Bei der neuen Rechtschreibung soll die Getrenntschreibung der „Regelfall“ sein! […] Auf den ersten Blick schaut diese Getrenntschreibung bestechend einfach aus, in Wirklichkeit wird dabei nicht nur die Hälfte aller Wörter beseitigt, vernichtet oder verstümmelt, es können auch gewisse Intentionen nicht mehr klar zum Ausdruck gebracht werden. Bei der generellen Getrenntschreibung gibt es keine Möglichkeit mehr, die Bedeutung im wörtlichen Sinne von der Bedeutung im figurativen bzw. übertragenen Sinne zu unterscheiden […].
Bund für vereinfachte rechtschreibung (BVR)
Aus presse und internet
2021-12-31
2021-12-27
Vor 25 Jahren fiel der Beschluss zur Rechtschreibreform. Sie wurde ein Desaster. Und dass der Staat sich an der Sprache vergriffen hat, hat dazu geführt, dass heute jeder glaubt, er könne das auch tun. Eine Streitschrift.
Also: Der staat darf sich nicht an der sprache vergreifen (hat er allerdings auch nicht) – und «jeder» darf es auch nicht. Wem gehört denn die sprache? Herrn Strebe? Gott?
2021-12-22
"Schiller's Werke" war bis zur Rechtschreibreform von 1901 richtig, daher ist "Rudi's Wirtshaus" verzeihliches Denglisch, schlimm aber der nicht seltene Plural mit Apostroph: "für Party's zu mieten".
2021-12-21
Er war engagiert im Sinne einer Reform der Orthografie tätig, die empirische Befunde ernstnehmen und daran orientiert sein sollte, auftretende Schwierigkeiten mit der Schreibung auch als Hinweise auf Schwächen der Regelung zu lesen und nicht (nur) als Schwächen der Schreibenden.
2021-12-19
Die Duden-Redaktion hat in diesem Jahr mehr als 500 neue Wörter in den Online-Duden aufgenommen. […] Chefredakteurin Kathrin Kunkel-Razum sagte dem Evangelischen Pressedienst, dies sei etwa ein Viertel mehr als in früheren Jahren. 2021 sei ein sehr sprachbewegtes Jahr gewesen, in dem so viel über Sprache diskutiert worden sei wie seit der Rechtschreibreform 1996 nicht mehr.
2021-12-16
Bei der Vorbereitung der Rechtschreibreform stand die Großschreibung ebenfalls zur Diskussion. Die Frage stellt sich: Ist sie ein Nachteil? […] Vor allem aber ist die grammatisch begründete Großschreibung eine Erleichterung für die Leser. Bereits beim flüchtigen Lesen erkennen wir die Gliederung des Satzes. Auch erkennen wir an der Großschreibung mühelos die Substantivierungen […]. Diese Rechtschreibung ist eine leserfreundliche Schrift.
Hannover hat gendergerechte Sprache in der Verwaltung angeordnet, nun liegt ein Rechtsgutachten vor. […] Verfasserin ist Ulrike Lembke, Professorin für Öffentliches Recht und Geschlechterstudien an der Humboldt-Universität. […] Die gängigen Einwände gegen die geschlechtergerechte Sprache weist Lembke zurück. […] Lembke weist auch zurück, dass die deutsche Sprache staatlicher Regulierung entzogen bleiben müsse, weil sie ihr als Allgemeingut vorgeordnet sei. Das Bundesverfassungsgericht habe in seinem Urteil zur Rechtschreibreform klargestellt, dass es ein solches Regelungsverbot für den Staat nicht gebe.
2021-12-13
Bildungsexperten der Ständigen Wissenschaftlichen Kommission der Kultusministerkonferenz (SWK) sind besorgt. Denn: „Deutschlandweit verlassen noch immer zu viele Kinder die Grundschule, ohne ausreichend lesen und schreiben zu können“, sagte Felicitas Thiel, Professorin für Schulpädagogik und Schulentwicklungsforschung an der Freien Universität Berlin am Montag. […] Mit Blick auf die Lese- und Schreibkompetenz von Kindern sagte Thiel, man werde sich der „Frage widmen, wie der Unterricht aussehen muss, um alle Kinder, unabhängig von Wohnort, Herkunft und Elternhaus, bestmöglich zu fördern und fordern.“
2021-12-09
Ein Radiobeitrag und eine Onlinepublikation von SRF zur Kontroverse über einen Mobilfunkexperten waren nicht sachgerecht. Dies gilt ebenfalls für einen Instagram-Kommentar von SRF über das Gendern mit Doppelpunkt. Die entsprechenden Beschlüsse hat die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen UBI an ihren heutigen öffentlichen Beratungen gefasst. […] Zum ersten Mal bildete ein Instagram-Beitrag Gegenstand einer Beschwerde. Zu einem Bild mit dem Text "Er ist barrierefrei: Wir gendern neu mit Doppelpunkt" teilte SRF News am 14. April 2021 im dazugehörigen Kommentar (Caption) die Gründe für diesen Wechsel von Gendersternchen auf Doppelpunkt auf ihren Social-Media-Kanälen mit. Darin wurde namentlich auch Bezug auf die Gesellschaft für deutsche Sprache (Gfds) genommen, welche "diesen pragmatischen Einsatz der Kurzform durchaus anerkenne". Die Rüge des Beschwerdeführers, wonach dieser den Wechsel legitimierende Hinweis falsch sei, ist berechtigt. Die Gfds rät nämlich von Varianten der geschlechtergerechten Sprache ab, die nicht der deutschen Rechtschreibung entsprechen. Dazu zählt sie ausdrücklich auch den Doppelpunkt.
2021-12-08
Kniggetrainerin Sabine Lansing zur Frage des richtigen Umgangs mit der schriftlichen Anrede. […] Nach der neuen deutschen Rechtschreibreform wird die Anrede kleingeschrieben, darf aber auch in Briefen - eher selten heutzutage - in E-Mails, Post-its und Chatnachrichten auch großgeschrieben werden.
Auch nach der alten deutschen rechtschreibung.
2021-12-01
Sicher ungewollte, aber wirkungsvolle Wegbereiter der modernen Sprachverwirrung sind diejenigen, von denen wir eigentlich den Schutz der Sprachkultur erwarteten: die Gelehrten nämlich, die die Reform der deutschen Rechtschreibung zu verantworten haben. Zwar dürfte kein Deutschlehrer Probleme gehabt haben, die neuen Regeln und all ihre Änderungen jeweils rasch in seinen täglichen Sprachgebrauch zu integrieren, doch für all diejenigen, denen es schon vor der Reform Mühe bereitet hatte, einen fehlerfreien Satz hinzukriegen, für die gabs nun gar keinen Halt mehr. Richtig? Falsch? Die von der Schule durchs Leben geschleppte Demütigung der ungenügenden Deutschnoten durfte einem Gefühl der Befreiung weichen: Spätestens seit Mitte der 2000er Jahre schreibt jeder anders, selbst die Journalisten, gefühlt gibts kein Falsch mehr. Nur der ungeliebte Deutschlehrer kann noch sagen, was in dem Durcheinander wirklich falsch ist. Vor allem bei den Nutzer-Kommentaren im Internet zeigt sich, wie weit die Verwahrlosung der Sprache fortgeschritten ist. Grammatikregeln, Zeichensetzung und Rechtschreibung sind dem Zufall überlassen, zu den klassischen Konflikten mit der Rechtschreibung gesellen sich wirre Interpretationen der Rechtschreibereform.
Waren die internetkommentare vor 1996 besser?
2021-11-24
Viele Hochschulen empfehlen ihren Mitarbeitern das Gendern oder schreiben es sogar vor. Die Wissenschaftsfreiheit setzt ihnen Grenzen. […] Die Persönlichkeit eines Menschen drückt sich auch in seiner Sprache aus. Sie hat eine individuelle Prägung und kann wie der Kleidungsstil unauffällig, angepasst, extrovertiert oder trendbewusst sein. Vorgaben zur Sprachgestaltung können mit dem Wunsch nach einem persönlichen Sprachstil kollidieren. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur „Rechtschreibreform“ enthält das Grundgesetz keine Vorschriften über die richtige Schreibung der deutschen Sprache und kein Verbot, die Rechtschreibung zum Gegenstand staatlicher Regelung zu machen.
2021-11-23
Germanistik-Professorin Nanna Fuhrhop spricht im Interview über Sprachverfall an Hochschulen, Kommata und soziale Medien. [… Fuhrhop:] Die Orthographie wird schon schlechter, aber der Wortschatz steigt an – und hier kann man noch einen Schritt weiter gehen, denn wenn der Wortschatz größer wird, ist ja auch klar, dass potentiell mehr Wörter falsch geschrieben werden. Das betrifft jetzt die Orthographie, hier haben wir tatsächlich viele Regeln.
2021-11-20
«Forwärts Freiburg» heisst es auf dem Plakat der bürgerlichen Staatsratskandidierenden. Nun stellt sich die Frage: Wie kam dieses F auf das Plakat?
2021-11-19
In der Pressemitteilung des Rates soll geschlechtergerechte alles sein, nur nicht geschlechtergerecht. Wichtiger scheint ihnen, dass das Erlernen des „fehlerfreien“ Schreibens nicht erschwert wird. So als wenn nicht die Sprache ein Werkzeug der Kommunikation wäre, sondern der Zweck der Kommunikation eine fehlerfreie Sprache? Die letzte Rechtschreibreform hat ja für viel Chaos gesorgt. Da kann man schon an der Kompetenz dieses Rates zweifeln.
2021-11-07
Der Autor und Informatiker Bernd Wolfinger kommt für einen Vortag seiner „mathematisch-orientierten Rechtschreibreform“ in die VHS Schenefeld. […] Bernd Wolfinger liebt Sprachen und deren Grammatik. […] Und: Er ist studierter Mathematiker und pensionierter Professor der Informatik. […] Die „mathematisch-orientierte Rechtschreibung“ hat Wolfinger selbst erfunden. Mit ihr werden in Wörtern und Sätzen Buchstaben durch Zahlen und Mathe-Formeln ersetzt.
2021-11-02
Gestern „abend“ waren wir im Kino. So schrieb man jahrzehntelang, doch so ist es seit der Rechtschreibreform nicht mehr. Die Bezeichnung von Tageszeiten nach Adverbien wie „gestern, heute“ oder „morgen“ werden seit 1996 als Substantive angesehen und großgeschrieben […]. Die laute Kritik an dieser Neuerung war unüberlegt, denn eigentlich handelte es sich bereits damals bei den Tageszeiten um keine Adverbien, sondern um Substantive. Schrieb man „gestern am Abend“, so musste und muss der Abend großgeschrieben werden. Es entbehrt jeder grammatischen Logik, den Abend als Wortart abzustufen, wenn die Präposition „am“ wegfällt.
2021-10-29
Selten habe ich so viele Rückmeldungen auf meine Kolumne erhalten wie auf diejenige zum Eszett. […] Ich hatte hier geschrieben, dass sich die Schweiz in der Nazizeit durch den Verzicht auf das ß von Deutschland abgrenzen wollte. Das lässt sich belegen. Und doch begann das Ende des Eszett auch aus einem anderen Grund, nämlich mit einer grossen Schweizer Erfindung des 20. Jahrhunderts: der Hermes Baby.
2021-10-23
Zwang oder Toleranz in der Orthografie? Der Reformeifer der Westschweizer Regierungen stösst auf gehörigen Widerstand. […] Die neue Rechtschreibung gibt es im Französischen seit 1990. Ob sie sich durchgesetzt hat, ist umstritten. In den Wörterbüchern ist die klassische Schreibweise die Norm, die neue Rechtschreibung wird als Variante aufgeführt.
2021-10-22
Mit einer Rechtschreibreform könnte auch eingeführt werden […]: «der», «die» und «das» werden durch das neutrale englische «the» ersetzt.
Das wäre eine sprach-, keine rechtschreibreform.
2021-10-18
Die deutsche Sprache ist auf Augenhöhe mit der deutschen Steuergesetzgebung: ein Dschungel, von der letzten Rechtschreibreform nur notdürftig eingehegt, in dem alles bis ins letzte Detail geregelt ist, um möglichst keinen Spielraum für Fehlinterpretationen jenseits der reinen Lehre zu lassen.
