die Frage der Rechtſchreibreform aufzurollen, ihr in der Fachzeitſchrift „Katholiſche Volksſchule“ und in der Tagespreſſe näherzutreten mit dem erſten Teilziel: Abſchaffung der Großſchreibung in allen Wörtern, die nicht Eigennamen ſind oder nach Punkt den neuen Satz einleiten.
1931-05
[…] »daß man heute selbst in kreisen, von denen man bessere kenntnisse der rechtschreibung erwarten sollte, eine fürchterliche unsicherheit hinsichtlich der großschreibung beobachten und häufig erleben kann, daß selbst zweifelsfreie hauptwörter klein geschrieben werden« . wir ziehen daraus die einzig mögliche folgerung : klein schreiben !
rein wissenschaftliche darlegungen lassen sich in absoluter kleinschrift durchaus verständlich veröffentlichen . würde ich aber heute, wie ich es wohl möchte, meine bücher nur in kleinschrift drucken lassen, so würde es heißen: eigenbrötler, schrulle, eitelkeit, sonderling, und man würde in ablehnender voreingenommenheit, indem man sich über die form aufhält, auf den inhalt gar nicht eingehen !
das abendland hat eine rückentwicklung in der schrift erlebt . wir stecken im griechischen zustand der zweischrift (groß und klein) . wir deutschen stecken außerdem in einer weiteren sackgasse: wir leisten uns etwa dreißig zeichen für den gleichen laut! bitte, man stelle zusammen, auf wie vielerlei art wir langes o bezeichnen . sich hiermit zu befassen, ist arbeit am deutschtum, an seiner zukunft […] . man stelle zusammen sämtliche schreibweisen unserer laute . nehmen wir vorsichtig an, es kommen im durchschnitt zwanzig für jeden zusammen (antiqua und fraktur, je groß und klein, je druck und schreib), macht acht . dazu malzunehmen mit der vielheit der rechtschreibung (so, ohne, boot, soest, bülow), so haben wir einen zeichenschatz von 500 grundlautzeichen zur bewältigung unserer schrift – chinesisch hat nur 214 klassen- oder wurzelzeichen für seine wortschrift ! wissen wir jetzt, warum deutsch so schwer ist ?
viele kreise glauben immer noch, die kleinschreibung als modische angelegenheit abtun zu können . sie meinen, daß es sich hier um probleme handle, die »künstlich«, ohne innere berechtigung heraufbeschworen seien und von bestimmten gruppen aus neuerungssucht propagiert würden . das ist ein irrtum . die fragen der kleinschreibung tauchen heute nicht zufällig auf, und nicht aus sensationslust stellt man sie zur debatte . die gegenwartssituation der schrift vielmehr drängt diese probleme in den vordergrund und verlangt gebieterisch von unserer zeit eine lösung .
auch die lehrer und lehrervereine sind der kleinschrift und der lateinschrift sehr zugetan und ersehnen deren einführung in der schule, denn die schulkinder hätten unglaublichen nutzen davon /
[…] eine weitere wichtige frage ist noch zu lösen […]; das ist die frage der trennung der sätze voneinander . vielerlei lösungen sind da schon vorgeschlagen: schrägstriche, sternchen, fetter punkt . alle diese zeichen haben mehr oder weniger starke mängel . […] wir müssen aber mit den zur zeit gegebenen schlußzeichen auskommen, und eine lösung ist sehr gut möglich . wir stecken einfach rechts und links des punktes ein drittel- oder viertelgeviert; der punkt, so in den raum gestellt, trennt, ohne vom auge als störend empfunden zu werden, ohne ein großes loch innerhalb der zeile zu verursachen . auf diese weise wird es möglich sein, für die kleinschrift weitere kreise zu gewinnen, ohne konzessionen in der frage des satzanfanges und der eigennamen zu machen .
wenn wir heute darangehen, die großbuchstaben für den glatten text auszuschalten, so tun wir es gerade aus dem entgegengesetzten grunde, wie die alten buchdrucker es taten, nämlich: um wieder klarheit in das seitenbild hineinzubringen […] . berücksichtigt werden kann auch der wunsch vieler anhänger der kleinschriftbewegung, die ohne versalien für satz- und namenanfünge nicht glauben auskommen zu können . wenn eine reform der rechtschreibung im letztgenannten sinne zunächst durchgeführt werden könnte, so wäre sicherlich schon viel gewonnen und unserm volke ein nicht zu unterschätzender dienst erwiesen .
wir schrieben also von einem tage an alle geschäftsbriefe ohne umschalten und ohne großbuchstaben […] . und wie verhielten sich nun die anderen leute zu unserm kleinschreiben ? niemand blieb dabei gleichgültig und gelassen, jeder sagte stets laut und klar seine meinung zu der änderung im schriftbild, die doch eigentlich fast unmerklich klein und nebensächlich scheint . die kinder waren dabei, wie oft, die sachlichsten und klügsten . sie sagten: ei fein, da gibt es weniger rote kreuze im aufsatz ! worüber dann vater und mutter und alle erwachsenen sehr erhaben oder auch sehr entrüstet lächelten ! die erwachsenen spalteten sich stets in zwei gruppen, die sofort im angriff gegeneinander gingen .
die neue typographie hat sich ganz besonders gegen ein geistesphlegma zu wehren, das von traditioneller gewohnheit unterstützt wird und schon seit jeher gegen alles auch nur scheinbar neue großes mißtrauen hegt . […] die kleinschrift ist nichts neues . – neu und erfrischend wirkt sie in der sogenannten neuen typographie, für deren gestaltung sie von besonderer bedeutung ist .
ich sehe vorerst für die druckwirtschaft keinen nennbaren vorteil . im arbeitsprozeß wird keine zeit gespart, das benötigte schriftquantum wird nicht wesentlich herabgesetzt, und von den vorhandenen matrizen für schriften und setzmaschinen darf keine fehlen, da sie für die fremden sprachen benötigt werden . […] trotzdem bin ich für kleinschreibung . […] kleinschrift in dem sinne, wie sie von den uns umgebenden völkern angewendet wird, wäre für uns das gegebene. dieser schritt wäre schon gewaltig, hätte aber nicht die großen nachteile wie eine restlose ausmerzung der großbuchstaben .
