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Bund für vereinfachte rechtschreibung (BVR)

presseartikel → 9. 2000
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Aus presse und internet

30. 9. 2000

: Vordergasse 58. Schaffhauser Nachrichten, , nr. 229, 138. jg., s. 3, Meinungen
Ganzseitig verteidigt Peter Gallmann die neue Rechtschreibung im «Tages-Anzeiger». Wen wunderts? Hat doch der Schaffhauser Sprachwissenschaftler die Reform vorbereitet und begleitet sie heute noch als Mitglied der «Zwischenstaatlichen Kommission für die deutsche Rechtschreibung». Gallmann schreibt unter anderem: «So haben Sprachwissenschaftler für das Komma beim Infinitiv eine ganz einfache Regel parat: Inkohärente Infinitive trennt man mit Komma ab. Schade, dass niemand weiss, was ein inkohärenter Infinitiv ist.» Wer nun von ihm, dem Wissenschaftler, Aufklärung erhofft, wird böse enttäuscht, denn: «Dieser grammatikalische Sachverhalt ist in der Tat so kompliziert, dass er in der Volksschule nicht vermittelt werden kann.» Konsequenz: Die «amtliche Rechtschreibung verzichtet jetzt auf eine straffe Regelung».
: Operation Albertinen eine Klinik macht sich fit. Hamburger Abendblatt, , Hamburg
Im ebenfalls gerade eingeweihten Zentrum für Physikalische Therapie ("Physikofitt") versorgen niedergelassene Ärzte Krankenhaus­patienten. […] Ob es bei der Bezeichnung "Physikofitt" bleibt, ist indes noch offen. Der Gestalter eines Einladungs­plakats hatte irrtümlich angenommen, dass sich "fit" nach der Rechtschreib­reform mit Doppel-T schreibt.
: "Der Ruhm verblasst leider allmählich." Gespräch mit dem Olympia-Maskottchen Skippy. Stuttgarter Nachrichten, , Sport
Stört es Sie eigentlich, dass Sie der Rechtschreibreform zum Opfer gefallen sind? — Känguru oder Känguruh — das ist mir egal. Entscheidend ist die Schreibweise in meiner Heimat: Kangaroo.

29. 9. 2000

: Sprachpapst ohne Dogma. Uwe Förster von der Gesellschaft für deutsche Sprache geht in den Ruhestand. Frankfurter Rundschau, , nr. 227, 56. jg., s. 34, Kulturspiegel
Die Rechtschreibreform habe zur Sprachverwirrung beigetragen. Mehr kommt dem scheidenden Leiter der Sprach­beratung zu diesem Thema nicht (mehr) über die Lippen.
: Schlag nach auf der Festplatte. Wie schreibt man noch mal Homepage? Der digitale Duden hilft. Mindener Tageblatt, , Multimedia
Dass der renommierte deutsche Sprachwächter-Verlag sich so kurz nach Einführung der neuen Rechtschreibung samt damals neuem Duden schon zu einer Neuausgabe "Duden 2000" veranlasst sah, hat hohe Wellen geschlagen. Vor allem erbitterte Reformgegner meinten daraus schließen zu können, dass nun weite Teile des umstrittenen "Neuschriebs" zurück genommen würden und damit das von ihnen so erhoffte Scheitern der Reform offensichtlich sei. Dem ist nach bisherigem Nutzereindruck, bis auf wenige Fälle etwa im Bereich der Getrennt- oder Zusammenschreibung, nicht so.

28. 9. 2000

: Deutsche Rechtschreibung: Alt wird wieder neu! Oberbaselbieter Zeitung, , s. 2
Für die Bevölkerung aber bedeutet der mutige Schritt der «FAZ» keinen Rückschritt, sondern einen Forschritt. Die Mehrheit der Bevölkerung braucht nicht noch umzulernen, was sie bisher sowieso noch nicht lernen konnte, und für die in der neuen Ära der Rechtschreibung Eingeschulten dürfte es nicht schwer sein, wieder den alten und im Großen und Ganzen bewährten Regeln zu folgen.
: Neue Rechtschreibung wird sich durchsetzen. Tages-Anzeiger, , nr. 226, 108. jg., s. 2
Ich bin sicher, in zehn Jahren werden viele Formen der alten Rechtschreibung den meisten Lesern schon so merkwürdig vorkommen wie heute Thüre, That und Rath (so die vor 1901 gebräuchlichen Schreibweisen).

27. 9. 2000

: Einseitiger Philologe. Der Berufsverband der Gymnasiallehrer und die Rechtschreibreform. Frankfurter Allgemeine Zeitung, , s. 16, Politik (1195 wörter)
Die Bevölkerung war dagegen, der Bundespräsident war dagegen, der Bundeskanzler war dagegen, die meisten Parlamentarier waren dagegen, die Schriftsteller waren dagegen, die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung war dagegen, die meisten Germanisten waren dagegen — und doch haben die Kultusminister die Reform der Rechtschreibung durchgesetzt […]. Wer sich fragt, wie das in einer Demokratie möglich war, muß sich mit der Rolle der interessierten Verbände und den Eigeninteressen und Intrigen der Verbandsvorsitzenden beschäftigen. Am auffälligsten agiert und agitiert der Deutsche Philologenverband, genauer: der Präsident der Berufsvereinigung der Gymnasiallehrer, Heinz Durner.

26. 9. 2000

: Neue Feindbilder lenken ab. Betr.: "Und immer wieder die Cucaracha-Hupe" (MT vom 1. September) und "Volksbefragung vor Aufnahme?" (MT vom 4. September). Mindener Tageblatt, , Leserbriefe
Eine andere Spielart der politischen Auseinandersetzung zeigt sich daran, wie man mit Kritikern der offiziellen Meinung mit allen Mitteln des Staatsapparates umgeht, wie zum Beispiel mit den Gegnern von Euro und Rechtschreibreform. Dass diese beiden Aktionen Kritik verdienen, zeigt sich an ihren gravierenden Mängeln […]. Nun spielt sich das gleiche bei der Osterweiterung der EU ab. EU-Kommissar Verheugen hat dazu eine Volksbefragung vorgeschlagen. Nun fällt man über ihn her.