2021-10-17
Doch narrensicher sind die vereinfachten Regeln selbst nach ihrer Nachjustierung 2004 und 2006 nicht. […] In unserem Quiz können Sie den Spass ausprobieren.
Sechs Berliner Schriftgestalterinnen über Lettern, die ihnen die Welt bedeuten. […] Mein Lieblingsbuchstabe ist das große Eszett oder Versal-„ß“. Es ist nicht nur der neueste Buchstabe des deutschen Alphabets, sondern auch so schön umstritten!
2021-10-16
Zu all dem kommt hinzu, dass Bildungspolitik weitgehend eine Sache der «Bildungsbeamten» geworden ist. Klares Beispiel ist die schweizerische politische Erziehungsdirektorenkonferenz (EDK), die laufend über die Köpfe der Lehrerschaftsverbände hinweg Reformen einführt, die ihre Beamten ausbrüten, die sie auch teilweise aus dem Ausland, etwa aus Deutschlands Kultusministerkonferenz, blindlings übernimmt. Die seinerzeitige katastrophale Reform der deutschen Rechtschreibung ist ein Beispiel solcher Politik unter anderen, mit denen wir jetzt ohne Gegenwehr leben müssen.
Gab es eine gegenwehr der lehrerschaftsverbände?
Als die Rechtschreibform 1996 kam, war unsere Tochter in der Grundschule und musste die deutsche Schrift-Sprache lernen. Ich verzweifelte ob der vielen Unsinnigkeiten. Und das Schlimmste daran war, dass ausgerechnet meine Generation, die der Alt-68er also, für diesen Unsinn verantwortlich war!
„Das“ und „dass“ klingen keineswegs gleich.
Doch.
Die durch diese „Reform“ durchgesetzten Neuschreibungen sind lächerlich geringfügig […], haben aber trotzdem einen immensen Schaden angerichtet: beim Schreiben, auch beim Lesen, finanziell und für das Ansehen der deutschen Sprache und Literatur.
Nein, sehr geehrte Frau Pollatschek, auch nach der Rechtschreibreform ist die Sprache nicht logisch geworden (vergleiche zwischenzeitlich „Ketschup“). Das war sie noch nie und wird sie auch nie sein und ist auch weder ihre Aufgabe, noch entspricht es ihrem Wesen.
Ein Problem freilich wurde dabei nicht bedacht: die Dialektfärbung der Sprache. […] Im Österreichischen akzeptiert man „Spass“ als Schreibvariante, warum nicht auch in Deutschland?
Sie lebten doch lange in Oxford und Cambridge: Käme dort irgendjemand auf die Idee, die englische Orthografie nach der gesprochenen Sprache zu ändern? Es wäre undenkbar.
Es ist denkbar: The English Spelling Society.
Wieder schrauben Politiker im Namen des Fortschritts an der deutschen Sprache herum. Erneut versichert man uns, die neuen Regelungen würden keinem aufgezwungen. Das war schon vor 25 Jahren eine Lüge.
2021-10-15
Wo in allen anderen deutschsprachigen Regionen ein ß geschrieben wird, steht in der Schweiz konsequent ein ss. Das führt öfters zu Unklarheiten.
«Öfters» ist masslos übertrieben.
2021-10-12
Katharina Gerhardt ist seit über 20 Jahren als freie Belletristik-Lektorin für verschiedene Verlage tätig. Ob Gendern sinnvoll ist, hängt ihrer Ansicht nach von der Aktualität eines Textes, von dessen Schauplatz sowie von den Figuren ab. […] Die Heftigkeit der Debatte in der Politik kann die Lektorin nicht nachvollziehen. Gerhardt sieht Parallelen zur Rechtschreibreform: Was gab es da für Grabenkämpfe – inzwischen habe sich jeder daran gewöhnt.
2021-10-11
[…] auch in Verlagen wird über geschlechtergerechte Sprache diskutiert. […] "In der Politik wird diese Frage viel kontroverser diskutiert als in der Literatur", sagt Katharina Gerhardt, die seit über 20 Jahren als freie Belletristik-Lektorin für verschiedene Verlage tätig ist. […] Die Heftigkeit der Debatte in der Politik kann die Lektorin nicht nachvollziehen. Gerhardt sieht Parallelen zur Rechtschreibreform: Was gab es da für Grabenkämpfe – inzwischen habe sich jeder daran gewöhnt. Genauso wandle sich gerade das Bewusstsein für geschlechtergerechte Sprache.
2021-10-08
Vor 25 Jahren habe ich mich […] der von Friedrich Denk angestoßenen "Frankfurter Erklärung gegen die Rechtschreibreform" […] angeschlossen und sie mitunterzeichnet. Für mich als Wissenschaftler, der viel mit historischen Texten beim Zitieren und Edieren zu tun hat, war es ein Unding, beides, die alte und die neue Rechtschreibung, nebeneinander zu gebrauchen. Mit der Zeit trat ein Gewöhnungseffekt an die neuen Rechtschreibregeln ein […].
2021-10-06
Vor 25 Jahren erschien der Duden mit der neuen deutschen Rechtschreibung. […] Die Deutsche Sprache drohte vor die Hunde zu gehen – glaubt man der 1996 erschienen «Frankfurter Erklärung zur Rechtschreibereform». […] Manche Änderungen wurden aufgrund des Widerstandes zurückgezogen. Die Gegner konnten den «Filosofen» und die «Majonäse» verhindern.
«Filosofen» wurden (leider) gar nicht vorgeschlagen (stichwort ph) und «Majonäse» stand 1942 bis 2013 im duden.
Anlässlich der Frankfurter Buchmesse erschien 1996 die «Frankfurter Erklärung zur Rechtschreibreform».
Das Binnen-I, die Gendersterne, die Unterstriche und die Doppelpunkte im Wortinneren werden sich nicht durchsetzen. Zu kompliziert und auch divergierend sind die Lösungsansätze.
2021-10-05
Initiiert wurde die Erklärung vom Weilheimer Gymnasiallehrer Friedrich Denk, der die Reform als „Terrorismus durch Orthographie“ bezeichnete, eine Bezeichnung, die Menschen wie ich jederzeit unterschreiben würden, allerdings auch ganz ohne Reform. Wie groß die Proteste waren, wie heftig die Debatten, die in den Feuilletons der Republik ausgetragen wurden, wie ernstgemeint die Erklärungen in renommierten deutschen Zeitungen, dieses Neudeutsch niemals abzudrucken, wie erbarmungslos man sich über Sprache streiten kann, all das kann man sich heute fast nicht mehr vorstellen.
2021-10-02
„Unter historischer Perspektive haben Grundschüler mit Gymnasialempfehlung heute einen größeren Wortschatz und flexiblere Ausdrucksmöglichkeiten, während die Sicherheit in der Rechtschreibung eher zurückgegangen ist“, sagt Projektleiterin Ursula Bredel von der Stiftung Universität Hildesheim. Der Ludwigsburger Sprachwissenschaftler Dirk Betzel hat das genauer untersucht – mit 1000 Texten von Grundschülern aus Nordrhein-Westfalen von 1972 bis 2012. Der Fehlerquotient bei der Großschreibung stieg darin deutlich von 3,1 auf 11,2. Aber Betzel sagt, daraus könne man keine generelle Tendenz zur Verschlechterung ableiten, da dies nur eine Facette sei.
2021-09-30
Der häufigste Rechtschreibfehler in Deutschland ist das falsche „das“ oder „dass“.
Über das Erlernen der deutschen Rechtschreibung hat sich der Vorstandsvorsitzende der Stiftung Polytechnischen Gesellschaft Gedanken gemacht. Ein Gastbeitrag. […] Liegt es vielleicht an der Rechtschreibung selbst? Ist sie möglicherweise nur schwer erlernbar? Das würde gut zu dem Vorurteil passen, das viele Deutschsprachige selbst gern pflegen […], dass nämlich das Deutsche eine furchtbar schwierige und kaum zu erlernende Sprache sei. […] Ein Wort zur Getrennt- und Zusammenschreibung, einem Kapitel, das die unglückliche Rechtschreibreform durch weitgehende Getrenntschreibung stark vereinfachen wollte: Auch sie ist überwiegend vernünftig abzuleiten. […] Rechtschreibung kann man verstehen. […] Aber auch die Zivilgesellschaft ist aufgerufen, hier tätig zu werden. Deshalb hat die Stiftung Polytechnische Gesellschaft im Jahr 2012 nach französischem Vorbild gemeinsam mit der F.A.Z. und weiteren Partnern das Projekt "Deutschland schreibt! Der Große Rechtschreibwettbewerb" ins Leben gerufen.
Dass sich der vorstandsvorsitzende gedanken gemacht habe, ist übertrieben. Die rechtschreibung ist unnötig schwer erlernbar, was nichts mit der frage zu tun hat, ob deutsch eine schwierige sprache ist.
2021-09-29
Die Unterscheidung zwischen "dass" und "das" fällt weiterhin vielen Schülern schwer. Die Verwechslung der beiden Wörter sei "Deutschlands Rechtschreibfehler Nummer eins", sagte der Gießener Linguist Helmuth Feilke bei der Vorstellung der Studie. Feilke wollte die häufige Fehlschreibung aber nicht auf die Rechtschreibreform von 1996 zurückführen. Der Einfluss der Reform auf den aktuellen Zustand der Orthographie sei "gleich null".
Alle vier Jahre veröffentlicht die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung ihren "Bericht zur Lage der deutschen Sprache". In diesem Jahr geht es um den Sprachgebrauch in deutschen Klassenzimmern, um Groß- und Kleinschreibung in der Grundschule, den Einfluss der Digitalisierung und die zunehmende Mehrsprachigkeit. Der Bonner Linguist Kristian Berg erklärt im Interview, dass das Komma nicht ausstirbt. Abiturienten setzten sogar manchmal zu viele Kommas.
Über die Gründe für die wachsende Zeichenarmut und Inkompetenz bei der Kommasetzung können die Autoren nur mutmaßen: "Wahrscheinlich ist die kommunikative Wende im Deutschunterricht dafür verantwortlich", sagt Berg. Bis in die Siebzigerjahre verbrachten Deutschlehrer viel Zeit mit Diktaten und formalen Regeln. Danach verlagerte sich der Schwerpunkt des Unterrichts auf die Analyse von Sprache, die Argumentationsfähigkeit der Schüler und das Sprechen selbst. Das zeigen andere Beiträge in dem gerade veröffentlichten "Bericht zur Lage der deutschen Sprache", in dem der Komma-Aufsatz erschienen ist.
Experten halten den Wandel in der Sprache für weder gut noch schlecht. […] In das allgemeine Jammern stimmen die Wissenschafter in dem am Mittwoch in Berlin vorgestellten Sammelband über die Situation in Deutschland nicht ein, der Daumen geht weder rauf noch runter.
2021-09-27
Le français «rectifié» entrera en vigueur dans les écoles dès 2023. Une nouvelle manière d’écrire qui fait déjà beaucoup… parler.
2021-09-24
Einige denken, der Genderstern wie etwa bei «Politiker*innen» fördere Frauen. Andere hoffen, er möge rasch verglühen. Was meint Nicoletta Wagner, Schweizer Vertreterin im Rat für deutsche Rechtschreibung? […] [Wagner:] Das amtliche Regelwerk – also die Grammatik – ist verbindlich für Schulen, Behörden und Justiz. [Beobachter:] Die Stadt Zürich stellt Schilder auf mit dem Wort «Bewohner*innen». Als Behörde dürfte sie das also nicht? [Wagner:] Nein.
Doch! Das amtliche regelwerk – also die rechtschreibung, nicht grammatik – ist verbindlich für die schulen.
2021-09-21
Laut Erhebung einer Universität haben viele Studentinnen und Studenten, darunter auch künftige Deutschlehrer, Probleme mit der Rechtschreibung. […] Gegen die Rechtschreibreform zu wettern, hilft nicht – sie wird seit einem Vierteljahrhundert unterrichtet, weshalb die meisten Studierenden nie anderes gelernt haben als diese […].
