Eine Randbemerkung noch zur Lektoratspraktik des Verlags und wohl auch zur umstrittenen deutschen Rechtschreibreform: Warum man «Kricket» und «Klubs» schreibt, aber «Colleges» beibehält, ist rätselhaft, zumal man überrascht wäre, wenn sich britische Verlage auf «Carpfen» oder «Cönig» kaprizieren würden. Schliesslich ist es nicht die originale Schreibweise dieser Wörter, die beide für kontinentaleuropäische Geister undurchdringlich macht, sondern das enigmatische (oft ungeschriebene) Regelwerk der mit ihnen verbundenen Ausprägungen britischer Lebensart.
Bund für vereinfachte rechtschreibung (BVR)
Aus presse und internet
30. 12. 2003
29. 12. 2003
1892 haben die kantonalen Erziehungsdirektoren zusammen mit Bundesbehörden entschieden, dass in den Volksschulen eine bestimmte (die Duden'sche) Rechtschreibung gelehrt wird. 1996 ist dasselbe passiert. Die Rechtschreibung von 1892 war nicht vollkommen, und die von 1996 ist es auch nicht (der 1924 gegründete Bund für vereinfachte Rechtschreibung wüsste eine bessere); aber weder 1892 noch 1996 gab es eine grosse Aufregung, und das nächste Mal wird es bestimmt auch keine geben.
28. 12. 2003
Günter Grass wird niemals "Kuss", "lieb haben" oder "Schlussstrich" schreiben. Wenn sich jedoch ein Schüler an der Orthografie des Literatur-Nobelpreisträgers orientiert, greift sein Lehrer zum Rotstift. Die am 1. Dezember 1995 beschlossene und zum 1. August 1998 in Kraft gesetzte Rechtschreibreform hat dazu geführt, dass es keine einheitliche deutsche Schriftsprache mehr gibt. Ein Ausweg könnte ein Kompromissvorschlag der Akademie für Sprache und Dichtung sein.
Wenn Günter Grass niemals "Kuss" schreiben wird, wird aus dem ausweg wohl auch nichts.
24. 12. 2003
Die Attacke von acht renommierten Akademien auf die Rechtschreibreform ist von der großen Mehrheit der Deutschsprechenden mit freudiger Zustimmung begrüßt worden.
Weiss die grosse mehrheit der deutsch sprechenden, wie freudig sie zugestimmt hat? Jetzt bestimmt; die eine hälfte liest die FAZ, die andere hälfte sprache.org.
Die F.A.Z. wird sich meiner und vieler meiner Freunde Treue sicher sein können, wenn Sie geloben, fünf Dinge auch künftig niemals zu tun: Strizz verabschieden; die Frakturschrift ganz aufgeben, die neue Rechtschreibung einführen, die Zahl der bunten Bilder vermehren oder […] Bilder auf die Titelseite drucken […].
23. 12. 2003
In der Ausgabe vom 21. November fordern Sie wörtlich, daß die letzte Rechtschreibreform rückgängig gemacht werden müßte. Sie haben recht.
18. 12. 2003
Trotz Rechtschreibreform: Litfaßsäule schreibt sich mit "ß". Schließlich ist sie nach ihrem Erfinder E. A. Th. Litfaß benannt.
11. 12. 2003
Im Kursraum des Erich-Klausener-Hauses büffeln keine Nachhilfeschüler, sondern Väter und Mütter schulpflichtiger Kinder. […] Die Rechtschreibreform, seit dem 1. August 1998 in Kraft, ist noch längst nicht im Lebensalltag und vielen Köpfen angekommen. Eltern schulpflichtiger Kinder müssen sich spätestens bei der Hausaufgabenbetreuung eingestehen: Ich weiß nicht, ob das, was mein Kind schreibt, auch richtig ist.
10. 12. 2003
Die Kommasetzung wurde in der Rechtschreibreform liberalisiert unseretwegen, die taz war ja schon immer eher dafür, dass jeder selbst tun und lassen kann, was er will.
8. 12. 2003
Der Staat hat sich in Sachen Sprache so radikal desavouiert, durch die sogenannte Rechtschreibreform nämlich, wie es nur denkbar ist. Dass die verantwortlichen Damen und Herren sich das Recht angemasst haben (das in Deutschland ausser dem NS- Minister Rust nie zuvor ein Minister beansprucht hat), der Sprachgemeinschaft willkürlich Schreibungen zu diktieren, die noch dazu teilweise im Widerspruch zu elementaren Regeln der deutschen Grammatik und Wortbildung stehen, und dass sich das Bundesverfassungsgericht zu ihrem Büttel gemacht hat, ist schlimm. Und die Arroganz der Macht, das obrigkeitsstaatliche Gebaren, die geschönten Befunde, Betrug und Diffamierungen, die in dieser Angelegenheit vorherrschen, sind es auch. Auf den Staat wird man also in diesen Dingen nicht rechnen können. Wer aber könnte uns dann helfen? Nur wir selbst, die Gesellschaft.