wenn wir zur kleinschreibung übergingen, was ich gern befürworte, so wäre es aber ein unding, die großbuchstaben vollständig außer gebrauch zu setzen . wir könnten höchstens nur in der art der übrigen europäischen völker verfahren […] .
die einführung der kleinschrift (einschrift) hat gewiß etwas bestechendes, und ich persönlich bin der überzeugung, daß man mit ihr allein ganz gut auskommen könnte . […] aber so begrüßenswert die bewegung für die kleinschrift ist, so darf man bei der beurteilung dieser frage doch die ungeheuren schwierigkeiten nicht übersehen, die sich der einführung entgegenstellen . zunächst spielt die liebe gewohnheit hier eine große rolle; sie ist ein nicht zu unterschätzender hinderungsgrund für die vollständige beseitigung der großbuchstaben . vor allem aber ist nicht außer betracht zu lassen, daß alle kulturvölker, die sich unsrer schrift bedienen, die großbuchstaben bei satzanfängen und eigennamen (manchmal sogar noch darüber hinaus) anwenden . […] daraus ergibt sich eigentlich schon, daß wir unsre schreibung dem internationalen gebrauch anzupassen haben . aus rein praktischen gründen muß darum das nächste ziel der reform sein: abschaffung der großbuchstaben bei den sogenannten »haupt«wörtern; denn dieser großschreibung haben wir den kuddelmuddel zu verdanken .
wir wissen, daß es nicht in der macht unserer schweizerischen verhältnisse liegt, in der reformentwicklung ein bedeutender mitbestimmungsfaktor zu sein; um so mehr sind unser aller augen auf deutschland gerichtet, und besonders auf den bildungsverband der deutschen buchdrucker, der kulturell und bildnerisch schon so großes geschaffen hat, und der es hoffentlich auch schaffen wird, daß die deutsche rechtschreibung aus dem ausschließlich doktrinär-akademischen fahrwasser in vernünftige volkstümliche bahnen gelenkt wird, und zwar je eher, um so besser !
die ersten schritte zur einführung der kleinschreibung in sowjetrußland wurden im januar 1925 unternommen […] / nach eingehender prüfung wurde am 11. juni 1930 ein kongreß des wissenschaftlich-technischen rates abgehalten […] / nach langen debatten lehnte der kongreß den vorschlag morosoff (verwendung von kapitälchen) ab und stimmte mit überwiegender mehrheit dem vorschlag schtschelkunoff (absolute kleinschreibung) zu / […] praktisch wird die kleinschreibung bereits in vielen fällen angewandt, jedoch muß erst noch die überwiegende anzahl der presse erfaßt werden / daß die allgemeine einführung der kleinschreibung sich durchsetzen uud zum ziele gelangen wird, ist nicht mehr zu bezweifeln /
1929-08
was uns bewegt, zu dieſem aktuellen problem ſtellung zu nehmen und dieſen aufſatz in kleinſchrift zu bringen, iſt die tatſache, daß die kleinſchreibung ſich immer weitere kreiſe erobert, und daß vielfach angenommen wird, die kleinſchreibung hänge eng mit der neuen richtung in der typographie zuſammen.
inzwiſchen haben dieſe gründe auch andre menſchen »als richtig anerkannt« und die kleinſchreibung »in benutzung genommen«. täglich kommen neue anhänger hinzu. die ſtaatlichen ſtellen werden der entwicklung wieder nachhinken. wir buchdrucker wollen aber mitgehen mit der entwicklung und nicht nachhinken; denn die kleinſchrift iſt eine vereinfachung! vereinfachung und nochmals vereinfachung! an dieſem punkte kommen rechtſchreibung und neue typographie zuſammen.
die gewerkſchaft deutſcher volksſchullehrer faßte auf ihrem letzten verbandstag einen beſchluß gegen die jetzt geltende rechtſchreibung, der eine kampfanſage ſchärfſter art iſt. in der »freien weltlichen ſchule«, heft 4 (1929) wird die rechtſchreibung als ein »verkapptes reaktionäres dreſſurmittel« bezeichnet: »die rechtſchreibung iſt eine förmliche geiſtige folter für die jugend, eine folter wie die übermäßige arbeitszeit, für deren herabſetzung die beſten menſchen jahrzehntelang gekämpft und gelitten haben ... deutſche rechtſchreibung, das iſt noch der unverfälſchte geiſt des militarismus, das iſt noch dreſſur zum gottbegnadeten untertanenverſtand und kadavergehorſam, das iſt noch die alte deutſche, autoritäre erziehung in reinkultur. die deutſche rechtſchreibung iſt ein hohn auf die demokratiſche erziehung. dieser unfug, den wir immer noch dulden, iſt die brutale rechtſchreibung des klaſſenſtaates, der den heranwachſenden an eben diesen heiligen klaſſenſtaat von ewigkeit zu ewigkeit zu gewöhnen versucht... ſchon durch seine geburt iſt das proletarierkind verurteilt, unter der rechtſchreibung ganz besonders zu leiden.
in dem ſoeben im verlag des bildungsverbandes, gmbh., erſchienenen buche von philipp albinus in frankfurt am main: »grundſätzliches zur neuen typographie« […] iſt über die kleinſchreibung und den verſalſatz […] folgendes zu leſen: »die kleinſchreibung iſt in der neuen typographie als äſthetiſches mittel zu bewerten. ob ſie ſich orthographiſch durchſetzen wird, iſt heute noch nicht zu überſehen. formal iſt ſie genau ſo berechtigt wie der verſalſatz, hat vor dieſem ſogar die leichtere lesbarkeit voraus. […]«
1928-11-10
[…] das Oberlandesgericht Köln musste sich mit dem exzeptionellen Fall beschäftigen. Es kam zu folgendem Ergebnis: "[…] Der Gebrauch der kleinen Anfangsbuchstaben beeinträchtigt nicht die Lesbarkeit und die Verständlichkeit der Klageschrift." (!!) Wodurch wieder einmal eine sehr wichtige Rechtsfrage in äusserst scharfsinniger und wie man zugeben muss, zufriedenstellender Weise gelöst ist.
