Hans-Ulrich Wehlers "Gesellschaftsgeschichte" wurde an der Wende von den siebziger zu den achtziger Jahren konzipiert […]. Dem heutigen Leser wird das am deutlichsten bewusst durch die Prominenz der Kategorie "soziale Ungleichheit" in Wehlers Buch. Sie wirkt wie ein Gruß aus jener fremd gewordenen Zeit, als die Bildung "sozial-liberaler Koalitionen" utopische Erwartungen freisetzen konnte und eine Rechtschreibreform etwa mit dem unwiderstehlich wichtigen Versprechen ins Rollen gebracht wurde, sie könne zur Nivellierung von "Chancenungleichheiten" beitragen.
Bund für vereinfachte rechtschreibung (BVR)
Aus presse und internet
30. 9. 2008
27. 9. 2008
Warum es im Südkurier denn viele Rechtschreibfehler gebe. Gute Frage. Auf die der Lokalchef mehrere Antworten hat: Zum einen habe es früher hauptberufliche und ausgebildete Korrektoren gegeben, die gibt es heute aus Kostengründen nicht mehr. Zum anderen sei es wirklich ärgerlich, aber manchmal sehe man den eigenen Fehler nach einem Tag vor dem Computer-Bildschirm einfach nicht mehr. Drittens sei falsch und richtig nach der jüngsten Rechtschreibreform manchmal schwer zu definieren.
Neuerdings achte ich darauf, dass die Bücher, die ich ausleihe oder kaufe, vor der Rechtschreibreform geschrieben wurden. Sonst bleibe ich alle paar Meter im Text hängen und überlege, warum da zum Beispiel steht, etwas ginge "zulasten" von irgendwem, wo ich der Meinung bin, man schreibt das "zu Lasten". […] Der Geistesblitz, wo denn bei manchen Schreibweisen und Wortkreationen der gesunde Menschenverstand ihrer Erfinder abgeblieben sein könnte, kam bei mir bisher noch nicht. Viele dieser Ungereimtheiten machen mich ganz wirr im Kopf und gehen eindeutig zu Lasten meines Leseflusses. Deshalb habe ich mir schon überlegt, auf Hörbücher umzusteigen.
25. 9. 2008
Briefe und Emails erreichen uns jeden Tag in Hülle und Fülle. Die meisten Verfasser richten sich dabei inzwischen nach den Regeln der neuen deutschen Rechtschreibung. Schwierigkeiten scheint allerdings die Regel zur Schreibweise des „ß“ zu bereiten. Dieser Buchstabe ist nämlich im deutschsprachigen Raum außer in der Schweiz und Liechtenstein nicht durch das Sieb der Rechtschreibreform gefallen.
23. 9. 2008
Der gebürtige Syrer und Buchautor Rafik Schami kam zum zweiten Mal nach Sankt Augustin. […] Voller Witz und Selbstironie verbindet und vergleicht Rafik Schami Welten: die Eigenheiten der arabischen Schrift mit der jüngsten Rechtschreibreform in Deutschland zum Beispiel, die er beide mit dem durch Abstand geschärften Blick eines Gastes ins Visier nimmt.
22. 9. 2008
"Ich kann nicht akzeptieren, wie geringschätzig und stiefmütterlich Bildungspolitik bisher behandelt wurde", sagte Westerwelle der "Mittelbayerischen Zeitung". Da arbeite sich eine Kultusministerkonferenz anderthalb Jahrzehnte an der "intellektuell so erhebenden Frage" ab, ob man nach der Rechtschreibreform Schifffahrt mit zwei oder mit drei f schreibt. Das sei eine völlige Verkennung der Notwendigkeiten.
19. 9. 2008
[…] bis hin zur kritischen Auseinandersetzung mit dem Zeitgeschehen, in dem sich der Sprachwahrer und Gegner der Rechtschreibreform offenbart - "die sprache hat den mund zu halten, ....wenn barbaren sie verwalten"- erzählt Kunze in unnachahmlicher Weise.
17. 9. 2008
Dann wurde der KMK wegen der Rechtschreibreform gleich komplett das Lebensrecht abgesprochen - und das aus den Reihen der Union.
13. 9. 2008
Günter Kunert liest aus seinen Reflexionen über das Alter. […] Bis heute kämpft Kunert gegen die Rechtschreibreform, die er für unsinnig hält.
11. 9. 2008
Die Schweizer unterscheiden Masse und Maße tatsächlich nicht im Schriftbild, aber dadurch entstehen keine Probleme. […] Es lassen sich natürlich immer mehr oder weniger theoretische Fälle konstruieren, in denen diese Zweideutigkeit tatsächlich zu Verständigungsproblemen führen kann […]. Nicht einmal im Physikunterricht an Schweizer Schulen oder in schweizerischen Patentbüros, wo man sich regelmäßig sowohl mit Massen als auch mit Maßen abgibt, hat das Fehlen des Buchstabens ß je zu größeren Problemen geführt.