25. 9. 2000

: Reinhalten ist nicht gleich Fegen. Sitzung des Groß-Umstädter Stadtparlaments wird zum Sprachseminar. Darmstädter Echo,
Für Heiterkeit sorgten die Anmerkungen Ahles [SPD-Fraktionsvorsitzende] zur Herbstmarktordnung. So verwies sie darauf, dass nach der neuen Rechtschreibung „Schloss" mit zwei „s" und nicht mehr mit „ß" geschrieben wird und dass der „Standinhaber" mit einem „/in" zu versehen sei.

23. 9. 2000

Amriswiler Facetten. Sprache ist Heimat. St. Galler Tagblatt, , Amriswil/Bischofszell
Um Lütprants Deutsch aufzuschreiben, hatte Notker nur das lateinische Alphabet zur Verfügung, das weder den Buchstaben w noch ein Zeichen für unser sch kennt. […] Unbehelligt von jeder Rechtschreibereform schrieb er «flieht» so, wie wir es heute noch aussprechen: «fliet».

Fast so; da wäre noch das h, ebenfalls noch in dialekten vorhanden ist (er flücht). Das beispiel zeigt, warum man uns von zeit zu zeit mit rechtschreibreformen «behelligen» muss. Ob Notker «unbehelligt» war, ist schwer zu sagen. Eher nicht, nur eine politische diskussion gab es wohl noch nicht, weil es — und das ist der einzige echte unterschied zwischen damals und heute — keine allgemeine schulpflicht gab.

: Selbstherrliche Philologen-Verbandsspitze. Frankfurter Allgemeine Zeitung, , nr. 222, s. 57, Briefe an die Herausgeber
[…] wurde bei der Hauptversammlung des Bayerischen Philologen­verbandes im November 1997 in Antrag zur Rechtschreib­reform gestellt, der vom Landes­verband mit großer Mehrheit angenommen wurde. Darin wurde der Verband "aufgefordert, sich für wesentliche Änderungen des Regelwerks der Rechtschreib­reform einzusetzen. Die Zeichensetzung muß Texte verständlich machen. Die Zusammen- und Getrennt­schreibung muß zur Differenzierung und Nuancierung beitragen. Das Regelwerk darf keine Widersprüche enthalten. Eine gewisse Einheitlichkeit muß gewährleistet sein."

Aber warum eine änderung? Die zeichensetzung macht texte gerade deshalb verständlich, weil sie in wenigen fällen von der (rein formalen) grammatik abweichen darf. Zur differenzierung muss alles beitragen und tut es auch, aber eben nur beitragen; es war nie oberstes prinzip einer buchstabenschrift. Ein regelwerk ganz ohne widersprüche ist unser aller traum; zu erreichen ist er aber sicher nicht dann, wenn wie im falle der neuregelung von 1996 ängstliche und z. t. falsche rücksichten auf die akzeptanz genommen werden und dann immer noch politiker einzeländerungen verlangen können. (Und dieser verband fordert ja nun auch nicht, die ursprünglichen, eher widerspruchfreien absichten der wissenschafter zu verwirklichen.) Eine «gewisse» einheitlichkeit haben wir doch, oder nicht? Eine grosse einheitlichkeit ist sicher eher mit guten regeln zu erreichen als mit schlechten.

: Leopoldshagener schreibt in Plattdeutsch — Bücher richten sich an Liebhaber und Einheimische. Nordkurier-Online, , Pasewalk
Niederdeutsch Schreibende sollten sich einmal mit den Rechtschreibregeln unserer Nachbarn, den Niederländern, vertraut machen, denn diese Regeln sind logisch, einfach und begreifbar, und einige davon könnten wir getrost beim Schreiben des Plattdeutschen anwenden, sagt Fechtner.
: Pragmatismus kann Ordnungspolitik nicht ersetzen. Kolumne. Die Welt, , Wirtschaft
Es gibt kaum ein politisches Thema von Bedeutung, zu dem nicht Meinungsumfragen des Volkes Stimmung kundtun. […] Ob es sich um die Reform der Rechtschreibung, den Ladenschluss, die Liebe zum Euro oder die Todesstrafe handelt; Volkes Stimme begleitet den politischen Entscheidungsprozess, prägt ihn wohl auch mit. Eine veröffentlichte Meinung ist auch meinungsbildend. Es ist attraktiv, sich in Übereinstimmung mit der Mehrheit zu finden.

22. 9. 2000

: Frisch gebackene Rechtschreibreform. Ein Beitrag zur Rationalisierung und eine Replik auf Rudolf Walther. Freitag, die Ost-West-Wochenzeitung, , nr. 39, Kultur
Wäre es den Reformern und denen, die ihre Neuerungen mit dem Staats­siegel versahen, um die deutsche Sprache zu tun gewesen, so hätten sie diese Debatte vor ihrer per Ukas durchgepaukten Reform geführt.

War denn das in den hundert jahren vor der neuregelung keine debatte?

: Buchhändler bezweifeln Verkaufserfolg für Duden. Rechtschreibreform verunsichert Kunden. Rheinpfalz Online, , Pfalz-Nachrichten, Ludwigshafen
"Die Leute sind verunsichert wegen der Diskussion um die Rechtschreibung und warten erst mal ab, ob es nicht doch gravierende Änderungen gibt, bevor sie Geld ausgeben."

21. 9. 2000

: Inschrift und Notiz. Werbe-Woche, , s. 8, Sprachbeobachter
Die Kleinschreibung der deutschen Sprache ist oft diskutiert worden. Aber noch nie hat jemand deswegen die Abschaffung der Grossbuchstaben verlangt.

«Noch nie jemand» ist eine gewagte aussage. Selbstverständlich gab es entsprechende vorschläge.