1928-10-20
Im Auftrag des Kleinen Rates hat Herr Schulinspektor Bardola eine kurze Einführung zur neuen ladinischen Orthographie, die durch Kleinratsbesch1uss vom 12. September 1927 angenommen wurde, herausgegeben.
1928-09-25
Zwar hatte die vereinheitlichung und amtliche regelung sicher praktische vorteile, besonders für den buchdruck und auch für die schule. Andererseits wurde dadurch die weitere reform erschwert, wenn nicht unterbunden. […] Und als dann 1918 nach dem politischen zusammenbruch des reichs eine mächtige reformbewegung auf dem ganzen weiten feld des erziehungswesens einsetzte, kam auch die ortografiereform wieder in fluss. […] Der neuerwachte nationale chauvinismus steht einer reform nicht günstig gegenüber, und so ist vorläufig von Deutschland kein vorangehen zu erwarten. Dagegen hat der reformgedanke in der Schweiz in den letzten jahren sich auszubreiten begonnen. […] Und im herbst 1924 fand dann endlich in Olten eine versammlung statt von freunden einer ortografiereform, die zur gründung des «Bundes zur vereinfachung der rechtschreibung» führte. […] Verehrte kollegen, scheuen wir uns nicht, mit forderungen an die öffentlichkeit zu treten, auch wenn unser schritt da und dort noch kopfschütteln hervorrufen sollte.
1928-08-18
Gehalten […] am 29. mai 1926 in Baden, an der interkantonalen konferenz zur besprechung der ortografiereform. […] Ich nehme an, dass sie alle sich in letzter zeit in irgendwelcher weise mit der ortografiereform beschäftigt haben […]. Und ich darf auch annehmen, dass sie alle empfinden: wir stehen hier vor einer frage, die wichtig ist für das öffentliche leben und ganz besonders wichtig für die schule, der wir unsere arbeit und unser denken widmen. Ich will gleich auf die hauptsache eingehen und zwei fragen stellen: 1. Ist eine reform, eine vereinfachung unserer gebräuchlichen deutschen rechtschreibung überhaupt wünschenswert? 2. Ist eine solche möglich? […] In erster linie steht da die grosschreibung. […] Die grossschreibung der substantive ist wie viel anderes überflüssiges in unserer schreibung ein kind der barockzeit […]. Das misslichste daran ist aber, dass man bei der grosschreibung der eigentlichen substantive nicht stehen blieb, sondern dass im 19. jahrhundert nun auch alle möglichen substantivisch verwendeten ausdrücke der «ehre der grosschreibung» teilhaftig wurden […]. Dadurch aber kommen wir zu einer komplizierung der schreibweise, die ans absurde grenzt […]. Ungefähr die hälfte aller schreibregeln betrifft denn auch die grosschreibung, und die fehler darin überwiegen weitaus. Davon habe ich mich letztes jahr durch einige statistische feststellungen in den heften meiner schülerinnen überzeugt.
1927-06-27
In der deutschschweizerischen Lehrerschaft und in der pädagogischen Fachpresse wird zurzeit über eine vereinfachte Rechtschreibung eifrig diskutiert. Der Antrieb zum neuen Kampfe um eine Verbesserung der Orthographie gibt der Schweizerische Bund für vereinfachte Rechtschreibung, der viele Mitglieder aus Lehrerkreisen aufweist.
1927-04-05
Unter diesem Leitwort spricht sich Herr Nat.-Rat A. Vital, wohl der prominenteste Vertreter der ladinischen Landsgemeinde, über die Neuerungen, die von der Lia Romontscha und den Beauftragten für das neue Wörterbuch aufgezwängt werden sollen […]. Der Verfasser dieses Artikels erörtet in klarer nicht misszuverstehender Art die gewollten Aenderungen […]. Die Reformer werden mit ihren Behauptungen dahin gestellt, wohin sie wirklich hingehören — in das Reich der Lächerlichkeit. Herr A. Vital kommt zum Schlusse, diese Reformbewegung habe unserer Muttersprache nichts als unreife und nutzlose Ware aufgetischt.
1926
Seitdem die frage der schreibreform wieder in fluss gekommen ist, richtet sich der ansturm der neuerer vor allem gegen die grossen anfangsbuchstaben der hauptwörter. Ist es bloss eine laune des demokratischen zeitgeistes, der wahn der allgemeinen gleichmacherei, der nicht dulden kann, dass die wörter einer bestimmten klasse eines hauptes länger seien als die andern?
1921-02-05
Eingedenk der nationalen und kulturellen Einheit, die Oesterreich mit dem Deutschen Reiche bildet und die in hoffentlich nicht ferner Zeit durch den „Anschluß“ auch ihren politischen Ausdruck findet, war die österreichische Schulreform sich der Pflicht bewußt, in ihren Maßnahmen die tunlichste Angleichung an das Mutterland zu pflegen. […] Für den Stenographieunterricht an österreichischen Schulen wurde die Berliner Schreibung übernommen, wogegen in der Frage einer gemeindeutschen Rechtschreibreform wiederum von Oesterreich die Anregung ausging.
1920-11-05
Schon seit Jahren fanden in Presse und Konferenzen lebhafte Auseinandersetzungen statt wegen einer ladinischen Orthographie. Nunmehr hat Herr Professor N. L. Gisep in Chur eine solche erscheinen lassen […]. Eine vollständige Einheitlichkeit konnte nicht erzielt werden. Man hat deshalb ausnahmsweise verschiedene Formen als zulässig erklärt.
1920-04
Jedem Erwachsenen, der sich die Rechtschreibung angeeignet hat, mutet eine Neuerung auf diesem Gebiet Opfer zu. Je älter er ist, desto schwerer wird ihm das. Es sind aber Opfer, die wir unsern Kleinen, den Kindern und Enkeln bringen. In der Uebergangszeit, zehn oder zwanzig Jahre lang, wird man jedem von uns noch gestatten, bei der alten Uebung zu bleiben. Fürs Lesen aber werden wir uns sehr bald, in wenigen Jahren, vollständig an die neuen Wortbilder gewöhnen.