An der Mitgliederversammlung des Verbandes Schweizer Presse […] beschlossen die Mitglieder eine Umbenennung des bisherigen "Departements Ethik" in "Departement Publizistik". […] Schliesslich unterstützte der Verband - wie zuvor schon die Konferenz der Chefredaktoren - die Empfehlungen der Schweizer Orthographische Konferenz (SOK) zur Rechtschreibung in Presse und Literatur. Die SOK wurde von Sprachwissenschaftern und Praktikern der Presse und der Verlage gegründet, um die von der Rechtschreibreform beeinträchtigte Einheitlichkeit und Sprachrichtigkeit der Rechtschreibung in Presse und Literatur der Schweiz wiederherzustellen.
Kinder haben es schwer. Englischsprachige Kinder haben es noch schwerer. So jedenfalls sieht es die sich für eine vereinfachte Rechtschreibung einsetzende Spelling Society. Sie feiert in dieser Woche ihr hundertjähriges Bestehen mit einem neuen Vorstoß gegen die Ungereimtheiten der traditionellen englischen Orthographie, die vor allem daher rühren, dass Aussprache und Schreibweise weit stärker voneinander abweichen als in anderen europäischen Sprachen. […] Die Spelling Society hat sich zwar nicht offiziell durchgesetzt, doch sickern ihre Vorstellung bis zu den Prüfungsbehörden durch, die Rechtschreibfehler kaum noch bestrafen, mit der Folge, dass die Orthographie bei jüngeren Briten deutlich nachlässt.
10. 9. 2008
Was dem Laien irrwitzig erscheinen mag, hat professionelle Methode. Dem Editionsphilologen ist in theologischer Tradition jedes Schriftzeichen heilig, mitunter heiliger als dem Autor selbst. […] Autoren sind bei aller Eigenwilligkeit ihren Verlagen und Lesern gegenüber meist kompromissbereiter als ihre Editoren. Bei allem Respekt vor den wissenschaftlichen Leistungen der Kafka-Philologie lautet mein Plädoyer darum: Schreiben wir wie Wagenbach, wenn wir den alten Rechtschreiberegeln folgen, "Der Prozeß", wenn wir uns an den neuen orientieren, jedoch "Der Prozess". Alles andere ist philologischer Manierismus und nur in spezialisierten Forschungszusammenhängen sinnvoll.
Der Staatsminister bezeichnete das Wiesbadener Verwaltungsgericht als eines der leistungsfähigsten […]. Als "Hauptstadt"-Gericht sei es insbesondere mit rechtlich und tatsächlich bedeutsamen Verfahren betraut, die die Öffentlichkeit bewegten. Als Beispiel nannte Banzer die erstinstanzliche Entscheidung der 6.Kammer des Verwaltungsgerichtes im Jahr 1997, die dem Land Hessen auf dem Wege der einstweiligen Verfügung die Einführung der Rechtschreibreform untersagte.
6. 9. 2008
Guido Westerwelle: […] Wir haben eine Kultusministerkonferenz, die ja eine der mächtigsten Bildungsinstitutionen der Republik ist. […] Die hat ja die letzten Jahre Deutschland mit der erhebenden Fragen beschäftigt, ob man nach der Rechtschreibreform Schifffahrt mit zwei oder drei "f" schreibt. Eine solche Kultusministerkonferenz, die sich daran abarbeitet, aber die Schicksalsfragen der Kinder vernachlässigt, gehört aufgelöst […].
4. 9. 2008
Kraus hat sich als Kritiker der Rechtschreibreform hervorgetan und den so genannten Pisa-Schock verarbeitet, indem er ein Buch über den „Pisa-Schwindel“ schrieb.
2. 9. 2008
Für Verienträume, tatsächlich mit V geschrieben, wirbt orange auf gelb der Katalog, den ich am Wochenende meinem Briefkasten entnahm. Hat das Korrektorat des Herstellers gepfuscht? Oder ist die nächste flächendeckende Rechtschreibereform bereits umgesetzt? Beides nicht, wie im Vögele-Prospekt erklärt wird: «Wir schreiben Ferien seit 20 Jahren mit V, wie Vertrauen und Verlässlichkeit». Aha, alles klar.
30. 8. 2008
Gerade erst haben die Österreicher im Zuge der Rechtschreibreform ihren Sonderweg bei den Straßennamen aufgegeben: Auch in Wien heißt der Johann Strauß-Weg in Zukunft Franz-Josef-Strauß-Straße.
