Und wieder ändert sich die Rechtschreibung: Es wird ein klein bisschen zurückbuchstabiert. Deutschland hat die Reform reformiert - die Schweiz wird wohl oder übel nachziehen müssen. […] Für «Otto Normalrechtschreiber» ändert das Reformreförmchen wenig.
Bund für vereinfachte rechtschreibung (BVR)
Aus presse und internet
31. 3. 2006
Die Rechtschreibreform wird in Deutschland noch mal korrigiert, nun aber endgültig.
Den Gegnern der Rechtschreibreform gehen die Korrekturen immer noch nicht weit genug. «Mit diesem angeblichen Kompromiss kann kein Rechtschreibfriede erreicht werden», hiess es am Donnerstag in einer Erklärung des Vereins für deutsche Rechtschreibung. Der Verein plädiert deshalb für eine «Rückkehr ins vertraute und vor allem funktionsfähige Heim der bewährten Schreibweisen» vor 1996.
Die Forschungsgruppe Deutsche Sprache, ein Zusammenschluß von Reformgegnern, äußerte die Sorge, "daß nunmehr die orthographische Spaltung endgültig" Einzug halte.
Für die Politik ging es nur noch darum, ein Projekt durchzuboxen, das irgendwann einmal begonnen wurde - niemand weiß oder versteht heute mehr, warum dies eigentlich geschah.
Wir wissen und verstehen, aber wir sind ja niemand.
Die Königlich-Spanische Akademie der Sprache, gegründet 1713, unternimmt in den letzten Jahren große Anstrengungen, jeglichen Anspruch auf Deutungshoheit mit ihren zweiundzwanzig Schwesterakademien in den übrigen spanischsprachigen Ländern zu teilen. Mexikos Akademie etwa blickt auf eine hundertdreißigjährige Tradition zurück. So erschien 1999 eine gemeinsam erstellte, freilich überaus moderate Überarbeitung der spanischen Rechtschreibung, und erst vor wenigen Monaten gaben die Akademien das "Diccionario panhispánico de dudas" heraus, das in Zweifelsfällen als Richtschnur für die korrekte Verständigung in der gesamten spanischsprachigen Welt dienen soll.
Wir jedenfalls werden unsere Bücher weiter in der Schreibweise drucken lassen, die wir für richtig halten.
Und richtig ist nicht, was irgendwann war, was irgendwann sein wird, was auch noch möglich wäre, sondern das, was wir in der schule gelernt haben.
„Das Thema wurde letztmals in diesem Kreis beraten“, kündigte Jürgen Rüttgers, Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz und Regierungschef von Nordrhein-Westfalen, an. Der CDU-Politiker hofft, dass für weitere Rechtschreibänderungen ein Verfahren gefunden werde, an dem die Politik nicht mehr beteiligt sein müsse. […] Er betonte aber, das Ergebnis der Rechtschreibreform, die nun zum neuen Schuljahr gelte, bringe eine Verbesserung.
Das verfahren wurde schon von Klopstock, Grimm usw. gefunden: schreiben Sie klein!
Es war lange vor der Rechtschreibreform, der Reform der Reform und des Protests der beruflich Schreibenden Anfang dieser Woche gegen die zu geringe Rückführung der reformierten Reform an die ursprüngliche Rechtschreibung. Nein, auch wegen Alkohol am Steuer oder wegen lebensgefährlicher Raserei durch geschlossene Ortschaften […] hat Hochhuth seinen Führerschein nicht verloren, sondern er hat ihn erst gar nicht gemacht.
Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) forderte die Politik auf, sich in Zukunft aus der Weiterentwicklung der deutschen Rechtschreibung herauszuhalten. Es sei "viel Chaos angerichtet" worden, sagte Wulff gestern in Hannover. Die gesamte Diskussion um die Reform sei "ein einziges Fiasko". […] Die "orthographische Krise" sei trotz des jetzt gefundenen Kompromisses noch nicht überwunden.
Wem würde es mit der Rechtschreibreform nicht gehen wie Kurt Beck? "Ich kann es nicht mehr hören", sagte der rheinland-pfälzische Ministerpräsident gestern, bevor er und seine Kollegen die reformierte Reform absegneten.
Ein tipp: politiker, die der politik überdrüssig sind, pflegen zurückzutreten.
30. 3. 2006
Das Beste wäre wohl, man würde ab sofort Altes und Neues gleichwertig nebeneinander gelten lassen, und die Schreibenden könnten das ihnen Zusagende wählen.
Wäre? Ist es denn nicht so?
[…] warum bedient er sich dabei zweimal des albernen Modeverbs "umsetzen"? […] Weil die F.A.Z. sich so verdienstvoll gegen die mißglückte Rechtschreibreform wendet, sollten ihre Autoren sich doch möglichst von solchen Sprachtorheiten fernhalten […].
Unterdessen kündigte gestern eine Gruppe namhafter Schriftsteller an, ihre Bücher "weiter in der Schreibweise drucken (zu) lassen, die wir für richtig halten". Der Staat gehöre "nicht zu den Instanzen, denen Literatur sich unterwirft."
Eine ORF-Interviewserie ist auch in Buchform erhältlich: "Ausgesprochen österreichisch". […] Die verschiedenen Fragesteller umkreisten kritisch immer wieder auch den Umgang Österreichs mit seiner Vergangenheit […]. Solche Fragen förderten aber auch kluge Antworten unverdächtiger Zeitzeugen zutage: […]. Richard von Weizsäcker, der Österreich zu einem weniger ideologisch aufgeladenen, gelasseneren Umgang mit der Neutralität […] rät. (Auch zu weniger Gleichgültigkeit in der Rechtschreibreform.)
29. 3. 2006
Kurz vor der Entscheidung der Ministerpräsidentenkonferenz über die Vorschläge des Rates für deutsche Rechtschreibung an diesem Donnerstag haben Schriftsteller und Rechtswissenschaftler sowie die Bayerische Akademie der Schönen Künste an die Ministerpräsidenten appelliert, an der bisherigen Rechtschreibung festzuhalten. In einer gemeinsamen Erklärung der Schriftsteller, die von Daniel Kehlmann, Christian Kracht, Feridun Zaimoglu, Judith Hermann, Iris Hanika und anderen unterzeichnet ist, bekräftigen die Dichter, ihre Bücher weiter in der bisherigen Schreibweise drucken zu lassen.
Der Vorsitzende des Rates für deutsche Rechtschreibung, Zehetmair (CSU), sagte dieser Zeitung: Wenn die "Printmedien" künftig im Falle mehrerer Möglichkeiten den bewährten Schreibweisen folgten, würden sich diese durchsetzen. Auch die Schulbuchverlage hätten angekündigt, so zu verfahren.
Womit amtlich bestätigt ist: Die verlage machen die rechtschreibung. Dann wäre es aber ehrlicher, gegen sponsoring auf die schulbücher zu schreiben: «Die Rechtschreibung wird Dir präsentiert von der Bild-Zeitung.» (Und auf die chemiebücher: «Die Chemie wird Dir präsentiert von Novartis.» Usw.)
28. 3. 2006
Das Bundesverfassungsgericht hat dem Staat das Recht nicht bestritten, in seinen Einrichtungen Vorschriften zur Schreibung der deutschen Sprache zu erlassen. Er sollte - nicht nur aus wissenschaftlichen, sondern vor allem aus ethischen Gründen - auf dieses Recht verzichten, wenn es in den Bestand der Sprache mit all ihren unwägbaren Einwirkungen auf Gemüt und Weltsicht der Sprecher und Schreiber eingreift.