1920-02-25
Dem von so mancherlei Mißgeschick verfolgten deutschen Volke steht eine neue Prüfung bevor, die überdies auch die andern Deutsch Schreibenden und Lesenden heimzusuchen droht. Diesmal von seiten seiner eigenen „Pharisäer und Schriftgelehrten“. Eine neue Rechtschreibung nämlich, und was für eine!
1918-04-20
Die Forschungen der erwähnten Physiologen zeigen, dass eine mit Aufmerksamkeit durchgemachte Schulstunde für den Schulanfänger zu lang ist für einen erfolgreichen Unterricht. Ist da die Ökonomie der Zeit und der Geisteskräfte, wie die Antiqua bei unsern Erstklässlern eine solche erwiesenermassen in weit grösserem Umfange zulässt als die deutsche Schrift, nicht gerechtfertigt? […] Wenn erst der von Hrn. Prof. B. berührte Gedächtniskram in Silbentrennung, Orthographie, Unterscheidung von ss und ß etc. aus unsern Schulen verschwände! Warum müssen wir Lehrer und Schüler für die Orthographiesünden des 17. Jahrhunderts büssen, da die Schriftsetzer nach eigener Willkür begannen, die Dingwörter mit Majuskeln zu bezeichnen, welches Vorrecht alle andern Sprachen doch nur den Eigennamen und den Satzanfängen zugestehen? Mit welcher Begründung benötigen wir des weitern für den gleichen Laut f die drei verschiedenen Bezeichnungen v, f, ph? Lässt sich der von Hrn. Prof. B. angeführten willkürlichen Unterscheidung von ss und ß nicht die durchaus fremde Buchstabengruppe c q v x y in der deutschen Sprache gegenüberstellen? Nicht bloss mit Rücksicht auf die Elementarschule, sondern im Interesse einer geistigen Ökonomie der Schularbeit aller Klassen dürfte einer vereinfachten Orthographie energisch das Wort gesprochen werden. Läge aber bei einer derart einschneidenden Uniformierung für uns Schweizer die Versuchung nicht nahe, an eine Einigung in der Schriftfrage zu denken? Dass sie zugunsten der Antiqua ausfallen müsste, steht ausser Zweifel; denn mit der deutschen Schrift können wir uns ja nicht einmal mit unsern Miteidgenossen franz., ital., romanischer Zunge verständigen. Auf alle Fälle kann der Lehrer, der seinen Lese- und Schreibunterricht von der Antiqua ausgehen lässt, nicht als Vaterlandsverräter oder Heimatschutzgegner hingestellt werden. Der Weg der natürlichen Schriftentwicklung von der Antiqua über die Kursiv- zur Kurrentschritt ist und bleibt für mich das Richtige; dabei weiss ich mich mit meinem Kollegen an der Oberstufe unserer Übungsschule in voller Übereinstimmung.
1918-03-02
Mit grosser Aufmerksamkeit wurde nachmittags der anregende Vortrag des Hrn. Prof. Dr. W. Bruckner entgegengenommen, der mit urkräftigem Behagen aus dem weitern Gebiete seines Faches, des Deutschen, Belehrung und Unterhaltung schöpfte. […] In den Apostroph sind nicht nur höhere Töchter, sondern auch Gelehrte förmlich verliebt.
1907-09-05
… hielt der Korrektor der Deutschen Reichsdruckerei in Berlin, Herr Otto Reinecke, am Sonntag, den 1. d. M., im Saale »zum grünen Baum« in Mariahilf […] einen Vortrag […]. Da die Erfüllung des Wunsches nach einem offiziellen deutschen Rechtschreibungsamte mit dem Sitze in Berlin für die nächste Zeit noch nicht in Aussicht stehe und die Berliner kaiserl. Akademie der Wissenschaften diesem Wunsche so schroff entgegenstehe, daß sie bis heute noch nicht einmal die neue Rechtschreibung eingeführt habe, befürwortete der Vortragende, ein solches dreigliederiges durch die Zentralkommission der Korrektoren Deutschlands in Berlin zu errichten […]. Im Anschlusse an diesen […] Vortrag brachte der Vorsitzende des Orthographiekomitees des Wiener Korrektorenvereines, Herr Nagel, die Wünsche der Wiener Korrektoren […] vor […]. In der Hauptsache seien dies: Verdeutschung der Fremdwörter, tunlichste Beseitigung der Doppelschreibungen und Doppelformen, insbesondere beim Genitiv, bei der Mehrzahlbildung und beim Geschlechte […].
1902-07-28
Der Bundesrat hat eine für die ganze Bundesverwaltung deutscher Sprache gültige Orthographie als offiziell erklärt. Der betreffende Bundesratsbeschluß ist sogar überschrieben: „Einheitliche Orthographie für die deutsche Schweiz“ […]. Wir vermuten, es werde noch mancher alte Bureaukrat sich sträuben, hier mitzumachen. Und doch sind die hauptsächlichsten Aenderungen gar bald gemerkt.
1902-04-05
Speziell die Entwicklung der deutschen Rechtschreibung verfolgte seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts immer energischer das Ziel der Einheitlichkeit nicht bloß für Deutschland, sondern für das ganze deutsche Sprachgebiet. Die Schwierigkeiten waren nicht gering angesichts der eifersüchtig gewahrten Selbständigkeit der süddeutschen Staaten und der Schweiz, die ihre eigenen amtlichen Orthographien besaßen. Seit der Einführung der preußischen Orthographie Anfang der Achtziger Jahre wurde indessen eine gewisse Einigung erzielt, der sich größere deutsche Sprachgebiete, wie Oesterreich und zum Teil die Schweiz anschlossen. Da aber neben der von den schweizerischen Zeitungen und Buchdruckereien angenommenen preußischen Schreibweise noch der Luxus einer „schweizerischen Rechtschreibung“ für die Schulen und viele amtliche Instanzen bestand, zu welchen sich noch verschiedene orthographische Liebhabereien kantonaler Selbstherrlichkeiten fügten, blieb in der Schweiz die orthographische Anarchie bestehen. Letztes Jahr geschah nun in Deutschland in der Frage der deutschen Rechtschreibung ein Schritt vorwärts, der uns hoffen läßt, daß ihn auch die Schweiz mitmachen und dadurch endlich zur Einheitlichkeit der Orthographie gelangen werde.