29. 8. 2008
Selbst Politiker geben immer häufiger Sprechblasen von sich, die eigentlich nichts aussagen. Verstärkt wird dieser Trend durch immer kürzer werdende Nachrichten-Schnipsel im Fernsehen, wild wuchernde SMS-Botschaften, eine comicartige Chat-Sprache im Internet, den Rückgang des Bücherlesens und die verwirrende Rechtschreibreform. Fast 80 Prozent aller Deutschen wissen heute nicht, wie sie bestimmte Wörter schreiben müssen. Mehr als die Hälfte ignoriert die Reform einfach.
Rechne: Wer die reform einfach ignoriert, weiss ja wohl, wie er schreiben muss. Das sind mehr als 50 prozent. Wer sind denn die 80 prozent aller deutschen, die nicht wissen, wie sie schreiben müssen?
26. 8. 2008
Wenn die Schweiz ein kommunistisches Weltreich wäre: Heute beginnen wir mit dem Vorabdruck von Christian Krachts Roman "Ich werde hier sein im Sonnenschein und im Schatten". […] Im neuen Roman […] benutzt er die Schweizer Rechtschreibung.
20. 8. 2008
Linguisten geben nicht viel auf strikte Richtig-Falsch-Unterscheidungen. Sie seien zwar bei der Orthographie unabdingbar, sagt Bruno Strecker vom Mannheimer Institut für Deutsche Sprache (IDS). Für die Grammatik gelte das aber weniger.
18. 8. 2008
Dr. Matthias Wermke ist Leiter der Duden-Redaktion. Mit ihm sprach Birgit Eckes über die Bilanz nach zehn Jahren Rechtschreibreform. […] Die neue Rechtschreibung wird zwar nicht geliebt. Aber sie ist im Alltag angekommen, trotz aller Unkenrufe. Mittlerweile wird sie in den meisten Publikationen verwendet, sogar in der FAZ. Und eine ganze Schülergeneration hat sie auch schon durchlaufen. […] Es ist eine alte Erfahrung der Duden-Sprachberatung, dass die Ratsuchenden nicht von uns wissen wollen, wie sie ein Wort schreiben können, sondern wie sie es schreiben sollen . . . Sie suchen nach eineindeutigen Regeln. Varianten entsprechen diesem Bedürfnis einfach nicht. […] Vielleicht haben sie (die Reformatoren) das Sicherheitsbedürfnis der Schreibenden unterschätzt.
Wie sagte doch Joachim C. Fest?
16. 8. 2008
[…] André Hellers Erzählung "Wie ich lernte, bei mir selbst Kind zu sein." […] Für künftige Auflagen sei dem löblichen Lektorat, falls vorhanden, mitgeteilt: Ungeachtet der Verheerungen der Rechtschreibreform heißt es nach wie vor "Triptychon", nicht "Tryptichon".
15. 8. 2008
Später kämpfte er gegen die staatlich verordnete Rechtschreibreform. Er schrieb eine Streitschrift über die von der Reform bedrohte „Aura der Wörter“ und verspottete in Versen die „hohen staatsgewalten“, die sich für den Vormund der Sprache hielten. Wenn „barbaren sie verwalten“, habe diese „den mund zu halten“. […] Die Leser der Deutschen Sprachwelt (DSW) wählten Kunze zum „Sprachwahrer des Jahres 2002“.
Im vergangenen Jahrzehnt ist er immer wieder gegen die Rechtschreibreform auf die Barrikaden gegangen. Auch nach der mittlerweile beschlossenen Reform der Reform kann Kunze der neuen amtlichen Schreibung nichts abgewinnen. «Es ist ein Chaos», sagt er. «Die Einheitlichkeit der deutschen Rechtschreibung ist zerstört, die Sprache wird eine lange Leidenszeit haben.»
Alle leidenden dieser welt haben unser mitgefühl! Wir sind allerdings der meinung, dass eine sprache nicht leiden kann, und schon gar nicht wegen der rechtschreibung.
Auch im Westen ließ Kunze sich nicht vereinnahmen. "Sie wollen nicht deinen Flug, sie wollen/ die Federn" sträubte er sich gegen die Mechanismen des Literaturbetriebs. Er beharrt auf und verharrt in der Sprache; vehement wehrte er sich gegen die Rechtschreibreform.
Von den mechanismen der «Empörungs-Kampagne» (Basler Zeitung) in sachen rechtschreibung liess er sich leider stark vereinnahmen.