: Mit Knetkugeln Buchstaben »begreiflich« machen. Neue Förderklasse für lese- und rechtschreibschwache Kinder in Hausach. Offenburger Tageblatt (Baden Online),
In der Rechtschreibreform sieht Schmid (Rektor der Graf-Heinrich-Schule in Hausach) für rechtschreib­schwache Kinder einen Schritt in die richtige Richtung: »Es ist für die Kinder eine kleine Hilfe, Wörter so schreiben zu können, wie sie sie hören.«

20. 9. 2000

: Modifikationen an Sprachnormen nicht gegen den Willen des Volkes vornehmen. [Leserbrief zu:] Gastbeitrag; es tut mir leid: ein Kompromiss, FR vom 28. 8. Frankfurter Rundschau, , nr. 219, 56. jg., s. 8, Freie Aussprache
Dass angesichts solcher Produkte wie Missstand oder Messserie die alte, an sich ja auch einzig richtige Regelung (ß ist schließlich Ligatur aus s und Schluss-s) nicht lese­freundlicher sein soll, kann ich nicht nach­vollziehen.
: Ein Feldzug gegen die vielen "Kakologismen" in der Sprache. Uwe Förster mit Reinhard Appel bei Bouvier. , General Anzeiger,
Die Rechtschreibereform sieht Förster zwar negativ, interessiert ihn allerdings nur wenig.
: Neue Rechtschreibung unbefriedigend. Zum Thema neue Rechtschreibung hat sich ein Leser Gedanken gemacht. Lampertheimer Zeitung (Main Rheiner),
Mir fällt das Lesen Ihrer Zeitung schwer. […] Jedenfalls steht für mich fest, dass ich in Zukunft keine Zeitung oder Zeitschrift abonniere, die die alte Schreibweise ablehnt.
: Sprachpflege ist mehr als „Korinthenkackerei“.Dr. Uwe Försters Buch aus dem Dudenverlag liegt zu seinem 65. Geburtstag vor/Feier mit dem Forum der Jugend. Wiesbadener Tagblatt (Main Rheiner),
Die Beschäftigung mit dem Sprachstil spielt für Förster eine zentrale Rolle. Im Gespräch mit uns benennt er weitere für ihn vorrangige Komplexe des Buches, in dem sich übrigens kein Beitrag zur Rechtschreib­reform findet, weil ihn die anderen Themen mehr interessieren.

19. 9. 2000

unterm strich. die tageszeitung, , nr. 6249, s. 14
Es schimmelt. In Schina. Ach, Rechtschreibreform sei Dank. Nein, sagt die Korrektur, China heißt immer noch China. Und dort wird gechimmelt. Aber keine Panik: nur an historischen Orten. Dabei handelt es sich um die chinesischen Terrakotta-Krieger, die in den Siebzigerjahren ausgegraben wurden.

18. 9. 2000

: Ein Adler mit Adress-Problem. Die Bundesregierung startet eine neue Netz-Initiative. Berliner Zeitung, , Multimedia
Auch wenn es den Anschein hat: "Deutschland schreibt sich mit .de" ist keine Initiative für eine neue Rechtschreib­reform, sondern eine Infokampagne der Bundes­regierung zur Popularisierung des Internet in Deutschland.
: Wo sind die Stemmerinnen? Die Welt, , Sport
Nach drei zähen Stunden kündigt Johannes B. Kerner grinsend und ohne ein Wort der Entschuldigung endlich die muskel­bepackten Mädchen an: "Das ist so wie mit der Rechtschreib­reform, keiner weiß, ob wir das wirklich brauchen."

15. 9. 2000

: Eine Wolfgang-Pauli-Strasse. Ehre für Lehrer und Nobelpreisträger. Neue Zürcher Zeitung, , nr. 215, s. 47, Zürich und Region
Obwohl die Geschichte kaum davon Kenntnis nehmen wird, kann erwähnt werden, dass die neue Strasse die erste ist, die korrekt angeschrieben ist, nämlich mit Bindestrichen zwischen dem Vor- und dem Geschlechtsnamen und der Bezeichnung Strasse. Bisher war es üblich, den Bindestrich lediglich zwischen dem Geschlechtsnamen und der Bezeichnung Strasse zu setzen. Der Stadtrat hat vor kurzem und nicht zuletzt im Hinblick auf die neue Wolfgang-Pauli-Strasse beschlossen, der korrekten Schreibung zu folgen, alte Schilder aber erst dann zu ersetzen, wenn es aus irgendwelchen Gründen nötig ist.
: Das Lockenwicklerische ihres Tuns. In Wien tagt der 10. Internationale Germanistenkongress. Neue Zürcher Zeitung, , nr. 215, s. 65, Feuilleton
Das wahre Politikum bleibt indes die Rechtschreib­reform. Die Missgünstigen sehen in den duden­gemässen Veränderungen überhaupt eine Sprach­reform, ein politisches Diktat, und nicht die Ver­einfachung der Schreibung. Diese Ver­einfachung hat wahrlich ihre Tücken, der Varianten­reichtum erleichtert den Umgang mit der ge­schriebenen Sprache eben gerade nicht.
: Neue Rechtschreibung — alte Probleme. Wolfenbütteler Lehrer sind aufflackernde Diskussionen um Reform leid. (Braunschweiger Zeitungsverlag), , News: Wolfenbüttel
Ruhe soll im Dauerstreitpunkt Rechtschreibung einkehren. Bei erneuten Änderungen fürchten Lehrer vollständige Verwirrung der Schüler. "Selbst wenn es sich um Ver­besserungen handeln würde", meint Langeheine, Schul­leiter der Wilhelm-Raabe-Schule.
: 180 Fußballfelder oder „Wo endet das Universum?". Mit dem „Echo" zur Expo fuhren die regionalen Sieger eines Schülerwettbewerbs der deutschen Zeitungsverleger. Darmstädter Echo,
[…] Festveranstaltung des BDZV (Bundesverband der Deutschen Zeitungsverleger). Ein Saal, so groß wie jener der Alten Oper in Frankfurt, dazu ein Festredner, der Heinz-Rudolf Kunze heißt, von Beruf, eigenen Worten zufolge, Deutschrocksänger („Dein ist mein ganzes Herz, du bist mein Reim auf Schmerz"). […] der Mann mit dem intellektuellen Schliff hält in etwa jene „andere Festrede", die von ihm erwartet wird. Spott regnet über „Big Brother", […] und die Rechtschreibreform sieht Kunze als „Verschwachsinnigung des Denkens", weil „der recht Zeitgeist jetzt wieder «ss» schreiben darf".