2021-09-18
So referiert er [Philipp Sarasin, «1977: Eine kurze Geschichte der Gegenwart»] durchaus zweifelnd Baudrillards Graffiti-Theorie, die Tags als Aufstände der Zeichen gegen jeden Sinn liest, die sich nicht auf reale Personen und Verhältnisse beziehen ließen. So stehen bei Sarasin dieser Aufstand und seine Unverständlichkeit in die Welt setzenden Separierungen und die Relativierung von Baudrillards Darstellung nebeneinander: Wollten die, die sich per bizarre Tag-Pseudonyme auf U-Bahn-Wagen eintrugen, nicht vielleicht doch ganz klassisch von sich und ihrer Existenz reden? Müsste man aber nicht viel weiter gehen? Baudrillard hat nicht nur übertrieben und zugespitzt, er liegt grundfalsch. Solche Graffiti-Writer sind eben gerade nicht auf dem von Sarasin immer wieder beschriebenen Exodus aus dem Allgemeinen, sondern definieren als immer schon Ausgeschlossene ihre Beitrittsbegründungen: Erst mal brauchen wir eine neue Orthografie. Sie machen sich lesbar, aber zu ihren Bedingungen, die nicht das Wissen des weißen französischen Soziologen sein können.
2021-09-16
[…] die Schweizer Fahne. Oder Schweizerfahne? Der Sprachpfleger über Ableitungen von geografischen Eigennamen. […] Niemand würde wohl Hamburger direkt mit Hafen verbinden: «Hamburgerhafen»? […] Der Hamburger Hafen ist der Hafen von Hamburg, nicht der Hafen der Hamburger […]. Man kann sich somit bei solchen Fügungen nicht auf eine einheitliche Form einigen. Das eine steht sinnvollerweise neben dem andern […]. Für geografische Eigennamen sind die obengenannten Regeln nur bedingt anwendbar. Da gibt es den Genfersee (obwohl es eigentlich der See von Genf ist und nicht jener der Genfer) […].
Eigentlich sind die regeln unbedingt anwendbar. Die falsche meinumg, dass die rechtschreibung für eigennamen nicht gelte, führt zu einer kollektiven verweigerung der regeln, sogar bei der NZZ. Ein ähnlicher fall: Berlin-Neukölln statt Berlin Neukölln analog Zürich Wollishofen; es handelt sich um eine unter-, nicht eine beiordnung. Lustig ist, dass die gleichen leute, die hier die natürliche grammatische unterscheidung verwischen, aufschreien, wenn eine rechtschreibreform die künstliche und völlig unnötige unterscheidung frischgebacken / frisch gebacken in frage stellt.
2021-09-10
Die neue deutsche Rechtschreibung (1996) hat glücklicherweise die konsequente Getrenntschreibung etwas revidiert. […] Es ist nicht dasselbe, ob man zusammenkommt oder ob man zusammen kommt.
An zusammenkommen hat die reform nichts geändert.
Auch […] Tobias Koch, Chef der Kieler CDU-Landtagsfraktion, blieb nicht so milde […]: Privatleute sollen es mit dem Gendern halten, wie sie mögen […]. Nicht so aber die Verwaltung, das staatliche Bildungswesen oder der öffentlich-rechtliche Rundfunk […]. Ermitteln soll diesen Mehrheitswillen ein Volksentscheid nach dem Vorbild eines anderen durchaus kontrovers verhandelten Sprachthemas: „In den 1990er-Jahren gab es einen Volksentscheid in Schleswig-Holstein zur Rechtschreibreform“, so Koch. „Zumindest von der politischen Debattenkultur her war das mustergültig.“ […] Der Volksentscheid zur Rechtschreibreform […] blieb übrigens seinen eigenen Worten nach ohne Folgen: weil „Schleswig-Holstein sonst einen Sonderweg gegangen wäre“.
2021-09-08
Die orthografischen Kenntnisse von Lehramtsstudenten werden immer schwächer. […] „Die Situation ist dramatisch, wir sind mitten in einer Rechtschreibkatastrophe“, sagt Fabian Bross von der Universität Stuttgart. […] Nachhaltig anheben lässt sich das Rechtschreibniveau wohl nur durch eine enge Zusammenarbeit der Bildungsbereiche, die vom Kindergarten bis zur Universität reichen müsste. Das aber würde voraussetzen, dass der kontinuierliche Rückgang schriftsprachlicher Fähigkeiten in der Gesellschaft als das Politikum begriffen wird, das er tatsächlich ist. „Das Kind ist in den Brunnen gefallen, aber wir können es wieder herausholen“, meint Fabian Bross. Angesichts der Tiefe des Brunnens klingt das ziemlich optimistisch.
Zum politikum gehört auch die frage, «ob die gesellschaft wirklich will, dass ein viertel bis die hälfte des sprachunterrichts durch übung der gross/kleinschreibung, der dehnung, bzw. kürzung und des /s/-lautes vertan werden soll, oder ob man sich nicht doch zu einer reform dieser drei bereiche entschliessen will.» (Hans Messelken, 1974)
2021-09-07
Mir, dem Schreiberling dieser Zeilen, gefällt diese neue Schreibweise mit dem Weglassen des Kommas bei durch und verbundenen Hauptsätzen nicht. Obwohl sie jetzt gang und gäbe ist. Wenn Sie Zeitung lesen, werden Sie sehr häufig darauf stoßen. Und wenn Sie ganz ehrlich sind, müssen Sie einen ganz klitzekleinen Moment, also wirklich kaum messbare Bruchteile von Mikrosekunden, nachdenken, um zu erkennen, dass der Gedanke des ersten Hauptsatzes zu Ende ist und dass nun ein neuer Gedanke kommt. […] Wir waren bisher, vor der Reform, gewöhnt, dass das Bindewort und eine weitere Komponente eines Satzgliedes, sozusagen eine Ergänzung, anschließt. Und wir kennen alle, die die Schule besucht haben, noch die Regel, dass bei Aufzählungen vor und kein Komma steht. In Analogie dazu haben vielleicht die Autoren der Rechtschreibreform 2000 gemeint, dass das dann auch für die Hintereinanderreihung von Sätzen gelten könne.
Dass alle, die die schule besucht haben, die regeln kennen, ist eine gewagte annahme. Eine weitere annahme (die auch wir weder bestätigen noch widerlegen können): Der schreiber tut alles, um die regeln einzuhalten, aber nichts, um dem leser das verständnis zu erleichtern.
2021-09-07
Wörter mit drei gleichen Buchstaben hintereinander gab es bereits vor der Reform, zum Beispiel „fetttriefend, Sauerstoffflasche, Pappplakat, Auspuffflamme“ oder „Balletttruppe“, was einige Reformverweigerer nicht wahrhaben wollen.
2021-09-02
Wie heißt dieses Unternehmen am Neckarauer Rheinufer? Bitte die Originalschreibweise verwenden, die sich als Eigenname nicht von so neumodischen Erscheinungen wie der Rechtschreibreform hat beeinflussen lassen.
2021-09
Ein Gespräch mit Angelika Linke, emeritierte Linguistikprofessorin, Zürich, über Geschlecht und Sprache. […] Eine wichtige Erkenntnis aus Ihrem Proseminar, damals, 1987, war, dass Sprache ein Laut-Zeichen-System ist und dass das Schriftliche historisch sekundär ist. (Was auch bei der Rechtschreibereform-Debatte in den 1990ern gern vergessen ging.) Über Abertausende von Jahren war Sprache rein mündlich. Sehr spät kam die Frage ihrer Verschriftung auf, die bekanntlich sehr unterschiedlich gelöst wird in Schangnau und in Schanghai.
2021-08-31
Der Untertitel seines Buches schützt Lobin davor, sich allzu große Mühe mit den Argumenten zu machen, die Gendersprache kritisieren. Sie kommen nur in ebender schlichten Form vor, dass sie in die Nähe der AfD gerückt werden können […]. Wo immer Lobin kann, stellt er eine Verbindung her zwischen Kritikern der Rechtschreibreform, der Gendersprache oder „politischer Korrektheit“ und „neurechten“ bis rechtsextremistischen Kreisen inklusive natürlich der Rückverfolgung entsprechender Versatzstücke in die Zeit des Nationalsozialismus.
2021-08-26
Der * hat nun auch in der Gemeindeverwaltung Kilchberg Einzug gehalten […]. Die Schweiz gehört dem Rat für deutsche Rechtschreibung an, dessen Empfehlungen in den Duden eingehen und eine einheitliche deutsche Rechtschreibung regeln; der * und ähnliche Schreibweisen sind im amtlichen Regelwerk nicht vorgesehen. […] Die Gemeinde Kilchberg missachtet die Grammatik der deutschen Sprache; sie missachtet das geltende amtliche Regelwerk der deutschen Rechtschreibung; sie missachtet die Weisung der Bundeskanzlei als orientierenden Leitfaden […].
Manche fordern wiederum, das Gendern zu verbieten, so wie Friedrich Merz kürzlich. [Polt:] Also, Entschuldigung, das ist ja nun wieder komisch. Wenn ein Politiker glaubt… (unterbricht sich) Schauen Sie, was war das doch für ein Irrweg, ein teurer Irrweg mit der seitens der Kultusminister von oben herab gestalteten Rechtschreibreform. Für mich war das ein grober Unfug. Dass ich jetzt zum Beispiel drei »fff« schreiben soll. Ich schreibe natürlich weiterhin zwei »ff«. Sie greifen in etwas ein, das ihnen nicht zusteht! Die Kultusminister sind keine Sprachbesitzer. Sie sind es nicht! Das war unnütz wie ein Kropf. Ich bin jetzt 79 Jahre und ich werde so schreiben, wie ich schreibe….
Die schulbehörden sind «besitzer» der schulrechtschreibung – im unterschied zu einem 79-jährigen.
2021-08-21
Kürzlich hat die Stadtzürcher Fachstelle für Gleichstellung einen Leitfaden für gendergerechte Sprache in der Schule herausgegeben […]. Darin wird […] auch angeregt, im Unterricht Gendersternchen zu verwenden. Alle Umfragen, die seither öffentlich wurden, haben eine klare Ablehnung solch ungeregelter Schreibweisen ergeben. […] Trotzdem werden diese Falschschreibungen in Zürcher Schulzimmern bald Pflicht sein.
2021-08-16
Vor einigen Jahren gab es eine groß angelegte Rechtschreibreform. Die hatte das Ziel, dass so geschrieben wird, wie man spricht. Ein hehres, hochgestecktes Ziel. Doch die seit einigen Jahren um sich greifenden Schreibweisen mit "*", ":", "_" […] bringen uns wieder von diesem Ziel ab.
Es reichte schon die unsinnige Rechtschreibreform vor Jahren, und nun geht das mit dem Gendern los.
2021-08-07
Den Wahlkampf hat das Thema bisher kaum erreicht. Manche träumen von der Rechtslage in Frankreich, wo die Regierung das Gendern zum Schutz der französischen Sprache kurzerhand verboten hat. In Deutschland ist der Streit um die Novitäten der Rechtschreibreform noch in unangenehmer Erinnerung.
Die Liberalisierung bei der Kommasetzung, eine leicht verderbliche Frucht der Rechtschreibreform, brachte zwar „etwas von dem alten rhetorisch-intonatorischen Prinzip“ (Peter von Polenz, Deutsche Sprachgeschichte) zurück, hat aber auch die Zügel so gelockert, dass manchen Schreibern die Pferde durchgehen.
2021-07-26
2021-07-25
„Einheitlichkeit sieht anders aus“, sagt Professor Walter Krämer, Vorsitzender des Vereins Deutsche Sprache. Natürlich angewendet würde die Rechtschreibreform nur von denen, die jünger als 30 Jahre sind, „für viele Ältere ist sie immer noch ein Buch mit sieben Siegeln“.
Es wäre schon ein erfolg, wenn die rechtschreibung wenigstens für die jüngeren kein buch mit sieben siegeln wäre.
2021-07-24
1998 gab es eine grundlegende Rechtschreibreform.
Nein. Leider ist in den letzten jahrzehnten die vorstellung abhanden gekommen, wie eine grundlegende rechtschreibreform aussehen könnte.
2021-07-23
Die Schriftstellerin Jagoda Marinic ist Gastgeberin eines Podcasts mit dem Titel "Freiheit deluxe". [… Marinic:] Wenn zum Beispiel eine Aktivistengruppe auf Twitter verlangt, dass man bestimmte Eigenbezeichnungen zu verwenden hat, dann stoße auch ich an Grenzen. […] Jede Figurenrede wird zum Bekenntnis. Mir geht es zum Beispiel bei meinem jetzigen literarischen Schreiben so: Ich mag nicht gendern. [… Geißler:] Waren Sie damals auch gegen die Rechtschreibreform? [Marinic:] Ach ja, der Vergleich wird gern gebracht. Das war eine Kleinigkeit, es ging ums ß und ein paar Kommas.