14. 8. 2008
Zwar sind die Unzulänglichkeiten der Rechtschreibreform unübersehbar, doch die von der FDS vorgelegten Zahlen und deren Interpretation beweisen eigentlich nur eines: wie leicht wissenschaftliche Objektivität dem Wunsch, recht zu haben, zum Opfer fallen kann. […] Und was ist mit der Feststellung der Studie, gerade in den Bereichen, wo die Rechtschreibreform eingegriffen habe, sei die Fehlerhäufigkeit noch dramatischer angestiegen? Auch sie sagt nichts anderes aus, als dass es sich offenbar um besondere Stolpersteine handelt – die die Rechtschreibreformer ja gerade beseitigen wollten. Ob ihnen das gelungen ist oder nicht, ob heutige Schüler also ohne die Veränderungen besser oder womöglich noch mieser abschneiden würden, kann keiner mit Sicherheit sagen.
13. 8. 2008
Anders als bei der Erstversion der Reform wird nun wieder mehr zusammengeschrieben. […] Wegen dieser und manch weiterer Finessen hat sich der Rat für die deutsche Rechtschreibung jahrelang redlich abgemüht. Jetzt sind die honorigen Herrschaften am Ziel. Um sich dieses schöne Gefühl zu bewahren, sollten sie allerdings dringend vermeiden, SMS und E-Mails zu lesen.
11. 8. 2008
Wer fragt überhaupt, wem dieses seltsame Reformunternehmen nützt? Dazu gibt es eine klare Antwort: auf dem Buchmarkt den Konkurrenten des Duden-Verlages des Bibliographischen Instituts Mannheim / Wien / Zürich!
5. 8. 2008
Ich kann nur sagen: Zwei Rechtschreibreformen haben fast ein ganzes Volk zu Legasthenikern gemacht.
Am Ende herrscht nur noch das Chaos. Aber Moment mal, das kennen wir doch irgendwoher. Genau: von der Rechtschreibreform. Da war es ganz genauso: heiße Diskussionen, Übergangsregelungen. Alles sollte anders und viel besser werden, aber dann doch lieber nur ein bisschen oder – na ja, vielleicht noch mal überlegen ... Bis die ganze Sache von der Bildfläche verschwand. Seitdem schreibt jeder wie er will […]. Die Deutschen sind wohl das einzige Volk, das mit seiner eigenen Sprache nicht zurechtkommt.
Niemand werde Energie und Mut aufbringen, diese Reform noch einmal anzupacken, sagt Verbandschef Josef Kraus. Wer da noch Diskussionsbedarf habe, werde verständnislos angesehen, heißt es. Das Thema habe sich zumindest in der Schule "wahrscheinlich für eine ganze Generation erledigt."
Wir haben noch diskussionsbedarf. Und wir haben auch schon mehr als eine generation gewartet.
3. 8. 2008
Würde Herr Duden im Grab rotieren? Weil exakt 97 Jahre nach seinem Tod heute in Österreich die neue Rechtschreibung in Kraft tritt? Wohl kaum. […] Lassen wir den Duden ruhen, fix ist, dass ab sofort neue Schreibregeln gelten.
1. 8. 2008
Kein anderes Gesetzesvorhaben in der bundesdeutschen Nachkriegsgeschichte war so umstritten wie die Rechtschreibreform.
Die Dudenredaktion, so ihr Leiter, Dr. Matthias Wermke, „bleibt dem Anliegen Konrad Dudens nach einer einfachen, einheitlichen und für jedermann leicht anwendbaren deutschen Rechtschreibung verpflichtet.”
Seit der Diskussion um die deutsche Wiederbewaffnung dürfte es wohl keinen vergleichbaren medialen Aufruhr und dermaßen erhitzte Gemüter mehr gegeben haben: Vor genau zehn Jahren, am 1. August 1998, begann die Einführung der Rechtschreibreform in Deutschland. Nach zahlreichen Protesten und Änderungen hat sich nur ein kleiner Teil des Reformwerks durchsetzen können. In ihrer Mehrheit lehnen die Deutschen die neue Rechtschreibung nach wie vor ab.
Aus den hehren Plänen der "Kommission für Rechtschreibfragen" wird trotzdem nicht viel. Die Aufbruchstimmung und der Wunsch nach Chancengleichheit in den frühen siebziger Jahre hat in den Neunzigern längst einem eher traditionellen Sprachgefühl Platz gemacht.
Nach einer Untersuchung der Forschungsgruppe Deutsche Sprache, der einige Reformgegner angehören, haben die neuen Regeln das korrekte Schreiben an Schulen nicht erleichtert - im Gegenteil. […] Vor allem die Verwendung von Doppel-S und »ß« löse bei vielen Schülern noch Kopfzerbrechen aus. Die Gegner blicken hoffnungsvoll in die Schweiz, wo die Orthographische (oder Orthografische) Konferenz eine Reform der Reform anstrebt.
