So sehr die Begegnung mit Theodor W. Adornos Minima Moralia […] erfreut […], so befremdlich wirkt auf den Leser die Tatsache, dass die SZ sich nicht scheut, diese ja fast schon kanonischen Texte der Moderne ins Korsett des Regelwerks der Rechtschreibreform zu zwingen, mit der sie täglich den treuen Leser schockt.
Bund für vereinfachte rechtschreibung (BVR)
Aus presse und internet
30. 8. 2001
Vier Jahre prozessierten ihre Eltern gegen das niedersächsische Kultusministerium, von Instanz zu Instanz. Damit die Tochter in der Schule weiter "Fluß" und "Delphin" lernte statt "Fluss" und "Delfin", als letztes Kind in Deutschland, im Sonderunterricht. Vergeblich […]. Josephine wird sich endlich an die neuen Regeln halten, hofft die Schulbehörde. "Wir sehen das ganz gelassen", sagt Gabriele Ahrens. Sie erwartet, dass ihre Tochter auch am Gymnasium schreibt wie bisher. "Spätestens 2005 ist die Reform sowieso rückgängig gemacht." […] Warum schreibt sie dann nicht wie alle anderen? Die Zwölfjährige schweigt, sucht nach Worten für etwas, das immer selbstverständlich war: "Sieht halt doof aus", sagt sie. "ß kann ich viel schneller schreiben als ss!"
"Angesichts der […] weiten Verbreitung der geänderten Rechtschreibregeln infolge des Zeitablaufs seit 1996 erscheint es vielmehr zunehmend fraglich, ob tatsächlich auch derzeit noch die Rede davon sein kann, der Unterricht auf der Grundlage der Rechtschreibreform beeinträchtige die Schüler darin, sich im Berufsleben zu behaupten. […]"
So hatte er im vergangenen Dezember die höchst vernünftige Idee, einmal darzustellen, dass zwar nach wie vor heftig um die Reform der Rechtschreibung gekämpft werde, dass aber währenddessen in unseren Medien die schlichte Richtigschreibung verloren gehe.
29. 8. 2001
Ein Merkmal der Reform ist nun, dass viele ihrer Regeln gar nicht die Rechtschreibung betreffen, sondern die Wortbedeutung und Wortbildung. Wer verlangt, man müsse den Ausdruck vor Langerweile als vor langer Weile schreiben, wohlüberlegt als wohl überlegt, greulich als gräulich, heissersehnt als heiss ersehnt usf., der reformiert nicht die Rechtschreibung, sondern ändert oder verdunkelt Bedeutungen.
Da mag es diskutables dabei haben (vielleicht auch vor langer Weile, das aber vor Langeweile nicht ersetzt und damit die differenzierungsmöglichkeiten nicht reduziert), aber das mass an bedeutungdifferenzierung, das die schreibung übernehmen kann und muss, ist nicht durch ein naturgesetz vorgegeben.
[…] Leserbriefschreiber Theodor Ickler […] ist Sprachwissenschaftler an der Universität Erlangen und kämpft seit fünf Jahren gegen die Rechtschreibreform. Das bedeutet für ihn nicht etwa die Rückkehr zur früheren Schreibung, sondern die Entscheidung für die selbstentwickelte «Ickler-Orthographie».
Mit ihrer Debatte um die Frage, ob das Wort neu in der eben erfundenen Neuen sozialen Marktwirtschaft groß oder klein zu schreiben sei, haben CDU und CSU die Erinnerung an eine Story aus der Frühzeit der Rechtschreibreform wachgerufen. Damals trugen die Reformer sich angeblich mit dem Gedanken, den Heiligen Vater künftig mit kleinem h schreiben zu lassen. Bayerns Kultusminister Hans Zehetmair, papsttreu wie kein Zweiter, soll sich damals sehr erregt und seine Zustimmung zur Reform davon abhängig gemacht haben, dass es beim H blieb. Die Sache ist nicht ohne hintergründige Komik, weil das klein geschriebene heilig ja essentiell und somit wesentlich stärker ist als das groß geschriebene. Mit seinem Einspruch hätte Zehetmair demnach nichts anderes angedeutet, als dass der Papst keineswegs wirklich heilig ist […] Man ist heute auf dem halbwegs gesicherten Niveau, dass die Leute das Schwarze Brett groß schreiben, weil es schließlich nicht wirklich schwarz ist. Beim blauen Brief würden sie es gern ebenso machen, dürfen aber nicht, obwohl der noch weniger blau ist als das Schwarze Brett schwarz, sondern weiß […].
Dennoch sei […] von einer Todesanzeige Kenntnis gegeben, die […] dem großen Mediziner Professor Dr. Karl Vossschulte galt. Das Ungewöhnlich daran war der Umstand, dass der Name sowohl beim Verstorbenen als auch bei drei Hinterbliebenen als Vossschulte geschrieben war, bei einem Trauernden hingegen als Voßschulte. Leicht könnten Gegner der Rechtschreibreform sagen, dass der orthographische Riss nun schon mitten durch die Familien gehe, und daraus neue Schlüsse auf das generell Fluchwürdige des ganzen Projekts ziehen. […] Eine spezielle Sorte von Bildtexten sind die, mit denen in den Boulevardblättern die mehr oder minder scharfen Pin-up-Fotos garniert werden. […] Schließlich der abgenagteste Kalauer, diesmal gefunden bei einem Bild von Tanja Szewczenko, einem Porträt wohlgemerkt, freilich mit einem Papagei auf Tanjas Kopf: Besonders ist Tanja gut zu Vögeln. Wie da der Biertisch lacht!
Das mit den vögeln wäre eigentlich nur ein witz, wenn wir die substantivkleinschreibung hätten.
Besonders freuen wir uns immer wieder über drei Buchstaben im Wort, wo doch früher der dritte unverdientermaßen unter den Tisch fallen sollte. […] Noch toller wäre Brennnesssel. Warum aber in der gestrigen Ausgabe von einem bekannnten Schauspieler zu lesen war, wissen wir nicht.