27. 3. 2006
In ihrer jüngsten Erklärung nun fordert die Akademie, die Politik solle dem Rat eine «finanziell und institutionell abgesicherte Arbeitsebene» verschaffen. […] Zur Begründung der Forderung nach Geld und nach einem lexikographischen Apparat wird auf die Wörterliste verwiesen, die seit kurzem vorliegt […]. Nachfragen ergeben, dass die als grosses Desiderat empfundene Wörterliste gar nicht vom Rat erstellt wurde, sondern von den alten Reformkräften: dem Institut für Deutsche Sprache in Mannheim sowie zwei Wörterbuchverlagen. Noch immer arbeiten im Garten der Orthographie Böcke als Gärtner.
Ebenso im garten des journalismus.
Die vom Rat für deutsche Rechtschreibung empfohlene und von den Kultusministern beschlossene Reform bringt zwar wesentliche Verbesserungen, löst die entscheidenden Probleme aber nur teilweise […]. Um so wichtiger wird es nun, daß die F.A.Z. an der bewährten Rechtschreibung festhält - unabhängig von der Entscheidung der Ministerpräsidentenkonferenz.
Das Ganze läuft so: Ohne erkennbare Kompetenzkriterien beruft man zwei Dutzend Menschen in eine Kommission, die dann im vernunftfreien Raum auf dem Hintergrund ihrer weltanschaulichen und ideologischen Vorprägungen Entscheidungen fällen.
Da staunt Leser Professor Wolfgang Enzensberger (F.A.Z. vom 17. März), daß das Fernsehen keine Sondersendung zum Wahnwitz der Rechtschreibreform bringt. Na, weil dem Fernsehen die deutsche Sprache egal ist, wie man jeden Tag dutzendfach hören kann.
24. 3. 2006
So verschieden CoffeeTalk und ForscherBlick […] sein mögen, eines ist ihnen gemeinsam: Der Höcker in der Mitte. Das T und das B sind das, was im Deutschen Binnenmajuskel oder Binnenversal (böswillig auch Deppenmajuskel) genannt wird, im Englischen CamelCase oder BumbyCaps heisst. Zwar ist die Höckerschreibweise im Deutschen eigentlich verboten, und stamme - so lesen wir bei Wikipedia - aus der Zeit vor der Vereinheitlichung der Rechtschreibung. (In der wir uns möglicherweise wieder befinden.) Doch die Höcker machen eine Wortkombination zur Marke. […] Mode wurde die bucklige Schreibweise letztes Jahrhundert eigentlich bei den Programmierern. Mit CamelCaps konnten sie Begriffe erkennbar getrennt und doch hintereinander schreiben.
23. 3. 2006
Wie die baz die neue Rechtschreibung umsetzt; baz 21. 3. 06. Ausgerechnet im Artikel über die neue Rechtschreibung sind die Beispiele zur Getrennt- bzw. Zusammenschreibung fehlerhaft.
Aber für die, welche diesmal nicht mit dabei sein können, versprechen Ursus & Nadeschkin, im Herbst oder vielleicht auch im Januar wiederzukommen - oder auch wieder zu kommen, denn eine Auseinandersetzung mit den Absurditäten der Rechtschreibereform gehört zu den Höhepunkten ihres Programms.
21. 3. 2006
Die Schweizer Konferenz der Erziehungsdirektoren wurde vom Beschluss der deutschen Kultusminister, die letzte Fassung der Rechtschreibreform gutzuheissen, überrumpelt.
Auch in ihrer Endphase sorgt die deutsche Rechtschreibreform für Aufregung. Unter deutschem Druck eilte es sehr: zwei Dokumente sind vom Rat für deutsche Rechtschreibung noch gar nicht abgesegnet. Drei Teile umfasst das überarbeitete Regelwerk des Rats für deutsche Rechtschreibung (RdR), das Anfang März ins Internet gestellt wurde: die Regeln, ein umfangreiches Wörterverzeichnis und der Bericht des Rates. […] Die EDK kritisiert, dass sie zur jüngsten Reform der Rechtschreibreform nicht angemessen habe Stellung nehmen können. […] Die Unzufriedenheit ist gross, gerade bei Lehrerinnen und Lehrern. Mit einer Auswahlsendung von Varianten seien die Schüler überfordert, meint auch Beat Zemp, Präsident des Lehrervereins LCH. […] Werner Hauck dagegen sieht die Sache nicht so dramatisch.
Die baz hat in ihrer Korrekturpraxis die letzten Empfehlungen des Rats für deutsche Rechtschreibung bereits vorweggenommen. Wie die meisten Tageszeitungen in der Schweiz hat die baz 1999 offiziell auf die neue Rechtschreibung umgestellt, gleichzeitig mit den deutschsprachigen Nachrichtenagenturen. Diese trafen bei möglichen Varianten eine Auswahl und bei einigen Punkten folgten sie nicht den neuen Regeln. Die baz hat die meisten dieser Sonderregelungen übernommen, um zeitaufwändige Anpassungen von Agenturtexten zu vermeiden. […] Bei der Zusammen- und Getrenntschreibung entstand ein heilloses Durcheinander. […] Widerstand gab es bei uns in der baz auch bei der Unterscheidung zwischen wörtlicher und übertragener Bedeutung von Begriffen.
Und all der Hader um die deutsche Rechtschreibreform hat die Sorben in der Niederlausitz nicht davon abgehalten, nun ebenfalls eine ihrer Ansicht nach längst fällige Sprachkorrektur vorzunehmen. Es geht um das ut, einen Vokal, der […] bislang wie ein o geschrieben wurde, obwohl er wie ein zum ö tendierendes y ausgesprochen werde. Nicht-Sorben und Sorbischschüler hatten deshalb bislang erhebliche Probleme, das normale o vom ut zu unterscheiden. Seit Februar muss das ut nun ó geschrieben werden. […] Beschlossen wurde die Reform von der Niedersorbischen Sprachkommission. Ihr lagen noch viele weitere Änderungswünsche vor. Manche wollten eine große Korrektur der Sprache mit der Begründung, die Deutschen hätten ja auch eine umfassende Rechtschreibreform durchgeführt.
18. 3. 2006
Bei der neuen deutschen Rechtschreibung ist bald alles möglich. Dass einem dies ziemlich auf den Magen schlagen kann, beweist jetzt ein Verkäufer von Kebab und anderem an der Langstrasse. «Musso Schokolade» auf seinem Menüplakat ist ja noch lustig. Aber bei «Nase Göring» wirds einem doch etwas flaumig.
17. 3. 2006
Wie kann sich ein Volk seine Sprache von Politikern diktieren lassen? […] Und das Fernsehen bringt nicht einmal eine Sondersendung, wie es sonst bei nationalen Katastrophen üblich ist. Vielleicht erscheinen bald große Todesanzeigen in den Tageszeitungen: Deutsche Rechtschreibung, geboren in der staatlichen Rechtschreibkonferenz 1901, in Berlin - gestorben 2006, nach einer langen Kultusminister-Konferenz-Agonie. Die Rechtschreibung wird zu Grabe getragen.
Ich frage mich immer häufiger, wie Ickler, "in welchem Land ich eigentlich lebe" […].
In Deutschland! Wir können nichts dafür.
Die ganze Rechtschreib-Posse läßt hier ein Grundproblem dieser Republik offen zutage treten: die Ent-Demokratisierung und Ent-Professionalisierung in allen Bereichen des politischen Lebens und das Ersetzen des Diskurses mit dem Volk durch simulakrumartige Spektakel. […] Das Volk wird, sozialistischer Utopie folgend, von weisen Fachleuten in eine bessere Sprachzukunft geführt. Der Austritt Icklers demaskiert den Rat aber als reine Mesalliance von Politikern und Lobbyisten. […] Der obig erwähnte Doppel-Trend der Ent-Demokratisierung und Ent- Professionalisierung ist für mich das Endzeit-Faszinosum schlechthin.