Der Direktor des Instituts für Deutsche Sprache leistet sich eine überaus fragwürdige Streitschrift. […] Die Neue Rechte – ein unklar definiertes Spektrum, das bei Lobin von konservativ-demokratischen bis zu rechtsextremistischen Positionen reicht – kämpft in diesem Szenario mehrere sprachpolitische „Schlachten“. Zu ihnen zählt der Autor die Forderung, Deutsch ins Grundgesetz aufzunehmen, die Ablehnung des Genderns, die Kritik an der politischen Korrektheit, den Widerstand gegen die Anglisierung des Deutschen sowie den – inzwischen weitgehend erlahmten – Kampf gegen die Rechtschreibreform.
2021-07-22
Die Genfer FDP will kein einfacheres Französisch. […] ich appelliere deshalb an euren Sinn für Gerechtigkeit: Ich möchte euch dran erinnern, das wir, eure Deutschschweizer concitoyens und concitoyennes, unsere Rechtschreibung bereits reformiert haben. Ja, wir haben auch gestritten. Und wie! Aber vom Ergebnis profitiert ihr schon seit Jahren.
2021-07-21
Auch kleine Eingriffe im Sinne der "geschlechtergerechten Sprache" sind zerstörerisch. Dennoch betonen Politik und manche Linguisten, das Gendern sei unaufhaltsam und notwendig. So ist die Sprachgemeinschaft schon mal überrumpelt worden - mit katastrophalem Ergebnis. […] Die beunruhigende Parallele zur Rechtschreibreform besteht aber darin, dass gerade wieder dieselbe manipulative Überrumplung der Sprachgemeinschaft stattfindet wie damals und dass die Kultusbürokratie erneut Millionenbeträge ausgibt, um in öffentlichen Institutionen Vorschriften zu erlassen, die die Sprachgemeinschaft weder hervorgebracht hat noch versteht oder zu akzeptieren bereit ist. Lehren aus der Vergangenheit sehen anders aus!
2021-07-19
Mittlerweile herrscht weitgehend „Rechtschreibfrieden“. Nur gelegentlich wird an die vergangenen Kämpfe erinnert und auch an manche Ungereimtheiten, die die Reform hervorgebracht hat.
Wir erinnern an manche ungereimtheiten der neuen und der alten rechtschreibung.
2021-07-17
Die Sprache ist mein Handwerkszeug, aber was ihr gerade widerfährt, ist für mich schwer erträglich. Deshalb weiche ich aus an einen Ort, der noch sprachliberal ist: Wien. […] Kann man in der Sprache, wie sie der Zeitgeist fordert, überhaupt noch […] literarische Texte verfertigen? Nämlich als einer, der noch immer in alter Rechtschreibung schreibt, einfach weil sie klarer und schöner ist, und der aus denselben Gründen erst recht nicht vom generischen Maskulinum lassen will?
Kathrin Kunkel-Razum ist Chefin des Dudens. Ein Gespräch über Lieblingswörter, gendergerechte Sprache und enttäuschte Liebe. […] Kunkel-Razum: Ich bin natürlich keine Psychologin, aber bei der Rechtschreibreform ging es sicher auch darum, dass Rechtschreibung mit Prestige einhergeht. Die neuen Regeln haben dann ganz viele Menschen verunsichert. Da gab es Angst, sich zu blamieren oder den Enkelkindern nicht mehr helfen zu können. Beim Gendern hat das meiner Meinung nach auch etwas mit Macht zu tun.
2021-07-16
«Das ‹Schwarz› formuliert sie mit grossem S, als Ausdruck einer politischen Haltung […]». Nach […] Amnesty International sind sowohl das grossgeschriebene «Schwarz» als auch «People of Color (PoC)» Selbstbeschreibungen von «Menschen, die von Rassismus betroffen sind». Als Gegenbegriff wird gemäss Amnesty weiss verwendet, kursiv und kleingeschrieben […]. Mit den Schreibweisen auszudrücken, wie ein bestimmter Ausdruck gemeint ist, trägt nur dann zur Klärung bei, wenn die Definition gleich mitgeliefert wird. Der Versuch, mit typografischen Besonderheiten den allgemeinen Sprachgebrauch anzureichern, übergeht Regeln und überlädt das Fuder.
Dies hängt damit zusammen, dass das Französische eine ausgesprochen historische Orthographie pflegt, d. h. die Wörter werden so geschrieben, wie sie vor ca. einem Jahrtausend ausgesprochen wurden. Die Sprachentwicklung, z. B. das Schwinden von Endkonsonanten oder das häufiɡe Verstummen des /s/ wird einfach ignoriert oder manchmal erst mit jahrhundertelanger Verspätung halbherzig berücksichtigt.
2021-07-15
Wirklich verziehen habe ich es mir nicht – mein Nachgeben, die Rechtschreibreform betreffend. Immer hatte ich es richtig gefunden, dass einerseits der Duden – sich am Usus orientierend – die Schreibweise von Wörtern in einer jeweils gegenwärtigen Form angab […]. Dass Sprache „von oben“ verordnet werden sollte, empörte nicht nur mich.
2021-07-09
Ich mag die Sprache alter Bibelübersetzungen. Ich mag die Sprache der Märchen der Brüder Grimm im Original und alte Gedichte. Ich mag auch manche alte Schreibweisen, wie sie vor der Rechtschreibreform üblich waren, von «Photographie» bis «Delphin».
2021-07-06
Immer mehr Rechtschreibefehler, Kommafehler, Grammatikfehler: Kommt unseren jüngeren Generationen die Sprachkompetenz abhanden? […] Die ältere Generation wird vermutlich den Kopf schütteln, denn sie alle haben noch gründlich die Regeln gelernt – beziehungsweise lernen müssen – und wissen Bescheid, wann man ein Wort gross oder klein schreibt, ob man ein Komma setzt […]. Die beiden Reformen kurz vor und kurz nach dem Millennium wollten eigentlich das komplizierte Regelwerk vereinfachen, aber eingetreten ist eher eine allgemeine Verunsicherung.
Wissen sie wirklich alle bescheid, wann man ein wort gross oder klein schreibt, ob man ein komma setzt? Das seniorenmagazin trägt etwas dick auf. Stichwort schreiben.
Dabei war die Rechtschreibreform kein Schnellschuss. Tatsächlich gab es bereits Jahrzehnte davor Versuche, die Orthografie zu vereinfachen. Zur Debatte stand auch lange, Substantive einheitlich kleinzuschreiben, wie es fast jede andere Sprache vorschreibt.
Nicht nur fast. Und es waren nicht jahrzehnte, sondern jahrhunderte.
Dabei war die Rechtschreibreform kein Schnellschuss. Tatsächlich gab es bereits Jahrzehnte davor Versuche, die Orthografie zu vereinfachen. Zur Debatte stand auch lange, Substantive einheitlich kleinzuschreiben, wie es fast jede andere Sprache vorschreibt.
Genauer: jahrhunderte, nicht jahrzehnte, und jede andere, nicht fast jede andere.
Traurig ist es um Worte, die durch die neue Rechtschreibung nicht mehr auf ihren Ursprung hin verfolgt werden können, wie z. B. Portmonee (alt: „Portemonnaie“ […]), dass der Aussprache angepasst wurde. „So geht ein Stück weit Geschichte, Tradition und das Verständnis für die Verflechtungen von Sprache verloren“, bedauert Krämer.
Wir dürfen fröhlich weiterhin meubel und paquet schreiben. Gut gemeint ist nicht einmal immer gut gemeint.
2021-07-05
Die Positionsbezüge der Westschweizer FDP geben freilich zu reden. Zuletzt haben sich die Romandie-Kantonalparteien mit ihrem Widerstand gegen eine Rechtschreibreform und die inklusive Sprache hervorgetan – Themen, über die in der Westschweiz derzeit kontrovers diskutiert wird.
In den fünf Beiträgen, die ich in den nächsten Wochen für Sie schreiben werde, möchte ich einige Aspekte genauer darstellen. […] Zuerst werde ich mich der Rechtschreibung widmen, oder besser gesagt: der Reform der deutschen Rechtschreibung. Sie hat in den 1990er-Jahren zu einer besonders heftigen Auseinandersetzung geführt hat, die bis heute nachklingt. Warum das so ist, ist nicht ganz einfach zu verstehen – in kaum einer anderen Sprache führt dieses Thema zu derartigen Emotionsausschlägen wie im deutschsprachigen Raum.
„Geschlechtergerechte Sprache“ ist nicht pauschal abzulehnen. Es gibt Bereiche, in denen wir problemlos damit experimentieren können. Andere sollten tabu bleiben. Viele haben verdrängt, was die letzte politisch verordnete Sprachreform angerichtet hat. […] Im Übrigen gilt, was Hans Zehetmair, ehemaliger bayerischer Kultusminister und Vorsitzender des Rechtschreibrates in Erinnerung an die Rechtschreibreform festhielt: „Nie wieder eine politisch verordnete Reform!“
2021-07-02
Die Fachstelle für Gleichstellung der Stadt Zürich hat vor kurzem eine Broschüre veröffentlicht, in der sie die Verwendung des Gendersterns in der Schule ausdrücklich empfiehlt. […] Im Moment ist noch nicht klar, welche Schreibweise sich durchsetzen wird. Im März aber hat der Rat für deutsche Rechtschreibung – das höchste deutsche Sprachorgan – entschieden, den Genderstern nicht ins amtliche Regelwerk aufzunehmen.
Dr. Sabine Krome ist Geschäftsführerin des Rats für deutsche Rechtschreibung am Leibniz-Institut für deutsche Sprache und war seit 1996 Mitglied im Beirat der Zwischenstaatlichen Kommission für deutsche Rechtschreibung, die die Reform konzipiert hatte und das neue Regelwerk verantwortete. Im Interview erklärt Krome, was falsch lief und warum die Rechtschreibung immer wieder Thema heftiger Kontroversen ist. […] Die Kommission bestand tatsächlich ausschließlich aus Wissenschaftlern […]. Der allgemeine Schreibgebrauch wurde zu wenig einbezogen.
Eigentlich wurde fast nur der allgemeine schreibgebrauch einbezogen.
Die „Frankfurter Allgemeine“ und der „Spiegel“ kehrten zur alten Orthografie zurück, während sich die neue Schreibweise in Schulbüchern immer mehr durchsetzte […]. Die „Reform der Reform“ 2006 nahm die umstrittensten Änderungen zurück, Majonäse war wieder Mayonnaise.
Journalismus heute: Irrtümer („Spiegel“, Majonäse) werden in alle ewigkeit abgeschrieben statt recherchiert.
2021-07-01
Andere hatten sich damals auch einfach mehr erhofft von der großen Reform. Annette Sickeler war Lehrerin an einem Gymnasium in Stuttgart. Bis heute findet sie: "Was ich so lese, wenn Groß- und Kleinschreibung beherrscht würde und die Kommasetzung wären, glaub ich, 90 Prozent der Rechtschreibfehler bei meinen Schülern zumindest weg. Ich wäre für eine konsequente Kleinschreibung."
Aus einer gut gemeinten Reform der deutschen Rechtschreibung entwickelte sich vor 25 Jahren eine wahre Schlacht, die heute immer noch nicht ausgestanden ist.
2021-07-01
Doch aus einer gut gemeinten Reform der deutschen Rechtschreibung entwickelte sich 25 Jahren eine wahre Schlacht. […] Zugleich zeigt der Konflikt um Gendersternchen und geschlechtergerechte Sprache, dass der Streit jederzeit wieder ausbrechen kann.
2021-06-30
Vor 25 Jahren wurden unter heftigem Protest neue Sprachregeln eingeführt. Was ist daraus geworden? Antworten aus der Schule, dem Korrektorat – und von unserem Deutschexperten. […] Es war die erste Reform seit 1901 – wobei sie dann längst nicht so grundsätzlich ausfiel wie geplant. Radikale Vorschläge wie die konsequente Kleinschreibung oder die Verwandlung des «Bootes» in ein «Bot» wurden schon früh gebodigt.