28. 8. 2001
Ist das Wirtschaftskonzept der CDU also eine a) „Neue Soziale Marktwirtschaft“ oder b) „neue Soziale Marktwirtschaft“? […] Intellektueller Hochmut über bornierte ideologische Auseinandersetzungen wäre aber verfehlt. Ähnliche Größenprobleme gibt es schließlich auch in den Sphären der Kunst; es sei nur auf das ewige und ungelöste Problem einer jeden modernen Komposition hingewiesen: Ist sie „neue Musik“ oder „Neue Musik“?
[…] "Reclam Buch der Kunst". […] und auch der jüngsten Rechtschreibreform weiß Wetzel, aus Sicht der Kunstgeschichte, etwas Gutes nachzusagen, hat sie doch einen Zweifel behoben, indem sie dem vormaligen "Stilleben" ein drittes l zugefügt hat. Damit ist endlich klar: Die deutsche Gattungsbezeichnung für Bilder, die sich auf Blumen, Früchte und Gebrauchsgegenstände in kunstvoller Zusammenstellung beschränken, hat mit einem Stil-Leben nichts zu tun.
Ein halbes Jahrhundert deutsche Micky Maus: Und der Duden kann's immer noch nicht. Der schreibt Micky Maus (= Vor- und Zuname!) "Mickymaus". Trotz Rechtschreibreform.
Als Vertreterin der schreibenden Zunft beschäftigte sich Nathalie Goebel die einzige Literatin im Viererbund mit ihrem Steckenpferd Rechtschreibreform und dem immer intensiver werdenden Einzug der Angilizismen.
25. 8. 2001
Die Deutschschweizer Dialekte sind durch keinen Luther geregelt, durch keine Académie française kodifiziert. Es gibt keinen Deutschschweizer Duden. […] Ich muss für jedes Wort eine neue Rechtschreibung erfinden.
Wird da nicht vielleicht die verbindlichkeit des dudens über- und der wert der dialektwörterbücher unterschätzt?
23. 8. 2001
Die Auseinandersetzung um die Rechtschreibung dürfte keineswegs deshalb so hart sein, weil die Neuregelung gegen das Prinzip der Erwartungshaltung einer lang anhaltenden Geltung der Konvention verstößt, sondern aus einem viel tieferen Grund: Der Mensch denkt, spricht, schreibt und handelt in Sprache, die Sprache ist seine geistige Lebenswelt, sie ist Träger von Kultur und Geschichtlichkeit und die Schreibung ist ja nur eine andere Ausprägung als die gesprochene Sprache, nämlich die schriftliche. Darum wird die Reform abgelehnt!
Darum wehren wir uns immer noch gegen die definitive einführung der substantivgrossschreibung! Nein, im ernst: Wenn die menschen einen solchen tieferen grund gegen änderungen verspüren würden, dann würde sich ja wohl erst recht die gesprochene sprache nicht ändern. Das tut sie aber, und wie! Das ist geschichtlichkeit! Warum soll das für die schreibung nicht gelten, wo sie doch «nur eine andere Ausprägung als die gesprochene Sprache» ist? Eine rein rückwärts gewandte, also aufgehobene, geschichtlichkeit kann man bei der englischen schreibung beobachten. Und wer hat etwas davon? Niemand (Rudolf Walter Leonhardt)!
22. 8. 2001
Gerade die veränderte ss/ß-Schreibung macht für jeden halbwegs gebildeten Bürger die Überflüssigkeit und Schädlichkeit des ganzen Unternehmens sichtbar. […] An die Ästhetik des Lesens haben die Reformer überhaupt nicht gedacht.
Wie auch bei der Rechtschreibreform bleibt die Umsetzung der aktuellen Änderungen hauptsächlich am Lehrkörper hängen.
Wer die zahlreichen Gesprächsrunden des Fernsehens aufmerksam verfolgt, der wird […] eines einheitlich feststellen können: Noch ist die jüngste (schriftliche) Rechtschreibreform nicht verdaut, da steht uns eine weitere, mündlich-optische bevor. Künftig sollen auch Satzzeichen mitgesprochen und augenfällig kenntlich gemacht werden.
Ein weiteres Beispiel sind Schulbücher […]. 4000 bis 40000 DM koste die Umstellung eines Titels, sagt Irina Pöcknatz vom Berliner Cornelsen Verlag. Die Kosten blieben beim Verlag, für den bei vielen Titeln nach der Rechtschreibreform nun die zweite Umgestaltung ansteht.
Nicht nur der Zusammenbruch des Kommunismus ist bis heute in manchen Lehrwerken kein Thema und muss den Schülern oft auf Kopien nachgereicht werden. Auch die neue Rechtschreibung findet in den Schulbüchern häufig keine Anwendung.
Im Grunde fungiert die neue Rechtschreibung heute nur noch als Test für die Charakterfestigkeit der Bürgerinnen und Bürger in den deutschsprachigen Staaten. Wenn die Kultusminister dieser Länder ein ausgereiftes Regelwerk präsentiert hätten, das wenigstens in sich plausibel wäre, würde sich vielleicht am Ende eine Mehrheit für die Änderungen finden. Die amtliche Rechtschreibung von 1996 ist jedoch zum Scheitern verurteilt, selbst wenn die Regierungen sie mit den äußersten Mitteln zu halten versuchten.
21. 8. 2001
Infolge der Rechtschreibreform müssen die Bundesbürger wesentliche Teile ihres Humankapitals abschreiben. Die Anreize zu regelkonformen Verhalten sind bei einer Schriftkonvention gering. Wer diese nicht befolgt, gilt schlimmstenfalls als altmodisch. Staatlicher Zwang ist kein Erfolgsgarant für die Setzung neuer Konventionen. Deshalb ist auch die Rechtschreibreform noch nicht über den Berg.
Uns ist unser humankapital wahrscheinlich bereits abhanden gekommen, so dass uns zu diesem argument schon gar nichts mehr einfällt.
17. 8. 2001
Lange betreibt am Kap Arkona ein "Gutenberg-Museum zum Schauen und Arbeiten". […] Daß Lange dabei "nach dem alten bewährten Duden" aus der Zeit vor der Rechtschreibreform arbeitet, betont er immer wieder. […] Die Liebe des Typographen gilt den Frakturschriften. Richtig in Fahrt kommt er, wenn er sich über das Banausentum derer aufregt, die die Fraktur als "Nazischrift" bezeichnen.