16. 3. 2006
Der Ärger über das deutsche Vorgehen ist auch noch in der jüngsten Mitteilung der Erziehungsdirektoren-Konferenz (EDK) zu spüren, in der die sechsundzwanzig Bildungsminister der Kantone zusammengeschlossen sind. Sie bedauert, daß ihr die neuesten Änderungsvorschläge wieder einmal verspätet zugestellt worden seien und daß es kein konzertiertes Handeln zwischen den staatlichen Partnern gegeben habe.
9 Neue Numerologie von Nick Newmont. Ansata. Verzichtbar, weil Numerologie nicht neu, sondern uralt ist. Das einzig Neue an diesem Buch ist die Rechtschreibung: Der Vorgängerband hieß Neue Nummerologie.
15. 3. 2006
In einer Erklärung Kunzes […] heißt es, er werde "auch künftig all das zurückweisen, was das Sprachgefühl der Kinder, die intuitive, vom Regelwissen unabhängige Sprachkompetenz beschädigt und vom Rat für deutsche Rechtschreibung in seiner Mehrheit von Verursachern und Befürwortern des Reformskandals unkorrigiert gelassen oder zur Variante umgewidmet worden ist".
Der Nobelpreisträger und Schriftsteller Günter Grass hat als erster einen bundesweiten Aufruf des Deutschen Elternvereins mit Sitz in Kiel unterzeichnet. Mit der Aktion werden Unterschriften für den Erhalt der klassischen Rechtschreibung gesammelt.
13. 4. 2006
Ob schmunzlächeln mit der deutschen Rechtschreibereform übereinstimmt, weiss ich nicht. Es würde seinen Schöpfer auch keinen Deut kümmern. Er hätte für das groteske Gezerre um Du oder du oder doch wieder Du wohl nur beissenden Spott übrig. Er, der scharfzüngige deutsche Dichter Heinrich Heine, der kein Blatt vor den Mund nahm.
12. 3. 2006
Er verlegt Harald Schmidt, Joschka Fischer und Alice Schwarzer. Als Chef des Kölner Verlags Kiepenheuer & Witsch betreut er zudem Schriftsteller wie Uwe Timm, Christian Kracht und Bret Easton Ellis. Und weil er das alles auch noch profitabel macht, wurde Helge Malchow, 55, kürzlich zum «Verleger des Jahres» gewählt. […] [Malchow:] Im Nachhinein gibt es kluge Begründungen für den Erfolg: die Rechtschreibreform, die Pisa-Debatte. In dem Moment aber, in dem man es macht, ist alles offen. Nur wenn man eine untergründige Mentalitätsader in der Gesellschaft trifft, dann klickt es!
11. 3. 2006
Zum letztjährigen Bundesfeiertag war sie offiziell, die neue deutsche Rechtschreibung. Eben «verbindlich» hat es aus dem grossen Kanton geheissen. Ein gutes halbes Jahr später wird die Reform erneut reformiert; wie die Kultusministerkonferenz (ein eigentliches Unwort mit ganzen acht Silben) verspricht, «voraussichtlich zum letzten Mal».
Un an all dem kann mer kaum ebbes mache, denn so werd halt bei uns schon seit Menschegedenke gedenkt, un mer hot sich niemols ebbes besonders debei gedenkt. Wehe dem, der Schlechtes dabei dachte. Wer des akzeptiert un trotzdem unser Rechtschreibreform für gut hält, dem gehört aber werklich e Denk-Mal.
Durch das Hin und Her der Rechtschreibreform schreiben viele jetzt so, wie sie wollen. Sick: So war es doch immer schon. Der Staat kann ja nur dort Regeln festlegen, wo er die Hoheit hat, also an den Schulen und den Behörden, aber nicht im Privatleben.
Der Gautinger Schriftsteller und Dozent Gerd Holzheimer ist auch Deutschlehrer am Gräfelfinger Kurt-Huber-Gymnasium und muss seinen Schülern nun wieder eine neue Schreibweise beibringen. Die SZ sprach mit dem Literaturwissenschaftler und Philosophen über die Reform der Reform, die deutsche Sprache und das Wesen der Deutschen. […] Holzheimer: Ich finde Sprach-Mullahs und -Taliban auf beiden Seiten sehr komisch. Ich denke mir: Haben die keine anderen Probleme? […] Da wollte ja einer sogar vor das Bundesverfassungsgericht gehen mit der Begründung, seine Kinder würden jetzt anders schreiben und das würde die Kinder von ihm entfremden. Da hört sichs doch auf. […] Wenn man zum Beispiel Johann Wolfgang von Goethe nimmt: Der hat geschrieben wie ein Voll-Chaot, der war wirklich schlecht in der Orthographie selbst für damalige Verhältnisse. Sie sehen, es geht auch ohne Norm. Es kommt mir manchmal so vor wie bei den Trachtlern, die behaupten, wir hätten schon immer eine Tracht gehabt. Dabei gibt es die Vereine gerademal gut hundert Jahre.
10. 3. 2006
Die 26 Schweizer Erziehungsdirektoren haben gestern festgehalten, dass die Korrekturvorschläge des Rechtschreibrats «so weit als möglich für die Schweizer Schulen» übernommen werden sollen.
Also, was solls — es geht ja bloss um das Schreiben der Wörter, nicht um die Sprache.
Die Erziehungsdirektoren-Konferenz EDK will die jüngsten Korrektur-Vorschläge des Rechtschreibrats «so weit als möglich für die Schweizer Schulen» übernehmen. Der definitive Beschluss wurde auf den 22. Juni vertagt. Geprüft werden soll bis dahin insbesondere, ob es – wie schon bisher – für Einzelfälle Schweizer Lösungen gibt […].
Die Schweizer Erziehungsdirektoren wollen die vom Rat für deutsche Rechtschreibung verabschiedeten Veränderungsvorschläge bei der Rechtschreibreform weitmöglichst übernehmen. Zuvor sollen jedoch in einer Vernehmlassung allfällige Sonderlösungen, die schulische Vermittlung und die Fristen geklärt werden. […] Die EDK bedauere, dass ein konzertiertes Handeln zwischen den staatlichen Partnern nicht möglich geworden sei.
Theilen Ihnen mit, dasz wir ab jetzigem dato unsere Leser Briefe ausschliësslich nach brifater Ortografie konzipiiren. Wir sind es Leid und haben es sadt, durch obrigkeitliche Mahndate in unserer intellecktösen Betättigunk ein geschrenkt zu werden […]. Aschtrid und Peter Ehrziger, Kipswiel
Warum dann nicht gleich unserer regelung?
Einheitlichkeit um jeden Preis kann nicht das Ziel sein, Spielräume sind erwünscht. Es geht nicht in erster Linie um richtig oder falsch, sondern um gut oder schlecht, und das ist Geschmackssache. […] Ich selbst habe mir längst meine eigene Orthografie zugelegt.
Am 29. Juni 1996 habe ich mich in einem Leserbrief detailliert zur damals gerade publik gewordenen Rechtschreibreform geäussert. Sie fanden es nicht für nötig, näher auf meine Kritik einzugehen, und übernahmen vorbehaltlos die zum Teil äusserst fragwürdigen Änderungen. […] Das meiste, was ich damals als unsinnig bezeichnet hatte, wird nun hoffentlich rückgängig gemacht.
Das Doppel-s haben wir ja auch nicht nachgeäfft. Warum sollen wir uns wieder einmal etwas aufzwingen lassen?
Wenn es in unserer Republik mit rechten Dingen zuginge, müßte Icklers ungeschminkter Bericht über die Zustände im Rat für deutsche Rechtschreibung zu dessen sofortiger Auflösung führen. […] Inzwischen ist aus der deutschen Rechtschreibung ein Sammelsurium von Varianten geworden, die Schüler müssen sich also sehr anstrengen, wenn sie Fehler machen wollen.
Solange man allerdings in einer Zeit des „Denglisch“ […] so tolle Änderungen wie „Stopp“ statt „Stop“ beibehält, so daß Verkehrszeichen plötzlich alle falsch sind, und eingeführte Wörter wie Ketchup, Portemonnaie oder Mayonnaise schreibtechnisch eindeutscht, so lange werkelt man um des Werkelns willen.