14. 9. 2000

Germanisten-Reue. Der Standard, , s. 19, Kultur
Dieter Nerius von der Universität Rostock etwa […] räumte ein, den Wider­willen der Bevölkerung gegen die Varianten­vielfalt mancher Begriffe unterschätzt zu haben.

13. 9. 2000

: Wortgeklingel ums "Gedengel". Deutsche Sprach-Experten diskutierten im Hotel Berlin. Berliner Zeitung, , nr. 214, 56. jg., s. 12, Feuilleton
Dass der Verein Deutsche Sprache den englischen Einfluss der Sprache bekämpft, wird Sprachveränderungen nicht aufhalten. Selbst behördliche Reglementierungen wie beispielsweise die Rechtschreibreform setzten sich nicht durch.
: Unaussprechliches im neuen Duden. Frankfurter Allgemeine Zeitung, , nr. 213, s. 11, Briefe an die Herausgeber (821 wörter)
Die Rechtschreibregelungen in der neuesten (22.) Auflage des Duden sind in dieser Zeitung mit Recht Gegenstand scharfer Kritik gewesen […]: Es sollte daneben aber nicht übersehen werden, daß auch auf einem anderen Gebiet handstreichartig eine bemerkenswerte Neuregelung eingeführt worden ist, und zwar bei den Ausspracheangaben.
: Ausgetrickster Deutscher Lehrerverband. Frankfurter Allgemeine Zeitung, , nr. 213, s. 11, Briefe an die Herausgeber (202 wörter)
Zahlreiche Philologen sind empört über die jüngsten Äußerungen von Heinz Durner, dem Vor­sitzenden des Deutschen Philologen­verbandes, der den Skandal der sogenannten Rechtschreib­reform voll mit­zuverantworten hat […].
neu : Meine Welt 2020. , , Aktuell
Ein anderer Aspekt der galoppierenden all­gemeinen Verschwach­sinnigung, und in dieser An­gelegenheit ver­einnahme ich Euch und Sie kurzer Hand zu Mitmenschen und Kreuz­rittern der Vernunft: die Rechtschreib­reform. […] Diese Attacke auf das kost­barste ver­bindliche Allgemeine, was wir haben, auf unsere Sprache und Schrift, ist inhaltlich in vielen Punkten sinn­entstellend bis irrsinnig, und die Art und Weise, wie sie durch­gesetzt wurde, un­demokratisch, ja totalitär. […] Die Rechtschreib­reform ähnelt einer behördlich angeordneten Ver­schmutzung des Trink­wassers. Der Zeitgeist grinst: Man schreibt wieder konsequent SS in Deutsch­land. Klang das SZ zu sehr nach SBZ? Ich bitte um Verständnis für meine erregte Wortwahl. Hier geht es um mehr als mein Handwerks­zeug, hier geht es um ein Lebens­mittel. Die Rechtschreib­reform ist ein Stück gelungene Zukunfts­vernichtung. Auch Sprache ist ein Biotop. Auch Sprache ist ein Regen­wald. Die FAZ mit ihrem mutigen Nein ist die wahre TAZ unserer Tage.
: Rechtschreibung: "In zwei, drei Jahren kommt Reform der Reform". Die Presse, , Kultur & Medien
Wie kann es weitergehen? Es könnte 2002/03 so etwas wie eine "Reform der Reform" kommen. Das werde dann, so Glück, sicher nicht so bezeichnet werden — aber dazu führen, daß vor allem bei der GZS "die größten Hämmer" zurückgenommen werden.
: Streit um Rechtschreibung. Salzburger Nachrichten, , Kultur
Auf dem Kongress der Germanisten in Wien prallten die Meinungen aufeinander. Der Varianten­reichtum soll ein­geschränkt werden. […] Die Leute wollen nicht wählen", sagte Nerius. Er sei davon überzeugt, dass die Kommission nach dem Ablauf der 2005 endenden Übergangs­frist Vorschläge zur Reduzierung der Varianten machen werde.

12. 9. 2000

: Ärger mit der Rechtschreibung. [Leserbrief zu:] Was halten Sie von der neuen Rechtschreibung? Brückenbauer, , nr. 37, s. 5, Ihre Meinung
Blanke Anmassung und blitzende Arroganz der Kulturbeauftragten oder Kultusminister ist es, neue Schreibweisen und Regeln zu kreieren und diese dem «einfältigen Volk» aufzuzwingen.
: Wörterbuch. Konkret. Frankfurter Rundschau, , nr. 212, 56. jg., s. 4, Aus dem Inland
In grauer Vorzeit, lange vor der Epoche der Rechtschreibreform, so erzählt ein ebenso alter Witz, wurde Klein-Fritzchen von der Lehrerin getadelt, weil er "Tiger" klein, also "tiger" geschrieben hatte. "Das ist doch ein Dingwort", mahnte das Fräulein, "es benennt etwas, das man anfassen kann". "Na", sagte Klein-Fritzchen, "dann fassen Sie mal einen Tiger an".

Ist der witz schon so alt? «Lange vor der Epoche der Rechtschreibreform» wäre ja wohl noch vor der erfindung der schrift (vgl. unsere sehr unvollständige chronik).

: Schicksal der Welt von nur wenigen bestimmt. Westfalenpost, , Lokales
11 Jahre nach der Wende zog Bundesaußenminister a.D. Hans-Dietrich Genscher […] ein Fazit und wagte Prognosen für die Zukunft. […] Auf dem Bildungssektor seien erschreckende Defizite vorhanden: "[…] Statt sich um eine multimediale Ausbildung als Zukunftschance zu kümmern[,] diskutieren die Kultusminister über eine Rechtschreibreform." […] "Wir müssen schnellstens Veränderungsnotwendigkeiten und die Veränderungen als große Chance erkennen."

Prognosen für die zukunft sind in der tat gewagter als andere. Da kann auch über veränderungsnotwendigkeiten nicht immer einigkeit herrschen.