Aber zu fest dürfen die gegner auch nicht in die Schweiz blicken, sonst sehen sie, wie bei uns das gelöst ist, was ihnen «vor allem Kopfzerbrechen auslöst».
[…] fragwürdige Untersuchungen, nach denen die Rechtschreibfehler in Abituraufsätzen um 120 Prozent zugenommen haben. Das mag ja sein, die Frage bleibt nur, ob die Rechtschreibreform daran schuld ist und wie die Aufsätze nach alter Norm ausgesehen hätten. Um hier einen Vergleich ziehen zu können, hätten wir eine Kontrollgruppe zehn Jahre lang nach alter Rechtschreibung unterrichten und von der Reform abschirmen, sie andererseits aber der stetig zunehmenden Lese- und Schreibfeindlichkeit, dem Internet, dem Fernsehen, den PC-Spielen, der Handy-Sprache und den leistungsfremden Lehrplänen aussetzen müssen.
Während Ältere, die Sprache als hohen Wert ansehen, auf Korrektheit bei Rechtschreibung und Formulierungen achten, bekommen sie im Gegenzug Briefe von ihren Enkeln, die von großer sprachlicher Gleichgültigkeit zeugen. Ohnehin möchten viele Jugendliche am liebsten nur noch SMS schreiben, auf dem Handy regiert der Abkürzungswahn.
Der übliche kulturpessimismus, den wir schon von den alten griechen kennen. Ausser dem mit den sms natürlich. Aber hatte nicht mal die stenografie den gleichen zweck wie der abkürzungswahn? Als wahn wurde das damals nicht bezeichnet.
Bei feststehenden Begriffen wie Blauer Brief, Gelbe Karte oder Heilige Vater (der auch in der ersten Reform groß belassen worden war) soll wieder dem allgemeinen Schreibgebrauch folgen und großgeschrieben werden.
Zurückkorrigiert? Reformiert! Siehe kommentare zu Bündner Tagblatt, 31. 7. 2006 und Die Welt, 1. 8. 2007.
Das Kreuz mit der aktuellen Rechtschreibreform analysiert Standard-Korrektor Markus Tinhof: "Der große Wurf ist an Kleingeisterei gescheitert." Zu viele Vetos und Abänderungen hätten die Entwürfe zerstört. Die anfangs angedachte generelle Kleinschreibung konnte nicht umgesetzt werden, in mehreren kleinen Schritten wurde immer wieder zurückkorrigiert. "Grundsätzlich war die Reform dringend notwendig", sagt Tinhof, "um nicht in einen Notstand zu kommen, wie es im Englischen und Französischen der Fall ist", wo zwischen der gesprochenen und der Schriftsprache eine große Lücke klafft. Nach Tinhof hätte die Reform aber "wesentlich radikaler" durchgesetzt werden müssen. Dafür ist es nun zu spät.
Es ist nie zu spät.
31. 7. 2008
Zwei Jahre später ist der Rechtschreibrat zwar nicht abgeschafft, erfüllt seine Aufgaben aber ohne großes öffentliches Interesse. Dabei sollen Schreibweisen nun keineswegs ewig in Stein gemeißelt bleiben. „Änderungen sind möglich“, sagte Zehetmair. An den Schulen wird das nicht mehr für große Aufregung sorgen. „Das Thema ist vollständig durch, da kräht kein Hahn mehr nach“, sagt die Schulexpertin der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Marianne Demmer.
Die umstrittene Rechtschreibreform ist damit ab Anfang August vollständig umgesetzt. Die neuen Rechtschreibregeln würden ohnedies schon von mehr als 95 Prozent der Schüler angewendet. Ihm seien auch keinerlei Rückmeldungen bekannt, dass es zu größeren Problemen komme, sagte Blüml.
30. 7. 2008
Die Forschungsgruppe Deutsche Sprache selbst hat sich alle Mühe gegeben, diese Lücken in ihrer Argumentation zu verschleiern. Aber sowohl aus der am Montag veröffentlichten Kurzfassung der Studien, die offenbar die Grundlage für den "Bild"-Artikel ist, als auch aus einem Vortragsmanuskript ihres Autors Uwe Grund hätte "Bild"-Redakteur Vehlewald erkennen können, dass seine Aussage "Wegen Rechtschreibreform machen Schüler mehr Fehler" nicht gedeckt ist.
Die Aufregung hat sich gelegt, die Unzufriedenheit bleibt. […] In ihrer Mehrheit lehnen die Deutschen die neue Rechtschreibung nach wie vor ab. […] Als Nachteil erwies sich bald, dass über die Arbeit am neuen Regelwerk von den Medien kaum berichtet worden war. So erfuhr die Öffentlichkeit von der Tragweite der Reform erst, als sie bereits beschlossene Sache war. Umso heftiger begann ab Herbst 1996 die Diskussion in Deutschland. Zu einer schweren Hypothek für die Reform wurde dabei, dass sich nahezu alle namhaften deutschen Schriftsteller, aber auch angesehene Institutionen wie die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung gegen die Reform stellten.