Wir sind die gesellschaft! Ernsthaft: stellungnahme.
1. 12. 2003
Mehr Basisdemokratie in Deutschland dafür kämpft die Initiative "Mehr Demokratie" seit fünfzehn Jahren. […] In Hamburg und Schleswig-Holstein hingegen werden eifrig Unterschriften gesammelt: In Schleswig-Holstein lehnten die Bürger 1998 in einem Volksentscheid die Rechtschreibreform ab ein Jahr später führte sie der Landtag trotzdem ein.
29. 11. 2003
Das «Fehlkonzept Rechtschreibereform» stellen die «Schweizer Monatshefte» ins Zentrum ihrer Novemberausgabe. In einem guten Dutzend Beiträgen äussern sich vor allem Germanisten und Altphilologen, Schriftsteller und andere Praktiker kritisch zur neuen Orthographie und zur Art ihres Zustandekommens. Befürworter erhalten in dem von Stefan Stirnemann mitgestalteten «Dossier» nur marginal Raum.
Endlich tritt eine bedeutende Person an die Öffentlichkeit, die im Namen der deutschen Sprache eine Reform der Rechtschreibreform von 1995 verlangt.
Der Duden belehrt mich aber, dass das Wort "hierzulande" nach wie vor existiert […]. Dieser Umstand zeigt: Die Stellungnahme Dieckmanns ist nicht ernst zu nehmen […].
27. 11. 2003
Durch das solcherart gezeichnete, vielschichtige und letztlich doch heimatverbunden angehauchte Österreichbild erwarb er sich den Ruf eines konservativen Autors, als der er etwa der Rechtschreibreform vehement entgegentrat.
Der Brief der Präsidenten ist mehr als ein Zeitdokument, er ist ein Warnruf. Er spricht aus, was schon jetzt in Gefahr ist und was unwiederbringlich verloren sein wird: die kulturstiftende und einigende Macht der Norm.
24. 11. 2003
Im Zentrum der Kritik steht der Eingriff der Reform in spracheigene Wortbildungsprozesse. Also Regeln der Auseinanderschreibung, die inkonsequent und kompliziert sind; sie bieten nicht die mindeste Erleichterung, verstören aber durch Sinnverschiebungen das Sprachgefühl. Es fällt mir auch bei der Lektüre der Berliner Zeitung immer wieder störend auf. […] Am 30. Oktober, auf Seite 17, ist von Spektakeln die Rede, die "hier zu Lande" stattfänden. Gemeint ist: hierzulande. "Hier zu Lande" hätte nur einen Sinn, wenn der Gegensatz zu: "hier zu Wasser", also zwischen Meer und Land, betont werden müsste.
22. 11. 2003
Da die Rechtschreibreform meinen Lesefluß ständig behindern und mir eine entscheidende Möglichkeit der Nuancierung einfach stehlen will, konnte ich nicht anders, als sie vom ersten Tage an zu hassen. […] Das Deutsche ist die präziseste Sprache, die mir bislang untergekommen ist […]. Die Rechtschreibreform aber zwingt zu einer Verarmung und Verdummung der Schriftsprache, die am Ende auch die gesprochene Sprache verarmen und verdummen wird.
21. 11. 2003
Acht namhafte deutsche Akademien fordern die Kultusminister der Länder und andere zuständige staatliche Vertreter im gesamten deutschsprachigen Raum in einem Brief auf, endlich die Konsequenzen zu ziehen und "Freimut im Umgang mit der eigenen Entscheidung" zu zeigen. Hinter der eleganten Formulierung verbirgt sich eine unnachgiebige Haltung. […] Die Rechtschreibreform muß rückgängig gemacht werden. Denn der Zustand, zu dem sie führte, hat sich längst als unhaltbar erwiesen.
20. 11. 2003
Mehrere Kunst- und Wissenschaftsakademien in Deutschland haben zu einer Umkehr bei der Rechtschreibreform aufgerufen.
Mit dem verwirrenden Regelfetischismus gerät die Einheitlichkeit unserer Orthographie in Gefahr, sagt erläuternd zum Brief der Kulturphilosoph Friedrich Dieckmann, der die Aktion koordinierte. Der nivellierende Eingriff in unsere Schriftsprache sei auch ein Eingriff in unser Reden, unser Denken, unser gesamtes Geistesleben.