Radikal? Das wäre einigermassen radikal: «bund fyr ferainfaxte rextšraibuŋ».
Der deutschen Sprache hat die Reform mehr genützt als geschadet, behaupte ich immer noch; die Literatur hat nicht gelitten (dank sorgfältiger Lektoren), und dass sich Schüler und Erwachsene heute vielleicht sogar schwerer tun, den Artikel «das» von der Konjunktion «dass» zu unterscheiden, hat nichts mit der Reform zu tun, sondern mit einer zunehmenden Schlampigkeit im Umgang mit der Sprache überhaupt.
Wäre es nach den rechtschreibpäpsten der ddr gegangen, würden unsere zeitungen, schulaufätze, briefe und e-mails und selbstverständlich auch diese webseite heute alle so aussehen. Generationen von schülern hätten es der forschungsgruppe orthografie an der akademie der wissenschaften vermutlich gedankt, hätte sie sich mit ihrer "gemäßigten kleinschreibung" auch im westen durchgesetzt. Hat sie aber nicht. Und so schreiben wir als die letzten Europäer nach wie vor alle Substantive groß. Vielleicht wäre diese Reform auf breitere Zustimmung gestoßen, als die Rechtschreibreformen, die sich durchgesetzt haben.
Aber es war unser Verdienst, dass die Orthografie überhaupt wieder auf eine wissenschaftliche Ebene gehoben wurde. […] Es gab häufig Behauptungen von westdeutscher Seite, dass die DDR eine eigene Orthografie-Reform durchführen würde. Das stimmt einwandfrei nicht.
Sprachwandel verläuft grundsätzlich evolutionär und ungesteuert, das heißt von unten. In letzter Zeit gab es zwei größere Ansätze des gesteuerten Wandels: zuerst die Rechtschreibreform und nun der Versuch, Gendersprache durchzusetzen.
Die ganze Republik war in Aufruhr, als vor 25 Jahren die Rechtschreibreform verabschiedet wurde. […] Einige besonders umstrittene Änderungen wurden zurückgenommen oder als optional deklariert. Aus Ketschub wurde wieder Ketchup, und auch die Majonäse schmeckt falsch. […] Ein Waffenstillstand. Zugleich zeigt der Konflikt um Gendersternchen, geschlechtergerechte Sprache und die Aufnahme von Fremdwörtern in den Duden, dass der Streit um Sprache und Rechtschreibung jederzeit wieder ausbrechen kann.
Es war nicht Ketschub, sondern Ketschup, und Majonäse hat mit der neuregelung von 1996 nichts zu tun.
Was halten Menschen mit Migrationshintergrund eigentlich vom Gendern? Wir haben in Offenbach nachgefragt – beim Rapper, im Döner-Imbiss oder im Beauty-Salon, wo man schlimme Erinnerungen an die Rechtschreibreform hat. […] "Wenn man das einem Erstklässler von Anfang an so beibringt, dann ist es für ihn einfacher als für jemanden in der siebten Klasse. So war das bei uns mit dem scharfen S. Auf einmal mussten wir alles mit Doppel-S schreiben, und ich schreibe heute noch alles so, und das wurde dann wieder umgeändert. Das hat nichts mit Diskriminierung zu tun, aber das ist das Schwierige, Menschen auf dem Laufenden zu halten und sie nicht durch neue Sprachregelungen durcheinanderzubringen."
2021-06-27
Die Westschweizer Kantone wollen die Rechtschreibung anpassen. Nun verlangt die FDP den Abbruch der Übung, notfalls per Volksentscheid.
Willkommene Erleichterung oder reine Idiotie – ein allègement (statt allégement) oder eine pure imbécilité (statt imbécillité)? Darüber streitet die Romandie nun seit zwei Wochen […]. Am 9. Juni haben die Westschweizer Bildungsdirektoren entschieden, die orthographe rectifiée per 2023 in der Schule einzuführen. […] In einer Protestnote kritisierte die vereinte Westschweizer FDP diese Woche, die Liebhaber der französischen Sprache seien zu Recht erschüttert ob dieser Reform. Die Kantone müssten die Übung sofort stoppen. […] Jean Romain, Professor der Philosophie, Autor und Genfer FDP-Grossrat. «In der Sprache spiegelt sich unsere Geschichte», sagt er. Und die dürfe man nicht einfach rücksichtslos entfernen.
Pascal Frey, Präsident der Deutschlehrkräfte, ist gegen das trendige *, Kantonsschulen wenden die Schreibweise trotzdem an. […] Beim Genderkampf in den Schulen geht es nicht um abgehobene Grammatik-Dispute. Es geht um eine zentrale Aufgabe der Schule: Den Schülerinnen und Schülern beizubringen, wie man richtig schreibt. Und es geht letztlich vor allem auch um die Frage: Schafft eine vermeintlich gerechtere Sprache auch eine gerechte Welt? Pascal Frey, Präsident des VSDL, sieht das kritisch. «Selbstverständlich bin ich für Gleichstellung. Aber sie ist eine politische und gesellschaftliche Aufgabe, die man nicht über die Sprache lösen kann» […].
Im Unterricht soll den Kindern geschlechterneutrale Sprache beigebracht werden. Das sorgt mehr für Ausgrenzung als für Gleichstellung […]. Es hat zwar viele Vorteile, dass unsere Schulen weitgehend selbst über ihre Unterrichtsmethoden bestimmen dürfen. Was hingegen nicht angeht, ist, dass jede ihre eigene Rechtschreibung lehrt. Da müssen sich alle an die offiziellen Vorgaben halten, keine kann selbstständig etwa die konsequente Kleinschreibung einführen. Dasselbe gilt im Prinzip auch fürs Gendern.
2021-06-24
„[…] Besser wäre es, die Sprache allgemein leichter zu machen. Etwa durch konsequente Kleinschreibung. Oder dadurch, dass gleich geschrieben wird, was gleich klingt – wie ,Biene‘ und ,Maschine‘.“
2021-06-21
Am Samstag, 3. Juli 2021, bietet der Langener Stenografenverein ein Seminar zur deutschen Rechtschreibung an. „Glauben Sie, Sie könnten nach der Rechtschreibreform schreiben, wie Sie wollen?“ fragt Regine Daneke, 1. Vorsitzende der örtlichen Stenografen, und gibt auch gleich die Antwort: „Dann irren Sie sich. Machen Sie sich sachkundig und entdecken Sie, dass die neue Rechtschreibung viel logischer ist als die alte! […]“
2021-06-19
Spätestens seitdem Unionspolitiker das Gendern attackieren, ist der Streit um Geschlechter-Asterisk und Binnen-I Wahlkampfthema. Warum die Deutschen sich so über Schreibweisen ereifern. […] Klar ist, dass die Debatte von keiner Seite unaufgeregt geführt wird. […] Es ist nicht das erste Mal, dass in Deutschland erbittert über eine Veränderung der Sprache gestritten wird. Mitte der Neunzigerjahre beschlossen die Kultusminister der Bundesländer eine Reform der deutschen Rechtschreibung – und gegen den Sturm der Entrüstung, der in Verlagen, Feuilletons und bei manchen Politkern dadurch ausgelöst wurde, ist die Debatte ums Gendersternchen ein laues Lüftchen.
Richtig oder falsch bezieht sich bei der Sprache auf Grammatik, Rechtschreibung – und natürlich auf die Definition der Wörter. Letztere lässt sich in Lexika nachschlagen […]. Anders ist es bei Grammatik und Rechtschreibung. Diese sind zumindest für Schulen und Behörden offiziell festgelegt. Wer hier für richtig oder falsch zuständig ist, lässt sich anhand der Rechtschreibreform zeigen, die 1996 beschlossen wurde.
Die Rolle des Sterns übernimmt im Französischen der Punkt. […] Aus „électeurs“, Wähler, wird dann: „électeur.rice.s“. Ein aus „électeur“ und „électrice“ (Wählerin) zusammengebautes Wort, das den Regeln der „inklusiven Schreibweise“ folgt, wie gendernde Sprache in Frankreich genannt wird.
2021-06-17
Kaum zu glauben, aber wahr: auf den Tag genau heute vor 120 Jahren entstand so etwas wie unsere verbindliche Rechtschreibung. […] Bislang kann ich nur Nachteile an diesem „vom Gendervolk“ gewünschten neuen Regelwerk der Sprache erkennen. Denn das, was uns Menschen zum Menschen werden lässt, was durch bisherige Reformbemühungen vereinfacht werden sollte, wird nun erschwert. […] Warten wir es ab, ob eine kleine, sehr aktive Minderheit der großen, eher trägen Mehrheit ihre Ideologie aufdrücken kann oder nicht. In ähnlicher Weise ist ja auch schon einmal der Vorstoß, die Großschreibung grundsätzlich abzuschaffen, krachend gescheitert.
Gendern und grossschreibung gleichzusetzen, ist natürlich unfug; sprache und schreibung sind nicht dasselbe (schichtenmodell). Abgesehen davon, ging auch die substantivgrossschreibung von einer kleinen, sehr aktiven minderheit aus und wurde der grossen, eher trägen mehrheit nie ganz akzeptiert, wie die schreibkompetenz der deutschsprachigen, alle anderen sprachen und unsere ununterbrochenen bemühungen zeigen.
2021-06-12
Geschlechtergerechte Ausdrucksformen erhitzen die Gemüter. Die Debatte erfasst auch eine Institution normativer Rechtschreibung und korrekter Formulierungen – den Duden. […] Die Aufregung, die es um die Rechtschreibreform gab, hat Kathrin Kunkel-Razum noch in lebhafter Erinnerung […]. „Jetzt ist es fast noch emotionaler“, befindet sie.
2021-06-08
Im Juli wird Stefan Aust 75 Jahre alt. Aus diesem Anlass ehrt sich der ehemalige „Spiegel“ Chef und heutige „Welt“ Herausgeber selbst mit einem mächtigen Memoir. […] Man kann sich wahnsinnig gut vorstellen, wie Schirrmacher, der alte Unruhestifter, seine zwei Machtmännerkollegen da aufstachelte, gegen diese idiotische Reform vorzugehen. Dabei ignorierte seine FAZ sie sowieso, Austs Spiegel machte nur halbherzig mit. Nur die Welt war voll auf Reformkurs, aber „zum Leidwesen Döpfners“, wie Aust schreibt.
2021-06-07
Ich bin Lehrer und daran interessiert, dass möglichst viele Nichtmuttersprachler Deutsch lernen. Ich erinnere mich, dass seinerzeit die „Rechtschreibreform“ zu massiven Einbrüchen bei der Zahl der Lerner führte.
Auch die scheinbar so fest zementierten Regeln der deutschen Schriftsprache sind durch diverse Rechtschreibreformen in den vergangenen Jahren erschüttert worden. All das hat Einfluss auf den Deutschunterricht, der immer neuen Anforderungen gerecht werden muss.
2021-06-06
Groß oder klein? Das ist für Groß und Klein nicht immer so leicht zu sagen. Und manchmal verändert sich dadurch die Bedeutung erheblich. Daten werden keine erhoben und nach dem Anschauen dieses Videos werden Sie auch nicht vernichtet, sondern im Idealfall wissen Sie dann über die Entwicklung der Großschreibung im Deutschen Bescheid. Außerdem mit dabei: Seltsame Schmuck-Initialen, doppelte Majuskeln, das ElitePartner-Forum, Jacob Grimm und SpongeBob Schwammkopf.
2021-06-03
Die diskussion über sinn- oder unsinn der gross- und kleinschreibung in der deutschen sprache ist nicht neu. Angesichts der digitalen kommunikationsformen sollten wir aber einen neuen anlauf nehmen und uns fragen, ob der alte hut, der generationen von schulkindern das leben erschwert und erwachsene zuweilen in erklärungsnot bringt, nicht abgeschafft werden sollte.
In Stefan Austs Autobiografie werden sich nicht alle Freunde und Gegner angemessen dargestellt finden. […] „Zeitreise“ ist ein zeitgeschichtliches Lesebuch, und das macht einen Gutteil seiner Faszination aus. Mit großer, manchmal zu großer Freude am Detail evoziert er Meilensteine nicht nur der deutschen Politik. Filbinger, Strauß, Barschel-Affäre, 9/11, Hitler-Tagebücher, Mauerfall, Rechtschreibreform – fast nichts fehlt, und immer ist Aust in irgendeiner Weise als Reporter oder Kommentator mit von der Partie.