«Stopp» und «Majonäse» sind nicht neu.
9. 3. 2006
«Ein Alleingang der Schweiz wäre schlecht», meint der Lehrerverband in vorauseilendem Gehorsam. Konsequenter wäre er allemal. Und die Hoffnung auf eine einheitliche Regelung und ihre Durchsetzung schwindet sowieso.
Grund zur Panik besteht aber weder bei der Vogelgrippe noch bei der Rechtschreibung. Novalis hat vor zweihundert Jahren «Filosofie» geschrieben. So ein Hallodri. Im berühmten Wörterbuch der Brüder Grimm benützt man die KLEINSCHREIBUNG, und den Dichterfürsten Johann Wolfgang von findet man, jesses!, so geschrieben: «göthe».
Ich habe heute mit Freude gelesen, daß der Springer-Konzern auf die neue Rechtschreibung umstellt. […] Zur Zeit macht jeder, was er will. Wenn ich mich richtig erinnere, wollten die Gegner der Rechtschreibreform das ja genau verhindern.
Ich bin sehr traurig darüber, daß der Springer-Verlag seine Rechtschreibung wieder umstellt. […] Ich empfinde es als Schande, daß man uns unserer Sprache und damit unserer Kultur beraubt.
8. 3. 2006
Der Springer Verlag, der bisher nach alten Regeln schrieb, will nach den jüngsten Nachbesserungen bis 1. August auf die neue Rechtschreibung umstellen.
Gestern kündigte auch der Springer-Verlag, in dem unter anderem die «Bild»-Zeitung, «Die Welt» und die «Hörzu» erscheinen, ein entsprechendes Vorgehen an.
Auch der Springer-Verlag, der 2004 ebenso wie die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» beschlossen hatte, die neue Rechtschreibung zu ignorieren, kündigte die Übernahme der korrigierten Regeln bis spätestens 1. August an.
"Bild", "Welt" und "Spiegel" führen die neue neue Rechtschreibung ein, nachdem sie zuvor von der alten neuen Rechtschreibung zur ganz alten Rechtschreibung zurückgekehrt waren. […] Nur Frank Schirrmacher von der FAZ hält am Methusalem-Komplott fest und bleibt noch beim Althochdeutschen. Die zahlreichen investigativen Reporter aller genannten Organe haben aber leider übersehen, dass zusammen mit der Rechtschreibreform neu auch ein geheimes Zusatzprotokoll der Kultusministerkonferenz (KMK) beschlossen wurde, das […] uns über den Faxverteiler der CIA erreicht hat. In diesem Zusatzprotokoll wird die verbindliche Neuschreibung von Eigennamen festgelegt: Die neue Schreibweise von Axel Springer lautet demnach "Alex Läufer", die von Frank Schirrmacher "Franz Scharfmacher" und die von Stefan Aust "Stefan Markwort".
Seitdem die Reform der Rechtschreibreform durch die Wiederzulassung zahlreicher Varianten die weitgehende Verwendung der bewährten Rechtschreibung möglich macht, ist die Frankfurter Allgemeine Zeitung grundsätzlich zu einem Kompromiß bereit.
Die Axel Springer AG, zu der auch das Hamburger Abendblatt gehört, wird eine reformkonforme Rechtschreibung in ihren Publikationen umsetzen. […] Das Abendblatt wird bei optionalen Schreibweisen weitestgehend die klassische Rechtschreibung anwenden.
In Sachen Rechtschreibreform ist der Frontverlauf wieder etwas klarer. Die Axel Springer AG wird eine reformkonforme Rechtschreibung in ihren Publikationen umsetzen.
Nach den jüngsten Änderungsbeschlüssen will die Axel Springer AG eine reformkonforme Rechtschreibung in ihren Publikationen umsetzen. Die Änderung der Schreibweise in den Zeitungen und Zeitschriften sowie den Online-Angeboten des Unternehmens ist nach Schaffung der technischen Voraussetzungen bis spätestens 1. August 2006 vorgesehen. Der Verlag, zu dem unter anderem die Tageszeitungen "Bild" und WELT gehören, war im August 2004 zur alten Rechtschreibung zurückgekehrt.
Damit endet eine 34jährige Phase mit zum Teil dramatischen Auseinandersetzungen. Ausgelöst wurde der sogenannte Rechtschreibkrieg durch eine Bürgerinitiative "aktion kleinschreibung" am 25. Juni 1972.
Die Axel Springer AG wird eine reformkonforme Rechtschreibung in ihren Publikationen umsetzen. Anlaß der Umstellung ist der Beschluß der Kultusministerkonferenz vom 2. März 2006, die Rechtschreibreform entsprechend den Vorschlägen des Rats für deutsche Rechtschreibung verbindlich zu ändern. Die Änderung der Schreibweise in den Zeitungen und Zeitschriften sowie den Online-Angeboten des Unternehmens ist nach Schaffung der technischen Voraussetzungen bis spätestens 1. August 2006 vorgesehen. Die Axel Springer AG will sich der Chance auf einen Konsens in Fragen der deutschen Orthographie nicht entgegenstellen, bedauert aber, ebenso wie große Teile der Öffentlichkeit, daß die Rechtschreibreform alles andere als ein überzeugendes Ergebnis vorzuweisen hat.
7. 3. 2006
Wenn der Deutschaufsatz zur Lottoübung und der Duden zur permanenten Pflichtlektüre wird, gibt es mit Bestimmtheit eine weitere Rechtschreibreform. […] In Zukunft sollten wir Berner Manieren anwenden und warten, bis die Reformeuphorie wieder abgeklungen ist.
Eines freut uns an der erbittert geführten Debatte: Wir sehen, dass unsere Länder nicht in argen Nöten stecken, denn wie wäre es sonst zu erklären, dass sich ganze Heere von Ministern jahrelang über derartige Nebensächlichkeiten kümmern können?
Wenn man die beschäftigung mit einer sache für zeitverschwendung hält, fängt man am besten bei sich selbst an!
Was im Artikel stört und nicht der Wahrheit entspricht: Die Schülerinnen und Schüler schreiben heute eher kreativer, gewitzter und mit einem reichhaltigeren Wortschatz als früher! Das ständige Jammern über den angeblichen Zerfall des Hochdeutschen ärgert mich […] Warum soll «Leid tun» logischer sein als «leidtun»? Das eine Mal wird Leid als Nomen verstanden, das andere als Verbzusatz. In diesen schwierigen Fällen der Getrennt- und Zusammenschreibung sollte grösstmögliche Toleranz herrschen, es sollten beide Schreibweisen gelten.
Noch eine Niederlage gibt er zu. Spiegel-Chef Stefan Aust, den er als Tatmenschen bewundert, FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher, den er als Intellektuellen bewundert[,] und er, der von beiden etwas hat und diese Mischung als Gesamtkunstwerk bewundern lässt, saßen beim Abendessen. Beim Wein beschlossen sie, zum Wohl des Volkes und dem ihrer Kinder, die Rechtschreibreform zu kippen. Der Ansatz war völlig richtig. Wir haben aber die politische Wirkung unterschätzt. Das war naiv. Denn sofort begannen die Angriffe, ein Kartell habe sich Rechte angemaßt, was allein dem Parlament und dem Gesetzgeber zustehe. Warum haben Politiker eigentlich mehr Rechte als die, die von Sprache leben: Schriftsteller, Journalisten, Verleger?
Falsche antwort auf falsche angriffe. Politiker haben nicht mehr rechte, sondern andere. Sie sind für den lehrplan der volksschule zuständig. Verleger sind für sich selbst zuständig. Unser wunsch an beide wäre, die macht (mit oder ohne kartell) nicht nur negativ, zum neinsagen einzusetzen.