Fahrlehrer Wolfgang Rüdiger traute seinen Augen kaum, als er die auf die Straße gemalten Hinweise sah. Am Stück gelesen klingen sie chinesisch: "Sin-Sin-Mai" und "Gen-Gen-Nau". Denn die Richtungen auf den drei Spuren sind übereinander geschrieben: B33/Singen und Fähre/Mainau. Rüdiger, der sich mit dem Technischen Hilfswerk jüngst in China aufhielt, wundert sich über diese Art von "Rechtschreibreform": "Seit ich aus China zurück bin, habe ich bemerkt, das wir anscheinend eine neue Schreibweise in Deutschland bevorzugen."
Betrachtet man die immer noch karge empirische Grundlage insgesamt, so sind die Daten zu widersprüchlich, ihre möglichen Deutungen zu vielfältig […], als dass man daraus klare Folgerungen für den „Erfolg“ der Rechtschreibreform ableiten könnte. Hinzu kommen die Schwierigkeiten, solche Längsschnittvergleiche methodisch angemessen zu interpretieren […].
Der Rat für die deutsche Rechtschreibung will bei seiner nächsten Sitzung im Herbst eine groß angelegte Untersuchung über die neue Rechtschreibung beschließen. Das Konzept dafür sei bereits fertig, nun werde noch nach einer Finanzierung gesucht, sagte Blüml. Dabei sollen in Österreich, Deutschland und der Schweiz einerseits verschiedenste Publikationen analysiert, andererseits Untersuchungen an Schulen durchgeführt werden. "Wir wollen feststellen, ob es eventuell noch Knackpunkte in der Akzeptanz gibt", sagte Blüml.
Und ob es vielleicht knackpunkte in der akzeptanz der 98% unveränderten schreibungen gibt?
29. 7. 2008
Die reformkritische Forschungsgruppe Deutsche Sprache fand heraus: Die Fehlerquote in Aufsätzen und Diktaten hat sich teilweise massiv erhöht.
Die erste Bilanz zeige offenbar, dass die hier keine Rede von einer „Vereinfachung der Schreibung“ sein kann, bilanziert Grund. Eine leicht verständlichere Orthografie war damals jedoch das Argument schlechthin für die Reform gewesen.
Wir sprachen mit Hans Zehetmair, Vorsitzender des Rechtschreibrates, über weitere Änderungen, sein schwierigstes Amt und den Unterschied zwischen „pleitegehen” und „Pleite machen”. […] Wenn, dann kann man die Frage stellen, ob die Reform überhaupt hätte gemacht werden sollen. Das ist aber Schnee von gestern. Ich habe die Verantwortung zu einem Zeitpunkt übernehmen müssen, als die Reform ziemlich unbefriedigende Ergebnisse aufwies. Es ist dann gelungen, einen Konsens herbeizuführen und vieles in die alte Regelung zurückzuführen. Für die Aufregung heute gibt es daher keinen Grund.
Nach zahlreichen Protesten und Änderungen hat sich nur ein kleiner Teil des Reformwerks durchsetzen können. In ihrer Mehrheit lehnen die Deutschen die neue Rechtschreibung nach wie vor ab. «Man wollte eine sehr grundsätzliche Reform machen», sagte Ludwig Eichinger, der Leiter des Mannheimer Instituts für Deutsche Sprache (IDS) in der Rückschau: «Das ist zumindest sehr schwierig bei einer Sprache, die eine sehr lange Schreibtradition hat.»
28. 7. 2008
Schüler an deutschen Schulen machen seit dem Inkrafttreten der Rechtschreibreform vor zehn Jahren annähernd doppelt so viele Fehler wie zuvor. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die Uwe Grund auf der Jahrestagung der Forschungsgruppe Deutsche Sprache (FDS) am Wochenende in Stuttgart vorstellte.
Aktuell geistern Befunde durch den Blätterwald (Bild, Focus, Börsenblatt usw.), die belegen sollen, dass sich die Schülerleistungen als Folge der Rechtschreib-Reform deutlich verschlechtert haben. Die Medien beziehen sich auf einen Vortrag des Germanisten Uwe Grund vor der Forschungsgruppe Deutsche Sprache, die der Rechtschreibreform generell kritisch gegenübersteht. Auch wenn die in seinem Bericht publizierten Daten (z. B. zur s-/ss-/ß-Schreibung) Anlass für ernsthaftes Nachdenken und weitere Analysen sein müssen, rechtfertigen sie das harsche Urteil nicht.