2021-06-02
41 Fachleute aus sieben Staaten: Was der Rat für deutsche Rechtschreibung empfiehlt – und wie er dazu kommt. […] Der Rat ist für das verbindliche amtliche Regelwerk zuständig. Dass er eigentlich auch die missglückte Rechtschreibreform reparieren soll, sagen die Kultusminister nicht. Die heute amtierenden Minister haben die Rechtschreibreform ohnehin nicht beschlossen. Sie haben allerdings die Lektion gelernt, sich an diesem Thema besser nicht zu verheben.
2021-05-31
Linguist Thomas Niehr über Gender-Sternchen, Bullenschweine und das friedvoll entschlafene Fräulein. [… Niehr:] Kritik an der Sprache gibt es wohl, seit es Sprache gibt. […] Nur einige Beispiele aus der neueren Geschichte: Fremdarbeiter oder Gastarbeiter? Asylant oder Asylbewerber? Oder der Streit über die angebliche Überfremdung der Sprache durch Anglizismen. Oder die Debatte um die Rechtschreibreform – jahrelang ein Politikum, das in Deutschland sogar das Verfassungsgericht beschäftigte.
2021-05-30
In dieser kontroversen Debatte kommt nach meiner Auffassung ein wichtiger Aspekt zu kurz: die Schwierigkeiten für Ausländer und Schüler beim Erlernen der deutschen Sprache. Denn die Rechtschreibreform und das glücklicherweise wieder abgeschaffte „Schreiben nach Gehör“ haben verheerende Fehlentwicklungen bei mehreren Schülergenerationen verursacht. Es hat den Anschein, dass eine forcierte geschlechtsspezifische Sprache die viel beklagte Bildungsmisere noch weiter verschärft […].
2021-05-26
Ich habe das Gefühl, dass jeder Mensch in Deutschland für sich entscheiden kann, wie deutsch gesprochen werden soll. Ich erinnere mich an meine Anfänge in Deutschland. Nachdem eine Kommission mehrere Jahre getagt hatte, wurde eine neue Rechtschreibreform verabschiedet. In meinen ersten Deutschstunden schrieb ich „daß“, ein paar Jahre später ist „dass“ die neue Schreibweise geworden. Der Normalbürger weiß nicht immer, wie in einer Sprache die Regeln entstanden sind. Warum schreibt man vor Substantiven „der“, „die“ oder „das“? Fachleute haben diese Regeln so festgelegt, und wir wenden sie an.
2021-05-25
Verständlichkeit und Einheitlichkeit einer Sprache sind ein hohes Gut, zumal beim Deutschen. Anders als fast alle anderen europäischen Sprachen umfasst es noch heute verschiedene Kulturräume, landesweit oder regional ist das Deutsche Amtssprache in sieben Ländern. […] Dass Sprache geschlechtersensibel gebraucht werden soll, ist mittlerweile weithin unstrittig. […] Eine rote Linie überschritten wird mit Veränderungen von Orthographie und Typographie – zumal die eher harmlosen Eingriffe wie Schrägstrichvarianten mit oder ohne Bindestrich von neuen Formen der Wortbildung verdrängt werden, etwa mit Binnen-I oder Binnen-Doppelpunkt sowie dem Asterisk („Genderstern“).
2021-05-22
Und die Sprache entwickelt sich weiter. Man denke nur an die Rechtschreibreformen. Aber die sind überstanden. Die Rechtschreibreformer sind hoffentlich ausgestorben worden. Das ist gut so.
2021-05-15
Welche Lehren lassen sich aus Icklers Bericht für den Rechtsschreibrat ziehen? Drei Punkte bedürfen der Korrektur: die Zusammensetzung des Rates, seine Finanzierung und die Abhängigkeit von den Kultusministerien. Die Delegierung aus Verbänden ist zwar billig, aber nicht sachgerecht. Sie führt zu Unausgewogenheit und beeinträchtigt die Eigenverantwortung der Mitglieder. Heute ist das IDS mit drei Professoren sowie der Geschäftsführung vertreten, das Münchener Goethe-Institut und das vielversprechende Potsdamer Digitale Wörterbuch der deutschen Sprache fehlen dagegen ebenso wie die reformkritischen Sprachvereine aus Deutschland, Österreich und der Schweiz.
Ja, und dann wären da noch die reformfreundlichen vereine!
Bei den öffentlich-rechtlichen Medien läuft es bereits auf den Genderdoppelpunkt hinaus. Dieser wird, anders als der Stern, von Sprachprogrammen als Spiegel-ei-Pause mitgelesen. Sogar Moderatoren wie Claus Kleber, Anne Will und Linda Zervakis sprechen sie mit. Die Städte Hannover, Flensburg und Kiel nutzen hingegen den Stern. Wären die beiden Formen nicht mit der Rechtschreibung zu vereinen, würden öffentliche Stellen darauf verzichten. Vielleicht müssen die amtlichen Regeln zurechtgezurrt werden. Aber wofür gibt es Rechtschreibreformen, wenn nicht dafür?
2021-05-12
Was halten Sie denn vom Binnen-I, Unterstrich, Gendersternchen? [Eisenberg:] Ich bin ja Mitglied im Rat für deutsche Rechtschreibung und halte das alles für unzulässig. Beim Wort Lehrer*in zum Beispiel steht der Stern vor der Feminin-Endung. Bei gutwilliger Interpretation bedeutet es, dass sich die feminine Form durch den Stern auf Personen beliebigen Geschlechts bezieht. Würde man den Stern vor das -er setzen, also Lehr*er, könnte das ebenfalls bedeuten, dass sich das Wort auf Personen beliebigen Geschlechts bezieht. Warum muss man erst die feminine Form bilden, wenn sich das Wort auf Personen beliebigen Geschlechts beziehen soll?
2021-05-06
weil es im sprachgebrauch unkonsequent ist, anders zu schreiben als man spricht. wir sprechen keine großen laute, darum schreiben wir sie auch nicht.
2021-04-27
Kaum etwas kann Menschen so in Rage bringen wie der Streit über die Sprache und ihren Gebrauch. Warum ist das so? Ein Interview mit dem Direktor des Leibniz-Instituts für Deutsche Sprache in Mannheim. [… Lobin:] Sprache ist schon immer ein Mittel der politischen Auseinandersetzung gewesen […]. Die sprachpolitische Auseinandersetzung hat jedoch in Deutschland keine sehr lange Tradition. Vor allem der Streit um die Rechtschreibreform wurde in den 1990er Jahren auch politisch und juristisch ausgetragen. Die aktuelle Debatte um gendergerechte Sprache unterscheidet sich davon deutlich: Hier prallen grundlegende Überzeugungen zu sprachlicher Identität aufeinander, die kaum zu einer einvernehmlichen Lösung geführt werden können.
2021-04-26
Bei der Darstellung der Rechtschreibreform von 1996 klammert Lobin deren „übergeordnetes politisches Ziel“ aus sowie die Rolle des IDS.
2021-04-24
Der deutsche Sprachwissenschafter über die gendersensible Überarbeitung des Duden, Anglizismen - und die Gefahr für die deutsche Sprache, zum Dialekt zu verkommen. [… Trabant:] Wann immer der Staat in die Sprache eingreift, kommt Mist raus! Denken Sie nur an die Rechtschreibreform. Daraus ist ein Mischwesen entstanden, das niemanden glücklich gemacht hat.
2021-04-23
Während der Rechtschreibreform 1996 wurden korrekte Schreibweisen, im schulischen Kontext, von heute auf morgen zu Fehlern. Das zog Probleme für Schüler:innen, Studenten:innen und Lehrer:innen nach sich. Auf Regeln gänzlich zu verzichten, also das „Schreiben nach Gehör“, stieß auf ähnlichen Protest in der Bevölkerung.
Ist das eine liberale auffassung, die unterscheidung von richtig und falsch als hauptzweck von normen zu sehen? – «Schreiben nach gehör» oder «lesen durch schreiben» bedeutet nicht, «auf regeln gänzlich zu verzichten», im gegenteil. Die metode macht regeln sichtbar. Die schreibweise «fogel» ist regelhaft, «Vogel» richtet sich nach zwei unbegründeten ausnahmen.
2021-04-22
Gerade erschien das Werk Sprachkampf. […] Lobins Grundthese ist, dass der Kampf der Neuen Rechten gegen die Gendersprache, gegen die Rechtschreibreform, gegen den wachsenden Einfluss des Englischen, gegen den schwindenden Einfluss des Deutschen in der EU und auf der Welt und gegen die leichte Sprache nicht aus inhaltlichen Gründen geführt wird sondern in erster Linie, um ein antidemokratisches, reaktionäres, rassistisches, frauenfeindliches und EU-feindliches politisches Programm zu fördern. Dies gelänge in Sprachkämpfen besonders gut, weil die Öffentlichkeit durch Eingriffe in die Sprache leicht zu erreichen und zu emotionalisieren sei. […] Rechtschreibung? Ohne den Vorteil der neuen Rechtschreibung benennen zu können, räumt Lobin ein, dass sich immerhin die Verlage damit gut abgefunden hätten (S. 33). Was für ein Pluspunkt, möchte man da ausrufen. Martin Doerry berichtet allerdings im Spiegel von den katastrophalen Auswirkungen dieser Reform, die sich leicht empirisch nachweisen ließen.
2021-04-20
Leider wurde die Reform von 1996/98, angeführt von einem großen Berliner Zeitungshaus, 2006 ihrerseits einer (überflüssigen) Reform der Reform unterzogen, die viele alte Schreibweisen wieder aufleben ließ, ohne die neuen für ungültig zu erklären. Die Zahl der fakultativen Schreibweisen nahm in beängstigender Weise zu. Seitdem darf man sich wieder mit einem „Alptraum“ im Bett wälzen. Der Duden empfiehlt jedoch den „Albtraum“.
Der vorwurf ist gerechtfertigt, aber nicht im fall alb/alp. Schon der duden von 1996 führt „Alptraum“ als nebenform auf.
Sprachliche Debatten, von der Rechtschreibreform bis zum Genderstern, werden heute mit einer Heftigkeit geführt, die einem „Sprachkampf“ gleicht: So nennt es Henning Lobin, Direktor des Leibniz-Instituts für Deutsche Sprache in Mannheim – und warnt vor der Einflussnahme der Neuen Rechten.
2021-04-18
Weshalb die „Auberginen“ in den 1980er Jahren nicht zu „Oberginen“ reformiert worden sind, erzählt eine Anekdote […]. Der Schweizer Vertreter protestierte sofort, weil auf Grund der innerschweizerischen Gesetzgebung die vier im Lande geltenden Nationalsprachen Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch gleichwertig zu behandeln seien, weshalb Wörter der einen auch in den anderen Sprachen identisch geschrieben werden müssten.
The new system, Traditional Spelling Revised (TSR), will now be promoted in the hope that if it gains support “it will eventually become the new norm, thereby accelerating access to literacy”, the International English Spelling Congress said. The congress was set up by The English Spelling Society, a UK-based group that has campaigned to “repair our broken spelling” for 113 years, and the American Literacy Council. The society argues that English spelling has been so “chopped and changed” by invaders, scribes and printers over the centuries that the result is “crazy”. […] TSR changes up to 18 per cent of words in the language: wash becomes wosh, love is luv and educate becomes edducate.
2021-04-12
In Großbritannien wurde ein einschneidender Entschluss gefasst: An Universitäten sollen weder schlechte Orthographie noch gebrochenes Englisch im Ausdruck Gründe dafür sein, dass Studenten eine schlechtere Benotung bekommen. Diese Entscheidung gilt für Fächer, in denen die Sprache gegenüber dem Inhalt zurücktritt. […] Aus den Lehrkörpern der Unis werden jedoch Stimmen laut, die sich massiv gegen diese Art von Weiterentwicklung wehren. Sie vertreten die Meinung, Prüfungen seien genau dazu da, zwischen denen, die in der Lage sind, auszudrücken was sie meinen, und jenen, die es nicht sind, zu unterscheiden.