1901-05-10
Die Verhandlungen über eine praktische Reform unserer Orthographie sind nun zu einem vorläufigen Ergebnis gelangt: sowohl der Verein der Wiener Mittelschullehrer, als auch die vom Unterrichtsminister einberufene Enquête haben Leitsätze aufgestellt, die bei einer solchen Umgestaltung maßgebend sein sollen. In so vielen Punkten nun diese Vorschriften von einander abweichen, in einer Forderung treffen sie sich doch, in dem Verlangen nämlich, dass eine radicale Reform zu vermeiden sei. Und so haben wir denn wieder nichts anderes als Stückwerk zu gewärtigen.
1901-03-12
Ein zweiter Redner, Dr. Jellinek, […] wünscht […] die völlige Abschaffung des Doppel-„a“ und Doppel-„o“, der Dehnungszeichen (Beibehaltung nur in wenigen Fallen aus historischen Gründen), des „th“. des lateinischen einfachen und doppelten „c“ (stets „k“ oder „z“), des „ph“ (immer „f“), „Rh“ (Rhede), „dt“, „Gh“, (Ghetto) und „Gui“ (Guitarre).
1900-11-27
Acht Jahre sind nun verflossen seit der von Bundesrat Schenk einberufenen Konferenz zur Regelung der deutschen Orthographiefrage. […] Die Buchdrucker, die Zeitungsverleger, die Typographen und die Buchhändler haben nicht ermangelt, für diesen Beschluß einzustehen, indem sie sich von dem Gedanken leiten ließen, daß Vereinheitlichung der Orthographie nicht nur in ihrem Interesse liege, sondern in dem der Gesamtheit, insbesondere der Schule, der Schüler und der ins Leben hinaustretenden Jugend.
1897-10-22
Der Kantonsrat hat dem Regierungsrat den Entſcheid in der Orthographiefrage übertragen. Wir hoffen, die alſo angerufene Behörde werde die Dudenſche Schreibung annehmen und damit den Kanton nicht bloß mit dem größten deutſchen Sprachgebiet, ſondern auch mit dem größten Teile der deutſchen Schweiz in Einklang bringen. […] Wenn unſere Jünglinge in einem andern Schweizerkanton oder in Deutſchland in ein Geſchäft eintreten, ſo werden ſie für den Verdruß, den ſie möglicherweiſe wegen ihrer abweichenden Orthographie auszuſtehen haben, kaum durch das ſtolze Bewußtſein entſchädigt werden, daß die Schule des Heimatkantons auch in Dingen der Rechtſchreibung „an der Spitze des Fortſchritts“ marſchiert.
1897-07-23
Die Beseitigung des th in den bekannten 7 Stämmen, sowie eine fernere Vereinfachung der deutschen Orthographie kann gemäß den Beschlüssen der interkantonalen Orthographie-Konferenz von 1892 nur international, d. h. gemeinsam mit Deutschland, an die Hand genommen werden.
1897-02-11
In der That ſind wir noch nicht aus dem „orthographiſchen Elend“ heraus […]. Doch ſind wir auf guten Wegen zur Beſſerung. Wenn der Einſender meint, die ſchweizeriſche Orthographie ſei die praktiſchſte, weil einfachſte, ſo kann ich ihm das nicht abſtreiten; aber – die ſchweizeriſche Orthographie iſt nun einmal nicht mehr möglich. An der interkantonalen Orthographiekonferenz von 1892 in Bern […] iſt beſchloſſen werden, daß als zukünftige Orthographie für die deutſche Schweiz die in Deutſchland verbreitetſte, die in Dudens orthographiſchem Wörterbuche feſtgeſetzte Orthographie gelte, alſo die preußiſche.
1896-08-08
Seit 16 Jahren ist in Deutschland die nach Duden benannte Orthographie in den Schulen eingeführt. Man denkt daran, sie dort auch im amtlichen Verkehr zur Geltung zu bringen.
Die 16 jahre sprechen nicht dafür, dass die schulrechtschreibung automatisch für die verwaltung gilt. (Stichwort amtliche rechtschreibung.)
1896-05-09
Die Konferenz erſucht die kompetenten ſchweizeriſchen Behörden, eine größere Vereinfachung und Vereinheitlichung der Rechtſchreibung in allen Ländern deutſcher Zunge, ſobald die Gelegenheit ſich dazu bietet, nach Kräften zu unterſtützen. […] Es wurde allſeitig anerkannt, daß wichtiger als dieſe oder jene kleine Verbeſſerung die Einigkeit ſei.
1896-05-06
Vier ſchweizeriſche Preßverbände, Verband der ſchweizeriſchen Preſſe, Buchdruckereibeſitzer, Typographenbund und Buchhändlerverein richten an den ſchweizeriſchen Lehrerverein eine Zuſchrift, die allgemeines Intereſſe beanſprucht […]. Wie wir aus der Preſſe erfahren, beſchäftigt ſich der Centralvorſtand des Schweizer. Lehrervereins mit der Orthographie-Frage. Veranlaſſung dazu iſt die in Ausſicht genommene Neuauflage des ſchweizeriſchen Rechtſchreibebüchleins geworden, wobei zu entſcheiden iſt, ob dieſelbe ſich Duden anſchließen oder fernerhin Abweichungen enthalten ſoll. […] Die Unterzeichneten 4 Vereine erlauben ſich daher, das höfliche Geſuch an Sie zu richten, Sie möchten zu den Beſchlüſſen der interkantonalen Orthographiekonferenz vom 24. Auguſt 1892 nicht eine Sonderſtellung einnehmen und von der Aufſtellung einer eigenen Orthographie abſehen.