16. 8. 2001
"Gerade haben wir die neue Rechtschreibung hinter uns, da kommt der Euro", sagte eine Schulleiterin. […] Die deutschen Schulbuchverlage haben sich die Umstellung nach eigenen Angaben einen schlappen "vierstelligen Millionenbetrag" kosten lassen. Leider […] seien die Politiker ihrerseits nicht bereit, die neuen Bücher nun auch zu kaufen. Und so ist es eine fast logische Folge, dass eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur in den Bundesländern ergeben hat: "viele Schüler müssen auch 2002 noch mit der D-Mark rechnen." Die Emder Schulleiter mussten diesem Ergebnis gestern aus eigener Erfahrung beistimmen. Ein Trost bleibt ihnen: der Euro ist wenigstens eindeutiger als die neue Rechtschreibreform mit ihren vielen Ausnahmen und Wahlmöglichkeiten. Immerhin.
4000 bis 40 000 DM koste die Umstellung eines Titels, sagt Irina Pöcknatz vom Berliner Cornelsen Verlag. Die Kosten blieben beim Verlag wie bereits bei der Rechtschreibreform.
2001-08-15
Was den «Endsieg» angeht, hätte Jürgen Paul nur in der Neufassung des Wörterbuchs der Brüder Grimm nachschlagen müssen […]. Der «Endsieg» findet sich dort zwischen «Endschlusz» keine neue deutsche Rechtschreibung, sondern 19. Jahrhundert! und «Endsilbe».
Die leitende Regierungsschuldirektorin […] führte Studiendirektor Reinhold Lüthen aus Stadthagen als neuen Schulleiter am Gymnasium Ernestinum ein. […] Als positiv habe er an der Rechtschreibreform übrigens zwei Dinge empfunden, merkte Lüthen an: Erstens sei wieder ins öffentliche Bewusstsein gerückt, dass Sprache etwas Lebendiges und sie damit immer im Wandel sei. Zweitens habe man endlich wieder über den Stellenwert von Rechtschreibung neu nachgedacht. Die Wertung der Rechtschreibung beispielsweise bei Einstellungstest habe sich mit der Reform relativiert.
Unter dem Motto "Vereinfachung" wird Gewachsenes und Wertvolles ausgelöscht. Wir dürfen nicht herumpfuschen in der Schatzkammer unserer Sprache. Zurück zur "alten" Rechtschreibung heißt: Wir wehren uns aus Liebe zur Sprache, die unser aller Mutter ist.
14. 8. 2001
In der Sprache spiegeln sich Zeitgeist, gesellschaftlicher Wandel wie auch Krisen. Neben dem Widerstand gegen Anglizismen ist zum Beispiel die Ablehnung der Rechtschreibreform zentrales Thema in der Sprachwelt.
Der Baumeister führte bis zum Jahr 1890 wie die übrigen Familienangehörigen der damals in Esslingen weit verbreiteten Familie Brintzinger den Namen mit "tz". Erst unter dem Einfluss der von Konrad Duden in dessen 1880 erstmals erschienenen "Vollständigen orthographischen Wörterbuch der deutschen Sprache" verbreiteten "richtigen" Rechtschreibung (kein "tz" nach Konsonanten) änderte er die Schreibweise seines Familiennamens. Wohl aber, so mutmaßt sein Urenkel mit einem Augenzwinkern, mehr aus dem Grund, sich von seinen Konkurrenten gleichen Namens im Baugeschäft (seinem älteren Halbbruder Johann Carl und seinen Vettern Carl Heinrich und Adolf Heinrich) zu unterscheiden.
13. 8. 2001
Mit Zustimmung habe ich den Leitartikel "Sprachverwirrung" von Heike Schmoll (F.A.Z. vom 31. Juli) gelesen, in dem sie den Unsinn der Rechtschreibreform kritisiert. Aber es ist nicht nur das geschriebene, sondern auch das gesprochene Deutsch, das Tag für Tag Schaden leidet. Seit einiger Zeit unterliegt die Betonung einem Wandel.
11. 8. 2001
Es trifft nicht zu, dass durch die Rechtschreibreform aus 212 Dudenregeln deren 112 geworden sind.
Sein Klagenfurter Vortrag des elegant-sperrigen Textes muttersterben vermittelte einen lebhaften Eindruck. Der Text ist entgegen den heute wieder üblichen, zumindest hoch gehandelten eingängigen Erzähl- und Schreibweisen in Kleinschreibung gehalten […].
Wie sich zeigte, hat sich die Aufregung bald gelegt. […] Die Rechtschreib-Kommission, die die Folgen der Reform beobachtet, muss kräftig nachbessern. […] Diese Zeitung hat sich von Anfang an darum bemüht, ein Rechtschreib-Durcheinander zu verhindern. Unterschiedliche Schreibweisen, wie sie die Reformer absichtlich zugelassen haben, sollen vermieden werden. Damit treffen die Printmedien eine zum Teil unterschiedliche Vorauswahl, was nicht im Sinne der Erfinder war.
Warum soll das nicht im sinne der erfinder sein? Und was hat die zeitung früher gemacht mit doppelformen bei aufgrund, Defätismus, Fotografie, Getto, Jacht, Rally, Telefon und formulierungen wie «gewöhnlich» und «in den meisten Fällen» in den kommaregeln?
Ein Phänomen, das viele Eltern auf die Palme bringt. Mal ist es die Rechtschreibreform, die eine Neuauflage nötig macht, mal muss der Euro als Grund herhalten: "Wir müssen unserem jüngsten Sohn ein neues Mathebuch kaufen, da in der zweiten Klasse eine Einführung in den Umgang mit Geld gemacht wird. In dem Buch unseres älteren Sohnes ist natürlich noch alles in Mark ausgewiesen", sagt eine Mutter.
Die Rechtschreibreform - was […] ist denn das anderes als der völlig mißglückte Versuch, die Schriftsprache unter die völlige Kontrolle des Staates zu bringen?
