Damit wir dem Prinzip der Substantivgrossschreibung möglichst nahe kommen, gilt heute dafür die Parole: vereinfachte Grossschreibung. Diese soll erreicht werden 1. durch das möglichst konsequente Einhalten einer einfachen Grundregel, 2. durch das Einschränken von Ausnahmen und 3. durch Liberalisierung dort, wo keine wichtigen Sinnunterscheidungen auf dem Spiel stehen.
Bund für vereinfachte rechtschreibung (BVR)
nachgeführt
,
2020-11-28
Aus presse und internet
17. 10. 1979
4. 6. 1979
Bonns bürokratie blockiert die rechtschreibreform, weil die DDR nunmehr über den alten bonner vorschlag der "gemäßigten kleinschreibung" (siehe nachstehenden text) mit allen deutschsprachigen ländern verhandeln will. […] Klein oder groß, das ist die frage, auf die sich inzwischen die diskussion um die rechtschreibreform zentriert hat. Und während in der DDR, in Österreich und der Schweiz schon weitgehend abgeschlossene reformkonzepte vorliegen, hat Bonn seine 1958 von dem "arbeitskreis für rechtschreibregelung" erarbeiteten "Wiesbadener empfehlungen" sang- und klanglos zu den akten gelegt, obgleich noch im mai 1973 die bundesdeutschen kultusminister einstimmig eine kleinschreibreform gefordert hatten – wie schon vor rund 70 jahren orthographie-papst Konrad Duden. […] Noch zeigte das bonner innenministerium kein reform-interesse. Die kultusminister wiederum verwiesen lediglich auf ihren beschluß von 1973 über die "gemäßigte kleinschreibung". Beide seiten, so staatssekretär Fröhlich am 17. november 1978, wollten erst einmal eine bestandsaufnahme abwarten, die Österreichs regierung übernommen hat.
29. 5. 1979
Die Mehrheit des Parlaments war mit Erziehungsdirektor Alfred Gilgen der Meinung, eine Rechtschreibereform könne nicht vom Kanton Zürich im Alleingang durchgeführt werden. Es gelte vielmehr, eine für alle deutschsprachigen Länder geltende Lösung anzustreben.
18. 4. 1979
Einen ausgefeilten, in Varianten durchdachten Versuch lieferte der Ostdeutsche Dieter Nerius 1975. Und nun legt der Westdeutsche Wolfgang Mentrup eine Kritik und eine Modifikation der Neriusschen Regeln vor. Diesen verwandelten Entwurf nennt er «eingeschränkte Kleinschreibung», eingeschränkt gegenüber der radikalen Kleinschreibung. Auch Mentrup lässt es nicht bei einem einzigen Vorschlag bewenden, sondern gibt gleich einen zweiten mit. […] Wolfgang Mentrup arbeitet unter dem Gesichtspunkt der «Benutzbarkeit» und hat es dar auf angelegt, ein narrensicheres und lückenloses, zudem äusserst knappes System zu schaffen. […] Wir haben ihm zu danken für die Aufklärungsarbeit, die er geleistet hat, auch wenn wir seinen Folgerungen nicht vorbehaltlos zustimmen können.
11. 1978
Es ist weder den barocken grammatikern noch ihren nachfolgern gelungen, genau zu umschreiben, was eigentlich unter einem substantiv zu verstehen wäre. Den begriff “nomen“, der die mittelalterliche grammatik beherrschte, konnte man leichter abgrenzen: Er umfasste alle wörter, die der deklination unterliegen, also neben den nomina propria vor allem auch die adjektive. Wohl unter dem einfluss der philosophischen substanzlehre hat sich dann aber das undefinierbare substantiv theoretisch verselbständigt, und es ist deutschem schulmeisterdenken und deutscher pedanterei (Grimm) gelungen, eine substantivweltanschauung aufzubauen.
20. 10. 1978
Der "Oesterreichischen gesellschaft für sprachpflege und rechtschreiberneuerung" ist es erstmals gelungen, vom 10. bis zum 12. Oktober in Wien Vertreter alle vier deutschsprachigen Länder (der BRD, der DDR, Oesterreichs und der Schweiz) am Verhandlungstisch zusammenzuführen, vorwiegend Hochschuldozenten und Pädagogen, und diese waren am Schluss ihrer Beratungen darüber einig, das Oesterreichische Bundesministerium für Unterricht und Kunst nachdrücklich zu bitten, über die politischen Kanäle die andern deutschsprachigen Länder einzuladen, gemeinsam eine Reform vorzubereiten und zuletzt zu beschliessen, ob man sie wolle oder nicht.
17. 12. 1975
Grundsätzlich wird eine Reform der Rechtschreibung befürwortet. […] Es ist anzustreben, die Reform gemeinsam mit allen deutschsprachigen Ländern durchzuführen. […] Bei diesen Beschlüssen stützte sich die Erziehungsdirektorenkonferenz […] auf die Auswertungsergebnisse der von der Pädagogischen Kommission gestellten Fragen, die so lauteten: Frage 1: Halten Sie eine Rechtschreibreform grundsätzlich für erforderlich? Frage 3: Soll die Schweiz: a) Von sich aus Reformen anstreben (Alleingang)? b) Zusammen mit einem andern deutschsprachigen Land Reformen in die Wege leiten? c) Nur im Verband mit allen deutschsprachigen Ländern Reformen einleiten?
10. 1975

Das „scharfe S“ (ß) […] wird in bestimmten (Auslaut-)Positionen widersprüchlich und willkürlich auch nach kurzem Vokal verwendet, z. B. die Fässer – das Faß. Es ergibt sich besonders beim Konjugieren der Verba ein ständiges „Pendeln“ zwischen ss und ß, z. B.: ich fasse, du / er / ihr faßt, wir / sie fassen; ich faßte, habe gefaßt (statt: fassen – fasste – gefasst). Dieser Hokuspokus bei der Umwandlung von „ss“ in „ß“ nach kurzen Selbstlauten muss endlich aufhören; es handelt sich dabei um eine Rechtschreibregel der Kurrentschrift. […] Schon seit über 100 Jahren fordern verantwortungsbewusste Rechtschreibreformer die sogenannte „reduzierte ß-Schreibung“, welche das „scharfe S“ (ß) auf seine ureigenste Aufgabe beschränkt: die Kennzeichnung eines „scharfen“ (stimmlosen) S-Lautes nach langem Selbstlaut und nach Zwielaut […]. Die Abschaffung des Längenzeichens „ß“ und sein widersprüchlicher Ersatz durch das Kürzezeichen „ss“ ist […] kein tauglicher Vorschlag zu einer Rechtschreibreform.
6. 1975

General-GuisanStraße, General Guisan-Straße, General-Guisanstraße, General Guisanstraße oder General Guisan Straße? Wer sich in unsern Städten und Dörfern umsieht, findet bald diese, bald jene dieser fünf Schreibweisen, nur selten allerdings die regelrichtige: General-Guisan-Straße. Namentlich der erste dieser beiden Bindestriche ist allenthalben auf Widerstand gestoßen. In Zürich ist er durch einen Stadtratsbeschluß vom 29. Juni 1951 sogar in aller Form wegdekretiert worden. (Die PTT hat, wenigstens im roten Straßenverzeichnis der Telefonbücher, den Mut, sich über den unlogischen und zudem regelwidrigen Beschluß hinwegzusetzen.)
3. 4. 1975
Man kann eine ernste Sache auch mit Humor anpacken. So stellt die Zentralbibliothek ihre am 1. April eröffnete Foyer-Ausstellung über die Rechtschreibereform unter die in unserem Titel wiederholte Schlagzeile mit dem variablen Floh/floh. […] Die lehrreiche Ausstellung wurde von R. Landolt vom Bund für vereinfachte Rechtschreibung in Zusammenarbeit mit R. Diederichs von der Zentralbibliothek Zürich zusammengestellt und aufgebaut.
Zu einem gegenwärtig in der Schweiz laufenden Vernehmlassungsverfahren über eine Rechtschreibereform hat die Zentralbibliothek Zürich in Zusammenarbeit mit dem «Bund für vereinfachte Rechtschreibung» eine Ausstellung im Vestibül zusammengestellt.
