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Bund für vereinfachte rechtschreibung (BVR)

presseartikel → 9. 2004
nachgeführt , 2021-12-30
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Aus presse und internet

29. 9. 2004

: Ein Nümmerchen für jedes Häuschen. Tages-Anzeiger, , s. 17, Zürich (507 wörter)
Die Baudirektion hat sich eines drängenden Problems angenommen: «Eine Adresse für jedes Gebäude», verlangt die kantonale Bau­direktorin Dorothée Fierz (FDP). […] Einheitlichkeit von Adlikon bis Zumikon ist den Leuten von Fierz auch bei der Schreib­weise wichtig. So sollen Strassen mit Personen­namen nach der Praxisänderung in der Stadt Zürich (2001) auch im übrigen Kanton durch­gekuppelt werden, damit ausser­kantonale Besucher nicht verwirrt werden. […] Also Gottfried-Keller-Strasse, nicht Anna Heer-Strasse. Der Rechtschreib­reform folgen die kantonalen Experten nicht sklavisch: Aus der Stengel- muss nicht die Stängelstrasse werden. […] Eine Schweizer Spezialität sind die Strassen mit geografischen Namen auf -er: Sie werden in einem Wort geschrieben, also Aargauerstrasse und nicht Aargauer Strasse. Und auch nicht Aargauer-Strasse. Ein ganz heikles Thema sind die Ä, Ö und Ü, die am Wortanfang zwar erlaubt, bei Strassen­namen aber tabu sind: Deshalb gibt es die Uetliberg-, nicht aber die Üetlibergstrasse. Für die Fachleute von Fierz ist das Thema so delikat, dass sie auf eine Empfehlung verzichten und den Gemeinden raten, sich mit anderen abzusprechen.

28. 9. 2004

: «13 Prozent weniger Fehler dank der Reform.» Wenn Bildungsforschung politische Karriere macht. Neue Zürcher Zeitung, , nr. 226, s. 71, Bildung und Erziehung (887 wörter)
Weniger aus Interesse an der Orthographie als aus Interesse am Umgang der Politik mit empirischer Sozial­forschung hat der Verfasser sich bei Exponenten der Reform nach den existierenden Studien zur "Fehlerfrage" erkundigt. Während eine stattliche Zahl reiner Meinungsbefragungen besteht, scheint nur eine quantitative empirische Studie zu existieren: Sie wurde 1996/97 am Wiener Gymnasium Sacré Coeur mit 27 Schülerinnen im Alter von 15 bis 16 Jahren durchgeführt. […] Zwei Dinge erscheinen dem interessierten Beobachter bemerkenswert: Erstens, welche unerhörte Karriere eine Studie machen kann, die (vermutlich mangels Finanzen) elementare methodologische Normen missachtet. Dies wirft in erster Linie ein Licht auf die Bildungs­behörden (und die Bildungsforschung), die ein gewaltiges flächen­deckendes Reformprojekt quantitativ unbegleitet lassen, sich in der Folge dennoch unbeirrt auf angeblich vorhandene positive Forschungs­ergebnisse berufen. […] Man müsste zusätzlich zu den Fehlern im Schreiben die Fehler und die Effizienz im Verstehen von Geschriebenem untersuchen. […] Schade, dass diese einzigartige Gelegenheit zu kontrollierter Reform vertan wurde.

Gewiss hätte man mehr empirisch forschen können, wobei dieses «man» alle einschliesst, auch prof. Baumberger. Und man könnte immer noch. Allerdings wird man die vermutung kaum widerlegen, dass man gegen eine regel, die es nicht mehr gibt, auch nicht mehr verstossen kann. Ob eine regel nötig ist, entscheidet in der tat nicht die schule, aber das behauptet auch niemand. (Die erlernbarkeit einer norm ist allerdings auch eine voraussetzung für ihr funktionieren.) Über das verstehen von geschriebenem gibt es freilich schon ein bisschen fachliteratur.