Vertieft wurde 1999 die Unsicherheit in den Zeitungshäusern dadurch, daß sich manches Blatt eigene Regeln zurechtlegte, die dann im täglichen Hausgebrauch nur mühsam durchgehalten werden konnten. Denn ein Verlag beschäftigt nicht nur Redakteure. Nein, da kommen alljährlich neue Schulabsolventen hinzu, da lebt und zwar recht munter eine jugendliche Lehrredaktion, da gibt es Info-Graphiker, die ja auch Texte zu gestalten haben. Und dann hat der Verlag meistens noch eine außerhäusige Werbeagentur. Die ist nicht auf die spezielle Schreibweise ihrer Kunden verpflichtet. Da kommen von auswärts Filme mit Annoncen, fix und fertige Einheitssujets für jede Zeitung natürlich gleich. Da langen Beiträge ein, die Wissenschaftler mittels E-mail oder auf Diskette übermitteln, da sind die Leserbriefschreiber. Und jene ausgelagerten Firmen, die unter einem gemeinsamen Dach für eine Zeitung Sonderseiten gestalten, Beilagen, Reports, die Fernsehprogrammseiten, das Wetter usw. Schließlich die armen Damen, die Kleinanzeigen in den Computer tippen müssen.
Eine missliebige gegenwart verklärt die erinnerung. Brauchte eine (seriöse) zeitung vorher keine hausregeln für doppelformen, fremdländische namen, stilistische und typografische besonderheiten usw.? Gab es vorher redaktionelle texte, für die man keinen korrektor brauchte? Kannten inserenten und werbeagenturen die lebensweisheit «Wer zahlt, befiehlt» nicht?
10. 8. 2001
Natürlich wissen sie [meine Studenten], daß ich keine Arbeiten in neuer Rechtschreibung annehme, und richten sich danach […].
Selbstverständlich müssen universitäten arbeiten in alter rechtschreibung in alle ewigkeit annehmen (professoren und studenten sind keine verwaltungsangestellten), und ebenso selbstverständlich wird der herr professor arbeiten in neuer rechtschreibung annehmen. Das würde er selbst dann, wenn sein lehrstuhl «für Linguistik und Deutsch in alter Orthographie» hiesse. Auf den beweis müssen wir vielleicht noch etwas warten, denn nicht alle leute sind juristisch so empfindsam wie die sendungsbewussten reformverweigerer. Bewiesen ist hingegen, dass es zweierlei ist, toleranz zu fordern und zu leben.
9. 8. 2001
Auf diese Weise ist die Monopolstellung des Mannheimer Duden gewissermaßen auf ein Wörterbuchkartell übergegangen, das eine Einheitlichkeit suggeriert, die es in Wirklichkeit nicht gibt.
7. 8. 2001
Die große Mehrheit der Lehrer kennt die Mängel und Tücken der sogenannten Rechtschreibreform und lehnt sie ab.
Im Zentrum seiner Kritik steht insbesondere die Deutsche Presse-Agentur (dpa), der er immer wieder vorwirft, sie habe Druck auf die Medien ausgeübt, damit die Reform umgesetzt werde. Dies entspricht eindeutig nicht den Tatsachen.
5. 8. 2001
Die Anything-goes-Rechtschreibreform machte Forderungen nach einem sprachlichen Reinheitsgebot obsolet und damit auch die Aufpasserfunktion des Duden.
4. 8. 2001
Oder warum wird beispielsweise behauptet, die Gämse (früher: Gemse) stamme von Gams ab und müsse deshalb anders als bisher geschrieben werden?
Das wird nicht behauptet; die begründung ist rein synchron.
Die oft als Durchbruch der deutschen Schriftsprache zitierte Luther-Bibel hat nicht einmal in sich selbst eine einheitliche Schreibweise. So schreibt Luther abwechselnd von zweiffel, zweifel, Zweyffel oder zweiviel. Wo Luthers Bibel auf die deutsche Sprache einen ungeheuren Einfluss hatte, war bei der Gross-Schreibung der Hauptwörter, die viele Nachahmer fand, zu denen übrigens der Zürcher Reformator Huldrych Zwingli nicht gehörte. Seine Bibel ist in mittelalterlicher Kleinschreibung verfasst und wurde bis ins 19. Jahrhundert hinein so gedruckt.
War die Öffentlichkeit, waren die professionellen Schreiber tatsächlich ausreichend informiert? Ickler: […] Die Reformvorlage von 1993 war eine ganz andere und ist auch kaum bekannt geworden. Ich erinnere daran, was die eigentlichen Ziele der Reformer jahrzehntelang waren: Kleinschreibung der Substantive, rigorose Eindeutschung der Fremdwörter, Einheitsschreibung das (auch statt dass). Nichts davon konnte verwirklicht werden. Der Entwurf von 1994 bzw. 1996 kam sehr überraschend […]. Das alles war ein echtes Überrumpelungsmanöver.
Was hier überrumpelung heisst, wurde von uns in einem jahresbericht des BVR als schnecke gesehen (was natürlich auch nur die lasen, die es lesen wollten); auch von einer solchen kann man anscheinend überfahren werden.
3. 8. 2001
"Sommerpause. Zum Saisonauftakt der 2. Bundesliga muß der svb 03 bei Arminia Bielefeld antreten", ist die einzige, der Rechtschreibreform trotzende und längst anachronistische Mitteilung, die der Klub dem weltweiten Netz auf seiner Homepage (www.svbabelsberg03.de) anvertraut.
2. 8. 2001
Ein Journalist sagt auf die Frage, warum der aserbaidschanische Schriftwechsel die Öffentlichkeit so sehr beschäftige, obwohl es doch angesichts der Wirtschaftslage und des Konflikts mit den Armeniern in Nagornyj-Karabach wichtigere Probleme gebe: "Wie würde man wohl in Deutschland darauf reagieren, wenn Gerhard Schröder den Vorschlag machte, ab morgen nur noch kyrillische Buchstaben zu verwenden?"
Ди шрифт алс золхе вэре гар нихт зо шлехт
Die Beschriftung und auch der umfangreiche Katalog halten sich an eine Art Reformorthographie, etwa auf dem überholten Stand von 1996.