1975
H. Haberl hat durch seine 2. untersuchung bewiesen, dass, gleichgültig ob es sich um erwachsene oder kinder handelt, die kleinschreibung schon nach kurzer gewöhnung leichter bzw. genau so gut gelesen wird wie die grossschreibung.
18. 6. 1974
«Die rechtschreibung ist insbesondere gesellschaftlich und gesellschaftspolitisch schädlich […]» Das Taschenbuch, in dem diese Sätze (und ähnliche) zu lesen sind, verdankt seine Entstehung dem letztjährigen Frankfurter Kongreß «vernünftiger schreiben», an dem profilierte Vertreter der Kleinschreibung und Simplificateurs der deutschen Sprache – neben Leuten mit abgewogenerem Urteil – Referate gehalten haben, die dank diesem Buche nun einer weiteren Oeffentlichkeit zugänglich sind.
2. 6. 1974
Neben der deutschen Sprache war das Dänische bis 1948 die einzige Sprache, die noch alle Substantive groß schrieb. Eine Einführung der Großschreibung im Schwedischen war nie gelungen, wohl aber dagegen im Norwegischen. […] Im Januar 1948 teilte der Unterrichtsminister, Hartvig Frisch, der Presse mit, daß seine Kollegen in der Regierung mit seiner Absicht einverstanden seien, in den Schulen den Uebergang zur gemäßigten Kleinschreibung durchzuführen. […] Ein Gesetz oder ein Parlamentsbeschluß war nicht nötig, da es staatsrechtliche Tradition ist, daß Rechtschreibreformen in Dänemark administrativ durchgeführt werden. […] 26 Jahre nach der Reform denkt kaum jemand mehr an diese Aenderung der Schreibweise noch daran, daß diese einmal überhaupt ein Problem war.
5. 1974
Die Befürworter der Kleinschreibung sagen, andere europäische Sprachen kämen auch ohne Substantivgroßschreibung aus und die Benützer dieser Sprachen hätten weniger Schreibprobleme. Dies ist ernstlich zu bestreiten. Schreibprobleme haben zum Beispiel die Engländer und Franzosen […] mindestens so viele wie die Deutschsprachigen. Denken wir bloß an die Schwierigkeiten der Schreibung französischer oder englischer Laute […]. Und was die Verwendung der Großbuchstaben betrifft, so werden auch diese einem besondern, zum Teil sehr willkürlichen und unlogischen Regelwerk unterworfen. […] Wie soll in dieser Materie in den Druckereien eine einheitliche Schreibweise eingehalten werden, wenn vom Regelwerk her dem Chaos Tür und Tor geöffnet werden? […] Der also nicht gelungene Versuch zu einer befriedigenden Regelung der Eigennamenschreibweise beweist, daß die heutigen (ich betone: abgesehen von einigen Spitzfindigkeiten nämlich nicht so sehr großen) Schwierigkeiten der Groß- und Kleinschreibung sich bei Einführung der gemäßigten Kleinschreibung verlagern würden auf das Gebiet der Eigennamenschreibung und dort in verstärktem Maße aufträten. […] Eine Regelung der Rechtschreibung aber, die die Schwierigkeiten bloß verlagert, ist unerwünscht.
23. 1. 1974
Mit der Frage einer Reform der deutschen Rechtschreibung hat sich dieser Tage in Zürich unter dem Vorsitz von Ständerat Dr. F. Stucki eine von ungefähr 20 Organisatoren beschickte Konferenz befasst.
13. 1. 1974
In den letzten jahren ist die einführung der kleinschreibung erneut zu einem gesprächsgegenstand geworden. […] Die mangelnde rechtsgrundlage und die rücksicht auf die andern deutschsprachigen länder erschweren die reformbestrebungen. Vergleicht man für und wider, so überwiegen die vorteile der kleinschreibung. Noch näher zu behandeln sind die schreibweise der eigennamen und der abkürzungen. […] In jüngster zeit sind auch in der Schweiz mehrere vorstösse unternommen worden […]. Die veränderung des schriftbildes ist so gering, dass sie der leser manchmal erst nach längerem lesen oder überhaupt nicht feststellt. […] Die gross- und kleinschreibung ist aber nur ein teil der rechtschreibung. […] Es gibt nämlich noch andere unbefriedigend geregelte bereiche […].Die bisherigen reformbestrebungen haben aber deutlich gemacht, dass die zeit für die neuregelung all dieser bereiche noch nicht reif ist.
Der Philologe, der in seiner eignen Zunft auf den hundertjährigen und schließlich gescheiterten Versuch zur Einführung der gemäßigten Kleinschreibung zurückblickt, darf sich die Frage wohl durch den Kopf gehen lassen, ob mit den Substantivmajuskeln nicht bloß die Orthographie, sondern vielleicht unsere neuhochdeutsche Schriftsprache betroffen sei. […] Wie nun, wenn im 17. und 18. Jahrhundert deutsche Prosaisten ihren eigenen Stil so fortgebildet hätten, daß sie am visuellen Geländer der Substantivmajuskeln syntaktisch immer kompliziertere Sätze zu bauen wagten? […] Nicht die derzeitige Regelkasuistik ist zu schützen, sondern eine praktikable Art der Großschreibung. Man sollte ihr erlauben, mit einfachen Regeln auszukommen, indem man sie im berüchtigten Randgürtel der Grenz- und Zweifelsfälle liberalisiert.
14. 9. 1973
In der Einführung liest man die vernünftige Ansicht der Bearbeiter, daß sie eine begrenzte, wohlüberlegte Reform der deutschen Rechtschreibung für wünschenswert hielten, daß es jedoch nicht vertretbar sei, das Erwünschte hier bereits einzuführen. «Das könnte nur Verwirrung zur Folge haben. Eine Reform … kann nur ins Werk gesetzt werden durch übereinstimmenden Beschluß der vier Staaten deutscher Sprache.»
18. 7. 1973
Die geplante Einführung der gemäßigten Kleinschreibung hat uns im Ehapa-Verlag durchaus nicht überrascht. […] Gerade weil sich hobby an aufgeschlossene, technisch und populärwissenschaftlich interessierte Menschen wendet, ist es vielleicht prädestiniert, einen solchen Schritt heute zu wagen. […] Zunächst soll die Veränderung der Rechtschreibung in hobby wirklich gemäßigt sein, indem wir vorerst nur die Hauptwörter klein schreiben wollen, Satzanfänge und Eigennamen weiterhin groß (siehe hierzu S. 74: Die schönsten Tauchgebiete). Und dann soll's auch nicht das ganze Heft sein. Wenn sich aber herausstellt, daß unsere Leser diese neue Art der Rechtschreibung akzeptieren, können wir getrost weitergehen. und das ganze hobby in dieser Manier gestalten.
9. 6. 1973
Die Kultusminister der Länder haben sich auf einer Sitzung in Berlin für eine gemässigte Rechtschreibreform auf der Grundlage von Empfehlungen einer Expertenkommission aus dem Jahre 1958 entschlossen.
11. 5. 1973
Der schweizerische "Bund für vereinfachte rechtschreibung", der in engem kontakt mit den reformfreunden in den anderen deutschsprachigen ländern steht, hat sich daher mit der frage befasst, was künftig noch gross geschrieben werden soll, und hat seine vorschläge soeben publiziert.
2. 4. 1973
Für eine gemäßigte Kleinschreibung setzen sich immer mehr Pädagogen, Politiker und Privatleute ein. Deutschlands Orthographie-Papst Professor Grebe empfahl, schon vor einer Reform klein zu schreiben. […] In zahlreichen Landtagen brachten Abgeordnete klein geschriebene Anfragen ein: ob und warum nicht endlich die gemäßigte Kleinschreibung eingeführt würde. […] Mitte März einigte sich die gemeinhin kontrovers gestimmte Kultusministerkonferenz (KMK) auf die Vorab-Entscheidung, jetzt sei ein "günstiger Zeitpunkt" für die ersehnte Reform erreicht. Nur sei "ein gemeinsames Vorgehen in den Ländern mit deutscher Sprache nach wie vor erforderlich".