Die Schule habe er nie gescheut, verriet Ronald Maul. […] Kaum zu glauben jedoch, dass der redegewandte Hansa-Mittelfeldspieler Probleme im Fach Deutsch hatte. Ich habe die Rechtschreibreform eigenmächtig bereits vor 15 Jahren eingeführt. Meinen Lehrern hat das nicht so gefallen, erzählte er.
19. 11. 2003
Es gab ja eine konsequent verwirklichte Reform in den vergangenen Jahren: die Rechtschreibreform. Mit dem Ergebnis, dass Gelehrtenakademien wie auch PEN und Schriftstellerverband diese Rechtschreibreform belächeln. Weil es eben keine Reform, sondern Verschlimmbesserung ist. Weil sie Sprache ärmer macht, wo sie glaubt zu klären. Drum wenden die meisten Zeitungen sie an, wie sie gemacht wurde: halbherzig. Das aber tut uns weder Leid noch leid, weil wir sie weder Ernst noch ernst und schon gar nicht ernstnehmen können.
Mehrere Kunst- und Wissenschaftsakademien, darunter die Berliner Akademie der Künste, haben in einem Brief an die Kultusminister der Länder eine kritische Betrachtung der 1998 vollzogenen Rechtschreibreform gefordert. Nach fünf Jahren Praxis seien viele der erhofften Vereinfachungen ausgeblieben. […] Die am 1. Dezember 1995 beschlossene und am 1. August 1998 in Kraft gesetzte Rechtschreibreform habe schwerwiegende Eingriffe in die deutsche Schriftsprache vollzogen, hieß es in dem Brief.
11. 11. 2003
Seit einem Monat steht sie nun schon auf dem Wipperfürther Marktplatz, die Engelbertussäule […]. Und die ganze Zeit ist noch niemandem aufgefallen, dass die Inschrift an der Säule zwei dicke Rechtschreibfehler enthält. ...nach dem Tot seines Bruders... steht da tatsächlich in Stein gemeißelt […]. Oder hat der Steinmetz nur vorsichtshalber die nächste Rechtschreibreform vorweggenommen?
Seit über 15 Jahren bietet die telefonische Duden-Sprachberatung Hilfe an. […] "1998 waren es etwa 40 pro Tag", sagt Leiterin Anette Auberle. Rund 40 000 Anfragen bearbeiten die 16 Mitarbeiter mittlerweile pro Jahr. […] Rund 90 Prozent der Anrufer haben nach Angaben Auberles Fragen zur neuen Rechtschreibung, die aber insgesamt gut akzeptiert werde. Die größten Probleme bereite die Zusammen- und Getrenntschreibung. "Aber da wurde auch vorher schon vieles falsch gemacht", betont sie.
4. 11. 2003
Die Spur der Gesellschaftsveränderer läßt sich noch weiter zurückverfolgen, wie Ausführungen von Karl Korn […] entnommen werden kann: "Immerhin ist es für die Vorgeschichte der Reformbestrebungen wichtig, zu wissen, daß die extremsten Einpeitscher einer Veränderung der Schrift […] Leute waren, denen es um nichts Geringeres ging als um den Tod der Tradition. […]"
Zum Beispiel in Sachen Rechtschreibreform: Das nunmehr mit viel Mühe ins Werk gesetzte "Reförmchen" geht dem Gelehrten längst nicht weit genug. Um das Deutsche auch für Ausländer leichter erlernbar zu machen, plädiert er für die Kleinschreibung der Substantive.
2. 11. 2003
Als ein modernes Jahrbuch für die bergische Region […] kommt der Rheinisch-Bergische Kalender diesmal daher. Und es ist die erste Ausgabe, die sich an die Richtlinien der Rechtschreibreform hält. Landrat Norbert Mörs sprach bei der Präsentation von einem entstaubtes Erscheinungsbild.
11. 2003
Die beste Option ist ein Übungsabbruch in Verbindung mit einer grosszügig bemessenen intertemporalen Toleranzfrist. Wir plädieren darum in dieser Ausgabe für ein Time-out und für einen schrittweisen Ausstieg, und wir möchten darüber eine echte Auseinandersetzung eröffnen.
Oha, das in den letzten zweihundert jahren war nichts, vergessen wir die tonnen von büchern und zeitschriften- und zeitungsartikeln sowie diese megabytes; jetzt wird die echte auseinandersetzung eröffnet. Echt grosse worte. Aber damit die auseinandersetzung nicht zu echt wird, lässt man nur eine seite zum wort kommen.