Der Heilige Stuhl wackelt nicht, denn er wurde nicht reformiert von der Rechtschreibung her. […] Ein heiliger Krieg hingegen muss sich neuerdings mit einem kleinen "h" begnügen. […] Diese Regelung ist kleinkariert wie die ganze Rechtschreibreform, aber von höchster nationaler Brisanz. […] Ist das Oberhaupt der Stadt an der Aisch "der erste" oder "der Erste" Bürgermeister? Ein unheiliger Streit ist um das große "E" entbrannt.
1. 8. 2001
Das erste Dokument, das die Bundeskanzlei in neuer Rechtschreibung herausgab, war die 1.-Augustrede 1998 von Bundespräsident Cotti: Gerade 'mal ein Wort darin unterschied sich von der alten Schreibung, wie sich der zuständige Linguist Urs Albrecht erinnert. […] Auch in den Schulen […] werden die Regeln «erstaunlich gut» gehandhabt, wie Albrecht als Matura-Experte beobachtet hat. […] Der «Tages-Anzeiger» ist laut Auskunft seines Korrektors Karl Schnellmann progressiv und befolgt ausser bei der Interpunktion die neuen Regeln […]. Die Neue Zürcher Zeitung NZZ hat laut Korrektorat die Reform im Mai 2000 mit einer hauseigenen Orthografie eingeführt, die nicht nur bei Varianten, sondern oft auch bei vorgeschriebenen Neuerungen die alte Form vorzieht. Eine deutsche Untersuchung an Leserbriefen hat festgestellt, dass etwa die Hälfte der Einsender die neuen Regeln anwendet. Das NZZ-Korrektorat schätzt die Zahl in der Schweiz etwas tiefer, dasjenige des «Tagi» ist von den orthografischen Fähigkeiten der Leserschaft nicht gerade überwältigt. Die Jungen seien indes deutlich sattelfester als die Alten […].
Stolz präsentierte die Wochenzeitung "Die Zeit" auf der ersten Seite ihrer ersten, besonders frühzeitig umgestellten Ausgabe: "wie Recht der Ministerpräsident hatte". Eine Woche früher hätte man so etwas als Druckfehler belächelt. […] Selbst Todesanzeigen erscheinen fast durchweg in reformierter Schreibweise, wohl kaum auf Wunsch der Auftraggeber.
Das ist das ekelhafte an der zeit, dass eine woche später vieles anders ist als eine woche früher. Da kann man ja auch dem eigenen dahinscheiden nur noch mit grossen bedenken entgegenblicken.
Die FAZ fand keine Nachahmer. Es rächte sich nun, daß man ein Jahr zuvor selbst dem Konformismus gehuldigt hatte und sich ganz ausdrücklich wider besseren Wissens den Anordnungen der deutschen Unterrichtsminister gebeugt hatte.
A erlässt für B eine anordnung und C «beugt» sich ihr? Hier wird «wider besseres wissen» (akkusativ) die rechtslage vernebelt.
Als Duden 1911 stirbt, ist er ein berühmter Mann. Sein Wunsch nach konsequenter Kleinschreibung aller Wörter konnte sich jedoch bis heute nicht durchsetzen.
31. 7. 2001
Das erste Dokument, das die Bundeskanzlei in neuer Rechtschreibung herausgab, war die 1.-August-Rede 1998 von Bundespräsident Cotti: Gerade mal ein Wort darin unterschied sich von der alten Schreibung, wie sich der zuständige Linguist Urs Albrecht erinnert. […] Auch in den Schulen dem einzigen Bereich neben den Behörden, wo die neue Rechtschreibung verbindlich ist werden die Regeln «erstaunlich gut» gehandhabt, wie Albrecht als Matura-Experte beobachtet hat.
Fünf Jahre nach dem Wiener Rechtschreibabkommen der deutschsprachigen Länder und drei Jahre nach dessen offizieller Einführung kann nicht mehr geleugnet werden, daß die Rechtschreibreform ihr wichtigstes Ziel, die Einheitlichkeit der deutschen Rechtschreibung, verfehlt hat.
Nicht nur die schlussfolgerung, die rechtschreibreform habe ihr wichtigstes ziel, die einheitlichkeit der rechtschreibung, verfehlt, ist in frage zu stellen, sondern vor allem die annahmen, auf denen sie basiert. Zum einen wäre die definition von einheitlichkeit zu diskutieren, zum andern das «wichtigste ziel». «Schreibungen waren nie um ihrer selbst willen wichtig, sondern um den Zugang zu Texten möglichst rasch und unmittelbar zu eröffnen.» Dazu mag es von vorteil sein, wenn in Flensburg und Zürich sowie von professionellen und weniger gebildeten schreibern gleich geschrieben wird, was auch vorher nur sehr eingeschränkt der fall war. Das «wichtigste ziel» einer reform kann es allerdings höchstes zu kaisers zeiten gewesen sein. Einheitlichkeit, stabilität, sicherheit, «wissen, was richtig und falsch ist», disziplin usw. sind positive werte, aber es sind eben keine werte, sondern sekundärtugenden. Das ziel einer reform kann nur sein, etwas besseres zu schaffen.
An den Universitäten wird hingegen noch heute zumeist nach dem amtlichen Regelwerk aus dem Jahr 1901 geschrieben. Der größte Teil der Studenten im Rhein-Main-Gebiet darf noch mindestens bis zum Ende der Übergangsfrist im Jahr 2005 trotz eines "daß" in der Abschlußarbeit auf eine gute Note hoffen.
30. 7. 2001
Der ehemalige Bundesbildungsminister Klaus von Dohnanyi hat gefordert, die Pflege der deutschen Sprache einer unabhängigen Akademie für Sprache und Dichtung zu überlassen. «Ich finde, diese Fragen sollten nicht mehr in die Hände der privaten Wirtschaft fallen. Das muss wirklich zu Ende sein», sagte der SPD-Politiker am Sonntag in der ARD-Sendung «Sabine Christiansen» in Anspielung auf Verlage. «Wir haben eine Akademie für Sprache und Dichtung und wir sollten versuchen, dieser Akademie die Zuständigkeit zu geben.» Auch die Kultusminister sollten nicht über die Sprache entscheiden. Zur Begründung führte Dohnanyi die Rechtschreibreform an. «Was da zum Teil gemacht worden ist, ist schrecklich.»