27. 7. 2008
Zum 5. Todestag von Hansgeorg Stengel am 30. Juli stellen wir Ihnen noch einmal den Schriftsteller vor, der es verstand, mit der deutschen Sprache zu spielen. […] Wende und Rechtschreibreform konnten ihm nichts anhaben, denn sein Name schrieb sich immer noch mit "e". […] Unsere Sendung bringt hauptsächlich Stengel im O-Ton: auf der Bühne, im Gespräch über seine Arbeit, über die Mentalität der Thüringer, im Interview zu Zeitereignissen, wie z. B. der Rechtschreibreform.
25. 7. 2008
Am 31. Juli 2008 endet die Übergangsfrist für die neuen amtlichen Regeln der deutschen Rechtschreibung in Österreich und Südtirol. […] Deutschland war das erste Land, das die überarbeitete Rechtschreibung mit 1. August 2007 vollständig umgesetzt hat. In der Schweiz und in Liechtenstein endet die Übergangsfrist am 31. Juli 2009.
24. 7. 2008
Vielleicht haben die immer wieder aufflackernde Auseinandersetzung um die Rechtschreibreform, die alltäglich gewordene Erfahrung von Anders- und Mehrsprachigkeit und nicht zuletzt die Verbreitung des Englischen die Öffentlichkeit für Sprachfragen sensibilisiert.
"Viele schreiben die allermeisten Wörter ohnehin richtig", beruhigt Cerwenka. Es fehle ihnen aber die Sicherheit beim Umgang mit der deutschen Sprache - nicht zuletzt wegen der öffentlichen Diskussion um die Rechtschreibreform des Jahres 2006.
23. 7. 2008
Immer wieder komme es zu Sprach- und Sinnverwirrungen bei Behördenzustellungen. Gar zu Prozessen, wenn der Steuerpflichtige GROSS den Bescheid des Finanzamts abweise, weil er GROß heisst. […] Hier wurde das Eszett schon lange durch ein ss ersetzt. Wegen der typographischen Vereinfachung im Vier-Sprachen-Land, nicht wegen der deutschen Steuerfahndung.
21. 7. 2008
Vor kurzem wurde im Deutschen ein Buchstabe eingeführt, den niemand vermisst hat: das große „ß“. Komplett entbehrlich, findet unser Kolumnist. Und stellt das kleine „ß“ gleich mit auf den Prüfstand. […] Puristen werden jetzt einwenden: Was ist mit Wörtern wie Maße und Masse, die doch eine völlig unterschiedliche Bedeutung haben, also auch unterschiedlich geschrieben werden müssen? In der Schweiz behilft man sich mit dem Kontext, und das funktioniert gut. […] Zudem gibt es im Deutschen viele Wörter, die identisch geschrieben werden, obwohl sie eine unterschiedliche Bedeutung haben […]. Gottlob ist noch niemand auf die Idee gekommen, zur besseren Unterscheidung Bank und Bannk, Schalter und Schallter, Pension und Pennsion zu schreiben, denn was gemeint ist, erschließt sich aus dem Zusammenhang. Ergo: Das „ß“ kann man getrost vergessen – und abschaffen.
18. 7. 2008
Ob Mindestlöhne oder Gesundheitsreformen – die größte Angst ist hierzulande immer die vor dem Laisser-faire. Nicht einmal die zaghafte Rechtschreibreform war willkommen, denn auch da ging es vor allem um die Frage, wie viel Freiheit wir im Deutschen dulden wollen. Der größte Gewinn der Rechtschreibreform besteht just in dem, was die Reformgegner am meisten aufregt. Es ist die Liberalisierung der Schreibweisen. Die Zahl der Regeln wurde halbiert, vieles Strittige ins Belieben gestellt, die verzwickte Kommasetzung durch weitgehende Freigaben ersetzt. Freigeben, Regeln halbieren, Belieben des Einzelnen – ja wo kommen wir denn da hin! In einer Welt der Ladenschlussgesetze, der Radarfallen und Habilitationsordnungen sind liberale Sphären unter Generalverdacht.
17. 7. 2008
Die Debatte um die Rechtschreibreform und, erst kürzlich, die Diskussion um die achtjährige Gymnasialzeit haben gezeigt, wie anfällig der kulturelle Föderalismus dafür ist, Entscheidungen von nationaler Tragweite im Zwielicht der Hintergrundgremien nach Maßgabe des Mittelmaßes zu treffen.
16. 7. 2008
Nun gehen allerdings nicht alle Hochschulmitarbeiter mit dem gleichen Elan die Neukonzipierung der Lehrinhalte an. Ähnlich wie bei der Rechtschreibreform wollen sich viele nicht auf einen von oben verordneten Prozess einlassen.