6. 3. 2006
Der Rat für deutsche Rechtschreibung hat 38 Mitglieder […]. Unter den Vertretern aus der Schweiz sind zwei aus der Region: Der Schaffhauser Peter Gallmann, ordentlicher Professor für germanistische Sprachwissenschaften an der Universität Jena (Fachwissenschaft). Für den Verband Schweizer Presse hat Stephan Dové, Gemeindepräsident von Laufen-Uhwiesen und Chefkorrektor der NZZ[,] Einsatz.
Bisherige Praxis der EDK war es, dem Beispiel der anderen deutschsprachigen Länder zu folgen. Dazu könne man die EDK nicht verpflichten, warnte der Dachverband Schweizer Lehrerinnen und Lehrer LCH in einem offenen Brief in der NZZ vom 25. Januar. Er fordert die EDK auf, die Vernehmlassung zu verlängern, das Regelwerk wissenschaftlich zu überprüfen, die Schweizer Delegation im Rechtschreibrat auszuwechseln und ein Moratorium, wie das des Kantons Bern, zu beschliessen.
Die Schweiz hat die Reformen bisher konsequenter umgesetzt als Deutschland. Jetzt, wo sich die deutschen Bundesländer endlich zu einigen scheinen, zögert die schweizerische Erziehungsdirektorenkonferenz (EDK), den gleichen Weg einzuschlagen. […] Den Weg aus dem Chaos vermag im jetzigen Stadium auch die erneute Reform nicht mehr zu weisen. Ob sie bloss eine weitere Etappe im endlosen Streit ist oder ob die gesamte Rechtschreibreform damit wirklich abgeschlossen ist, bleibt abzuwarten.
Vor allem im Bereich Getrennt- und Zusammenschreibung, dem umstrittensten Teilbereich, wird es Korrekturen geben: Künftig sollen wieder mehr Wörter zusammengeschrieben werden. "Wir haben den Akzent stärker auf den Sprachgebrauch gelegt", sagt der Vorsitzende des Rats, Hans Zehetmair. "Bei den Reformerfindern stand die Systematik zu sehr im Vordergrund."
Einem grossen teil des volks wäre es recht, wenn herr Zehetmair auch mal das strassenverkehrsrecht überarbeiten würde.
Man werde umgehend die ersten Deutsch-Bücher korrigieren, sagte Programm-Geschäftsführer Peter Schell vom Verlag Westermann/Schroedel/Diesterweg in Braunschweig, auch wenn das "einen Haufen Geld" kostet. […] Der Verband VdS Bildungsmedien - früher Verband der Schulbuchverlage - hält die Korrektur der Rechtschreibung für eine "richtige Entscheidung". "Sie wird hoffentlich lange Bestand haben", sagte Geschäftsführer Andreas Baer in Frankfurt am Main. […] Der Aufwand sei überschaubar, weil die Schulen mit den bestehenden Büchern weiter machen könnten - ergänzt durch einige Materialien vor allem zur Getrennt- und Zusammenschreibung, sagte Baer.
Ob man "sitzen bleiben" oder "sitzenbleiben" schreibt, "bankrottgehen" oder "Bankrott gehen", "Recht haben" oder "rechthaben", ist einigermaßen belanglos; verständlich wird die Sache allemal. Weshalb die Kultusminister gut daran getan hätten, den Ball, der ihnen da zugespielt worden war, den Pfennigfuchsern zurückzugeben. Sie hätten Freiheit geben und nicht nur Doppelt-, sondern auch Dreifachschreibungen erlauben können, und das nicht nur für eine Übergangsperiode. Doch was wäre dann aus den Germanisten geworden, die mit Texten und Sätzen nichts anfangen können und sich deshalb aufs Silbenzählen und Kommasetzen verlegt haben? Sie würden arbeitslos: unvorstellbar für einen Lebenszeitbeamten, der nicht nur das Recht, sondern leider auch die Pflicht zum vollen Arbeitseinsatz hat. Vorschriften zu erlassen ist sein Beruf, den er mit derselben Leidenschaft erfüllt wie die Beamten im Finanzministerium den ihren. Was denen die Steuergesetzgebung, ist den Berufsrechtschreibern ihr Duden. An dem wollen sie weiterarbeiten, weshalb sie sich ihr Mandat zur Aufsicht über die deutsche Orthographie um fünf weitere Jahre verlängert haben.
Die von der Kultusministerkonferenz so beschworene „Einheitlichkeit der deutschen Rechtschreibung“ ist doch erst durch den Irrsinn namens Rechtschreibreform mutwillig zerstört worden. […] Die WELT wäre gut beraten, sich nicht der Reform der Reform anzuschließen.
Wie wäre es, wenn man unsere schöne Sprache etwas von den ausländischen, vor allem englischen Einflüssen säubern würde? Das wäre doch Reform genug.
Das wirklich Schlimme ist nicht die sogenannte Rechtschreibreform als Mißgeburt amoklaufender Sozialingenieure, sondern die Tatsache, daß seit zehn Jahren auf sachliche und wohlbegründete Kritik nicht reagiert wird. […] Meine Bitte an die WELT: Bleiben Sie bei der bewährten Schreibweise.
5. 3. 2006
«Früener isch alles besser gsi» (Volksmund). Auch die Rechtschreibung. Kann ab 1. August wieder recht sein, was vorher unrecht war? Wie viel Toleranz gilt für die Andersschreibenden?
Allerdings wirkt die Kritik der F.A.Z./F.A.S. an Zehetmair immer etwas blauäugig. Wurden ihm doch vor nicht allzu langer Zeit noch Lobeskränze geflochten.
Auch wir bei der "Welt am Sonntag" haben eine Rolle in der Auseinandersetzung gespielt. Gemeinsam mit anderen Redaktionen hatten wir uns entschlossen, der Altreform nicht zu folgen. Dahinter steckten weder Sturheit noch Modernisierungsfeindlichkeit. […] Ohne die Hartnäckigkeit der Medien wäre an der Altreform nicht gerüttelt worden. Ihr zum Teil blühender Unsinn wäre auf immer Gesetz geblieben.
4. 3. 2006
Die deutschen Bildungsminister haben die Korrekturen an der Rechtschreibreform gutgeheissen. […] Die Verwirrung um die Rechtschreibreform ist damit insbesondere für die Schweiz noch nicht beendet. […] Offiziell wusste man bei der EDK gestern noch nicht, was beschlossen wurde. Die Arbeiten im Rat für Rechtschreibung verliefen aus Schweizer Sicht offenbar nicht sehr harmonisch.
Die Rechtschreibung wird in Deutschland noch einmal angepasst. In der Schweiz stellen sich zur Reform der Reform aber viele Fragen. […] Bereits jetzt haben verschiedene Seiten ihren Widerstand gegen die Änderungen angekündigt. Kämpferisch zeigt sich dabei insbesondere der Schweizer Dachverband der Lehrerinnen und Lehrer (LCH), der gegen 50 000 Mitglieder zählt. […] Laut Schildknecht hat der LCH vor allem versucht, seine Anliegen im Vorfeld einzubringen. Nämlich durch seinen Vertreter im Rat für deutsche Rechtschreibung. «Das führte natürlich zu Auseinandersetzungen», sagt Schildknecht. Es habe sich aber gelohnt. «Die jetzige Vorlage ist nicht zuletzt ein Erfolg unserer Bockigkeit.» […] Feller, der als Vertreter der Lehrmittelverlage im Rat mit dabei war, steht voll und ganz hinter den nun vorliegenden Änderungsvorschlägen. Die Haltung, die der Lehrerverband in seiner Stellungnahme einnimmt, kann er nicht ganz nachvollziehen.