Der Duden galt lange als neutrale sachliche Instanz. Doch an Ideologie und Zeitgeist wurde das Wörterbuch schon vor der jüngsten Gender-Offensive oft angepasst. 1941 musste schnell eine alte Tradition abgeschafft werden, weil ein Mann eine einsame Entscheidung getroffen hatte. […] Ein solcher hitlerscher Spleen führte dazu, dass der Duden innerhalb nur eines guten Jahres noch einmal wortgleich in einer ganz anderen Schrift gesetzt werden musste: Die Fraktur, die bis dahin als die „deutsche Schrift“ schlechthin gegolten hatte, wich in den Neudrucken der zwölften Auflage ab November 1942 der Antiqua, die wir bis heute benutzen.
2021-04-07
Zwar ist die Zeit scharfer Boykotte vorüber, doch wider den Stachel zu löcken, regt die trotz mehrfacher Korrektur wenig geliebte Reform noch immer sprachliche Freigeister an. Und sei es aus Ehrfurcht vor dem eigenen Erbe, wie wir dem Kirchheimbolander Stadtrat gern zugestehen wollen. Im Baugebiet an der Neumayerstraße haben gerade die ersten Bewohner ihre Häuser bezogen. […] Vor reichlich einem Jahr beschloss der Rat, der Erschließungsstraße den Namen „Am Schloßgarten“ zu geben. So, wie das ganze Gebiet laut Bebauungsplan von 2018 heißt. Nur dass es darin, korrekt nach Duden, mit doppeltem „s“ geschrieben wird.
2021-04-06
Nun stellt sich die Frage, warum wir nicht „dreissig“ schreiben. Nach der ss/ß-Regel der Rechtschreibreform steht „ss“ nach kurzem Vokal (Fluss), „ß“ aber nach langem Vokal (Fuß) […]. Vor 1996 wurde uns zugemutet, vom „Fluß“ in die „Flüsse“ zu springen. […] Auf einen Diphthong (Doppelvokal) folgt nie ein „ss“, sondern dann stets ein Eszett (heiß, außer, fließen).
2021-04-05
Ainǝ fónémátexǝ Ræçtxraiboŋ fýr dï xtandartdɔytxǝ Xprácǝ – ódər: Dï ainfacstǝ dɔytxǝ Ræçtxraiboŋ dǽr Vælt! […] Die hier vorgeschlagene phonematische Schreibung der standarddeutschen Sprache beruht auf der IPA-Lautschrift, enthält jedoch einige Änderungen und Vereinfachungen, die das Schreiben und Lesen erheblich erleichtern.
2021-04-01
Abend für Abend fänden sich Altstadtbewohnerinnen und -bewohner draussen auf der Stüssihofstatt ein, als Theke diene der Brunnenrand und als Treibstoff das Take-away-Angebot des benachbarten Kinos Stüssihof. «Dort treffen wir uns jeden tag bei jedem wetter um 17 uhr (natürlich mit abstand)», schrieb der Mann, ein vehementer Verfechter der Kleinschreibung […].
2021-03-28
Aus einer empirischen Erhebung des „Rates“ geht hervor, dass die „Gender“-Schreibvarianten weniger als 0,01 Prozent (entsprechend 15.000 Treffern) ausmachen und nach wie vor das „generische Maskulinum“ mit mehr als 2 Mio. Treffern dominiert.
Christine Pabst, Herausgeberin des Österreichischen Wörterbuchs, sitzt in dem Gremium. Am aktuellen Statement zu gendergerechten Schreibungen betont sie besonders das zu den Punkten sachliche Korrektheit, Lesbarkeit, Vorlesbarkeit, Verständlichkeit, Rechtssicherheit und Eindeutigkeit neu hinzugekommene Kriterium Erlernbarkeit. Kolleginnen aus mehrsprachigen Ländern hätten dies in die Diskussion eingebracht.
2021-03-13
Stimmt die Behauptung, dass junge Menschen immer mehr Rechtschreibfehler machen? Eine Auswertung von Abiturklausuren zeigt: leider ja. […] Die früher gern verwendete Ausrede, man habe erst die alte und dann die neue Rechtschreibung erlernen müssen und wisse nun gar nicht mehr, was richtig oder falsch sei, können die Abijahrgänge 18 und 19 nicht mehr für sich in Anspruch nehmen. […] Dennoch hat die Rechtschreibreform die Schreibkompetenz beeinflusst. Bei den s-Lauten nach kurzen und langen Vokalen (s, ss oder ß) gibt es zwar nur geringe Veränderungen zwischen den Achtzigerjahren und heute. Der Wegfall des »ß« bei »daß« hat jedoch offenbar Verwirrung gestiftet. Heute werden bei der Unterscheidung von »dass« und »dass« etwa doppelt so viele Fehler gemacht wie früher bei »das« und »daß«. Die Fehlerzahl bei der Getrennt- und Zusammenschreibung – einem Kernbereich der Reform – hat sich sogar verdreifacht. Die von den Reformern versprochenen Verbesserungen sind also in Gaienhofen nicht eingetreten.
An der Tafel steht unser Lehrer Peter Merks, der uns im Jahre 1954 die Kurzschrift »Sprechspur« beibringt. […] Ich kann die Schrift bis heute lesen. Sie ist eine Lautschrift, die um 1930 der preußische Generalmajor Felix von Kunowski erfunden hatte, der Stenografie ähnlich. Sie wurde Anfang der Fünfzigerjahre von einigen Pädagogen wiederentdeckt, die annahmen, diese Schrift wäre für Kinder leichter zu lernen als die lateinischen Buchstaben.
2021-03-11
Könnte denn der Rat für deutsche Rechtschreibung nicht endlich mal das Gendersternchen akzeptieren? [Lobin:] Meine persönliche Meinung: Er sollte es nicht tun. Die Frage des Gendersterns ist eine Frage des Sprachgebrauchs. Der Stern gehört nicht zum Bereich der Standardisierung von sprachlichen Formen und nicht zum Kernbestand der deutschen Orthographie […]. Wir müssen uns im Rechtschreibrat darüber verständigen, dass es auch Formen schriftsprachlicher Konventionen gibt, die außerhalb der Orthografie eher im Bereich der Typographie liegen.
2021-03-10
Zu Besuch beim ehemaligen Chefkorrektor der NZZ – dem 93-jährigen Berner Max Flückiger, der soeben die Rechtschreibe-Bibel «Richtiges Deutsch» neu überarbeitet hat. […] Max Flückiger erinnert sich an internationale Konferenzen, die er früher besuchte. Dort diskutierten jeweils Fachgremien aus Österreich, Deutschland und der Schweiz für mehrere Tage über orthografische Neuerungen. An einer Tagung in Arbon etwa wurde entschieden, dass es fortan «Gämse» heisst und nicht mehr «Gemse». Gämse komme von Gams, lautete die Begründung. «Eine Gams gibt es aber für uns Schweizer nicht. Da wurden wir am Ende einfach überstimmt.»
2021-03-08
Pessimistische Hirnforscher gehen davon aus, dass die anspruchsvolle Arbeit von Chirurgen um die Mitte des Jahrhunderts nur noch von Asiaten ausgeübt werden kann, die durch das Erlernen der komplizierten Schriftzeichen eine bessere Hand-Auge-Koordination ausbilden. Auch die Einführung des Lernprinzips «Schreiben, wie man hört» führt an deutschen Schulen zu bleibenden orthographischen Kalamitäten.
2021-03-06
Duden-Preisträgerin Christa Dürscheid spricht über ihre Forschung sowie Besonderheiten der Schweiz […]. Die Rechtschreibreform wurde öffentlich breit diskutiert, ähnlich ist es jetzt mit der „Genderisierung“, der gleichberechtigten Berücksichtigung aller Geschlechter. Welchen Standpunkt vertreten Sie hierbei? Dürscheid: Die geschlechtergerechte Sprache ist nun mal ein wichtiges Thema. Was in Stellenanzeigen und anderen Texten schon länger gefordert und umgesetzt wird, das dokumentiert nun auch das Wörterbuch. […] Was die Schreibung angeht: Der Rat für deutsche Rechtschreibung hat ja seine Entscheidung noch zurückgestellt. Offiziell zugelassen ist die Verwendung des Gendersterns also noch nicht. In Texten setzt er sich aber immer mehr durch.
Der Duden steht massiv in der Kritik – weil er „Arzt“ neuerdings männlich definiert. […] Als Chefin des Duden ist man immer auch ein bisschen Blitzableiter. Aber so stark wie jetzt, sagt Kathrin Kunkel-Razum, war das Gewitter bisher dann doch eher selten. […] Vor 24 Jahren erlebte sie eine ähnliche Empörung. Es war 1997, damals ging es um die Rechtschreibreform. […] Die Entrüstung war groß, dass man nun „Stängel“ schreiben sollte und „Fantasie“. Lange her. Aber nun ist die nächste Gewitterfront aufgezogen. Sie richtet sich gegen den Siegeszug der geschlechtergerechten Sprache […].
2021-03-04
Für die Digital Natives, die Generation, die von Kindesbeinen an täglich stundenlang auf Smartphone-Displays starrt, ist die Mundart die neue Hochsprache. Das Schreiben gehe leichter von der Hand, es sei authentischer. Man habe keine Scheu und tippe munter drauflos, denn Regeln gebe es ja keine. Und so zeigt sich nur schon innerhalb eines Dialekts eine riesige Bandbreite von «innovativen» Schreibvarianten.
Die Redaktion der Berliner Zeitung erhält regelmäßig Manuskripte, die voll und ganz und überaus akkurat nach den alten Rechtschreibregeln abgefasst sind. Oft stammen sie von älteren Autoren. Die Unterstellung, dass diese sich noch immer in einem längst vergeblichen Kampf gegen die 1996 vollzogene Rechtschreibreform befinden, geht jedoch fehl. Die entsprechenden Korrekturen in ihren Texten nehmen sie in der Regel unkommentiert hin, sie scheinen lediglich für sich und ihr Schreiben befunden zu haben, sich nicht mehr an das neue Regelwerk anzupassen. Die Wirklichkeit der geschriebenen Sprache gibt ihnen recht. Was seit der sogenannten Rechtschreibreform im alltäglichen Schriftverkehr umgesetzt wird, ist wenig kohärent und folgt vielmehr dem Wildwuchs beliebiger Anwendungen. Das gilt nicht zuletzt auch für Versuche, der Geschlechterdiskriminierung in der Sprache Einhalt zu gebieten und sie durch Doppelpunkt, Stern oder andere schriftsymbolischen Setzungen nicht nur kenntlich zu machen, sondern gleich zu beheben.
2021-03-03
Christian Kracht erzählt in seinem Roman „Eurotrash“ von einem Schriftsteller namens Christian Kracht. […] Aber warum beharren Sie dann auf der alten Rechtschreibung? [Kracht:] Achso, ja, ich habe vor fünfzehn Jahren einmal ein Manifest unterschrieben gegen die Rechtschreibreform, unter anderem übrigens mit Daniel Kehlmann zusammen. Und ich weiß nicht, ob ich da jetzt so einfach wieder herauskomme aus dieser Verpflichtung.
Wir wissen es: so wie die wortführer der gegner, z. b. der lehrerverbandspräsident, die nun einfach in neuer rechtschreibung publizieren.
2021-03-02
Die Tageszeiten nach Adverbien werden seit der Rechtschreibreform als Substantive angesehen und großgeschrieben: vorgestern Nacht, gestern Abend, morgen Mittag, heute Nachmittag. Hängt an den Tageszeiten jedoch ein -s, wandelt sich die Wortart zurück zum Adverb – und Adverbien werden kleingeschrieben: morgens, mittags, abends, nachts.
2021-03-01
Der Beitrag von Bernward Loheide lässt erkennen, in welch chaotische Lage uns die Diskussion um die sogenannte geschlechtergerechte Sprache inzwischen geführt hat […]. Wie sich heraus stellt, hat der Duden hier – etwas übereilt? – Fakten geschaffen, deren zu erwartende mögliche spätere Korrektur das Aufbegehren nach der vor rund zwei Jahrzehnten vollzogenen Rechtschreibreform womöglich noch an Intensität überbieten müsste, um in dieser Sache eines Tages vielleicht doch noch erfolgreich sein zu können.