Die Unterzeichnung der «Gemeinsamen Absichtserklärung zur Neuregelung der deutschen Rechtschreibung» (1. Juli 1996) hat amtliche und wirkliche Rechtschreibung gründlich getrennt. […] Die Schule ist der Wirklichkeit verpflichtet.
Die unterzeichnung der «gemeinsamen absichtserklärung zur neuregelung der deutschen rechtschreibung» hat amtliche und wirkliche rechtschreibung einander näher gebracht. Die schule ist der wirklichkeit verpflichtet.
Orthographie ist historisch gewachsen. Die von Wissenschaftern ohne Not und gegen den Sprachgebrauch konstruierte Reform ist inkonsistent und wurde von Politikern ohne Sachkunde überstürzt eingeführt. Noch ist es nicht zu spät für einen Verzicht.
Die Überbewertung von orthographischer Kompetenz in der Gesellschaft nimmt mit der Neuregelung eher zu was vermeintlich einfacher geworden ist, muß auch wieder jeder können. […] Die Latte niedriger zu hängen, statt die Sprungkraft zu trainieren, ist keine akzeptable Lösung weder für den Olympiateilnehmer noch für den Gelegenheitssportler.
Hier hing die redaktionelle latte sehr tief.
Drei Jahre später sieht die Zeitung keinerlei Anlaß, ihre Entscheidung zu bereuen. Die Situation ist unverändert: Im siebten Jahr nach der Einführung der neuen amtlichen Regeln in den deutschen Schulen ist die Lage chaotisch, wenn nicht gar anarchisch. Aber es ist keine fröhliche, sondern eine trübsinnige Anarchie am Werk.
Ein fachkundiger Schwede müßte – und viele tun es! – mit Befremden auf ministerielle Eingriffe in die freie Entwicklung der Sprache reagieren. Schon der Versuch, die Sprache von oben zu regeln und eine lange Liste von Wörtern zu verbieten (das heisst ihre tatsächliche Existenz in der Sprache zu verleugnen), müßte ihm als geradezu irr vorkommen.
Mit dem Verzicht auf das ß hat die Schweiz in der Rechtschreibung vor dem Zweiten Weltkrieg einen Sonderweg gewählt. Gegenüber der fragwürdigen Rechtschreibreform haben offizielle Stellen leider wenig Widerstandsgeist mobilisiert, obwohl über 90 Prozent der Deutschschweizer dagegen eingestellt waren.
Wie weiter? Erstens: Die Reformschreibung wird als «vorübergehend gleichberechtigt» anerkannt, damit keinem, der sie gelehrt bekommen hat, ein gesellschaftlicher Nachteil entsteht. Zweitens: Ab der ersten Klasse des neuen Schuljahres wird wieder die Rechtschreibung unterrichtet, die bis 1998 galt.
Wer soll die schreibungen anerkennen? Die kultusminister/erziehungsdirektoren? Sie sind für die schule zuständig. Es gibt niemanden, der erwachsenen etwas vorschreiben oder anerkennen kann.
Das Bemühen um eine «bessere» Rechtschreibung ist als Geistesübung nützlich, weil es das Sprachbewußtsein schärft. Schreitet es zur Tat, so stiftet es heillose Verwirrung. Was die Sprachgemeinschaft sich in Jahrhunderten erschuf, läßt sich mit einem voluntaristischen Akt nicht neu konstruieren. Weisere Kulturen wie die englische oder französische schicken sich darum gelassen in die Schwierigkeiten einer Orthographie, in der Schriftbild und Lautung viel weiter auseinandergedriftet sind als im Deutschen.
Orthographie, als begradigte Sprache, kommt einem kulturellen Gedächtnisverlust gleich. Denn die Geschichte, die die Sprache erzählt, verbirgt sich in ihrer Schreibung, und wenn diese eine Differenz zum gesprochenen Laut zu erkennen gibt, ist sie bedeutsam: darin steckt eine Erinnerung.
So ein pech, dass sich die geschichte der sprache ausgerechnet in der schreibung verbirgt. (Die deutschen hören wohl nicht, wie wir biisse und die engländer beit sagen statt beissen aber sehen können sie es dummerweise auch nicht!) Aber wenn es so wäre: Ist das, was jetzt passiert (bzw. 1996 bzw. in den letzten 20 jahren), keine geschichte? Oder keine genehme geschichte? In zukunft eilen wohl auserwählte historiker auf das schlachtfeld, in das forschungslabor und ins parlament und rufen: «Halt! Was hier geschieht, ist keine geschichte! Dieser krieg, dieses forschungsergebnis, dieser beschluss ist ein unorganischer eingriff. Wir beginnen nochmals dort, wo wir vor zehn jahren waren.»