5. 3. 1973
Pädagogen und Politiker opponieren in Hessen gegen neue Rahmenrichtlinien. Sie sehen darin "eine Anleitung zur permanenten Revolution im Klassenzimmer". […] lm Deutschunterricht verlören, ginge es nach den Richtlinien-Autoren, Literatur und Rechtschreibung ihren heutigen Rang. […] Als einen Appell an die Öffentlichkeit wollen die Richtlinien-Autoren ihre Forderung verstanden wissen, die Überbewertung der Rechtschreibung in der Schule abzubauen und sie nicht mehr zum Kriterium von Eignungsbeurteilungen und Versetzungen zu machen. Weil die Verhältnisse aber noch nicht so sind, sollen Schüler immerhin noch "Grundkenntnisse der Rechtschreibung erwerben", um – so die Autoren – "vor ungerechtfertigten Benachteiligungen geschützt zu sein".
23. 2. 1973
Jetzt, so meint Paul Grebe, könnte die Zeit gekommen sein: „Die Konstellation war noch nie so günstig“ Außer in der Bundesrepublik nämlich arbeiten gegenwärtig ebenfalls in der Schweiz und in Österreich offizielle Rechtschreibkommissionen, was lange Jahre nicht der Fall war. Auch die DDR ist, wie Grebe aus persönlichen Informationen weiß, nicht grundsätzlich gegen eine Reform […]. Daß sich nun immer mehr Germanisten für eine Reform und den Abbau der Diskriminierung durch Sprache engagieren, ist auch deshalb erfreulich, weil die Germanistik im übrigen auch weiterhin als ein Fach in der Dauerkrise gelten darf.
16. 2. 1973
Die sogenannte gemäßigte Kleinschreibung scheint mir ein unglückseliger Kompromiß. […] Es gäbe andere Argumente, kulturhistorische, zivilisatorische, "geistige", die dafür sprechen, das Wort stehen zu lassen und nicht ein wort daraus zu machen, Substantive also auch weiterhin groß zu schreiben. Für die "gemäßigte" Kleinschreibung jedoch spricht so gut wie gar nichts.
21. 1. 1973
Oft schon bin ich gefragt worden, wie es sich eigentlich mit der «Amtlichkeit» der geltenden Rechtschreibung verhalte; ob man darauf verpflichtet werden könne und ob man deshalb alle Hin- und Herbeschlüsse des Dudens, einer ausländischen Instanz also, mitmachen müsse.
22. 6. 1972
Das Eidgenössische Departement des Innern hat einen vorberatenden Ausschuß für Fragen der Rechtschreibereform eingesetzt. Dieser ist beauftragt, zusammen mit den in der Bundesrepublik Deutschland und in Oesterreich zuständigen Organen die gegenwärtige Lage und die Absichten hinsichtlich der Rechtschreibebestrebungen in diesen Ländern abzuklären […].
19. 5. 1969
Mit Altmeier, dem fülligen Duodezfürsten im Land des Schinderhannes und der Loreley, versinkt am Rhein eine Epoche – mit Kohl, dem emporstrebenden Manager der Christenunion, soll zwischen Rüben und Reben eine neue Zeit beginnen. […] Und als der CDU-Landtagsabgeordnete Helmut Adamzyk unlängst „die Kleinschreibung von Hauptwörtern in unserem Bundesland Rheinland-Pfalz“ forderte, hatte Kohl („Warum denn nicht?“) nichts dagegen. Vogel freilich durchkreuzte das Vorhaben.
17. 2. 1969
An seiner Jahresversammlung in Aarau befaßte sich der Schweizerische Bund für vereinfachte Rechtschreibung kürzlich u. a. mit der Antwort des Bundesrates auf eine Kleine Anfrage von Nationalrat Emil Schaffer (Langenthal). In der Anfrage war erklärt worden, daß in unserem Lande nur eine Minderheit der deutschsprachigen Bevölkerung die Rechtschreibung ihrer Muttersprache beherrsche.
25. 11. 1968
[…] der CDU-Landtagsabgeordnete Helmut Adamzyk, 42, […] ist der Urheber des Vorschlags: Er hat die „Abschaffung der Großschreibung“ angeregt. […] Als der Mainzer Landtag unlängst eine umfangreiche Verwaltungsreform beschlossen hatte, nutzte Adamzyk die Gelegenheit für sein Kleinschreib-Projekt. Stolz verriet er dem Chef: „Ich bin schon dabei, die nächste Reform einzuleiten.“ Kohl („Warum denn nicht?“) gab Adamzyk grünes Licht.
8. 5. 1968
Am Schweiz. Korrektorentag […] fand dieses Mal ein inhaltsreiches Podiumsgespräch […] statt, das von Chefredaktor August E. Hohler geleitet und von folgenden Diskussionsrednern bestritten wurde: Dr. Arthur Baur, Chefredaktor des «Landboten»; Alfred Falk, Korrektor bei Huber & Co. Frauenfeld; Dr. Paul Grebe, Leiter der Duden-Redaktion; Oto Nüssler, Geschäftsführer des Vereins für deutsche Sprache, Wiesbaden; Dr. Hans Rentsch, Redaktor am «Neuen Winterthurer Tagblatt»; Friedrich Wilhelm Weitershaus, Oberkorrektor, Gütersloh.
16. 2. 1967
Die Schriftreform bedeutet einerseits die Vereinfachung der allen Zeichenschrift, anderseits jedoch ihre totale Abschaffung und Ersetzung durch eine phonetische Orthographie, nämlich durch lateinische Buchstaben. Ist es überhaupt möglich, die Zeichenschrift, die durch ihre vorwiegend nichtphonetischen Prinzipien zu einem wesentlichen Bindeglied zwischen den zahlreichen, stark voneinander abweichenden Dialekten geworden ist, zu beseitigen?
11. 1966

Ganz besonders dürfen die Sprachfreunde dem Jubilar danken und gute Wünsche mitgeben auf den Weg in und durch das achte Jahrzehnt: Wie oft stand er an den Vortragspulten der Zweigvereine des Deutschschweizerischen Sprachvereins; wie oft bereicherte er die Spalten des „Sprachspiegels“ mit seinen geschliffenen Aufsätzen zum Sprachleben oder zur Sprachpolitik; wie viele Vorträge hielt er vor Lehrern und für Lehrer, vor allem über Fragen der Jugendliteratur (noch steht er an vorderster Front im Kampf gegen die Schundware auf dem Büchermarkt); wie eifrig setzte er sich, ein überzeugter Anhänger der Kleinschreibung, für eine zeitgemäße Reform der Rechtschreibung ein, usw.
1. 8. 1966
Anstelle der „in ihrer Wirkung gefühlsarmen“ lateinischen Lettern sollten an Deutschlands Schulen wieder als Erstschriften die deutschtümelnde Fraktur als Druckschrift sowie die sogenannte deutsche Schreibschrift gelehrt werden. […] Mit 800 Bundes-Getreuen kämpft Arndt dafür, daß „kostbares Erbgut“ zur „ersten Schreibschrift erklärt“, „in allen Schularten intensiv gepflegt“ und für „spätere Geschlechter“ gerettet werde.
7. 1966

Um Deutsch zu können, muß man vorher Griechisch, Latein und sogar noch Negerdialekte lernen. […] Wer kann Päd-agoge, Trans-port, Manu-skript oder Kilima-ndscharo richtig trennen, wenn er nicht die etymologischen Bestandteile dieser Fremdwörter kennt? Aber wehe dem, der neun Jahre lang Latein und sechs Jahre lang Griechisch und von mir aus noch vier Jahre lang Ngudumbumbuli gelernt hat und meint nun, jetzt beherrsche er die deutsche Worttrennung. […] Das Volk der Dichter und Denker nimmt die Worttrennungen einmal etymologisch vor, dann wieder nach Sprachsilben. Ganz willkürlich. […] Entweder wir trennen die fremden und die Fremdwörter nach ihren etymologischen Bestandteilen (und lernen Griechisch, Latein und Kasavangdudu usw.), oder wir trennen sie nach Sprachsilben. Mit Rechtschreibreform hat das Verlangen nach gleichmäßigen Trennungen nichts zu tun.