11. 9. 2000

: Fremde Federn: Eckart Werthebach. Wer seine Sprache bewahrt, glaubt an seine Zukunft. Frankfurter Allgemeine Zeitung, , s. 16, Politik (656 wörter)
Viele Jahre hat in Deutschland die Frage die Gemüter erhitzt, ob eine Rechtschreibreform sinnvoll ist. Noch immer streiten wir uns um jedes Satzzeichen. Gleichzeitig sprechen allein in Berlin Menschen aus mehr als 180 Nationen ihre Muttersprache und kümmern sich wenig um die Regeln der Getrenntschreibung im Deutschen. […] Die Pflege der deutschen Sprache ist eine gesellschaftspolitische Aufgabe. Haben wir das einmal begriffen, werden wir uns auch immer weniger um das Komma vor dem erweiterten Infinitiv streiten.
: Das wohltemperierte Wörterbuch. Einfach weise: Theodor Icklers sanft reformierte Orthographie. Frankfurter Allgemeine Zeitung, , s. 50, Feuilleton (1136 wörter)
Es waren wenige bedeutende Germanisten, denen die Kodifizierung der deutschen Rechtschreibung zu danken ist: zunächst der Grammatiker und Lexikograph Johann Christoph Adelung, […] sodann Rudolf von Raumer, […]. Und schließlich Konrad Duden […]. In dieser Reihe könnte einmal Theodor Ickler genannt werden. […] Das Rechtschreib­wörterbuch von Ickler ist, verglichen mit dem Duden von 1991, ein echtes Reformwerk — allerdings eines, das keiner Durch­setzung per Verordnung bedarf. Ickler ist die sanfte Reform gelungen, die fast nichts kostet und doch vieles verbessert.
: Mehrheit ist gegen die neue Rechtschreibung. Umfrage; nur die Jüngeren sind dafür. Südwest Presse, , Blick in die Welt
In einer repräsentativen Umfrage sagten nur 13 Prozent von 2111 Befragten, sie hätten sich auf die neue Schreibweise eingestellt; 15 Prozent wollen dies demnächst tun.

Leider wurde (anscheinend) nicht gefragt, wer sich je auf die alte schreibweise eingestellt hat. Presse­berichte anlässlich des welt­alfabetisierungstags am 8. september lassen es aber erahnen: «Jeder 7. hat mühe mit dem abc» — und da sind die noch nicht dabei, die «normal» fehler machen.

Rhetorik-Kurse schon für Erstklässler. Was die 135.000 bayerischen Abc-Schützen alles erwartet — Welt-Gespräch mit Kultusministerin Monika Hohlmeier. Die Welt, , Bayern
Hohlmeier: Die bayerischen Lehrerverbände lehnen eine Revision der Reform unisono ab. Die Jugendlichen haben mit der Reform keine Probleme, es gibt nahezu keine Beschwerden. Im Herbst setzt sich ein von der Kultusministerkonferenz in Abstimmung mit dem Deutschen Bundestag berufener Beirat aller wesentlichen Entscheidungsträger in der deutschen Sprache zusammen, der Problemfälle der Rechtschreibung noch bereinigen kann.

10. 9. 2000

: Mehrheit gegen die neue Rechtschreibung. Berliner Morgenpost, , Politik
Die große Mehrheit der Deutschen (64 Prozent) lehne die Rechtschreibreform ab, teilte das Allensbacher Institut für Demoskopie mit.

9. 9. 2000

: Gute Laune. Berliner Zeitung, , Berlin
So harmonisch startete die traditionelle Verkehrssicherheitskampagne "Erste Klasse - Berlin passt auf". Dabei fiel auch nicht weiter auf, dass das Wort "passt" auf den zehntausendfach verteilten Aufklebern der Rechtschreibreform zum Trotz mit "ß" geschrieben wird.
Kuss ohne Wiederkehr. Stuttgarter Nachrichten, , Stuttgart
Die Bayern streiten ja bis zum heutigen Tag, ob man Maß nach der Rechtschreibreform mit scharfem s oder mit zwei s schreibt. Maßlos wie der Bayer ist, sagt er Mass, obwohl es Maß heißt. Das muss man sich mal vorstellen: Herr Ober, a Mass! Aber was heißt in Bayern schon a Mass? Der Bayer trinkt en masse.
: Glaube an die Einheit. Salzburger Nachrichten,
Für den Duden-Redaktions-Chef ist die Einheitsschreibung nichts anderes als die an allen Schulen nach verbindlichen Regeln unterrichtete Rechtschreibung. "Im Schreiballtag außerhalb der Schule hat es diese Einheitsschreibung ohnedies nie gegeben, nur hat das nie jemand thematisiert", meint Wermke.

8. 9. 2000

: Für Westerwelle sind Kultusminister "Schnarchnasen". Frankfurter Neue Presse, , Nachrichten
FDP-Generalsekretär Guido Westerwelle hat den Kultusministern der Länder Versagen in der Bildungs­politik vorgeworfen. […] Das einzige, was die Bürger derzeit mit der Kultusminister­konferenz verbinden würden, sei die Frage, ob man Schifffahrt mit zwei oder drei "f" schreibe.
: Spezielle Führungen und Vorträge. Fuldaer Zeitung, , Kultur
In Bad Hersfeld kann die Konrad-Duden-Schule (ehemalige Klosterschule) bei Führungen um 10 und 14 Uhr besichtigt werden. Jeweils im Anschluss kann über die Rechtschreibreform diskutiert werden.
: Auch alte Bücher noch im Einsatz. Ruhr Nachrichten, , Schwerte
Das größte Problem: Das zur Verfügung stehende Lehrmaterial der einzelnen Fachbereiche ist größten­teils nach den "alten" Regeln abgefasst worden.