: Vom Umgang mit Irrtümern. Argumente für eine Reform der Rechtschreibreform. Neue Zürcher Zeitung, , nr. 226, s. 70, Bildung und Erziehung (1401 wörter)
In diesem Beitrag versucht ein Praktiker sich kritisch auf die rein sprachwissenschaftlichen Kriterien dieser Reform zu beschränken. […] Die wichtigste Kritik an der seit 1996 laufenden Rechtschreib­reform betrifft deren inhaltliche Inkonsistenz: Die Regeln sind auch in diesem Juni in wesentlichen Bereichen geändert worden. Nach vielen Änderungen, die sich nur den verschiedenen Auflagen der Wörter­bücher entnehmen liessen, haben im Juni die deutschen Kultus­minister, die offenbar auch für die Schweiz entscheiden, weitgehende Eingriffe in das Regelwerk gutgeheissen.

Es müssen «wieder Ordnung und Zuverlässigkeit herrschen»! Lehrmittel müssen angeblich geändert werden, weil etwas «wieder zugelassen», «auch möglich» ist. Es ist nicht wichtig, ob die schüler etwas sinnvolles lernen; wichtig ist, dass man es «rekursfest korrigieren» kann. Stirnemann hätte anlässlich der fernseh­sendung Zischtigs­club merken können, dass er mit seiner aus Deutschland importierten angstmacherei in der Schweiz nicht ankommt. Leider hat er es nicht gemerkt, und die NZZ auch nicht; sie lässt ihn überflüssigerweise ausbreiten, was er im fernsehen nicht an den mann und vor allem nicht an die frau bringen konnte.

27. 9. 2004

Tritt für die Landschildkröte. Münchner Merkur (), , Politik
Es war der FDP-Politiker Jürgen Möllemann, der ein Bild für die Kultusministerkonferenz prägte: Sie arbeite mit dem "Tempo einer Griechischen Landschildkröte", sagte der gelernte Lehrer einmal. "Schnarchnasig", ein "Bremser-Gremium": Immer wieder gibt es Kritik an dem Gremium, die vom Streit um die Rechtschreibreform noch forciert wurde.
: Der Lockruf des Partikularismus. Warum verlässt Niedersachsen die Kultusministerkonferenz? Süddeutsche Zeitung, , s. 13, Feuilleton (716 wörter)
[…] Christian Wulff ist ein großer Populist. Am ver­gangenen Samstag hat er erklärt, sein Land werde die Kultusminister­konferenz (KMK) ver­lassen – sie sei ihm zu büro­kratisch, zu konservativ, zu theoretisch, zu recht­haberisch und zu teuer. Wer so spricht, der scheint sein Segel in den Wind der Reform gehängt zu haben […]. […] ebenso wenig, wie man dem Einwohner­meldeamt vorwerfen kann, büro­kratisch zu sein, kann man die Konferenz der Kultus­minister mit dieser Kritik treffen: Schließlich ist sie als bürokratische Institution geschaffen worden […]. Die Konferenz hat sicherzustellen, dass ein- und derselbe Bildungsabschluss in Hessen oder Berlin genauso anerkannt wird wie in Bayern oder in Baden-Württemberg. Und sie hat die gemeinsamen Belange des föderal organisierten deutschen Bildungswesens im Ausland zu vertreten […]. Im Lauf der Jahrzehnte […] lagerten sich weitere Kompetenzen an die beiden primären Aufgaben an. […] Es wird im Zuge dieser Ausweitung ge­schehen sein, dass die dümmste aller Bildungs­reformen, die neue Recht­schreibung, in die Ent­scheidungs­gewalt dieser Institution fiel.

19. 9. 2004

: Die Union muss anders auftreten! CDU-Vize Christian Wulff mahnt seine Partei. Bild am Sonntag, , 51. jg., nr. 38, s. 4, Politik
Ich hoffe sehr, dass es zu klaren Vorgaben an die Kultusminister­konferenz kommt, einen erheblichen Teil der Neuregelungen über Bord zu werfen. In der jetzigen Form darf die Rechtschreibung nicht verbindlich werden. Wir dürfen das Chaos nicht zementieren. […] Ich bin fassungslos, in welcher Art und Weise die KMK jeden Versuch bekämpft, zu einer Korrektur der missratenen Rechtschreib­reform zu kommen. Das ist an Borniertheit und Abgehobenheit nicht mehr zu überbieten. […] Ganz unabhängig vom Ringen um die Rechtschreibreform überlegen wir, den Staatsvertrag über die Kultusministerkonferenz zu kündigen.