1896-04-10
In der „Schweizeriſchen Lehrerzeitung“ wird ſeit einiger Zeit lebhaft die Frage erörtert, ob der ſchweiz. Lehrerverein an der ſogenannten ſchweizer. Orthographie feſthalten, oder ob er ſich der preußiſchen oder Dudenſchen Orthographie auſchließen ſolle. Seit mehr als dreißig Jahren hat der Lehrerverein für Vereinfachung und Vereinheitlichung der Orthographie gearbeitet […]. So gut indeſſen ſeine Beſtrebungen gemeint waren: die durch das „Rechtſchreibebüchlein“ feſtgeſetzte Orthographie blieb Schulorthographie […]. Allerdings kann nicht behauptet werden, daß Duden in allen Punkten den Vorzug vor der „ſchweizeriſchen Rechtſchreibung“ verdiene. Dazu trat hin und wieder noch eine zwiefache Schreibweiſe, namentlich bei Fremdwörtern, bei denen er z oder c geſtattet. Das war indeſſen kaum zu vermeiden.
1894-01-23
Zur konstituierenden Sitzung der Gesellschaft für deutsche Sprache in Zürich fanden sich am Samstag nachmittag etwa 25 Teilnehmer im „Pfauen“ ein. […] In einem gedrängten Vortrage führte hierauf Herr Privatdozent Dr. Hoffmann die Ursachen der Verderbnis an, gab Kenntnis von den vielfach vorkommenden Fehlern und herrschenden Uebelständen im Gebrauche unserer Schriftsprache […] Als Mittel zur Abhülfe bezeichnete er zunächst die Belehrung über das Richtige und Unrichtige im Sprachgebrauch […]. Ausgeschlossen sind dagegen alle litterarischen Vorträge und Fragen sowie der Streit über die Rechtschreibung.
1893-03-14
Die amerikaniſch-philologiſche Geſellſchaft iſt der Meinung, daß die engliſche Orthographie die ſchlechteſte in der Welt iſt. […] Schreibe dialog, ſtatt dialogue; quartet, ſtatt quartette; program, ſtatt Programme; fantom, ſtatt Phantom; ſubpena, ſtatt ſubpoena. Einige dieſer Aenderungen ſind ſchon in Amerika im Gebrauch; die andern werden wahrſcheinlich ebenfalls ſehr bald adoptiert werden […].
1893-01-09
In der Schweiz ging man 1881 daran, die Angelegenheit zu ordnen. Im Auftrage des ſchweizeriſchen Lehrervereins wurde eine zweite Auflage des „Rechtſchreibebüchleins“ ausgearbeitet, die im folgenden Jahre in einer Konferenz deutſch-ſchweizeriſcher Erziehungdirektoren Zuſtimmung fand. […] Die Mehrzahl der deutſchen Kantone nahm die neue ſchweizeriſche Orthographie an, jedoch bloß als Schul-Orthographie […]. Für den amtlichen Verkehr gab es keine gemeinſamen Vorſchriften und ganz frei gieng der Privatmann ſeine Wege […]. So kam es, daß eine arge Unſicherheit in orthographiſchen Dingen mehr und mehr um ſich griff. Man hörte vielfach, man könne ja jetzt ſchreiben, wie man wolle […]. Für die Buchdrucker war dieſer Zuſtand unleidlich […]. […] und ſo wurde denn von dieſer Seite dahin gearbeitet, es möchte die Orthographiefrage durch eine internationale Konferenz erledigt werden. Aber eine […] Anfrage der ſchweizeriſchen Geſandtſchaft in Berlin wurde in ablehnendem Sinne beantwortet. […] Seitherige Verſuche haben kein beſſeres Reſultat ergeben und ſo kam der Gedanke zum Durchbruche, die Angelegenheit durch eine interkantonale Konferenz zu ordnen. Durch die Bemühungen des Buchdruckers Büchler in Bern kam dieſelbe am 24. Auguſt 1892 in Bern zuſtande […]. […] ſo nehmen wir das uns nicht Zuſagende mit in den Kauf und begrüßen die Vereinheitlichung, die uns die Berner Konferenz gebracht hat. Die orthographiſchen Reformbeſtrebungen ſind damit für einige Zeit zur Ruhe gewieſen, vielleicht für Jahrzehnte, aber nicht für immer […]. Wir machen nur darauf aufmerkſam, daß man es nicht gewagt hat, die großen Anfangsbuchſtaben bei Subſtantiven durch kleine zu erſetzen, während dies auch ſchon von Jakob Grimm gefordert worden iſt. Zwei andere Punkte ſind gegenwärtig noch im Fluſſe begriffen: die Silbentrennung und die Schreibung der Fremdwörter.
1892-10-29
Durch dieſe erfreulichen Beſchlüſſe iſt nach jahrelangen Bemühungen die endliche Regelung der deutſchſchweizeriſchen Orthographie ihrer Verwirklichung um ein Erhebliches nähergerückt. Jetzt muß die That folgen.
1892-08-27
1. iſt eine internationale Regelung dieſer Frage nunmehr nicht mehr möglich […]. 2. hat bei dieſer Sachlage die theilweiſe in den ſchweizeriſchen Schulen eingeführte neue ſchweizeriſche Orthographie keine Ausſicht mehr, von Deutſchland oder Oeſterreich angenommen zu werden; […] 7. kann es ſich für die Schweiz nicht darum handeln, die an und für ſich beſte Orthographie ausfindig zu machen, ſondern ſich einer der beſten und zugleich verbreitetſten der beſtehenden Orthographien anzuſchließen […].