1965
Trotz der grossen Schwierigkeiten, die sich dadurch ergeben, dass Eigennamen als Gattungsnamen verwendet werden können, lässt sich also doch mit Hilfe einiger formaler Merkmale vor allem durch den Artikelgebrauch eine Begrenzung der Kategorie Eigennamen angeben.
27. 10. 1963
Mancher Leser wird sich an die seit Jahren wieder hin- und herwogende Diskussion um die Orthographiereform mit Unlust erinnern und fragen, ob es damit nun plötzlich so eile […]. Die nach beiden Weltkriegen stürmisch auftretenden Reformer haben die alte Erfahrung in den Wind geschlagen, daß in dieser Sache alle radikalen Vorschläge Gefühle verletzen, die dann längere Zeit auch für milde Offerten nicht mehr ansprechbar sind. Es ist nun einmal nicht dasselbe, ob man sich […] darauf einigt, eine von der Praxis längst unterspülte Regel ohne viel Lärm mit einer angemesseneren zu vertauschen, oder ob die Reformpartei darauf beharrt, sozusagen vom Schaltbrett aus eine Neuerung durchzusetzen, die das jedem vertraute Schriftbild aufs Mal entscheidend verändern und entwerten müßte.
Eine alte erfahrung: Das fehlen echt radikaler vorschläge führt dazu, dass auch unsere milden viel lärm verursachen.
24. 8. 1963
Unter dem Vorsitz von Alt-Regierungsrat Wanner (Schaffhausen) und Ständerat Dr. Stucki (Netstal) tagte in Zürich am 20. und 21. August die von der Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren im Auftrag des Eidg. Departements des Innern einberufene Schweizerische Orthographiekonferenz. […] Sie empfiehlt die grundsätzliche Beibehaltung der bisherigen Großschreibregeln, allerdings gemildert durch eine Lockerung ihrer Handhabung in dem Sinne, daß in Grenzfällen zwischen dem großen und kleinen Anfangsbuchstaben die Wahl bleibt.
13. 8. 1963
Am 20. August tritt in Zürich die schweizerische Konferenz für Rechtschreibreform zusammen. Ihr ist die Aufgabe gestellt, die Vorschläge, die von offizieller deutscher und österreichischer Seite in dieser Sache vorliegen, zu beraten und eine Stellungnahme festzulegen, die an einer demnächst in Wien stattfindenden Orthographiekonferenz aller deutschsprachigen Länder von der schweizerischen Delegation zu vertreten sein wird. […] Man sieht: die eigentliche Pièce de résistance der Stuttgarter Vorschläge bildet den wichtigsten Punkt auch dieses neuen Reformprogramms. Die Forderung nach Kleinschreibung der Substantive […] steht wiederum an der Spitze, und sie dürfte auch in den künftigen Diskussionen das meistumstrittene Postulat bleiben. […] Die Verantwortung, die dieser Konferenz zufällt, ist nicht gering. […] Die Konferenz dürfte also gut daran tun, es in weiser Beschränkung bei jenen Aenderungen bewenden zu lassen, bei denen mit allgemeiner Zustimmung gerechnet werden darf.
26. 6. 1963
Ich sehe eine große Gefahr für die ganze deutsche Sprachstruktur in der Abschaffung der Großschreibung: Die Schriftsteller werden, bewußt oder unbewußt, Substantivierungen wegen Unklarheit vermeiden, und das bedeutet eine tiefgreifende Veränderung und Verarmung der Ausdrucksweisen im Deutschen.
1. 8. 1961
Sein Name steht als Titel auf Millionen von Bänden, die täglich unschätzbare Dienste leisten in Schulstuben, Bureaus, Kanzleien, Redaktionen und Druckereien, kurz: überall, wo deutsche Sprache gesprochen, geschrieben und gedruckt wird. […] Könnte Duden heute die weitere Entwicklung seines Werkes überblicken, er wäre wohl erfreut und betrübt zugleich. Erfreut dürfte er sein über das hohe Ansehen, das sein Name im ganzen deutschen Sprachraum genießt […]. Betrübt wäre er wohl, zu sehen, wie sein Werk so oft durch engstirnige Interpreten in Verruf gebracht und wie es in unverantwortlicher Weise zu politischen Zwecken mißbraucht wurde und wird.
10. 5. 1961
Im März 1854, nahezu sechzehn Jahre nach Vertragsabschluß, konnte endlich der erste Band "auf des geliebten Vaterlandes Altar" (Jacob Grimm) gelegt werden. Er war von Jacob Grimm zusammengestellt und umfaßte den Buchstaben A und die erste Hälfte der mit B beginnenden Wörter und war als Gelegenheit benutzt worden, "den wust und unflat unserer schimpflichen, die gliedmaßen der sprache ungefügig verhüllenden und entstellenden schreibweise aus(zu)fegen" - will sagen: Jacob Grimm hatte die Kleinschreibung der Hauptwörter wieder eingeführt, wie sie in der Tat in fast allen Schriftsprachen üblich ist. Der Verleger fürchtete allerdings mit Recht, diese Eigenmächtigkeit könnte das Publikum verwirren; spätere - aber nicht alle - Bearbeiter haben dann auch wieder die bis heute gültigen Regeln der Orthographie respektiert.
Zum «wust und unflat» gehörte nicht nur die substantivgrossschreibung, sondern auch die fraktur. Beides war gleich umstritten.
12. 5. 1959
Die scheinbar so unscheinbare Frage der Silben „hin“ und „her“ und „vor“ und „hier“ in Verbindung mit „auf“ und „ab“ und „an“ betrifft den Sprachgeist selbst. Und der ist mehr als „ein“ Traditionswert, er ist die Tradition selbst. […] Eine gewisse, vordergründige Ideologie der Modernität versucht den Verteidigern der Sprachtradition Traditionalismus nachzusagen. Bei wem verfängt das noch? Es machen sich überall so viele Pseudomodernisten breit, in der Architektur, im soziologischen Gerede, in der Dekoration und im Espresso- und Barstil, der doch wohl mit Avantgarde soviel zu tun hat wie Papierservietten mit einem gut gebratenen Stück Fleisch, daß man sich das Plakat „Reaktionär“ oder „Traditionalist“ oder was sonst gelassen vor die Haustür kleben läßt.
31. 3. 1959
«Orthographie oder ortografi?», eine Diskussionssendung über die geplante Rechtschreibereform (Köln) mußte ausfallen, weil die vorgesehenen Diskussionsteilnehmer nicht an einen Tisch zu bringen waren. Eins zu Null für Herrn Duden.
11. 1958

Es wäre bedauerlich und müßte als Zeichen stumpfsinniger Beharrlichkeit gewertet werden, wenn der nunmehr seit mehr als einem Jahrhundert von namhaftesten Germanisten geführte Kampf für die Kleinschreibung bei der erstrebten Reform der Orthographie nicht siegreich beendet würde.
25. 2. 1957
George Bernard Shaws letzter Wunsch, den größten Teil seines Nachlasses zur Schaffung eines neuen „britischen Alphabets von 40 Buchstaben“ zu verwenden, wurde von einem Londoner Gericht als „nicht erfüllbar" bezeichnet.
1957
Von Rechtschreibreformen sprechen heißt über Meinungskämpfe berichten, die mit erstaunlicher Regelmäßigkeit aufbrechen und zumeist unerwartet heftig verlaufen. Und zu Rechtschreibreformen Stellung nehmen heißt sich Kampflinie zweier Parteien begeben, denen beiden ihr Standort so unanfechtbar erscheint, daß sie nichts davon aufzugeben bereit sind.
2. 1956
Unsere besondere Aufmerksamkeit galt im Berichtsjahre der Rechtschreibung der jungen Soldaten. Es lag nahe, zu einer Zeit, da die sogenannte Orthographiereform nicht bloß die Schulwelt beschäftigt, die schriftlichen Arbeiten der Rekruten etwas genauer im Hinblick auf Wort- und Zeichenfehler zu mustern. […] Unsere Erhebung bei den Rekruten zeigt, daß die Schule ihrer Aufgabe, der Jugend das Fundament der Rechtschreibung zu vermitteln, doch einigermaßen gerecht wird. Sozusagen alle beherrschen die Großschreibung der eigentlichen Substantive; die Unsicherheit beginnt erst bei den dingwörtlich gebrauchten Tätigkeits- und Eigenschaftswörtern. […] Was am wenigsten befriedigt, ist die Interpunktion. […] Es gibt so vieles in der Rechtschreibung, das die Schüler lernen müssen, daß wir das, was im Hinblick auf die Gebrauchssprache entbehrlich erscheint, in der Schule auch als entbehrlich behandeln. […] Es gibt auch in der Rechtschreibung eine eiserne Ration, ein Notgepäck. Die direkte Rede gehört nicht dazu. Es gehören ebenfalls nicht dazu die verzwackten Bestimmungen über die Groß- oder Kleinschreibung von Adjektiven und Adverbien, wie das Beste, am besten, aufs neue, etwas Neues, etwas anderes.