16. 9. 2004

: "Trend zur sprachlichen Selbstaufgabe." Der Münchner Germanistentag treibt den deutschen Geist aus und beschwört die europäischen Gespenster. Die Welt, , Kultur
Die Germanisten tagten und beschworen oder vertrieben die Geister. Kaum eine Wissenschaft dürfte derzeit einen schlechteren Leumund haben — Stichwort: PISA, Stichwort: Rechtschreib­reform —, aber von der Jahrzehnte währenden Krise des Fachs kein Wort mehr.
: Schwelger und Zertrümmerer. Die Furche (), , Literatur (1048 wörter)
Biografische Annäherungen an Rainer Maria Rilke. […] In dem Gedicht "Wendung" plädiert das Ich im Selbst­gespräch für eine Wendung von der Anschauung zur Liebe: "Werk des Gesichts ist gethan, / Thue nun Herz-Werk / An den Bildern in dir". (Rilke boykot­tierte übrigens 25 Jahre lang die letzte Rechtschreib­reform des Jahres 1901.)

13. 9. 2004

: Bauern, Bonzen, Bomben. Hartz IV und die Fähigkeit zur Solidarität – mit der Empfehlung, Fallada zu lesen. Neues Deutschland,
So betrachtet, bekommt Sinn­loses plötzlich Sinn. War etwa die Rechtschreib­reform nur ein Test­ballon? Zu testen, wie viel Schwach­sinn diesem Volk pro Kopf und Duden zugemutet werden kann, ohne die Schwelle des Still­haltens zu über­schreiten?

11. 9. 2004

: Grimmsches Wörterbuch. Tages-Anzeiger, , s. 49, Kultur (545 wörter)
Das grimmsche Wörterbuch ist ein Heiligtum der deutschen Sprache, ein nationales Monument und, ähnlich wie der ungleich kompaktere Duden, ein «work in progress», das jedes menschliche Mass übersteigt. […] Sprach­wissenschaftler und Schrift­steller schätzten das Buch der Bücher als unverzichtbare Rüst- und Wunderkammer der deutschen Sprache, auch wenn die eigen­willige Typo- und Orthografie (so verschmähten die Grimms den «albernen gebrauch groszer buchstaben und das ss») nicht jedem behagte. […] Sprachwandel und Bedeutungs­verschiebungen, Gründung und Teilung Deutschlands, Kriege, Revolutionen, Rechtschreibreformen: Das Meister­stück deutschen Philologenfleisses hat alles überlebt, verdaut und in 331 000 Stichwörtern aufgehoben.

10. 9. 2004

: Schleichende Verschwööbelung. Basler Zeitung, , s. 7, Bücher (148 wörter)
Die 23. Auflage des Duden ist ein rechtes Chrüsimüsi und somit der Rechtschreibreform (äh, welche Auflage?) in puncto Ballawatsch durchaus gewachsen.
: Ein bisschen viel Gejammer. Zweifelhafte Medienkampagnen in eigener Sache. Neue Zürcher Zeitung, , 225. jg., nr. 211, s. 57, Medien und Informatik
Nicht zum ersten Mal hat sich eine grosse Medienkoalition gebildet. Erinnert sei an den orchestrierten Aufschrei wegen der Rechtschreib­reform und die Kampagne gegen Ansprüche auf Korrekturen bei Inter­views […]. Wo so viel Einmütigkeit herrscht, muss man skeptisch sein.

9. 9. 2004

: Vermisst: Der Geisterfahrer. Basler Zeitung, , s. 6, Schweiz
Es liegt für einmal nicht an der unsäglichen neuen Rechtschreibung, die der «Spiegel» inzwischen als «absurdes, höchst überflüssiges Reformwerk» bezeichnet. Denn auch im neusten Duden finden wir den guten alten «Geisterfahrer», der allda als «jmd. der auf der Autobahn auf der falschen Seite fährt» klar definiert ist. Im Schweizer Radio hingegen hat irgendeinmal irgendjemand aus unerfindlichen Gründen den klar definierten «Geister­fahrer» aus dem Wortschatz gekippt oder geklaut und durch den völlig unpräzisen «Falschfahrer» ersetzt […]. Ein «Falschfahrer»? Das ist doch auch einer, der abbiegt, wo er nicht dürfte […].
: Kopftuchverbot, schulische Integration, Rechtschreibdebatte. Gespräch mit der baden-württembergischen Kultusministerin Annette Schavan. Neue Zürcher Zeitung, , 225. jg., nr. 210, s. 5, Ausland
In den Jahren seither gibt es kein Thema, bei dem ich so wenig Kritik gehört habe wie bei der Rechtschreibreform. […] Von daher bleibe ich bei meiner Überzeugung: Die Reform ist akzeptiert worden. […] Ich sehe weder in der Kultusminister­konferenz noch in der Ministerpräsidenten­konferenz eine Mehrheit für eine Rückkehr.