Es war nicht daran zu zweifeln, daß bei der Konferenz die Duden’ſche Orthographie den Sieg davontragen werde. Buchdrucker und Buchhändler mögen ſich dabei wohler befinden; mit Rückſicht auf die heranwachſende Jugend begrüßen wir dieſen Sieg nicht; wir thun damit auf dem Wege der Vereinfachung einen entſchiedenen Schritt rückwärts, und das Publikum in ſeiner großen Mehrheit, das ſich nicht in die Grundſätze der deutſchen Orthographie hineinarbeitet, wird ſich noch viel weniger in dieſelbe hineinfinden, als in die neue ſchweizeriſche. Sollte es aber möglich ſein, die Duden’ſche Orthographie allgemein durchzuführen, nicht nur in den Druckereien und in den Schulen, ſondern namentlich auch im amtlichen und im Geſchäftsverkehr, dann wollten wir dieſer Vereinheitlichung gerne ein Opfer bringen und die Eigenthümlichkeiten der deutſchen Orthographie mit in den Kauf nehmen.
1892-08-26
Was das „th“ anbelangt, ſo ſollen nach dem Beſchluß der letzten ſchweizeriſchen Konferenz noch Studien gemacht werden. Das Gleiche ſollte geſchehen rückſichtlich der Frage, wie die großen Anfangsbuchſtaben zu verwenden ſeien. Auch darin herrſcht Unſicherheit. Ueberhaupt iſt die Orthographiefrage auch nach Duden nicht endgültig abgeſchloſſen. […] Zweimal iſt von der Schweiz verſucht worden, eine internationale Regelung der Orthographiefrage anzubahnen. Zweimal iſt dadurch verſucht worden, die von ſchweizeriſchen Schulmännern aufgeſtellte neue ſchweizeriſche Orthographie dem Auslande nahezulegen. Leider ohne Erfolg!
1892-08-25
Vom 1. Januar 1393 an ſoll in den Druckereien alſo die neue Orthographie zur Anwendung kommen. Zwang kann dafür natürlich keiner ausgeübt werden. […] Der Unterſchied iſt gegenüber der neuen ſchweizeriſchen übrigens nicht ſehr erheblich.
1892-01-06
Die Schweiz iſt augenblicklich ein wahres Kampflager in Sachen der Orthographie. Insbesondere wiſſen sich Schriftſteller, Journaliſten, Lehrer oft kaum zu helfen in der allgemeinen Verwirrung. Neben vielen willkürlichen, alten sogenannten Rechtſchreibungen haben wir zwei Syſteme: die neue ſchweizeriſche Orthographie und die preußiſche, die sich an Dudens Wörterbuch anſchließt. Die erſtere wird vielfach in den Zeitungen angewendet, so auch in unserm Blatt, die letztere hauptsächlich im Verlag.
1891-11-03
Man klagt ſeit Jahren wegen Ueberbürdung der Schuljugend. Durch Vereinfachung der Orthographie glaubten einſichtige Schulmänner jenen Klagen theilweiſe abhelfen zu können. Aber das Publikum verhält ſich gegen die Vereinfachung ablehnend. […] In Anbetracht dieſer Sachlage wandte ſich Hr. Wanzenried, Sekundarlehrer in Großhöchſtetten, an Hrn. Bundesrath Schenk, um ihn anzufragen, ob er nicht geneigt wäre, die Initiative zu ergreifen zu einer internationalen Regelung der Orthographiefrage.
1889-01-04
[…] ſollten die Lehrerkonferenzen unſeres Kantons […] ſich beſprechen und ihre Meinungen dem Vorſtand des kant, Lehrer-Vereins mittheilen. […] Es liegen alſo nur von 12 Konferenzen Mittheilungen über die Orthographiefrage vor […]. Alle übrigen Berichte (ſieben) wünſchen Einführung der neuen ſchweiz. Orthographie nach dem Rechtſchreibebüchlein des Schweizeriſchen Lehrervereins vom Jahre 1882. […] Aus nationalen, praktiſchen und wiſſenſchaftlichen Gründen iſt die ſchweizeriſche gegenüber der preußiſchen Orthographie zu empfehlen.
1884-03-15
„Elf Bezirksſchulräthe ſind petitionsweiſe um Aufhebung des Beſchluſſes vom 26. Nov. betr. Antiqua und neue Orthographie an den Großen Rath gelangt. Dieſelben weiſen auf die mannigfaltigen Nachtheile hin, welche die Umkehrung der jetzigen „Ordnung“ nach ſich ziehen, müßte. Merkwürdig! Vergeſſen denn dieſe Kollegien, daß gerade durch dieſe widerſinnigen, dem Volke verhaßten Verordnungen betreffend neue Orthographie etc. die Unordnung in die Schule gekommen iſt und daß die Aufhebung dieſer Verordnungen eine Rückkehr zur Ordnung bedeutet? […]“
1884-03-13
Mit Spannung ſah das St. Galliſche Volk der nochmaligen Verhandlung über Antiqua und Orthographie im Großrathsſaale entgegen. Unleugbar braucht es eine ziemliche Portion von Unverfrorenheit, den gleichen Gegenſtand, nachdem der Große Rath vor wenigen Monaten in Sachen geſprochen, ſchon wieder auf‘s Tapet zu bringen. Es wurde dieſe „Ehre“ den guten Bezirksſchulräthen zu Theil.
1884-03-11
Hr. Dekan Ruggle äußert, sich beinahe gefangen gegeben zu haben, wenn Alles so richtig wäre, wie der Herr Chef des Erziehungsdepartements es sage. […] Anderes, als was der Herr Erziehungs-Chef behauptet, nämlich, daß die neue Orthographie in Deutschland schlecht weg komme. Bismarck habe sie verboten und dieser dringe sonst so ziemlich durch und jeder Staat in Deutschland habe seine eigene Orthographie. Die deutsche als lebende Sprache verändere und verbeſſere sich durch den Gebrauch von selbst, ohne daß man 25,000 Kinder auf einmal dressiren müsse oder dürfe. […] Die deutsche Schrift ſei viel schöner, ästhetischer und vielfach gehe man wieder auf das Altgothische zurück zur Freude aller Augen.
1876-12-30
Di „Schweizerische Lererzeitung“ wird auch im jare 1877 fortfaren, im geiste Pestalozzi’s zum ausbau des schweizerischen schulwesens nach unten und nach oben und zur pflege der häuslichen erzihung ir scherflein beizutragen. […] In irer orthographie wird si einen schritt zur annäherung an di gebräuchliche orthographie tun.