7. 9. 2000

: Westerwelle nennt Kultusminister unfähige «Schnarchnasen». Rhein-Neckar-Zeitung (rnz-online), , Politik Inland
Die Kultusminister leisteten sich Hunderte von Beamten, die über die Rechtschreibreform diskutierten. Aber sie bekämen es nicht hin, dass bundesweit das Abitur nach zwölf Schuljahren angeboten werde.
: Alle Macht dem Volke? Günter Verheugens Plädoyer für ein Plebiszit zur EU-Osterweiterung hat die rot-grüne Koalition in Berlin an alte Pläne erinnert: die Einführung von Volksentscheid und Volksbefragung. Die Welt, , Deutschland
In zahlreichen Bundesländern gibt es bereits Volksbegehren (oder "Volksinitiative") und Volksentscheid. Die Themen reichen von "Für ein pferde­freundliches Waldgesetz" (Brandenburg) über "Nicht kürzen bei den Kurzen" (Niedersachsen) bis hin zur Initiative "Sonntags­öffnung für Videotheken" (Hamburg). Bundesweit richtig Furore machten in der Vergangenheit nur zwei Vorgänge: einmal im Februar 1998 das erfolg­reiche Begehren "Schlanker Staat ohne Senat", mit dem Bayerns Bevölkerung den Bayerischen Senat und damit eine Verfassungs­institution abschaffte. Zum anderen der erfolgreiche Volksentscheid im September 1998 in Schleswig-Holstein, als 56,4 Prozent der Bürger gegen die Einführung der neuen Recht­schreibung votierten. Aber auch damals stand wohl das "falsche" Thema auf den Stimm­zetteln - Kultus­ministerin Gisela Böhrk (SPD) bezeichnete das Ergebnis des Volks­entscheids zur Rechtschreib­reform als "in der Tat deprimierend".

6. 9. 2000

: Suggestivwort «Reform». [Leserbrief zu:] «Keine Reform der Reform», 25.8.00. St. Galler Tagblatt, , nr. 208, s. 11, Forum
Besonders absurd ist, dass ausgerechnet die deutsche Sprache, bei der eine hohe Affinität zwischen dem geschriebenen und dem gesprochenen Wort besteht, unablässig von angeblichen Reformern ver­schlimmbessert wird. In der französischen und [der] englischen Sprache, bei welchen dies­bezüglich viel mehr Dissonanzen bestehen, hören wir nichts von pausenlos tagenden Experten­gruppen.

Die einen hören nichts.

Wie es damals war. Gross- oder Kleinschreibung? Der Toggenburger (St. Galler Tagblatt), , Toggenburg
Vor 50 Jahren. 8. September: Der Kantonale Lehrerverein St.Gallen stellte seinen Sektionen als Konferenz­thema die Frage: «Gross oder Klein­schreibung?», wobei sich jeweils zwei Thesen gegenüber­standen, nämlich der Vorschlag des «Bundes für vereinfachte Recht­schreibung», welcher vom Vorsteher Heinrich Zweifel verfochten wurde und auf eine gemässigte Klein­schreibung hintendiert, und der von Prof. Steiger in Küssnacht verteidigte Vorschlag auf eine vereinfachte Grossschreibung. Wie die Abstimmung gezeigt habe, neigt die st.gallische Lehrerschaft mit deutlicher Mehrheit dazu, dem Vorschlag auf gemässigte Klein­schreibung den Vorzug zu geben.
: "Eine dumme Schlagfertigkeit angewöhnt." Being Benjamin von Stuckrad-Barre: Der Popliterat über sein neues Leben als Blackbox und peinliche Auftritte im Fernsehen, über den Medienbetrieb aus der Innenansicht, seine Leiden an der Öffentlichkeit und den Vorwurf der Distanzlosigkeit zur eigenen Person. "Aber es bleibt beim Leben in Schande." die tageszeitung, , nr. 6238, s. 13
[…] wo wird relevant die so genannte Stimme erhoben, und ich meine jetzt nicht wichtigtuerische Rechtschreibreform-Revanchisten?

5. 9. 2000

: Vogel für mehr Gelassenheit in der Rechtschreibdebatte. Frankfurter Allgemeine Zeitung, , nr. 206, s. 1, Politik (129 wörter)
Der thüringische Ministerpräsident Vogel rät zu mehr Gelassenheit in der Auseinandersetzung um die Rechtscheibreform. Es gebe in der Politik - auch in der Schulpolitik und im Deutschunterricht - Themen, die zu behandeln wichtiger wäre.
: Schreiben ist für das Lesen da; Politik im Widerstreit der Verbandsinteressen. Ein Zwiegespräch mit Bernhard Vogel. Frankfurter Allgemeine Zeitung, , nr. 206, s. 3, Politik (1305 wörter)
Die Kultusminister haben die Reform nicht im Alleingang durchgesetzt. Sie versicherten sich der Rücken­deckung der Minister­präsidenten­konferenz, und Vogel war damals schon Minister­präsident in Thüringen - wie vorher in Rheinland-Pfalz ein hoch­geachteter Landesvater. Auf ihrer Konferenz vom 25. bis 27. Oktober 1995 hatten die Ministerpräsidenten den Kultusministern vier Bedingungen genannt, unter denen sie einer Neuregelung (nicht etwa einer Reform) der Recht­schreibung zustimmen würden […]. Die Kultus­minister haben keine dieser vier Bedingungen erfüllt. Vogel entgegnet, in der Politik müsse man immer Kompromisse schließen. Die seit den fünfziger Jahren forcierten Anstöße zur Reform der Rechtschreibung seien viel radikaler gewesen als die schließlich durch­gesetzte Neuerung. Das stimmt. Als Vogel in den siebziger Jahren Kultusminister war, hat er Pläne, sämtliche Hauptwörter klein und den Kaiser wie "keiser" zu schreiben, energisch zurückgewiesen. […] Weil die Reformer diesmal auf Druck der Kultus­minister moderater auftraten, ist übersehen worden, daß sie doch erheblich weiter gehen wollten, als sie es die Öffentlichkeit wissen ließen.
: Glorifizierende Fehleinschätzung der alten Schreibung. Frankfurter Allgemeine Zeitung, , nr. 206, s. 15, Briefe an die Herausgeber (327 wörter)
Anläßlich des Erscheinens des neuen Rechtschreib­dudens bemerkt Heike Schmoll […]: "Das Chaos vor allem bei der Getrennt- und Zusammenschreibung ist perfekt." Als Belege nennt sie "kaum nach­vollziehbare Schreibungen" wie "wohlverdient", aber "wohl versorgt", das Neben­einander von "hoch begabt" und "hochbegabt", von "Schwindel erregenden" und "schwindelerregenden Höhen". Nun sind alle diese scheinbaren Duden-Ungereimtheiten mit den Regeln der reformierten Rechtschreibung zu rechtfertigen - wenn man gewillt ist, sich auf sie einzulassen […]. Auch nach Ickler kann man "wiedersehen", "schwerfallen" […] und sogar "frischgebacken" getrennt schreiben, so daß dann die Bedeutungs­unterschiede zu "wieder sehen", "schwer fallen" und so fort eingeebnet werden.