25. 1. 1956
Die Diskussion über das Rechtschreibproblem, über die Frage, ob in Deutschland und im gesamten Gebiet der deutschen Sprache, also auch in Österreich, in der Schweiz und in Luxemburg, etwa „ee" statt „Ehe", „kan" statt „Kahn" oder „kann" und – ausgenommen die Satzanfänge – alles klein geschrieben werden soll, ist bald nach dem letzten Kriege wieder aufgelebt. Ihren Höhepunkt erreichte die Auseinandersetzung in den vergangenen beiden Jahren. Beide Seiten – die Fürsprecher einer von allen „Willkürlichkeiten“ der deutschen Rechtschreibung rigoros gereinigten „Stromlinien“-Schreibung und die Verteidiger der oft verwirrend schwierigen Rechtschreibregeln – haben sich in diesem Streitgespräch hoffnungslos ineinander verkrallt und führen es mit auffallender Gereiztheit, die sich in unsachlichen Argumenten und persönlichen Verunglimpfungen widerspiegelt.
23. 12. 1955
Im Hinblick auf die in verschiedenen deutschsprachigen Gebieten und Ländern in den letzten Jahren auf privater Basis erarbeiteten Reformvorschläge stellte die Ständige Konferenz der Kultusminister fest, daß allgemein die Anpassung der deutschen Rechtschreibung an den gegenwärtigen Stand der Sprachentwicklung gefordert und die Notwendigkeit gewisser Aenderungen anerkannt werde.
17. 4. 1955
Die Fragen zur Orthographiereform sind allerorten weiter diskutiert worden […]. Aber keineswegs ist die Gefahr der «Reformsturmflut» vorüber, und die endgültigen Entscheidungen, die in naher Zukunft bevorstehen, bleiben in beunruhigender Schwebe. Das ist der Grund dafür, daß wir noch einmal […] ins Gespräch eingreifen. Die geistigen, technischen, wirtschaftlichen Belange, die auf dem Spiele stehen, sind der höchsten Aufmerksamkeit des Publikums wert.
Zieht man aus der bisherigen Diskussion die Bilanz, so ist nicht daran zu zweifeln, daß eine Orthographiereform im Ausmaß der Stuttgarter Vorschläge keine Aussicht hat, durchzudringen. Das soll nun freilich nicht heißen, es müsse alles bleiben, wie es ist. Man wird im Gegenteil gut daran tun, den vorgesehenen Kongreß nicht etwa abzublasen; man soll ihn, wenn auch vielleicht etwas später, ruhig einberufen. Nach gut fünfzig Jahren ist es wohl an der Zeit, unsere Rechtschreibung wieder einmal gründlich zu bereden und die wirklich fälligen Aenderungen vorzunehmen.
Die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung hat über die Empfehlungen der «Arbeitsgemeinschaft für Sprachpflege zur Erneuerung der deutschen Rechtschreibung» vom 15. und 16. Mai 1954 ein Gutachten erstattet, das wir hier leicht gekürzt wiedergeben.
Die Diskussion über die «Stuttgarter Vorschläge» zu einer Reform der Rechtschreibung darf nicht ruhen, bis dieser Vorstoß, der eine Sprachvergewaltigung, noch krasser gesagt: eine Sprachschändung darstellt, abgewehrt ist. […] Die neue «ortografi» begeht ein Verbrechen wider den Geist der deutschen Sprache.
2. 2. 1955
Die Gruppe Zürich der Neuen Helvetischen Gesellschaft veranstaltet am Mittwoch, 2. Februar, 20 Uhr 15, im Zunfthaus Königstuhl einen öffentlichen Diskussionsabend über die deutsche Orthographiereform und die Schweiz.
11. 11. 1954
Der sogenannte Duden-Ausschuß […] wird in nächster Zeit tagen, um Anträge zuhanden der verantwortlichen Instanzen Deutschlands, Oesterreichs und der Schweiz hinsichtlich der vielbesprochenen Vereinfachung der deutschen Rechtschreibung zu beschließen. In diesem Ausschuß ist auch der Deutschschweizerische Sprachverein vertreten; da seinem Vorstand daran lag, zu erfahren, wie «man bei uns» über die Erneuerung der Orthographie denkt, veranstaltete er kürzlich einen Ausspracheabend im «Weißen Wind».
10. 1954
Von den rund 100 anfragen, die jeden monat die auskunftsstelle des Zweiges Berlin der Gesellschaft für Deutsche Sprache (Deutscher Sprachverein) erreichen, gehören regelmäßig über 50 in den bereich der rechtschreibung. So drängte sich der gedanke auf, einen eigenen abend ausschließlich der rechtschreibung zu widmen, und zwar am 24. märz unter der absichtlich etwas herausfordernd gehaltenen frage: Ist unsere rechtschreibung noch „richtig"? Es wurde die am besten besuchte und lebhafteste aller veranstaltungen.
11. 7. 1954
Um dem Leser eine Vorstellung zu vermitteln über die vorgeschlagenen Vereinfachungen und deren Auswirkung auf das Schriftbild, drucken wir nachstehend einen Ausschnitt aus Gottfried Kellers Novelle «Der Schmied seines Glückes» in der neuen Rechtschreibung ab. Da es für den Laien schwer halten dürfte, aus dem transkribierten Text die neuen Regeln zu erkennen, sei eine kurze Zusammenfassung der wichtigsten, das Schriftbild am stärksten verändernden Vereinfachungsmaßnahmen vorangestellt […]. Allein da ich Si in solcher verlegenheit sah, glaubte ich mich dergestalt auf di natürlichste weise bei Inen einzufüren, insofern ich etwa di ehre habe vor herren Adam Litumlei zu stehen.
Der Erreger Orthographiereform ist in Nachkriegszeiten immer besonders virulent. Als in den aufgewühlten Jahren nach 1945 vor allem in Deutschland und Oesterreich der alte Ruf nach Orthographiereformen aus der Abgeschlossenheit von mehr oder weniger sektiererisch anmutenden Reformbünden, von Berufsverbänden des graphischen Gewerbes, von Lehrerkonventen immer vernehmlicher in die Oeffentlichkeit herübertönte, sich zu massiven Eingaben an die Behörden verdichtete und diese sogar bei uns zu orientierenden Schritten veranlaßte, zeichnete sich die Gefahr einer unkontrolliert losbrechenden, alle Grenzen von Vernunft und Herkommen überspülenden Reformsturmflut ab. […] Die Behauptung, die deutsche Orthographie bedürfe heute einer Reform an Haupt und Gliedern, betrachten wir als maßlose Uebertreibung. Das schließt nicht aus, daß auch nach unserm Dafürhalten an vielen Stellen des orthographischen Systems Anlaß zu Ausbesserungen besteht, welche seine Handhabung wesentlich erleichter würden. Ueber ihre Dringlichkeitshierarchie kann man in guten Treuen verschiedener Meinung sein; den wünschbaren Gesamtumfang setzen wir persönlich wesentlich niederer an als die Mehrzahl auch der Schweizer Teilnehmer an der Stuttgarter Arbeitsgemeinschaft.