7. 9. 2004

: Pünktlich zur Jagdsaison diskutiert nun auch die Politik «die Gämse». Volksvertreter greifen in die zerfahrene Rechtschreibdebatte ein. Basler Zeitung, , s. 5, Schweiz (379 wörter)
Die Bildungskommissionen der Räte sorgen sich um die Rechtschreibung. Sie fürchten, «dass Praxis und Schule total auseinander driften» […]. «Bei uns beginnt jetzt die Jagd», sagt der Urner CVP-Ständerat Hansruedi Stadler. «Aber die meisten Urner Jäger werden weiterhin Gemsen schiessen; dass einer eine Gämse erlegt, dürfte die Ausnahme sein.» Dem witzigen Urner macht die babylonische Verwirrung um die neue Rechtschreibung ernsthaft Sorgen: Am Donnerstag will er das Problem in der Wissenschafts- und Bildungs­kommission (WBK) seiner Kammer bei einer Aussprache mit den kantonalen Erziehungs­direktoren (EDK) thematisieren.
: Gegen Rückschritt in Rechtschreibung. Tages-Anzeiger, , s. 2, Inland (126 wörter)
Die Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur (WBK) des Nationalrates steht hinter der Rechtschreibreform. Eine Petition mit dem Titel «Rechtswissenschafter für die bewährte Rechtschreibung», welche die Rückkehr zur alten Rechtschreibnorm forderte, lehnte die Kommission mit 18 gegen 1 Stimme bei 2 Enthaltungen ab […].

6. 9. 2004

: „Ich bin nicht Rudolf Augstein.” Frankfurter Allgemeine Zeitung, , nr. 207, s. 38, Feuilleton
"Ich bin extrem realistisch", sagt Aust selbst. "Wenn ich zu irgend etwas aufgrund bestimmter Informationen eine bestimmte Position habe und feststelle, daß sich die Dinge geändert haben, bin ich jederzeit bereit, meine Position zu revidieren." So war es auch in der Frage der Rechtschreibung, bei welcher "Spiegel" und Springer zur alten Schriftlehre zurückgekehrt sind.

Und dann doch nicht, wegen des realismus.

4. 9. 2004

: Revision der Revision. Die 23. Auflage des Rechtschreibedudens. Neue Zürcher Zeitung, , 225. jg., nr. 206, s. 47, Feuilleton (706 wörter)
Mit Spannung erwartet wurde die 23. Auflage schon deswegen, weil seit der Einführung der neuen deutschen Rechtschreibregeln am 1. August 1998 bereits mehr als sechs Jahre vergangen sind, die siebenjährige Übergangsfrist also bald zu Ende ist […]. Die Ergänzungen der amtlichen Regelung, die wiederum am Schluss des Buches enthalten ist, betreffen in erster Linie die Getrennt- und Zusammen­schreibung sowie die Gross- und Klein­schreibung. […] Bei der Gross- und Klein­schreibung umstritten war und ist der Entscheid, was sogenannte […] feste Begriffe sind, die gross geschrieben werden sollten. […] Leider wird mit dieser Ergänzung die Möglichkeit der Gross- bzw. der Kleinschreibung bei den festen Begriffen wieder geöffnet. Die Diskussionen darüber, was feste Begriffe sind, werden wieder kein Ende nehmen, wie wenn nicht klar gewesen wäre, was mit erster Hilfe gemeint ist […].
: Grosse Herbstklassik. Journal. Tages-Anzeiger, , s. 21, Bellevue (328 wörter)
Ach, Sie wollen bloss wissen, was ich zu den kilchspergerschen Auftritten in den vergangenen Tagen meine. Zu seiner neuen TV-Show und der von ihm initiierten «Bordell-Debatte» im «Blick». Immerhin: ein phänomenales Wort. Andere Zeitungen haben Holocaust-Debatten oder Rechtschreib­reform-Debatten, der «Blick» hat eine Bordell-Debatte. Nein, ich finde nicht wie Kilchsperger, dass ein 34-Jähriger, der noch nie für Sex bezahlt hat, nicht richtig gelebt haben kann.
: Ich runzele die Stirn. Tages-Anzeiger, , s. 25, Leserforum (88 wörter)
Kompromiss gefordert bei Rechtschreibung, TA vom 31. 8. […] Erst kürzlich habe ich mich beim Lesen eines Krimis, gedruckt in neuer Rechtschreibung, wieder geärgert. Da wurde auf jeder fünften Seite ein Verb mit der Endung auf -eln wie folgt konjugiert: «Ich schüttele den Kopf. […]» Dies ist eine Verballhornung der deutschen Sprache und sicher keine Verbesserung. Also Leute, macht euren Kompromiss, aber rassig!