: Wortbetonung und Schriftbild. Frankfurter Allgemeine Zeitung, , nr. 206, s. 15, Briefe an die Herausgeber (149 wörter)
So gibt es zwei grammatisch verschiedene Wörter "wohl", ein "wohl", das unbetont ist ("er ist wohl bekannt"), und ein "wohl", das den Ton trägt und mit dem folgenden Wort zusammen­gesetzt ist ("er ist wohlbekannt").
: Von Weiber-Seelen im Liebes-Fieber. Alter Zopf an neuem Kopf: In der Wortbildung geht die Rechtschreibreform auf uralten Pfaden. Frankfurter Allgemeine Zeitung, , s. 54, Feuilleton (1947 wörter)
Sprachreformen können vielerlei betreffen: den Wortschatz, die Sprachverwendung in einzelnen Bereichen, die Grammatik und natürlich die Rechtschreibung. Rechtschreib­reformen gehören zu den sensibleren Spielarten von Sprach­reformen, denn sie betreffen die äußere Gestalt der Sprache […]. Um so vorsichtiger muß man sie betreiben. Von Sprach­reformen muß man die natürliche, spontane Sprach­entwicklung unterscheiden. […] Sprachwandel spielt sich ab, ohne daß jemand ihn will, plant, bestellt und durch irgendwelche "Maßnahmen" umsetzt. Das unter­scheidet ihn von Sprachreformen. In der Rechtschreibung war das bis 1996 genauso: Sie veränderte sich von Jahrzehnt zu Jahrzehnt, und zwar in kleinen Schritten. Sie wurden von der Sprach­gemeinschaft kaum wahrgenommen, weil frühere Rechtschreib­reformer nicht versuchten, der Sprach­gemeinschaft Neuerungen vorzuschreiben, sondern bestrebt waren, den bestehenden Usus zu erfassen, zu systematisieren und in Regeln zu fassen. Sie haben sich — erfolglose Ausnahmen bestätigen die Regeln — nicht angemaßt, eine "ideale" Orthographie durchzudrücken.

Da kann man einiges diametral entgegengesetzt sehen.

: Bindestriche weg! Frankfurter Allgemeine Zeitung, , nr. 206, s. 64, Rhein-Main-Zeitung (164 wörter)
[…] Anlaß, die F.A.Z. bei ihrem lobenswerten Engagement für eine vernünftige Rechtschreibung zu bitten, sich gegen die Unsitte der falsch plazierten Bindestriche einzusetzen […]. Ich wohne in der guten alten Ludwig Tieckstraße, natürlich ohne Bindestrich. Und ich heiße Ulrich Gottstein, und nicht Ulrich-Gottstein.

… und wohne in einer 5 Zimmerwohnung …

2. 9. 2000

: «Das grösste Risiko ist das Verharren auf alten Positionen.» Südostschweiz Graubünden,
Die Bildungspolitik sei in nächster Zukunft «wichtigster Schwerpunkt staatlichen Handelns». Anstatt die wirklichen bildungspolitischen Probleme anzugehen — als Beispiel nannte er die Einführung und Anwendung von Internet in den Schulen — steckten die Kultusminister im deutschen Sprachraum alle Energie in die Rechtschreibereform, ereiferte sich Genscher. Er erntete dafür einen tosenden Applaus.

Unser kompromissvorschlag: in der schule www.sprache.org angucken.

: Rechtschreibung (I). Berliner Zeitung, , s. 11, Leserbriefe (60 wörter)
Reform ja, aber doch nicht so laienhaft.
: Rechtschreibung (II). Berliner Zeitung, , s. 11, Leserbriefe (304 wörter)
Wie viele Kritiker der neuen Rechtschreibung verwechselt Stephan Speicher Orthografie mit Sprache. Tatsächlich hat Rechtschreibung mit Sprache nur sehr äußerlich und oberflächlich zu tun. Sie ist ja lediglich die Hülle der Wörter und Sätze, die keine Bedeutung hat, sondern nur die Funktion, die jeweils gemeinten Wörter und Sätze wahrnehmbar zu machen. Goethes Werke wurden schon zu seinen Lebzeiten nicht in seiner manchmal recht eigenwilligen Rechtschreibung gedruckt. Die Texte sind inzwischen mehrere Male an die jeweils neue Rechtschreibung angepasst worden. An Bedeutung haben sie dabei nicht verloren.