1876-04-15
Eine weitere, ganz überflüssige Eigenthümlichkeit, ich möchte sogar sagen Unart in der deutschen Schreibweise ist der Gebrauch der grossen Anfangsbuchstaben bei den sogenannten Substantiven, wie es in keiner andern Sprache der Fall ist oder war. Die französische, italienische, englische, lateinische und griechische Schrift, die nur beim Anfang eines Satzes oder bei Eigennamen die grossen Buchstaben brauchen, sind eben so verständlich, wie die deutsche, und die deutsche Schrift wird eben so verständlich werden wie jene, wenn wir uns der lateinischen Lettern bedienen. Fort also mit dieser Unart, die das Schreibenlernen den Kindern so sehr erschwert und sogar den Gebildeten manchmal in Verlegenheit bringt, zweifelnd ob er ein Wort, das an sich kein Substantivum ist, aber statt eines solchen als Subjekt oder Objekt im Satz gebraucht wird, gross oder klein schreiben soll […].
1876-04-08
In allen Zweigen des Gewerbs und der Industrie sucht man durch grössere Einfachheit auf der einen und durch zweckmäßigere Maschinen auf der andern Seite Zeit zu ersparen und den Verkehr zu erleichtern, und um viel, viel Zeit zu ersparen hat man die Eisenbahnen gebaut. Wohl hat man nun auch im Verlauf dieses Jahrhunderts durch bessere Lehrmethoden und geeignete Lehrmittel das Lernen zu erleichtern und zu beschleunigen gesucht, und der Jugend nicht nur Mühe sondern auch Zeit zu weiterer Ausbildung erspart und zugleich für die bessere Entwicklung ihres Denkvermögens gesorgt; aber noch bleibt in beiden Richtungen manches zu thun übrig. Ich will hier nur zwei Punkte erwähnen, mit denen in den meisten Schulen bis jetzt noch viel Zeit vergeudet wird, es sind dies: der Religionsunterricht und der grammatische und orthographische Unterricht in der deutschen Sprache. […] zur sogenannten Orthographie, wobei ich ebenfalls versuchen werde zu zeigen, dass auch hier dem Schüler viel Zeit und dem Lehrer viel Mühe erspart werden kann, wenn nur die Erziehungsbehönden ernstlich vorwärts gehen und sich um den Spott der Gewohnheitsmenschen nicht kümmern und rein den Zweck im Auge behalten, radikal mit der bisherigen Schreibweise brechen und eine streng grundsätzliche Rechtschreibung anstreben.
1873-06-09
Dr. Daniel Sanders, Vorschläge zur Feststellung einer einheitlichen Rechtschreibung für Alldeutschland. […] Wir empfehlen Sanders neuestes Produkt den Freunden und – Gegnern.
1873-01-18
Di erste neue nummer der „Lererzeitung“ macht einen kleinen ausfall auf unsern halbkanton [AR], der besser unterbliben wäre. Wir wollen di ortografikommission nicht offiziell beschicken, das ist richtig. Das geschiht aber nicht aus mangel an interesse für di sache oder wegen nichtferständnisses derselben, noch fil weniger hängt es zusammen mit der ferwerfung der bundesrevision. Wir wollen einfach einstweilen noch zusehen und gewärtigen, was aus dem „fersuch“ wird.
1873-01-04
Eine andere neuerung in folge eines beschlusses des lererfereins ist di neue ortografi. Für unsere leser im lererstande bedarf es dafür hir keiner worte mer; si wissen, dass di männer der sprachwissenschaft auf unserer seite stehen und dass zudem 2000 schweizerische lerer, di männer der praxis, sich in iren konferenzen für di fereinfachte ortografi erklärt haben.
APPENZELL A. RH. will di ortografikommission nicht beschicken, was uns nicht wundert, da diser kanton bekanntlich noch fil wichtigere dinge als das ist auch nicht will.
1872-12-28
Im Begriff, unsere mehrjährige Arbeit an der „Schweizer. Lehrerzeitung“ in andere Hände zu übergeben, fühlen wir uns gedrungen, allen Denjenigen, welche uns dabei Unterstützung und Aufmunterung zukommen ließen, unsern warmen Dank auszusprechen. […] Nach der in Aarau beschlossenen Revision der Vereinsstatuten werden sich diese Verhältnisse von nun an freilich etwas anders gestalten, indem das Abonnement für das Vereinsorgan und der Jahresbeitrag der Vereinsmitglieder künftig auseinander gehalten und getrennt bezogen werden. Wir gestehen offen, daß wir uns weder für diese Aenderung der Statuten, noch für die Einführung der fereinfachten ortografi schon in diesem Stadium ihrer Entwicklung sehr begeistern konnten […].
1871-09-05
Die Lehrerkonferenzen in der Schweiz wurden um ihr Gutachten über die Reformvorschläge in der Orthographie angegangen. […] Aus dem Ganzen des Berichtes leuchtet hervor, daß man ziemlich allgemein mit dem Wunsche nach einer einfacheren und rätionelleren Schreibweise einverstanden wäre, daß man aber schon über den einzuschlagenden Weg sehr getheilter Ansicht ist […].
1855
Jede Erörterung über die Rechtschreibung muſs ausgehen von dem Verhältniſs der gesprochenen und der geschriebenen Sprache, des Lautes und des Schriftzeichens. Die gesprochene Sprache ist geschichtlich das Frühere. Sie ist längst vorhanden, wenn man beginnt ihre Laute in Schrift zu fassen. Die Lautschrift thut dieſs, indem sie die Worte der gesprochenen Sprache in ihre phonetischen Grundbestandtheile, die Laute, zerlegt und jeden einzelnen Laut durch ein Schriftzeichen wiedergibt. Der Lesende ist dadurch in den Stand gesetzt, den Klang der Worte, die er geschrieben vor sich sieht, auch für das Ohr wieder aufleben zu lassen, indem er die ihm bekannten geschriebenen Zeichen in die entsprechenden Laute zurückübersetzt. […] Es gilt der Grundsatz: Schreib wie du sprichst.