In der Schweiz haben sich zuletzt vor allem der Lehrerdachverband (LCH) und der Sprachkreis Deutsch in Opposition zum Rechtschreib-Rat und seiner Arbeit begeben. […] Hans Ulrich Stöckling, Präsident der schweizerischen Erziehungsdirektorenkonferenz, widerspricht dem Verlangen des LCH, besser die gesamte Reform noch einmal gründlich aufzurollen, statt an ihr herumzudoktern. […] Anders als der LCH hält Stöckling die Empfehlungen des Rates für akzeptabel. Er stelle sich vor, sagte er gegenüber der NZZ, die Schreibungen als Alternativen zuzulassen und am Ende einer Übergangsfrist über ihre Verbindlichkeit zu entscheiden.
Während deutsche Politiker – und das will etwas heissen! – inzwischen eingestehen, dass sie mit der Materie von Anfang an überfordert waren, gibt sich der schweizerische Vertreter noch immer souverän. […] Eine solche Haltung angesichts der gescheiterten Reform ist falsch und überheblich.
Die von den deutschen Kultusministern diese Woche beschlossenen Anpassungen der Rechtschreibung könnten bald auch in der Schweiz gelten. Die Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) will die Entscheide zwar erst prüfen und eine Vernehmlassung durchführen, insbesondere bei den Lehrern.
Nüchtern betrachtet, geht der abgehobene Streit um orthografische Finessen am Schulalltag gänzlich vorbei. Ob alte oder neue Dudenregeln — die geringfügigen Unterschiede sind bei schriftlichen Arbeiten das kleinste Problem. […] Im Zeitalter von Handy, SMS und Dialektwelle sind viele Pädagogen froh, wenn ihre Schützlinge überhaupt einen einigermassen hochdeutschen Satz zu Papier bringen.
Max A. Müller: Tatsächlich würden eine Menge Scheusslichkeiten beseitigt. Problematisch sind aber zwei Punkte. Zum einen sind häufig mehrere Varianten gleichzeitig möglich, etwa «kennen lernen» und «kennenlernen». Zum anderen sind die revidierten Regeln unsystematisch. […] Die angepassten Regeln betreffen die Volksschule nur am Rande. Was unsere Schüler im Deutschunterricht nicht beherrschen, bewegt sich auf einem viel tieferen Niveau. Von daher sind die Neuerungen auch wieder nicht so relevant. […] Der EDK wird wohl nichts anderes übrig bleiben, als die Anpassungen zu übernehmen.
Der Rat für Rechtschreibung will zahllose klassische Varianten wieder zulassen und verspricht, daß es dadurch jedem wieder freigestellt ist, weitgehend der bewährten Rechtschreibung zu folgen. Das wird zu prüfen sein. Bewährte und neue Rechtschreibung sollen sich nicht länger ausschließen, sondern gleichberechtigt nebeneinanderstehen. Ist das eine salomonische Entscheidung? Nein, es ist nur die dürre Weisheit derjenigen, die nicht mehr wissen wollen, was falsch und was richtig ist. Die meisten Menschen lassen ihr Sprachgefühl über ihre Rechtschreibung entscheiden; sie mußten ohnmächtig erleben, wie dieses Sprachgefühl im ewigen Hin und Her der vergangenen Jahre verunsichert und beschädigt wurde. Diesen Schaden kann auch die Reform der Reform nicht beheben.
Herrje, jetzt ist das sprachgefühl kaputt! Wir haben das angeborene gefühl dafür, was falsch und was richtig ist, beschädigt. Es ist ja auch verantwortungslos, wenn wissenschaft und politik etwas in frage stellen und eine diskussion anzetteln. Es ist zeit, dass sie von den sprachmullahs in die schranken verwiesen werden.
Zur Übernahme der Empfehlungen des Rats für deutsche Rechtschreibung durch die Kultusministerkonferenz heißt es in der "Wilhelmshavener Zeitung": Die Mehrheit der Menschen hat längst mit Stiften und an Tastaturen abgestimmt: Sie verweigert einfach die Annahme der meisten neuen Schreibweisen.
Die "Augsburger Allgemeine" meint zu der somit beschlossenen Reform der Rechtschreibreform: […] Die vorliegende reformierte Reformschreibung bedarf weiterer Reform. Sie hat sich kompromißlerisch zu sehr in die Variantenschreibung geflüchtet.
In der "Kölnischen Rundschau" lesen wir: […] Eine zeitlos richtige Schreibung gibt es nicht, sondern nur eine geschichtlich gewachsene. Und zur Geschichte unserer Sprache, wenn auch nicht gerade zu deren schönsten Kapiteln, gehören auch die Reste der Rechtschreibreform.
Stoiber hielt dieses Ergebnis dem Vorgehen Bayerns und Nordrhein-Westfalens zugute, die im vergangenen Jahr die damalige Reform "nicht umgesetzt" hätten. Das sei "die einzige Möglichkeit" gewesen, daß der Rat für deutsche Rechtschreibung die Chance bekommen habe, Verbesserungen herbeizuführen.
Die stellvertretende GEW-Vorsitzende Marianne Demmer hat gestern wohl vielen aus dem Herzen gesprochen. Die Rechtschreibung werde durch die […] Änderungen zwar nicht leichter und eindeutiger, aber die Schulen hätten viel wichtigere Probleme, sagte die GEW-Vizechefin am Freitag. Sie sprach sich dagegen aus, zur neuen Schreibweise auch die alte Rechtschreibung zu erlauben. »Für die Schule ist das keine Lösung«, sagte sie. Es dürfe kein Nebeneinander von zwei oder drei Schreibweisen geben: »Da werden alle verrückt.« Für die Weiterentwicklung der Rechtschreibung erwartet Demmer »erhebliche Einflüsse durch die neuen Medien«. Schon heute sei zu beobachten, dass im E-mail-Verkehr eigene Regeln gelten. Zum Beispiel werde vielfach bereits »eine gemäßigte Kleinschreibung« praktiziert.
[…] lang hätte die deutsche Sprachgemeinschaft es nicht mehr getragen, nämlich das Gezappel und Gezerre um die Rechtschreibreform. […] Im Film sieht man oft Hochzeiten, bei denen der Pfarrer sagt, wer Hinderliches wisse, sage es gleich oder schweige für immer. So ein Ritual wünschte man sich auch für die Rechtschreibreform.
Aber wenn dann alle gezappel und gezerre der welt auf diese weise erledigt sind und alle schweigen, was machen dann die zeitungen und die leitartikler?
Ich finde es besonders ärgerlich, dass die alte Regelung über die Großschreibung der Anredefürwörter du, dich, deine und so weiter in Briefen […] wieder in Kraft gesetzt werden soll. […] Wie kann das Inhalt einer amtlichen Regelung sein? […] Dabei hätte der Rechtschreibrat gerade jetzt die Chance gehabt, mit der Forderung nach Einführung der gemäßigten Kleinschreibung, wie sie in allen anderen Ländern der Welt, die die lateinische Schrift benutzen, üblich ist, ein für alle Mal das Problem der Groß- und Kleinschreibung im Deutschen zu beenden. Er hat sie leider ungenutzt gelassen.
Der Hauptfehler der Reform von 1996 lag darin, zahlreiche Regelungen von oben herab gesetzt zu haben, ohne das Regelwissen fähiger Sprecher empirisch zu untersuchen und zu berücksichtigen. Das ist aufwendig, aber unerlässlich, wenn Experten ohne Anmaßung ins Regelwerk der Sprache eingreifen sollen.
Die beschlossene Regelung vereint so viel Reform wie nötig mit so viel Bewahren wie möglich und ist deshalb kein Unfug, sondern sinnvoll und konsensfähig. Mag Steinfelds Titulierung der in den toten Sprachen weniger bewanderten, weil anders Gebildeten als Barbaren historisch etwas für sich haben sie ist arrogant.
Eisenberg kann diese Verbindung nicht grammatisch analysieren, und dann verfährt er nach dem alten Wahlspruch aller Besserwisser: Was ich mir nicht erklären kann, das sehe ich als Fehler an und ändert lieber die Sprache als seine offenbar unzureichende Grammatik.