Das schroffe Nein, das die Zeitungsverleger- und Buchdrucker-Fachverbände als erste der geplanten Rechtschreibreform entgegengeschleudert haben, bedarf der Begründung vor der Oeffentlichkeit. […] Niemand kennt die Schwächen der heutigen Orthographie besser und niemand empfindet ihre Unzulänglichkeit schmerzlicher als gerade die Buchdrucker. Wenn sie sich trotzdem in die vorderste Reihe derer stellen, die einer abrupten, tiefgreifenden Umgestaltung den Kampf ansagen, so vor allem deshalb, weil sie eine zwar keineswegs ideale, aber doch festgefügte und gut eingespielte Ordnung einer jahre-, ja gar jahrzehntelangen Unordnung vorziehen. […] Kein Berufsstand – auch die Schule nicht – ist in so hohem Maße auf eine fest geordnete, allseits anerkannte Rechtschreibung angewiesen wie das Buch- und Zeitungsgewerbe; nirgends würde sich Unsicherheit, Nebeneinander und Gegeneinander ganz verschiedener Regeln so unheilvoll auswirken wie in den Tempeln der Schwarzen Kunst. Die Tauglichkeit von Reformvorschlägen darf also […] nicht allein vom Schreibtisch des Philologen oder gar nur von der Schulstube her beurteilt werden. […] In der Schweiz wird man übrigens gut tun, auf die große Konferenz hin mit Forderungen zu rechnen, die weit über das hinausgehen, was die «Arbeitsgemeinschaft» jetzt vorschlägt Diese Empfehlungen stellen ja ein Kompromißwerk dar, viel zu zahm, um jene einflußreichen Mitglieder der «Arbeitsgemeinschaft» zufriedenzustellen, die, wie ein Augenzeuge der Stuttgarter Verhandlungen schreibt, «die Orthographie so gründlich meucheln wollten wie nur möglich».
Wenn trotz allem Schulmeisterfleiß die Schüler nicht parieren und nicht richtig, wollte sagen, nicht «recht»schreiben lernen, so soll eben die Sprache selbst parieren. Und zwar gründlich, ein für allemal. Die Flausen ihrer orthographischen Willkür sollen ihr für alle Zeiten ausgetrieben werden. Man will ihr statt des Faltengewandes, das so viel Freiheit und Unberechenbarkeit zuläßt, ein knapp bemessenes Röcklein auf den Leib schneidern, eng anliegend, sachlich wie ein Trikot. Das neckische Faltenspiel der bisherigen Schreibweise, das den gleichen Laut bald mit eu, bald mit ö, jetzt mit ah, dann mit aa, dann einfach mit a zeichnet, paßt einfach nicht mehr in die Zeit der zweckhaft glatten Stahlrohrmöbel und Atomraketen. […] Der Weg ist dann von da nicht mehr so weit zur allgemeinen Einführung der Comic-strips anstelle des Sprachunterrichts, zum radikalen Fernsehen und zu den reinen Bildmagazinen, so daß wir die Zeit schon nahen fühlen, wo die Menschen ohne alles lästige Schreiben und Lesen auskommen. Damit wird das Orthographieproblem dann seine endgültige Lösung gefunden haben. […] Natürlich würde zunächst einmal der allergrößte Teil der heute in Bibliotheken aufbewahrten Bücherschätze in kürzester Zeit unlesbar.
24. 6. 1954
Die Empfehlungen für eine deutsche Rechtschreibereform, die von der deutsch-österreichisch-schweizerischen Arbeitsgemeinschaft für Sprachpflege ausgearbeitet worden sind, wurden am Montag in Stuttgart veröffentlicht und damit zur allgemeinen Diskussion gestellt. […] Die in allen kulturellen Dingen lebhaft und geschliffen Stellung nehmende Wiener Zeitschrift «Forum» hat auch diesem Stuttgarter Bombenteppich eine Glosse gewidmet (Heft 6). Sie spricht von «fundamentalen Neuerungsplänen, die infolgedessen aller Fundamente entbehren»; man sei sie gewohnt gewesen. Das stimmt. Bisher war etwa alle Maikäferjahre die Rede davon. Diesmal ist die Gefahr ernst.
1. 4. 1954
Dr. Konrad Duden würde, wenn er noch am leben wäre und mitwirken könnte, voll und ganz für eine gründliche vereinfachung unserer rechtschreibung eintreten! Ein halbes jahrhundert seit 1901 ist aber wahrlich zeit genug, daß die allgemeinheit zu der erkenntnis kommen sollte, die Dr. Konrad Duden schon vor der jahrhundertwende in sich trug und verfocht.
1954
Die "empfehlungen" […] gehen wahrscheinlich weiter, als der schulausschuß der kultusminister-konferenz sich ursprünglich vorgestellt haben mochte. Doch ist er keineswegs so radikal, wie es in der presse schon öfters dargestellt worden ist […]. Er ist, da man von vorne herein ein praktisches ziel vor augen hatte, ein kompromißwerk.
1952
Allen vorschlägen gemeinsam ist […] das verlangen nach der einführung der antiqua in schrift und druck, ferner anpassung gebräuchlicher fremdwörter an die deutsche schreibweise und drittens die beseitigung möglichst vieler doppelschreibungen. Für die gruppe, die nur annähernd oder grobfonetisch schreiben will […] ergibt sich als minimalprogramm folgendes: gemäßigte kleinschreibung […], teilweise abschaffung der dehnungsbezeichnungen […], fonetische anpassungen […]. Das minimalprogramm […] trägt auch der vernünftigen forderung rechnung, daß das bestehende schriftbild nicht allzu sehr verändert werden dürfe […].
Die bedeutungsvollsten punkte dieses reformprogramms sind zweifelsohne der übergang zur gemäßigten kleinschreibung & die teilweise abschaffung der dehnungsbezeichnungen.
Es wird ein "bewußte, einsichtsvolle gestaltung der rechtschreibung gefordert, schon im hinblick auf ihre soziale bedeutung".
24. 8. 1946
So ist denn auch gewiß der Leitung der „Neuen Zürcher Zeitung“ der Entschluß nicht leicht gefallen, von der altgewohnten Fraktur zur Antiqua überzugehen.
4. 8. 1946
Der Anteil der Antiqua an den Druckwerken deutscher Zunge erlangte bei Ausbruch des ersten Weltkrieges den Höhepunkt. Langsam und in der Zeit Hitlerdeutschlands in steigendem Maße und durch Verbote beschleunigt, sank der Anteil der Antiqua am Schrifttum im Deutschen Reich auf ein Minimum. Erinnern wir uns nur an die schöne Goethe-Monumentalausgabe, die in Antiqua begonnen, auf höheren Befehl eingestampft und in Fraktur neu gedruckt werden mußte. Fraktur und Antiqua stehen sich heute als feindliche Brüder gegenüber; sie sind zum symbolischen Ausdruck zweier Weltanschauungen geworden. Unter dem Einfluß der europäischen Kultur folgte der Gebrauch der Antiqua im heutigen Gebiet der Schweiz demjenigen in den geistesverwandten Nachbarländern; Genf hielt sich an Frankreich, und Basel sowie Zürich folgten im großen ganzen und mit Ausnahme des letzten Jahrzehnts den reichsdeutschen Strömungen. […] Seit der Mitte des 18. Jahrhunderts machte sich besonders in Zürich unter dem Einfluß des Klassizismus eine Vorliebe für die Antiqua geltend. […] Unter dem zunehmenden Einfluß des reichsdeutschen Verlagswesens folgte die deutschsprachige Schweiz der Entwicklung im Reich, machte sich aber während des zweiten Weltkrieges frei. Damit gelangte die Antiqua bei uns zur Vorherrschaft.
1. 1945

Aus Deutſchland kommt die Kunde, der Reichsminiſter für Wiſſenſchaft, Erziehung und Volksbildung habe „von ſich aus“ in die Rechtſchreibung eingegriffen und Regeln erlaſſen, die in einem 96 Seiten ſtarken Büchlein in den nächſten Wochen den deutſchen Schulkindern eingehändigt würden. Über dieſe Regeln […] könnte man reden; ſie bringen außer dem ungewohnten Schriftbild vieler Fremdwörter keine großen Umwälzungen, z.B. nicht etwa die Kleinſchreibung der Dingwörter […]. Was aber das ganze Unternehmen als gründlich verfehlt erweiſt, iſt die Beſtimmung, daß „der gegenwärtige Schreibgebrauch vorläufig auch weiterhin in Geltung bleiben kann“. Das iſt ſo ziemlich das Allerungeſchickteſte, was man in dieſer Sache beſtimmen konnte, denn durch dieſe „Beſtimmung“ wird alles unbeſtimmt; jeder ſchreibt, wie er will […].