Und wer «gibt» die zuständigkeit?
29. 7. 2001
Deutsch hat sich zu „Denglisch“ entwickelt; viele Menschen fühlen sich, jenseits aller Deutschtümelei, nicht mehr heimisch in der eigenen Sprache. Und die Rechtschreibreform hat zu einem orthographischen „Chaos-Club“ geführt. Jeder schreibt, wie er will, alles ist möglich, fast alles erlaubt: vom flotten Werbespruch bis zur Politikerfloskel, vom Beamtendeutsch bis zur „Insider-Sprache“ der „New Economy“! Werden wir vom „Volk der Dichter und Denker“ zum „Volk der Analphabeten“? Oder ist das die normale Fortentwicklung einer lebendigen Sprache? Sollte die Politik diesen Prozeß durch Gesetze kanalisieren? Oder brauchen wir im Zeitalter von Computern und des „Simsens“ auf Handys gar kein Regelwerk mehr?
Wie kann man eine solche frage stellen und frau prof. Leiss nicht einladen?
28. 7. 2001
In der 32. Auflage des Duden, sie wird 2053 erscheinen und nach drei gescheiterten Rechtschreibreformversuchen zur Orthographie und Grammatik von vor 1996 zurückkehren, wird es trotzdem eine epochale Neuerung geben. "Samenspender" und "Befruchter", vor allem aber "Inseminator" haben sich als Äquivalente für das erwiesen, was zuvor mit dem schwammigen Ausdruck "Vater" bezeichnet worden war.
"Für Schüler ist es kaum durchschaubar, warum es heilig sprechen, aber übrigbleiben heißt."
Wäre es, wenn es so wäre. Siehe auch fundsachen.
27. 7. 2001
Die Schweiz zeigt sich fünf Jahren nach der Reform gelassen. […] In Deutschland dagegen wurde die Debatte vor gut einem Jahr neu entfacht, als die Frankfurter Allgemeine Zeitung FAZ mit viel Getöse zur alten Schreibung zurückkehrte.
26. 7. 2001
Offensichtlich hatte der Verfasser des Schreibens mit der deutschen Rechtschreibung so seine Mühe, denn außer „Buhsgeldbescheid“ war noch von „Ermietlungen“ und „Beschludigten“ die Rede.
Taiwan macht derzeit das durch, was die Deutschen gerade hinter sich haben: eine erbitterte und leidenschaftliche Auseinandersetzung um eine Reform der Rechtschreibung.
25. 7. 2001
Bislang sei die Kommission "sehr zufrieden mit dem Grad der Umsetzung in so kurzer Zeit", sagt Geschäftsführer Klaus Heller. […] Die Akademie für Sprache und Dichtung will im Herbst einen Kompromissvorschlag machen. Als für alle "tragbare Lösung" soll er Konzessionen an die neuen Regeln machen, aber auch sinnvolle Regelungen der alten Schreibweise aufleben lassen, sagt Meier. Wenig diplomatisch fügt er hinzu, die Akademie arbeite "mit den besten Sprachwissenschaftlern Deutschlands" zusammen, während an der Reform "ziemlich minderwertige" Wissenschaftler beteiligt gewesen seien.
Die akademie hat im februar 1999 einen kompromissvorschlag gemacht, an den sie sich anscheinend schon selbst nicht mehr erinnert. Vielleicht hat sie damals die besten sprachwissenschaftler noch nicht gefunden, aber jetzt …
Für ein Sparmodell hat sich dagegen die Rektorin der Beurener Grundschule, Ute Scharré-Grüninger[,] entschieden: »Ich bin nicht bereit, die Bücher jetzt auszutauschen«. Die Rechtschreibreform, die auch Einfluss auf die Mathebücher hat, hatte vor zwei Jahren schon ein Loch in den Etat gerissen.
Für größere Verwirrung sorgen jene, die sich der Reform widersetzen und sich deshalb darauf versteifen, bei neuen Namensnennungen auf die alte Schreibweise durchzusetzen. So kam kürzlich im Westen Thüringens ein "Schloss" wieder zum "ß". Die nächste Generation wird den Kopf schütteln.
Für Thüringer Schüler ist die neue Rechtschreibung längst Alltag […] Der erste Jahrgang hat die Regelschulen und Gymnasien erreicht. […] Die Beschwerdeflut in Deutschland ist inzwischen eingedämmt, Kritik hagelt es weiterhin.
23. 7. 2001
Der Fußweg zum Stadtbad-Mitte ist ein Sprung ins kalte Wasser der Rechtschreibreform: Während ein "ss" beim Wort muss längst ein Muss ist, bleibt beim Fußweg auch mit der neuen Rechtschreibung alles beim Alten.
Fuss statt Fuß fällt auf; auf dem holzweg ist das schild aber auch mit der nachgestellten beifügung: Stadtbad Mitte.
21. 7. 2001
So streng wie früher wird es heutzutage mit der Rechtschreibung nicht genommen. […] Die Schulen gehen nicht immer mit gutem Beispiel voran. Nehmen wir die Eduard-Mörike-Schule in Böfingen. Die empfängt ihre Besucher mit einem Schild, auf dem der zweite Bindestrich fehlt, so dass sie nun "Eduard-Mörike Schule" heißt. […] Ein Ulmer Gymnasium wäre, würde man die ganze Strenge der Rechtschreibregeln walten lassen, gleich mit vier Bindestrichen geschlagen. Vernünftigerweise wurde entschieden, so zu schreiben: Hans und Sophie Scholl-Gymnasium. Eine ähnlich elegante Lösung haben die Wiener für den Platz gefunden, der dem Dirigenten von Karajan gewidmet ist. In Wien schreibt man Herbert von Karajan-Platz.