1. 9. 2000

: Schulbank frei für Selbstdarsteller. Ein ungeschriebenes Diktat und ein übereifriger Prüfling. Neue Zürcher Zeitung, , nr. 203, s. 65, Feuilleton
Ein paar nette Antworten von Leuten, die das Diktat als unterhaltsamen Jokus begrüssten, hat Jens Jessen, der Feuilletonchef der «Zeit», auch bekommen: Viele Rentner hätten gern mitgetan, ein Ingenieur ebenfalls, und eine Sekretärin […] erklärte ihre Bereitschaft unter der Bedingung, im Gegenzug dann dem Herrn Jessen ein Diktat nach den neuen Regeln aufgeben zu dürfen. Es fehlte also nicht am Schulbankmasochismus, es waren nur die falschen Leute, die ihn zeigten: keine Schriftsteller. Oder jedenfalls keine legitimierten. Nur solche wie André Paris, der Literaturpreisträger ohne Verlag.
: Neuer Wein im neuen Schlauch. Der neue Duden dokumentiert den aktuellen Sprachgebrauch samt seiner reformbedingten zusätzlichen Freiheiten. Freitag, die Ost-West-Wochenzeitung, , nr. 36, Kultur
Der Ruf der deutschen Konservativen zum nationalen Widerstand beförderte den Niedergang der Demokratie der Weimarer Republik. Der Aufruf der FAZ zum Widerstand gegen die Rechtschreibreform zeigt nur, wohin der Konservatismus inzwischen gekommen ist — auf den Hund.
: Lautschrift muss sich der Sprache anpassen. Dichter-Sorgen: Sind Gräuel grausamer als Greuel? SZ vom 12./13. August (I). Süddeutsche Zeitung, , s. 19, Briefe an die SZ (273 wörter)
Wer beklagt, dass durch die gegenwärtige Reform der deutschen Rechtschreibung Bezüge auf Bedeutungen verschwinden, die er in dem alten Schriftbild gesehen hat, verlangt von einer Lautschrift, dass sie nicht nur die Phonetik, sondern auch die Bedeutung wiedergibt. Wie viel Bedeutung für eine Lautschrift angemessen ist, dafür kann es aber keine objektiven Maßstäbe geben; darüber kann man endlos streiten.
: Lautschrift muss sich der Sprache anpassen. Dichter-Sorgen: Sind Gräuel grausamer als Greuel? SZ vom 12./13. August (II). Süddeutsche Zeitung, , s. 19, Briefe an die SZ (153 wörter)
Eine logische, in sich schlüssige Rechtschreibung hat es im Deutschen nie gegeben. Deshalb können Befürworter und Gegner der Reform sich die Ungereimtheiten der neuen wie der alten Rechtschreibung ad infinitum um die Ohren schlagen.
: Lautschrift muss sich der Sprache anpassen. Dichter-Sorgen: Sind Gräuel grausamer als Greuel? SZ vom 12./13. August (III). Süddeutsche Zeitung, , s. 19, Briefe an die SZ (117 wörter)
Es ist doch gleichgültig, ob man „dass" mit zwei „ss" oder mit scharfem „ß" schreibt […]. Mir dreht sich jedes Mal der Magen um, wenn ich von „aufwändig" lese oder „Gräuel" zur Kenntnis nehmen muss. Aber deswegen zettle ich keinen Krieg an.
: Steckenpferd einer klassenbewussten Elite. Der neue Duden: Von der Steigerbarkeit der Willkür; SZ vom 21. August (I). Süddeutsche Zeitung, , s. 19, Briefe an die SZ (300 wörter)
Gemessen an dem, was sich mit einer Sprache leisten lässt und derzeit tatsächlich geleistet wird, muss es schon bedenklich stimmen, dass angesichts der zahllosen Einflussfaktoren auf eine Sprache es ausgerechnet eine Rechtschreibreform ist, die hier zu Lande zum kulturellen Politikum wird. Aller gegenläufiger Versicherung zum Trotz beschleicht einen der Verdacht, dass in einer Debatte um Buchstabensequenzen und Bindestriche eine klassenbewusste Elite ihr Steckenpferd reitet.
: Steckenpferd einer klassenbewussten Elite. Der neue Duden: Von der Steigerbarkeit der Willkür; SZ vom 21. August (II). Süddeutsche Zeitung, , s. 19, Briefe an die SZ (39 wörter)
Wust und Tand der Rechtschreibreform ließen sich durch einen einzigen Satz wegfegen, den ich schon meinem ersten Buch (erschienen 1976) voranstellte: „Rechtschreibung und Zeichensetzung folgen auf Wunsch des Autors nicht in allem den Duden-Richtlinien."

Für den einzelnen autor ist das kein problem, selbst den satz kann man sich eigentlich sparen. Die frage bleibt und lässt sich nicht so einfach wegfegen: Was bringt man den schulanfängern bei?

: Alles noch einmal prüfen. Rückkehr zu alten Schreibregeln: Im Thal der Thränen; SZ vom 19./20. August. Süddeutsche Zeitung, , s. 19, Briefe an die SZ (340 wörter)
Sicherlich ist es unangemessen, die Rechtschreibreform ein „nationales Unglück" zu nennen […]. Doch „überflüssig wie ein Kropf" […] und misslungen ist sie allemal. Also: Alles noch einmal auf den Prüfstand (so sagt man doch in der modernen Sprache) — ohne Wenn und Aber und auf allen Seiten! Es kann nur besser werden.
: Viele Wahlmöglichkeiten. Streit über Rechtschreibreform: Die Wörter sind unter uns; SZ vom 29./30. Juli. Süddeutsche Zeitung, , s. 19, Briefe an die SZ (349 wörter)
Na und? Hat die "alte" Rechtschreibung vielleicht irgendjemand völlig korrekt beherrscht? […] Machen wir uns doch nichts vor: Die meisten Menschen haben große Teile ihres Rechtschreib- und Grammatikunterrichts schon zum Zeitpunkt des Schulabschlusses vergessen, weil spätestens nach der achten Klasse der Aktendeckel geschlossen und Lektüre durchgenommen wird.
: Die letzten Klarheiten beseitigt. „Hochschulverband kehrt zu alten Schreibregeln zurück" und „Eltern befürworten Schreibreform"; SZ vom 3. und 14./15. August (I). Süddeutsche Zeitung, , s. 19, Briefe an die SZ (396 wörter)
[…] die Schwierigkeiten, die echten der deutschen Rechtschreibung, waren nicht beseitigt worden, beispielsweise was Groß- und Kleinschreibung und getrennt oder zusammen betrifft. Dafür türmte sich eine Reihe neuer, logisch nicht begründbarer Komplikationen auf. […] Eine Rechtschreibreform – aber eine, die Hand und Fuß hat, die das Richtigschreiben leichter macht und nicht noch die letzten Klarheiten beseitigt.
: Die letzten Klarheiten beseitigt. „Hochschulverband kehrt zu alten Schreibregeln zurück" und „Eltern befürworten Schreibreform"; SZ vom 3. und 14./15. August (II). Süddeutsche Zeitung, , s. 19, Briefe an die SZ (46 wörter)
Mir ist keine europäische Sprache bekannt, in der in einem Wort drei gleiche Konsonanten, wie jetzt in Schifffahrt oder Betttuch, folgen.
Auch Schreib-Profis scheitern an Rechtschreibreform. Volksblatt Würzburg, , Weltspiegel
Die Rechtschreibreform erhöht auch bei Schreib-Profis dramatisch die Zahl der Rechtschreibfehler. Dies hat eine vergleichende Untersuchung des Münchner freiberuflichen Lektors und Korrektors Wolfgang Wrase bei zwei Wochenendausgaben der "Süddeutschen Zeitung" ergeben. Die Ergebnisse wurden am Donnerstag von der Internet-Redaktion der Initiative "Wir gegen die Rechtschreibreform" (St. Goar) publik gemacht.