15. 10. 1944
Nachdem die alte Schreibweise nach Duden „vorläufig“ weiterbestehen kann, wird nur ein Durcheinander entstehen. Der eine Autor schreibt so, der andere nach den neuen Regeln. Kommen zwei solcher Aufsätze in einer Zeitschrift zum Abdruck, dann wird mancher Uneingeweihte beim Lesen den Kopf schütteln und sich über die Arbeitsweise in der Druckerei seine Gedanken machen.
14. 9. 1941
Ein Kulturvolk wie das deutsche, das sich mit dem Gedanken trägt, seine Rechtschreibung zu reformieren — und dies so bald wie irgendmöglich —, will durch Vereinfachung des Verwickelten sein geistiges Leben entlasten und ihm dadurch neue Kräfte und Wirkungsmöglichkeiten zuführen. Wir wissen, daß es sich da um ein gefährliches Unterfangen handelt, daß ein bißchen Zuwenig das Vorhaben um seine ganze Wirkung bringen kann und daß ein geringes Zuviel unabsehbare Verwirrung stiften, ungeahnte Gegenkräfte entbinden und unberechenbare Schwierigkeiten herbeiführen kann.
20. 11. 1938
Die Vorschriften über ß und ss verloren stark an Bedeutung, nachdem der Erziehungsrat im März 1933 die Deutsche Fraktur lediglich noch als Leseschrift erklärt halte. […] Der Erziehungsrat beschloß deshalb, die Lehrkräfte aller Schulstufen anzuweisen, im Unterricht das ß oder sz durch ss zu ersetzen.
10. 11. 1928
[…] das Oberlandesgericht Köln musste sich mit dem exzeptionellen Fall beschäftigen. Es kam zu folgendem Ergebnis: "[…] Der Gebrauch der kleinen Anfangsbuchstaben beeinträchtigt nicht die Lesbarkeit und die Verständlichkeit der Klageschrift." (!!) Wodurch wieder einmal eine sehr wichtige Rechtsfrage in äusserst scharfsinniger und wie man zugeben muss, zufriedenstellender Weise gelöst ist.
25. 9. 1928
Zwar hatte die vereinheitlichung und amtliche regelung sicher praktische vorteile, besonders für den buchdruck und auch für die schule. Andererseits wurde dadurch die weitere reform erschwert, wenn nicht unterbunden. […] Und als dann 1918 nach dem politischen zusammenbruch des reichs eine mächtige reformbewegung auf dem ganzen weiten feld des erziehungswesens einsetzte, kam auch die ortografiereform wieder in fluss. […] Der neuerwachte nationale chauvinismus steht einer reform nicht günstig gegenüber, und so ist vorläufig von Deutschland kein vorangehen zu erwarten. Dagegen hat der reformgedanke in der Schweiz in den letzten jahren sich auszubreiten begonnen. […] Und im herbst 1924 fand dann endlich in Olten eine versammlung statt von freunden einer ortografiereform, die zur gründung des «Bundes zur vereinfachung der rechtschreibung» führte. […] Verehrte kollegen, scheuen wir uns nicht, mit forderungen an die öffentlichkeit zu treten, auch wenn unser schritt da und dort noch kopfschütteln hervorrufen sollte.
18. 8. 1928
Gehalten […] am 29. mai 1926 in Baden, an der interkantonalen konferenz zur besprechung der ortografiereform. […] Ich nehme an, dass sie alle sich in letzter zeit in irgendwelcher weise mit der ortografiereform beschäftigt haben […]. Und ich darf auch annehmen, dass sie alle empfinden: wir stehen hier vor einer frage, die wichtig ist für das öffentliche leben und ganz besonders wichtig für die schule, der wir unsere arbeit und unser denken widmen. Ich will gleich auf die hauptsache eingehen und zwei fragen stellen: 1. Ist eine reform, eine vereinfachung unserer gebräuchlichen deutschen rechtschreibung überhaupt wünschenswert? 2. Ist eine solche möglich? […] In erster linie steht da die grosschreibung. […] Die grossschreibung der substantive ist wie viel anderes überflüssiges in unserer schreibung ein kind der barockzeit […]. Das misslichste daran ist aber, dass man bei der grosschreibung der eigentlichen substantive nicht stehen blieb, sondern dass im 19. jahrhundert nun auch alle möglichen substantivisch verwendeten ausdrücke der «ehre der grosschreibung» teilhaftig wurden […]. Dadurch aber kommen wir zu einer komplizierung der schreibweise, die ans absurde grenzt […]. Ungefähr die hälfte aller schreibregeln betrifft denn auch die grosschreibung, und die fehler darin überwiegen weitaus. Davon habe ich mich letztes jahr durch einige statistische feststellungen in den heften meiner schülerinnen überzeugt.
27. 6. 1927
In der deutschschweizerischen Lehrerschaft und in der pädagogischen Fachpresse wird zurzeit über eine vereinfachte Rechtschreibung eifrig diskutiert. Der Antrieb zum neuen Kampfe um eine Verbesserung der Orthographie gibt der Schweizerische Bund für vereinfachte Rechtschreibung, der viele Mitglieder aus Lehrerkreisen aufweist.
1926
Seitdem die frage der schreibreform wieder in fluss gekommen ist, richtet sich der ansturm der neuerer vor allem gegen die grossen anfangsbuchstaben der hauptwörter. Ist es bloss eine laune des demokratischen zeitgeistes, der wahn der allgemeinen gleichmacherei, der nicht dulden kann, dass die wörter einer bestimmten klasse eines hauptes länger seien als die andern?
4. 1920
Jedem Erwachsenen, der sich die Rechtschreibung angeeignet hat, mutet eine Neuerung auf diesem Gebiet Opfer zu. Je älter er ist, desto schwerer wird ihm das. Es sind aber Opfer, die wir unsern Kleinen, den Kindern und Enkeln bringen. In der Uebergangszeit, zehn oder zwanzig Jahre lang, wird man jedem von uns noch gestatten, bei der alten Uebung zu bleiben. Fürs Lesen aber werden wir uns sehr bald, in wenigen Jahren, vollständig an die neuen Wortbilder gewöhnen.
25. 2. 1920
Dem von so mancherlei Mißgeschick verfolgten deutschen Volke steht eine neue Prüfung bevor, die überdies auch die andern Deutsch Schreibenden und Lesenden heimzusuchen droht. Diesmal von seiten seiner eigenen „Pharisäer und Schriftgelehrten“. Eine neue Rechtschreibung nämlich, und was für eine!
20. 4. 1918
Die Forschungen der erwähnten Physiologen zeigen, dass eine mit Aufmerksamkeit durchgemachte Schulstunde für den Schulanfänger zu lang ist für einen erfolgreichen Unterricht. Ist da die Ökonomie der Zeit und der Geisteskräfte, wie die Antiqua bei unsern Erstklässlern eine solche erwiesenermassen in weit grösserem Umfange zulässt als die deutsche Schrift, nicht gerechtfertigt? […] Wenn erst der von Hrn. Prof. B. berührte Gedächtniskram in Silbentrennung, Orthographie, Unterscheidung von ss und ß etc. aus unsern Schulen verschwände! Warum müssen wir Lehrer und Schüler für die Orthographiesünden des 17. Jahrhunderts büssen, da die Schriftsetzer nach eigener Willkür begannen, die Dingwörter mit Majuskeln zu bezeichnen, welches Vorrecht alle andern Sprachen doch nur den Eigennamen und den Satzanfängen zugestehen? Mit welcher Begründung benötigen wir des weitern für den gleichen Laut f die drei verschiedenen Bezeichnungen v, f, ph? Lässt sich der von Hrn. Prof. B. angeführten willkürlichen Unterscheidung von ss und ß nicht die durchaus fremde Buchstabengruppe c q v x y in der deutschen Sprache gegenüberstellen? Nicht bloss mit Rücksicht auf die Elementarschule, sondern im Interesse einer geistigen Ökonomie der Schularbeit aller Klassen dürfte einer vereinfachten Orthographie energisch das Wort gesprochen werden. Läge aber bei einer derart einschneidenden Uniformierung für uns Schweizer die Versuchung nicht nahe, an eine Einigung in der Schriftfrage zu denken? Dass sie zugunsten der Antiqua ausfallen müsste, steht ausser Zweifel; denn mit der deutschen Schrift können wir uns ja nicht einmal mit unsern Miteidgenossen franz., ital., romanischer Zunge verständigen. Auf alle Fälle kann der Lehrer, der seinen Lese- und Schreibunterricht von der Antiqua ausgehen lässt, nicht als Vaterlandsverräter oder Heimatschutzgegner hingestellt werden. Der Weg der natürlichen Schriftentwicklung von der Antiqua über die Kursiv- zur Kurrentschritt ist und bleibt für mich das Richtige; dabei weiss ich mich mit meinem Kollegen an der Oberstufe unserer Übungsschule in voller Übereinstimmung.