Peter Eisenberg hats erkannt: Wenn du denkst, etwas ist ein Wort, dann ist es in der Regel eins. Wenns nur in Wirklichkeit so einfach wäre!
[…] wie kommen diese Schriftklempner dazu, mir in mein Privatestes hineinzureden! Mein Du gehört mir!
Zur Begründung der Neuschreibung leidtun (gegenüber sowohl dem herkömmlichen leid tun wie dem von der Reformkommission vorgeschlagenen Leid tun) meint Eisenberg, dass die häufig vorgebrachte Auffassung, leid sei hier Adjektiv, keine grammatische Analyse hatte (sic!). Müsste danach eigentlich sowohl die Zusammen- als auch die Getrennt-(und Groß-)schreibung zu rechtfertigen sein, so halte ich doch die Wort-Ursprünglichkeitsfrage hier für weder besonders relevant noch für lösbar.
Noch immer ist der "Rechtschreibfrieden gestört" (FAZ), es herrscht ein "Rechtschreibkrieg" (FR) […]. Der Rechtschreibkrieg verursachte großes Leid: Unschuldige Wortverbindungen wurden auf engstem Raum zusammengepfercht, es hagelte Kommas; "gewaltsame Eingriffe in die Sprache" (FAZ) waren an der Tagesordnung. […] Notgedrungen beugte sich die KMK schließlich den Empfehlungen des alliierten Kontrollrats für deutsche Rechtschreibung […].
Die Korrektur der Rechtschreibreform war aus Sicht von Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) überfällig. Für ihn sei das Verfahren "ein famoses Beispiel dafür, wie mühsam die Politik gelegentlich Lösungen für Probleme sucht, die sie selbst ohne Not geschaffen hat", sagte Lammert dem 3Sat-Magazin "Kulturzeit".
3. 3. 2006
Die Kultusminister wollen einen Schlussstrich unter die seit mehr als zehn Jahren erbittert geführten Auseinandersetzungen ziehen. […] Der parteilose Kultusminister aus Sachsen-Anhalt, Jan-Hendrik Olbertz, plädierte am Rand der Konferenz dafür, dass sich die Politik künftig aus der Rechtschreibung heraushält.
Viele Vorschläge des Rechtschreibrats buchstabieren die umstrittene Rechtschreibreform von 1996 teilweise zurück und verhelfen dem gesunden Sprachgefühl wieder zu mehr Geltung. So sollen in der Getrennt- und Zusammenschreibung Wortbedeutungen wieder sichtbar gemacht werden.
Mit definitionen des «gesunden gefühls» hat die welt keine guten erfahrungen gemacht.
Die Kultusminister der deutschen Bundesländer haben am Donnerstag beschlossen, die viel kritisierte Rechtschreibreform anzupassen.
Die Kultusminister der deutschen Bundesländer waren sich am Donnerstag rasch einig: Die Reform der Rechtschreibreform ist beschlossene Sache. Allerdings war sich die Konferenz der Kultusminister schon mehrmals einig […]. Doch nun besteht Hoffnung, dass die Reform diesmal Bestand hat. […] Im Ergebnis ist es eine moderate Rückkehr zur alten Schreibweise.
Der Umgang mit der Rechtschreibreform war ein Debakel auch für den Föderalismus in Deutschland.
Die Empfehlungen des Rats für deutsche Rechtschreibung sind am Donnerstag von der Kultusministerkonferenz (KMK) einstimmig beschlossen worden. […] Der sachsen-anhaltische Kultusminister Olbertz (parteilos) lobte den Beschluß, "weil damit der gordische Knoten durchschlagen und vielleicht auch das Elend beendet ist". Jetzt könne man vielleicht die Lehre ziehen, "aus der Politik heraus eine solche Geschichte nicht noch mal zu machen". Er empfehle der KMK einen Beschluß, der laute: "Wir machen so was nie wieder."
Mozart und Heine im Doppelpack, ein ganzes Jahr. Gerade ging ein langes Einstein-Jahr zu Ende. Man fragt sich allerdings, wer eigentlich all diese Jubiläumsjahre ausruft. […] Das Bildungsministerium scheidet als Initiator ebenso aus wie die Kultusministerien, weil man dort mit der sogenannten Rechtschreibreform völlig ausgelastet ist.
Die Geschäftsführerin des Rechtschreibrates, Kerstin Güthert, betonte, nach den Änderungsvorschlägen dürfte das richtige Schreiben wesentlich einfacher werden. Diese betreffen Groß- und Kleinschreibung, Getrennt- und Zusammenschreibung, Zeichensetzung und Worttrennung am Zeilenende. So sollen etwa feststehende Begriffe wie Große Koalition oder Gelbe Karte wieder groß geschrieben werden. […] Weitere umfassende Nachbesserungen würden aller Voraussicht nach nicht mehr vorgenommen, sagte Güthert im ZDF.
Als Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK), in der die Länder ihre Schul- und Hochschulpolitik koordinieren, sieht sich die schleswig-holsteinische Bildungsministerin in bundesweiter Verantwortung. […] Den Dauerkampf um die Rechtschreibreform möchte Erdsiek-Rave nun mit einem Rechtschreibfrieden in der KMK beenden.
Die Empfehlungen des Rechtschreibrats zielen darauf ab, dem Sprachakzent als Schreibhilfe wieder eine stärkere Bedeutung zu geben. So soll je nach sprachlicher Betonung entweder "frei sprechen" ("Nicht jeder Politiker kann frei sprechen") oder "freisprechen" ("Der Richter wird den Angeklagten freisprechen") geschrieben werden können. Dies solle auch für Fremdwörter wie New Economy oder Mountainbike gelten. Außerdem soll bei der Anrede "du" in Briefen wieder zur Großschreibung zurückgekehrt werden können, was von vielen Seiten gefordert worden war. Zudem soll bei feststehenden Begriffen künftig mehr Großschreibung möglich sein.
Die Floristin eröffnete "Gaby's Blumenladen", DaimlerChrysler führte die Doppelgroßschreibung ein, und 60 Jahre nach Kriegsende wurde "den Opfern gedacht". Doch statt zu überlegen, wie solchem Sprachverfall zu wehren ist, haben ihn unsere Kultusminister sowie die in Österreich und der Schweiz sich für zuständig Erklärenden beschleunigt, indem sie einen bald 20 Jahre währenden Streit um die Rechtschreibreform führten.
"Also kurz und gut, ich weiß, wie wir unsere Minister ablenken können. Wir lassen sie eine Rechtschreibreform durchführen. Das ist mit endlosen Konferenzen verbunden. Komitees müssen gegründet werden, Koordinationsausschüsse, Fachausschüsse, Unterausschüsse, Befragungen müssen durchgeführt werden, Anhörungen, Revisionen, Korrekturen, Widerlegungen und Widerlegungen der Widerlegungen, Jahre fruchtbarer Arbeit, die die Minister restlos absorbiert. Sie kommen dann gar nicht mehr dazu, durch politisch motivierte Aktivitätsanfälle ihre Beamten zu stören. Was halten Sie davon?"
2. 3. 2006
Mit ihrer Entscheidung wollen die 16 Kultusminister den "Rechtschreibfrieden" wieder herstellen. […] Bayerns Kultusminister Siegfried Schneider (CSU) zeigte sich dagegen zufrieden mit dem Beschluss. Endlich gebe es wieder eine einheitliche Rechtschreibung für alle Schulen. Bayern und Nordrhein-Westfalen hatten als einzige Bundesländer bisher die verbindliche Einführung der Rechtschreibreform verweigert. Für die neuen Regeln gilt an den Schulen eine einjährige Übergangsfrist […].
Kommt die Reform der Reform also an ihr Ziel? Vieles hängt ab von der Reaktion der Medien.