Also leute, alles könnt ihr nicht der rechtschreibung anlasten, weder der neuen noch der alten. Im duden stand schon immer ...[e]le; ortografisch ist nur von belang, dass bei wegfall des e kein apostrof zu setzen war und ist.

3. 9. 2004

: Die Praxis sieht anders aus. Basler Zeitung, , s.32, Forum, Briefe (183 wörter)
Die Reform hat - das wissen eigentlich alle - mehr Vorteile als Nachteile. […] Liebe Medien, liebe Politikerinnen und Politiker, liebe Leserbrief­schreiberinnen und -schreiber, eure Lust am Diskutieren über Sinn und Unsinn der Rechtschreib­reform geht vollständig an den tatsächlichen Herausforderungen, mit denen sich die Schule zurzeit konfrontiert sieht, vorbei.

2. 9. 2004

: Die Reform als Reförmli. Blick auf den Bildschirm. Neue Zürcher Zeitung, , 225. jg., nr. 204, s. 44, Fernsehen, TV- u. Radiokritik (498 wörter)
Redeten die fünf Gesprächsteilnehmer eine gute Stunde lang mit stupender Beharrlichkeit aneinander vorbei, so waren sie sich doch in einem Punkte einig: Die Reform, so wie wir sie heute kennen, hat niemand gewollt. […] Abgesehen von solcher Einmütigkeit ereiferte man sich auf beiden Seiten, ohne dass indessen immer klar geworden wäre, worin der Anlass solcher Aufwallungen bestand. […] Dass es ein «Reförmli» gewesen sei, darin war man sich einig. Und mehrheitlich auch darin, dass an diesem «Reförmli» noch lange und viel herumgebastelt werden muss.
: Sie oder sie – du musst Dich entscheiden. , , Kolumnen, Zwiebelfisch
Im Zuge der Rechtschreib­reform wurden alle Großschreibungen bei Duz-Formen abgeschafft. […] Was den einen eine Er­leichterung, ist anderen ein Ärgernis. Das groß­geschriebene Du war doch schließlich eine Respekts­bekundung, die nun mirnichts, Dirnichts entfällt, sagen die Gegner des klein­geschriebenen „du“. […] So einen Unfug könnten sie nicht ver­antworten, sagen sie, und glücklicher­weise müssen sie das auch nicht, denn die Abschaffung des groß­geschriebenen „Du“ mag zwar inzwischen an den Schulen gelehrt werden; wie aber jemand in seiner privaten Korrespondenz verfährt, ist Gott sei Dank immer noch ganz allein seine Sache, da kann ihm keine Kultusminister­konferenz dieser Welt hinein­reden. Viel schwerer aber haben es die Journalisten, die sich immer wieder fragen müssen, wie sie die Duz-Anrede im Interview oder in Zitaten zu schreiben haben. Die Antwort lautet: klein! Und das war schon immer so, also auch vor Einführung der Rechtschreib­reform.