Die «Südwest[-]Presse, Schwäbische Donau[-]Zeitung» selbst geht auch nicht mit gutem beispiel voran. Falls die regel nicht vernünftig ist, muss man sie ändern; andernfalls ist nicht einzusehen, warum man sich nicht daran halten soll (Zürich). Übrigens ist es in der Schweiz nicht üblich, schulen, kasernen usw. nach personen zu benennen. Damit erspart man sich «unelegante» lösungen, was vielleicht nicht nur eine folge, sondern ein grund ist.
Sommerloch liegt nordwestlich von Bad Kreuznach […], ein Kaff wie tausend andere, von den Nachbardörfern Wallhausen, Braunweiler, St. Katharinen kaum zu unterscheiden, wäre da nicht der medienträchtige Name ... […] Wir Medienleute leiden in diesen Wochen verschärft unter dem Sommerloch. Mit allen Mitteln muss es aufgefüllt werden. Zur Erinnerung einige Schlagzeilen aus der letztjährigen Nachrichtenflaute: "Der Prügelprinz, der im Sommerloch den Türkenpavillon anpinkelt" […]. Des Weiteren stopften Bimbes, Kampfhunde und Rechtschreibreform das 2000er Loch zu.
20. 7. 2001
Eigentlich schon seit Jahren bereitet das Wort Portemonnaie rechtschreibetechnische Probleme. […] Mit der Rechtschreibereform wurde Abhilfe geschaffen. Die Geldbörse heißt nun Portmonee, wie eigentlich auch immer schon gesprochen. Jetzt bereitet das Portmonee allerdings in anderer Hinsicht Probleme. Es wird immer dicker.
19. 7. 2001
Punkt 7: Dann möchte ich schwanger werden. Und während der Schwangerschaft möchte ich wie Hera Lind ein Buch schreiben. Es wird zwar kein Bestseller wie „Das Superweib“, aber ich möchte mich für die neue deutsche Rechtschreibreform speziell für Kinder und Jugendliche einsetzen und beweisen, dass es keine Rolle spielen muss, ob man das mit ß oder ohne ß schreibt, denn ich selbst beherrsche die Rechtschreibung nicht perfekt und aus mir ist trotzdem was geworden.
Auch sei sie für eine weniger strikte Anwendung der Rechtschreibung.
Doch während die Privatwirtschaft Formate wie "Glücksrad" schon wieder sanft entschlummern lässt, haben mit mehrjähriger Verspätung Behörden, Körperschaften des öffentlichen Rechts und gemeinnützige Institutionen die Sympathieförderung via TV-Show entdeckt. Ein bunter Strauß an originellen Spielideen soll den mausgrauen Verwaltungsapparaten aus dem kilometertiefen Imageloch helfen. […] Wie aus Kreisen der Deutschen Rechtschreibkommission verlautet, wollen die Gralshüter der deutschen Sprache mit der neuen Spielshow "Deutsch ist heiß" endlich von ihrem Oberlehrerimage wegkommen und das Publikum auf spielerische Weise mit den Regeln der neuen Rechtschreibung vertraut machen. Geplant sind spannende Spiele rund um die vertrackte deutsche Orthografie, die das bisherige Reformdebakel "ausbügeln" sollen. Der Preis für den Gewinner des kniffligen Spiels steht auch schon fest: zwei Wochen Urlaub in der Dudenredaktion in Mannheim. Na denn, fiehl Spas!
18. 7. 2001
Ärgerlich allein ist der Wahn der Verfasser, dass mit der Rechtschreibreform alle Straßen in Strassen umbenannt seien. Deren Namen sollen sie sich nun mal gegenseitig vorlesen. Viel »Spass« dabei, Leute!
Da das besprochene buch (Cool Guide Berlin) in Zürich erschienen ist, könnte es auch sein, dass das ß ganz fehlt; das wäre dann kein wahn, sondern ein alter brauch.
Zum Zeugnis des Peter Hufe, das er uns vorgelegt hat: Dieses Dokument aus dem Jahre 1983 […], ausgestellt von der Bundeswehrfachschule Weingarten, ist ein Zeugnis über die Abschlußprüfung des Realschullehrgangs und stammt, wie dem Titel unschwer zu entnehmen ist, aus der Zeit vor der Rechtschreibreform.
14. 7. 2001
Blick in die jüngste Geschichte. […] 1998 Das Bundesverfassungsgericht weist die Klage von Gegnern der Rechtschreibreform ab und erklärt die Reform für verfassungsgemäß
Viel Sparen hätte man bei der unnötigen Rechtschreibreform können, rief eine Mutter.
Vgl. Fundsachen.
13. 7. 2001
Auch heute schadet dem Deutschen der häufige Gebrauch von amerikanischen Begriffen nicht. Im Gegenteil: Der deutschen Sprache geht es, sieht man mal von der Rechtschreibreform ab, gut wie schon lange nicht mehr.
Die Sprachwissenschaft rückt nur selten ins öffentliche Bewusstsein, und dann orientiert sich die Öffentlichkeit, wie zuletzt in der Debatte um die Rechtschreibreform, nur wenig an der Meinung der Wissenschaftler. Mit dem Wörterbuch Tesa, Tuc und Teddybär zeigt der Autor Hartwig Lödige nun ganz unaufdringlich etwas von der spritzigen Aktualität dieses altehrwürdigen Fachs.
Eigentlich gilt bei Schulbüchern der Drei-Jahres-Rhythmus, "aber es wird wie bei der Rechtschreibreform auch Überschneidungen von neuen Regeln und alten Büchern geben" […].
12. 7. 2001
Mit medienwirksamen Promis wie Boris Becker oder Peter Maffay hätten wir mehr Erfolg gehabt.
Wir auch hätten . . .
Die pathetisch "Rechtschreibreform" titulierte Verunstaltung der deutschen Sprache wurde ganz offensichtlich von einem Haufen halbgebildeter Kultusminister mittels jener Hälfte ihres Hirns produziert, die nicht gebildet ist.
10. 7. 2001
"Heute hat man ja leider Gottes manchmal den Eindruck, als seien gerade im Gesundheitswesen die Worte Humanität und Nächstenliebe der Rechtschreibreform zum Opfer gefallen", beklagte Widmaier.
Leider Gottes sind bei wörtern ab und zu opfer zu beklagen, etwa bei «worte/wörter», aber an allem ist die rechtschreibreform nicht schuld.