Der größte Part der reformierten Reform betrifft die Getrennt- und Zusammenschreibung sowie die Groß- und Kleinschreibung. Laut Rechtschreibrat sollen Sprachgebrauch und Sprachbau stärkste Richtschnur für die korrekte Orthografie sein. Die meisten Pädagogen begrüßen es, wenn vom nächsten Schuljahr an nicht nur (etwas) feststellen, sondern etwa auch (Geld) lockersitzen (haben) oder (jemanden) fertigmachen in einem Wort geschrieben werden. Die Unterrichtserfahrung lehrt: Eine Regel, dass „bei neuer Gesamtbedeutung“ etwa von Adjektiv und Verb ausnahmslos Zusammenschreibung gilt, ist den Schülern leichter beizubringen als die Fülle von Ausnahmen, die der Duden von 1991 und das amtliche Regelwerk von 2004 transportieren.
Das Gutgemeinte (vulgo: gut Gemeinte) ist nicht immer gut. Das gilt auch für die Rechtschreibreform, denn hier gab es allenfalls ein reformerisches Wollen. Der Paradigmenwechsel in Sachen Schreibnormen, nämlich wegzugehen von der Protokollierung sprachlicher Entwicklungen in Wörterbüchern und stattdessen Entwicklungen antizipieren beziehungsweise oktroyieren zu wollen, ist danebengegangen. Schief gehen (vor der Reform: schiefgehen) mussten zudem die Missachtung des Kriteriums Lesbarkeit und die Ausrichtung von Sprachnormen auf die Frage, wie man den Kindern das Schreiben erleichtern kann.
Wie groß aber ist nun der Umfang der vom Rechtschreibrat vorschlagenen Änderungen? Die ss-Schreibung bleibt unangetastet, so daß auf jeden Fall weniger als 10 Prozent der Reformschreibungen und weniger als ein Prozent der Wörter eines normalen Textes von der Revision erfaßt werden. Unverändert bleiben die Bereiche Laut-Buchstaben-Zuordnung (rau, Tipp) einschließlich der Drei-Konsonanten-Regel (Schifffahrt), ferner die Bindestrichschreibung (der 18-Jährige). Die Revision von Teilen der Getrennt- und Zusammenschreibung sowie der Groß- und Kleinschreibung führt überwiegend neue „alte“ Varianten wieder ein, so daß auch hier, ähnlich wie bei der Fremdwortschreibung, die Schreibenden entscheiden müssen. Durch die Ausschöpfung aller jetzt durch den Rat in Aussicht gestellten Freiräume könnten ein bis zwei Prozent der Reformschreibungen vermieden werden, zusätzlich zu den Zugeständnissen von 2004. Andererseits dürfen Anhänger der Reform praktisch unverändert wie bisher (seit 1996) weiterschreiben, da die Reformschreibung nur vereinzelt aufgehoben wird […].
1924: Der Schweizer „Bund für vereinfachte rechtschreibung“ wird gegründet; sein „minimalprogramm“ fordert die konsequente Kleinschreibung aller Wörter.
1. 3. 2006
Kommunikationsberater Marcus Knill analysiert und kommentiert im Folgenden die Irrungen im deutschen Rechtschreibedschungel. […] Was jedoch beim ganzen "Hin und Her" unberücksichtigt blieb: Jeder Lernpsychologe weiss, wie Irritationen Lernprozesse behindern. Leidtragende sind bei raschen Wechseln all jene Beflissenen, die zuerst die alte Rechtschreiberegeln erlernt hatten, um sich nachher willig umschulen zu lassen[,] und nun plötzlich nochmals eine andere[,] moderatere (endgültige?) Schreibweise erwerben müssen. […] Es ist nämlich erwiesen, dass die Informationsaufnahme problematisch wird, wenn wir mehrere ähnliche Versionen vermitteln.
Hier hat der Lehrerverband LCH die jüngsten Reformvorschläge in einem fünfseitigen Papier zurückgewiesen. Die Nachrichtenagentur SDA meldet Widerstand an, und der «Sprachkreis Deutsch» fordert in einem offenen Brief die Erziehungsdirektoren zu einer «sprachwissenschaftlichen Überprüfung des ganzen Regelwerks» auf. Diese Forderungen weist EDK-Präsident Hans Ulrich Stöckling auf unsere Anfrage hin zwar zurück. […] Aber die jüngsten Reformvorschläge hält auch er für unausgegoren. […] Allerdings relativiert der LCH seine Kritik gleich selber: Im Vergleich mit solchen Orthografie-Detailfragen bewegten sich die Schreibsorgen der Schülerinnen und Schüler «auf einem massiv tieferen Niveau. Schulen wären glücklich zu preisen, wenn dort nur noch Fehler in den genannten Bereichen gemacht würden».
Stöckling: Der von der Kultusministerkonferenz Deutschlands zusammen mit Österreich und der EDK eingesetzte Rat für Deutsche Rechtschreibung hat jetzt neue Vorschläge unterbreitet. Über diese ist kein vernünftiges Vernehmlassungsverfahren durchgeführt worden. Deshalb haben wir mitgeteilt, die Schweiz würde diese Neuerungen vorderhand nicht übernehmen. […] Zurzeit besteht zumindest aus der Sicht der Ausbildung kein Grund zur Aufregung. Die neuen Regeln werden in der Schule diskussionslos angewandt, und die Schülerinnen und Schüler kennen gar nichts anderes.
[…] die Liste der Skandale ist lang. Dazu gehört auch, dass die Politik einfach davon ausgeht, dass sich alle Bürger ihren Vorgaben zur Schreibweise anschließen müssen, obwohl die Kultusminister Regelungsmacht nur für die Schulen haben und das auch nur nach Maßgabe des allgemeinen Schreibgebrauchs.
Die Empfehlungen des Rats für deutsche Rechtschreibung zur Überarbeitung der Rechtschreibreform kommentiert der "Döbelner Anzeiger": […] Der Kompromiß, der nun endlich nach vielen Jahren beim Rechtschreibreformstreit in Sicht ist, enttäuscht.
Der "Mannheimer Morgen" bemerkt zur Rechtschreibreform: […] Die von allen Reformen wohl nebensächlichste hat rund zehn Jahre lang mit ihrem Zickzackkurs genervt, Schüler wie Lehrer auf eine wahre Geduldsprobe gestellt und einen Keil zwischen die Medien getrieben.
Viele fragen sich heute: Wie konnte es bloß zu einer derartigen Beschädigung einer bewährten Norm kommen? […] In den großen und traditionsreichen Sprachen Europas, im Englischen, Französischen und Deutschen, sind bisher alle Rechtschreibreformversuche am Widerstand der Betroffenen gescheitert. […] Auf einem anderen Blatt steht das Verfahren einer solchen Reform. Es ist langwierig und kompliziert - wegen der Vielzahl Beteiligter, Betroffener und wirtschaftlich Interessierter. […] Kernstück der hiesigen Reform war ein Nebeneinander vorbereitender Fachkommissionen und eigens eingerichteter Arbeitsgruppen aus Beamten der Kultusministerien. […] Diesen Kommissionen fehlte von Anfang an die fachliche und im weiteren Sinne kulturelle Legitimation.
Der Deutsche Elternverein will erreichen, dass an den Schulen wieder die klassische Rechtschreibung zugelassen wird. Alle Erlasse sollten zurückgezogen werden, die ein Anstreichen der alten Rechtschreibung als fehlerhaft vorsehen. Das geht aus einem offenen Brief des Elternvereins an die Ministerpräsidenten und Kultusminister der Länder hervor, den der Vereinsvorsitzende Ulrich G. Kliegis am Mittwoch in Kiel vorstellte. […] Ziel müsse es sein, an den Schulen wieder eine von Konsens getragene einheitliche Schriftsprache zu lehren, sagte Kliegis. Hierfür seien verbindliche Regeln erforderlich.