Für die private korrespondenz musste man dann aber den obrigkeitshörigen deutschen das «Du» offiziell «erlauben».

neu : Allah Superstar. In den Banlieues massakriert die Jugend die Sprache Marcel Prousts zur Freude der Buchverlage. Rheinischer Merkur, , 59. jg., nr. 36, 26, Kultur, Kulturreport (1340 wörter)
Ein Rechtschreibe­test wird zum Gesellschafts­spiel. Das Fernsehen überträgt live. Wer sich derart lustvoll der korrekten Orthografie ver­schrieben hat, dem kann es angesichts des Gezänks um die Recht­schreibung im Nachbarland nur die Sprache ver­schlagen. Une querelle d’Allemand bedeutet im Französi­schen nichts anderes als ein Streit ohne Grund. Selten hatte dieser alte Ausdruck mehr Be­rechtigung als in Bezug auf den deutschen Sprach­streit. Eine Politik, die die Orthografie zwecks Ver­einfachung ändert, betreibt aus französischer Sicht eine Ver­armung der Sprache. Zwar können zehn Prozent der französischen Schüler nach der Grund­schule nicht richtig lesen, doch keinem Politiker fiele es deshalb ein, die Sprache Voltaires zu simplifizieren. […] Was wollte man auch an einer Sprache reformieren, die Rivarol auf den cartesiani­schen Punkt brachte, als er 1784 deklamierte: Alles, was nicht klar ist, ist nicht franzö­sisch.

1. 9. 2004

: Nach der «arubeitu» zur «abekku» im «guriin». Basler Zeitung, , s. 2, Zweite (831 wörter)
Japanisch ist offenbar gar nicht schwer: «Nach der Arbeit zur Verabredung im Grünen», lautet der Titel. Doch in Japan beklagt man den rapiden Verfall der Sprache. Verballhornte Lehnwörter aus europäischen Sprachen gelten als «cool», verderben aber die gesittete Hochsprache. Um die Orthografie machen sich Japaner recht wenig Sorgen - ihre Schriftsprache ist ohnehin zu kompliziert, um sie richtig zu beherrschen. Drei «Alphabete» sind zu erlernen, auseinander zu halten und stilgerecht zu kombinieren […]. Historisch betrachtet mangelt es nicht an Versuchen, dieses verwirrende Sprachsystem zu vereinfachen oder das Westliche wieder zurück­zudrängen. Dafür hätte man aber in einer Reform wenigstens die Zahl der chinesischen Kanji-Zeichen auf ein leichter beherrschbares Mass reduzieren müssen - die Gelehrten fanden jedoch nie zu einer gemeinsamen Basis. […] Das Tokioter Bildungsministerium beklagt Vokabulararmut, unkorrekte Aussprache, grobe Wortwahl, Erstarrung in Formeln und verbale Hülsen. Angesichts dieser vernichtenden Bilanz wäre Japan wohl dringend reif für eine radikale Sprachreform.

9. 2004

: Kein Ende der Reformsucht? Schweizer Monatshefte, , nr. 935, Debatte (1394 wörter)
Zur Kosten­frage haben sich die Reformer, die dies­bezüglich keine Fachleute sind, beim ursprüng­lichen Projekt meines Wissens nicht ernst­haft geäussert.

Wir haben immer ernsthaft gesagt: Eine rechtschreib­reform kostet nichts. Wir haben auch immer mit möglichen einsparungen durch eine bessere rechtschreibung sowohl in der schule als auch im büro- und druckbereich argumentiert, aber materielle argumente stiessen auf wenig gegenliebe.

neu : Dajgezzen und Chochmezzen. NU - Jüdisches Magazin für Politik und Kultur (), , nr. 3, s. 33 (764 wörter)
Menasse: Ich glaube, wir kommen nicht darum herum, über die Aufreger-Themen der jüngsten Zeit zu reden, also über alles, was Recht ist: Die Rechtschreib­reform und die Rechte von gleich­geschlechtlichen Paaren. Javor: Was die Rechtschreib­reform betrifft, bin ich für eine radikale Lösung. Nieder mit den Zauderern. Als Vorbild sollte man sich Sprachen suchen, die seit über 2.000 Jahren ohne Reform aus­gekommen sind. Hebräisch und zum Teil auch Jiddisch werden be­kanntlich ohne Vokale geschrieben und sind dennoch vers­tändlich. Das sollten sich die Reformer hier­zulande als Beispiel nehmen. Stell dir doch einmal vor, wie viel Platz und Kosten man sich ersparen könnte, wenn man ab sofort im Deutschen keine Selbst­laute mehr verwendete. Auch unsere „Gemeinde“ wäre schon auf Grund des ein­gesparten Papiers wesentlich kosten­günstiger und vor allem dünner.