8. 7. 2001
Nein, die Grammatik ist nicht sein Ding, da hilft es auch wenig, dass er die Trennregel: "Trenne nie den S von das T" behalten hat und nach der Rechtschreibreform "datt" mit zwei "ss" schreibt.
7. 7. 2001
Eine schöne Sache ist, dass der Stemplinger Sepp, der Stadtrat vom Freudensee, ein altes Kreuz tipptopp (so schreibt man das komischerweise nach der neuen Rechtschreibung) herrichten hat lassen.
So schreibt man das auch nach der alten rechtschreibung.
6. 7. 2001
Schon seit den zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts versehen die "Wagen" der Firma Sielaff, die früher in Neukölln ansässig war, auf den Berliner Bahnhöfen ihren Dienst. Erst die Rechtschreibreform von 1929 hat das Wort gewogen, als zu leicht befunden und ihm das zweite "a" beschert. Die Berliner Wiegeautomaten haben aber nach wie vor nur eines.
5. 7. 2001
Die Wohnschule – ein Bildungsangebot von Pro Infirmis – bereitet Erwachsene mit einer leichten geistigen Behinderung auf ein möglichst selbstständiges Leben vor. […] Dabei zeigten die Wohnschüler wenig Berührungsängste mit den modernen Technologien, im Gegenteil: Ein Mail zu schreiben ist für viele einfacher und unbelastender als das Schreiben eines Briefes – nur schon deshalb, weil man sich in einem Mail nicht um Gross- und Kleinschreibung zu kümmern braucht und damit in guter Gesellschaft ist.
Nicht nur mails kann man in einer menschenfreundlichen ortografie schreiben!
Müssen wir, angesichts des orthografischen Scherbenhaufens, nicht vermuten, die Erfinder der leidigen Reformrechtschreibung hätten sich angestellt wie die ersten Menschen? Durfte ihnen wirklich ihre Aufgabe so schwer fallen, als hätten sie das Rad neu erfinden sollen? Vor 100 Jahren, fast auf den Monat genau, bestand das Problem schon einmal und wurde ungleich souveräner gelöst.
4. 7. 2001
«Der KVS bietet auch verschiedene Seminare und Kurse für den Arbeitsalltag an: Mind Mapping, Briefe ohne Floskeln, Rechtschreibereform, Motivationsseminare, Verkaufsseminare, Seminare für Kaderleute sowie Finanzbuchhaltung und Tastaturschreiben», erklärt Ester Gmünder, Sachbearbeiterin für KVS-Weiterbildung.
Nach einer Rechtschreibreform könnte auch dies eingeführt werden: Da sowieso immer mehr Englisch gesprochen wird, würden «der», «die» und «das» durch das neutrale englische «the» ersetzt.
Das wäre dann allerdings nicht eine rechtschreib-, sondern eine sprachreform.
Überall werden zurzeit blaue Infosäulen aufgestellt […]. Ein weiterer Fehler fällt nur denen auf, die gut in Rechtschreibung sind „Straße“ wurde mit "ss" geschrieben. In alter wie in neuer Orthografie. Vielleicht wurde auch nur die nächste Reform vorweggenommen...
3. 7. 2001
Dass „das Volk“ hinter der Einführung des Euro und der Osterweiterung der EU stehe, hält der Verein [„Mehr Demokratie“] für fragwürdig. Eine saubere, faire Volksabstimmung könnte das klären, meint Kittler. Das gelte zum Beispiel auch für die Rechtschreibreform.
2. 7. 2001
Nebenbei, mit dieser Ausgabe führt die Lichtenberg-Gesellschaft für ihr Jahrbuch „eine moderate Gestaltung der neuen Rechtschreibung“ ein, wie ihr Vorsitzender in einem Vorwort bekannt gibt, in dem er den Namenspatron der Gesellschaft mit seinen diversen pointierten Kommentaren zur Orthographie im Allgemeinen und Orthographiereformen im Besonderen zitiert und sich ein wenig an Christian Meier reibt, dem Präsidenten der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, der ja die Rechtschreibreform in ihrer gegenwärtigen Form radikal ablehnt. Die Lichtenberg entlehnte Überschrift „Wir werden hierin . . . allerdings sehr tolerant seyn“ zeigt, worum es Joost dabei geht.
Wann endlich wird der staatlich verordnete Analphabetismus beendet? Wer die Rückkehr zur bewährten Rechtschreibung verhindert, darf sich über Sprachverfall nicht beklagen.
Würden wir ja auch nicht (Leiss).
Der mit knapp 22 000 Euro dotierte Ingeborg-Bachmann-Preis geht an den 1964 in Düren geborenen Michael Lentz für seine Erzählung Muttersterben […]. Es ist eine Erzählung in Kleinschreibung […].
"Wir stehen vor dem gleichen Problem wie vor zwei Jahren mit der Rechtschreibreform", erklärte Sonja Markgraf, Sprecherin des Kultusministeriums in Hannover. "Von heute auf morgen können die Schulen ihr Lehrmaterial unmöglich gegen Euro-Ausgaben austauschen."
Die Häme wegen Nachbesserungen ist überflüssig. Diese beweisen vielmehr, dass die Reform mitnichten am Ende ist.
Was schickt die Pove? Wer diese Frage nicht gleich versteht und beantworten kann, hat keinesfalls die Rechtschreibreform verschlafen. Vielmehr handelt es sich um einen Ausdruck, der zu DDR-Zeiten unter Viehhändlern im Raum Thüringen verwendet worden sein soll.
1. 7. 2001
Ingeborg-Bachmann-Preisträger 2001 aber ist der Münchner Michael Lentz: In gedrängtem Stakkato und Kleinschreibung wälzt sich seine dichte Erzählung „Muttersterben“ schlusswärts.
"Wir stehen vor dem gleichen Problem wie vor zwei Jahren mit der Rechtschreibreform. Von heute auf morgen können die Schulen ihr Lehrmaterial unmöglich gegen Euro-Ausgaben austauschen", sagte die Sprecherin des Kultusministeriums in Hannover, Sonja Markgraf.