2. 3. 1918
Mit grosser Aufmerksamkeit wurde nachmittags der anregende Vortrag des Hrn. Prof. Dr. W. Bruckner entgegengenommen, der mit urkräftigem Behagen aus dem weitern Gebiete seines Faches, des Deutschen, Belehrung und Unterhaltung schöpfte. […] In den Apostroph sind nicht nur höhere Töchter, sondern auch Gelehrte förmlich verliebt.
28. 7. 1902
Der Bundesrat hat eine für die ganze Bundesverwaltung deutscher Sprache gültige Orthographie als offiziell erklärt. Der betreffende Bundesratsbeschluß ist sogar überschrieben: „Einheitliche Orthographie für die deutsche Schweiz“ […]. Wir vermuten, es werde noch mancher alte Bureaukrat sich sträuben, hier mitzumachen. Und doch sind die hauptsächlichsten Aenderungen gar bald gemerkt.
27. 11. 1900
Acht Jahre sind nun verflossen seit der von Bundesrat Schenk einberufenen Konferenz zur Regelung der deutschen Orthographiefrage. […] Die Buchdrucker, die Zeitungsverleger, die Typographen und die Buchhändler haben nicht ermangelt, für diesen Beschluß einzustehen, indem sie sich von dem Gedanken leiten ließen, daß Vereinheitlichung der Orthographie nicht nur in ihrem Interesse liege, sondern in dem der Gesamtheit, insbesondere der Schule, der Schüler und der ins Leben hinaustretenden Jugend.
23. 7. 1897
Die Beseitigung des th in den bekannten 7 Stämmen, sowie eine fernere Vereinfachung der deutschen Orthographie kann gemäß den Beschlüssen der interkantonalen Orthographie-Konferenz von 1892 nur international, d. h. gemeinsam mit Deutschland, an die Hand genommen werden.
23. 1. 1894
Zur konstituierenden Sitzung der Gesellschaft für deutsche Sprache in Zürich fanden sich am Samstag nachmittag etwa 25 Teilnehmer im „Pfauen“ ein. […] In einem gedrängten Vortrage führte hierauf Herr Privatdozent Dr. Hoffmann die Ursachen der Verderbnis an, gab Kenntnis von den vielfach vorkommenden Fehlern und herrschenden Uebelständen im Gebrauche unserer Schriftsprache […] Als Mittel zur Abhülfe bezeichnete er zunächst die Belehrung über das Richtige und Unrichtige im Sprachgebrauch […]. Ausgeschlossen sind dagegen alle litterarischen Vorträge und Fragen sowie der Streit über die Rechtschreibung.
30. 12. 1876
Di „Schweizerische Lererzeitung“ wird auch im jare 1877 fortfaren, im geiste Pestalozzi’s zum ausbau des schweizerischen schulwesens nach unten und nach oben und zur pflege der häuslichen erzihung ir scherflein beizutragen. […] In irer orthographie wird si einen schritt zur annäherung an di gebräuchliche orthographie tun.
15. 4. 1876
Eine weitere, ganz überflüssige Eigenthümlichkeit, ich möchte sogar sagen Unart in der deutschen Schreibweise ist der Gebrauch der grossen Anfangsbuchstaben bei den sogenannten Substantiven, wie es in keiner andern Sprache der Fall ist oder war. Die französische, italienische, englische, lateinische und griechische Schrift, die nur beim Anfang eines Satzes oder bei Eigennamen die grossen Buchstaben brauchen, sind eben so verständlich, wie die deutsche, und die deutsche Schrift wird eben so verständlich werden wie jene, wenn wir uns der lateinischen Lettern bedienen. Fort also mit dieser Unart, die das Schreibenlernen den Kindern so sehr erschwert und sogar den Gebildeten manchmal in Verlegenheit bringt, zweifelnd ob er ein Wort, das an sich kein Substantivum ist, aber statt eines solchen als Subjekt oder Objekt im Satz gebraucht wird, gross oder klein schreiben soll […].
8. 4. 1876
In allen Zweigen des Gewerbs und der Industrie sucht man durch grössere Einfachheit auf der einen und durch zweckmäßigere Maschinen auf der andern Seite Zeit zu ersparen und den Verkehr zu erleichtern, und um viel, viel Zeit zu ersparen hat man die Eisenbahnen gebaut. Wohl hat man nun auch im Verlauf dieses Jahrhunderts durch bessere Lehrmethoden und geeignete Lehrmittel das Lernen zu erleichtern und zu beschleunigen gesucht, und der Jugend nicht nur Mühe sondern auch Zeit zu weiterer Ausbildung erspart und zugleich für die bessere Entwicklung ihres Denkvermögens gesorgt; aber noch bleibt in beiden Richtungen manches zu thun übrig. Ich will hier nur zwei Punkte erwähnen, mit denen in den meisten Schulen bis jetzt noch viel Zeit vergeudet wird, es sind dies: der Religionsunterricht und der grammatische und orthographische Unterricht in der deutschen Sprache. […] zur sogenannten Orthographie, wobei ich ebenfalls versuchen werde zu zeigen, dass auch hier dem Schüler viel Zeit und dem Lehrer viel Mühe erspart werden kann, wenn nur die Erziehungsbehönden ernstlich vorwärts gehen und sich um den Spott der Gewohnheitsmenschen nicht kümmern und rein den Zweck im Auge behalten, radikal mit der bisherigen Schreibweise brechen und eine streng grundsätzliche Rechtschreibung anstreben.
18. 1. 1873
Di erste neue nummer der „Lererzeitung“ macht einen kleinen ausfall auf unsern halbkanton [AR], der besser unterbliben wäre. Wir wollen di ortografikommission nicht offiziell beschicken, das ist richtig. Das geschiht aber nicht aus mangel an interesse für di sache oder wegen nichtferständnisses derselben, noch fil weniger hängt es zusammen mit der ferwerfung der bundesrevision. Wir wollen einfach einstweilen noch zusehen und gewärtigen, was aus dem „fersuch“ wird.
4. 1. 1873
Eine andere neuerung in folge eines beschlusses des lererfereins ist di neue ortografi. Für unsere leser im lererstande bedarf es dafür hir keiner worte mer; si wissen, dass di männer der sprachwissenschaft auf unserer seite stehen und dass zudem 2000 schweizerische lerer, di männer der praxis, sich in iren konferenzen für di fereinfachte ortografi erklärt haben.
APPENZELL A. RH. will di ortografikommission nicht beschicken, was uns nicht wundert, da diser kanton bekanntlich noch fil wichtigere dinge als das ist auch nicht will.
28. 12. 1872
Im Begriff, unsere mehrjährige Arbeit an der „Schweizer. Lehrerzeitung“ in andere Hände zu übergeben, fühlen wir uns gedrungen, allen Denjenigen, welche uns dabei Unterstützung und Aufmunterung zukommen ließen, unsern warmen Dank auszusprechen. […] Nach der in Aarau beschlossenen Revision der Vereinsstatuten werden sich diese Verhältnisse von nun an freilich etwas anders gestalten, indem das Abonnement für das Vereinsorgan und der Jahresbeitrag der Vereinsmitglieder künftig auseinander gehalten und getrennt bezogen werden. Wir gestehen offen, daß wir uns weder für diese Aenderung der Statuten, noch für die Einführung der fereinfachten ortografi schon in diesem Stadium ihrer Entwicklung sehr begeistern konnten […].