14. 7. 2008
Die "Bild"-Titelseite mit dem prügelnden Joschka Fischer, FAZ-Chef Frank Schirrmachers Aktion gegen die Rechtschreibreform, genauso wie Friede Springers Unterstützung von Angela Merkel: Wie eng Medien und Politik hierzulande bei aller zur Schau getragenen Distanz verbandelt sind, ist eine Binsenweisheit. Scheinbar. […] Die Herausgeberinnen Barbara Pfetsch und Silke Adam setzen mit diesem Sammelband ganz explizit auf die Annahme, dass Medien "Realität konstruieren", distanzieren sich jedoch gleichzeitig von dem Pauschalvorwurf des absichtsvollen medialen Manipulierens […].
11. 7. 2008
Stolpersteine wie, um nur ein Beispiel zu nennen, «ein schwer wiegendes Delikt» (wie schwer war es denn, dieses Delikt, 1 kg, 10 kg oder mehr?) fallen damit dahin.
Für uns gilt «Spanien als Vorbild».
Na endlich. Schade, dass der «Tages-Anzeiger» diesen Unsinn überhaupt mitgemacht hat.
"Naßkalt" schreibt er, mit "ß", denn Grass verweigert sich der Rechtschreibreform, als sei sie eine törichte Mode.
In Kulturnationen wie Frankreich ist es selbstverständlich, dass man gegen die Zerstörung der Sprache durch das "Franglais" mit gesetzlichen Mitteln vorgeht. In Deutschland ist leider Abhilfe nicht in Sicht. Im Gegenteil: Durch eine sogenannte Rechtschreibreform wird die Deutsche Sprache auf die Phonetik der Unterschicht reduziert.
10. 7. 2008
Ich sehe in der Chronologie seit der Gründung der BRD zur endgültigen Abspaltung 1949 bis zur DDR-Heim-ins-Reich-Holung 40 Jahre später samt Rechtschreibreform bis zu Hartz IV ein und denselben Krankheitsverlauf spätbürgerlicher Diktatur mit karikaturistischer Hinwendung zum Mittelalter.
9. 7. 2008
Man hält förmlich den Atem an: Seit Bekanntgabe der letzten Umfrage ist die seit 1. Juli 2007 zum Unwort gewordene Rechtschreibreform wieder ein Thema - dreimal in einer Woche!
8. 7. 2008
Im «Tages-Anzeiger» wird seit 1998 weitgehend nach den neuen Regeln geschrieben. Die Reform stiess jedoch vielerorts auf Widerstand, was dazu führte, dass die neuen Regeln 2004 und tiefgreifender 2006 überarbeitet wurden. Ab heute übernimmt der «Tages-Anzeiger» grösstenteils diese revidierte Rechtschreibung […].
3. 7. 2008
Doch seit der neuen (oder reformierte) Rechtschreibung ist ß und ss für die Aussprache der davorstehenden Vokale bedeutsam: ß oder ss sind beide stimmlos, aber ß steht immer nach langem Vokal bzw. Diphtong (Fuß, groß, Fleiß … ), das ss nach einem kurzen (Hass, muss, kross … ). Fast automatisch neigt man dazu, ein GROSS wie kross auszusprechen, sodass allein diese Tatsache für ein großes ß spricht. Hinzu kommen beim Einsatz von Großbuchstaben Verwechslungen (MASSE von Maße oder Masse?) und verfälschte Eigennamen (HERR STRAUSS).
1. 7. 2008
"Ich bin Komponist, Kabarettist, Klavierist, Kirchenmusiker" sagt Masuth über Masuth. […] Die Millionen für eine Rechtschreibreform, die niemand braucht und keiner will, wären in dichten Dächern besserer Schulen willkommener. "Beim Pleitegehen ging man auch früher schon ganz klein auseinander."
7. 2008
Doch kaum ein Gebiet ist, sieht man mal von den Wörterbuch-Verlagen ab, derart frei von wirtschaftlichen Interessen wie die Rechtschreibung: Was im deutschen Sprachraum seit langer Zeit einem Expertengremium überlassen bleibt, könnte durch kollektive Entscheidungsfindung nun wirklich nicht mehr schlimmer werden. […] Aber wenn schon die Schriftgelehrten das altbekannte Problem […] nicht in den Griff bekommen können, dann wäre es wohl höchste Zeit, interessierte Bürger aktiv an der Weiterentwicklung der Sprache teilhaben zu lassen - im Zweifelsfall kann man ja über die beliebtere Schreibweise abstimmen lassen.
Mir jedem wort, das wir (in eigener verantwortung) schreiben, stimmen wir ein bisschen ab . . .