2021-02-24
The Gothenburg City Culture Committee has proposed to remove the Nordic letters from certain street names to make it easier for foreign-born tenants who struggle with Scandinavian lettering, the news outlet Samhällsnytt reported. The Moderates, the Christian Democrats and the Liberals in the Gothenburg City Culture Committee consider names such as Långfilsgatan and Kärnmjölksgatan in the district of Kallebäck problematic for tenants with a foreign background. To accommodate them, it has been proposed to change the names that include the trademark Å, Ä and Ö letters. The initiative was vehemently opposed by the national-conservative Sweden Democrats.
2021-02-19
Die Sprache ist ein lebendiger Organismus, der sich nach seinen immanenten Strukturgesetzen entwickelt. Jedweder künstliche Eingriff in diese sprachlichen Gesetzmäßigkeiten ist von Übel, wie die sogenannte Rechtschreibreform bewiesen hat, deren Auswüchse ja bis heute die Sprache schädigen.
Dazu: aktuelles zitat.
2021-02-13
Sprache entwickelt sich von unten, und das ist auch gut so. Jeder künstliche Eingriff hat ihr immer nur geschadet, wie die erste Rechtschreibreform gezeigt hat.
2021-02-07
Im Genderlager gilt der Sieg nur als Frage der Zeit. Der Widerstand dagegen wird als Kulturkampf gesehen, den die Konservativen verlieren werden, wie bei Homoehe, Wehrpflicht und Rechtschreibreform. […] Karin Kusterle […] ist eine Germanistin von der Universität Graz […]. Heraus kam, dass die Leute bei „Studenten“ eher an Männer denken, nämlich zu 65 Prozent. Aber verschwindet das Problem durch „Studierende“? Kusterle hat auch das untersucht. Ergebnis: Bei „Studierende“ denken immer noch 60 Prozent an Männer […]. Das Ergebnis jahrelanger Debatten an Universitäten und der Umbenennung von Studentenausschuss, Studentenparlament, Studentenkneipe, Studentenausweis und Studentenwohnheim: fünf Prozent. Kusterle fordert seither das Binnen-I. Sie schreibt: StudentInnen.
2021-02-05
Man muss dafür jedoch im Archiv 25 Jahre zurückblättern, bis Anfang Februar 1996. Es ist das Jahr, in dem US-Präsident Bill Clinton wiedergewählt wird und die deutsche Telekom an die Börse geht. Seit zwei Jahren wird über die Rechtschreibreform gestritten, EU-Bürger protestieren gegen Sparpläne aus Brüssel.
2021-02-04
Im Januar habe ich unter dem Titel «Warum kein Interrobang?!» von meiner Korrespondenz mit der Duden-Redaktion in Berlin berichtet. […] Als letztes «neues Zeichen» sei das Eszett in Grosschreibung bewilligt worden. Diesen Buchstaben verwenden die Deutschen und die Österreicher anstelle von «ss» nach langen Vokalen (Straße, Blöße) oder Diphthongen (heißen, äußern). Wir Schweizer schreiben dagegen in allen Fällen immer «ss». Das grossgeschriebene Eszett gehört laut der Duden-Redaktion seit dem 29. Juni 2017 zur deutschen Rechtschreibung – «als Zeichen existierte es bereits davor». Es komme indes nur in der Werbung gelegentlich vor oder werde von Behörden benutzt. Meist werde stattdessen «SS» geschrieben, was ebenfalls erlaubt sei. […] Aus meinem Traum vom «anständigen» Interrobang wird also nichts. Aber wenigstens darf ich jetzt mit offizieller Gutheissung der Duden-Redaktion «in informellen Texten» was immer das heisst die Kombination «?!» verwenden.
Warum braucht es eine erlaubnis für die verwendung des zeichens ‽?
2021-02-03
Wir sprachen mit dem Sprachwissenschaftler Dr. Anatol Stefanowitsch von der Freien Universität Berlin über diskriminierende Sprache, alte Gewohnheiten und emotionale Diskussionen. [Stefanowitsch:] Ich glaube, dass wir beispielsweise beim Gendersternchen nicht mit jahrzehntelangen Irritationen rechnen müssen, sondern eher in Jahren rechnen können. Die Rechtschreibreform ist da ein gutes Beispiel: Es gibt zwar immer noch einzelne Menschen, die das ß nach den alten Regeln benutzen, aber die neue Rechtschreibung hat sich komplett durchgesetzt.
2021-01-28
Schon die unsägliche Rechtschreibreform hat der deutschen Sprache nicht gutgetan.
Es steckt einem ja nicht nur die bis heute als unausgereift einzustufende Rechtschreibreform in den Knochen; seit einigen Jahren leidet die Rechtschreib(un)sicherheit zusätzlich unter den verheerenden Auswirkungen der Methode „Schreiben nach Gehör“, von der man inzwischen zwar abrückt, die aber wie ein Mühlstein um die Hälse ganzer Schülergenerationen hängt, was einem kaum wiedergutzumachenden Eingriff in das orthographische Bewusstsein gleicht. Wenn vor diesem Hintergrund fortan auch noch alles „durchgegendert“ werden soll, dann empfehle ich vorsorglich einen Verzicht auf die Bewertung der Rechtschreib- und Grammatikleistung aller Schüler […].
2021-01-27
Wenn also der Duden das generische Maskulinum abschafft, wie es gerade in deutschen Medien heißt, ist das weder so gut, wie die Befürworter dieser Entscheidung glauben, noch so schlimm, wie die Gegner fürchten. Vor allem aber ist es nicht wahr. Der Duden kann das generische Maskulinum sowenig abschaffen, wie ein Hersteller von Landkarten Berlin abschaffen kann oder ein Taschenrechner Nachkommastellen. Der Duden hat keine Macht über die Sprache, seit der Rechtschreibreform hat er nicht mal mehr das Rechtschreibmonopol, das liegt beim Rat für Deutsche Rechtschreibung.
2021-01-26
Der Genderstern in Texten ruft schnell heftige Reaktionen hervor. Der Typograf und Buchgestalter Friedrich Forssman lehnt dieses Zeichen ab. […] Der große Unterschied zu anderen Zeichen wie beispielsweise Semikolon, Ausrufezeichen oder Bindestrich sei, dass der Genderstern eine moralische Funktion haben solle […]. Dagegen wehrt er sich […]. Der Genderstern sei auch anders zu beurteilen als die Rechtschreibreform 1996. Diese Reform rief ebenfalls sehr viel Empörung hervor, ist aber inzwischen weitgehend akzeptiert. Doch mit dem Genderstern würden wir uns "von unserer Sprachgeschichte dramatisch abschneiden", meint Forssman.
Eine einheitliche Rechtschreibung gibt es im Deutschen erst seit der 2. orthografischen Konferenz im Jahr 1901. Damals wurde der Duden – nach seinem Namengeber Konrad Duden – als verbindlich eingestuft, was in den 1950er Jahren noch einmal gefestigt wurde. Doch durch die Rechtschreibreform 1996 wurde dieses Monopol gebrochen, denn seitdem existiert das sogenannte »amtliche Regelwerk« […].
Sehr ungenau. Die deutsche kultusministerkonferenz beschloss 1950 (nicht vorher, erneuert 1955), «dass bis zu einer [unmittelbar bevorstehenden staatlichen] Neuregelung im Zweifel [innerhalb der staatlichen norm] der ‹Duden› gelte».
2021-01-22
Der Duden hat seit der Rechtschreibereform keinerlei amtliche Funktion mehr; er «darf» also alles. Er erhebt aber den Anspruch, den allgemeinen Sprachgebrauch wiederzugeben. Dazu gehört, obwohl sie bekämpft wird, die Zwitterrolle der grammatisch männlichen Personenbezeichnungen: Sie gelten nicht immer nur für Männer. Im gedruckten Wörterbuch «Rechtschreibung» stehen (zum Glück) in der Regel keine Definitionen.
2021-01-21
Der Duden hat seit der Rechtschreibereform keinerlei amtliche Funktion mehr; er «darf» also alles. Er erhebt aber den Anspruch, den allgemeinen Sprachgebrauch wiederzugeben.
2021-01-15
In der vergangenen Woche wurde bekannt, dass die Duden-Redaktion die Definition männlicher Begriffe neu festgeschrieben hat. […] Darf der Duden das einfach? Sabine Krome, Geschäftsführerin des Rats für deutsche Rechtschreibung, klärt auf. [… Krome:] Man sieht daran, dass das „Duden-Monopol“ – also „verbindlich in Zweifelsfällen zu sein“ – nachwirkt, und zwar über den orthografischen Bereich hinaus. Die im Rahmen der Gender-Thematik häufig vorgenommene Bewertung des generischen Maskulinums ist eigentlich keine Rechtschreibfrage, sondern eine grammatische und sprachpolitische. Hier vermischen sich unterschiedliche Ebenen. In den deutschsprachigen Ländern ist nur die Orthografie amtlich und damit für einige Bereiche – Schulen und Behörden – rechtlich verbindlich, die Grammatik etwa folgt ebenfalls verschiedenen Regeln und Konventionen, sie ist aber nicht amtlich festgelegt. Für den Rat für deutsche Rechtschreibung wird die Frage erst dann zum Problem, wenn orthografische Regeln durchbrochen werden […]. Das aktuelle Papier zur geschlechtergerechten Schreibung ist gerade fertig geworden. Es muss jetzt noch von Mitgliedern des Gesamtrats, der am 26. März erneut tagt, gebilligt werden. […] Es handelt sich dabei um Empfehlungen des Rats, nicht aber um orthografische Änderungen des Regelwerks. Diese müssen jeweils erst von den staatlichen Stellen aller im Rat vertretenen Länder beschlossen werden.
2021-01-14
Der Online-Duden sagt dem generischen Maskulinum den Kampf an und gendert ab nun u. a. Berufe – Linguisten kritisieren scharf. […] Auch für Christine Pabst hat der Duden einem Druck zu gendersensibler Sprache nachgegeben, der in Deutschland viel stärker sei als hierzulande. […] Pabst sitzt im Rat für deutsche Rechtschreibung und ist Chefredakteurin des Österreichischen Wörterbuchs. Wenn 2022 dessen nächste Auflage erscheint, wird in den Begriffserklärungen jedenfalls nicht „männliche Person, die“ oder „weibliche Person, die“ stehen. […] Für Pabst ist die Aktion übereilt. „Denn zuerst wird in der gesprochenen Sprache etwas verändert, und dann schlägt es sich in der geschriebenen nieder. In der Genderdebatte wollen viele den umgekehrten Weg gehen. Das widerspricht aber den Regeln, wie Sprachwandel passiert.“
2021-01-12
Wer Personen beider Geschlechter meint, muss laut Duden auch die weibliche Form nennen. […] Konkret wird das sogenannte generische Maskulinum abgeschafft, dass Frauen mitmeinte […]. Die Änderungen im Duden führen nun sowohl in der Fachwelt als auch in der Bevölkerung zu heftigen Diskussionen. […] Wie empfindlich Menschen auf die Sprache reagieren, zeigte sich jeweils bei Rechtschreibreformen.
Vor genau 150 Jahren wurde das Deutsche Reich gegründet. […] Weil die staatlich geeinigten Deutschen in vielerlei Mundarten redeten, herrschte auch in der Rechtschreibung blankes Durcheinander. Deshalb begann Konrad Duden […] 1871 damit, ein Wörterbuch zu schaffen. […] Weil sich der Duden nun – nach 140 Jahren – identitären Obsessionen relativ kleiner Gruppen unterwirft, büßt er jede Verbindlichkeit ein – er schafft sich selber ab. Ich gehe jedenfalls weiterhin zum Bäcker – nicht zum Backshop, zur Backenden oder zur Bäcker*in.
Einen schlechten Ruf hatte die Kultusministerkonferenz schon immer. […] Die Liste der Themen, bei denen der Einrichtung wahlweise Untätigkeit, Inkompetenz oder Eigenbrödlerei der Länder vorgehalten wird, ist lang. Seien es Lehrkräftemangel, vergleichbare Noten, Schulabschlüsse und Schulformen, Digitalisierung, aufeinander abgestimmte Ferientermine oder, wenn man weiter zurückgehen will, die lange erbittert umkämpfte Rechtschreibreform, die ebenfalls von den Kultusministern ausging und umgesetzt wurde.
2021-01-06
[…] ein gewisser Sprachelitismus, dem wiederum eine Fehlkonzeption von Sprache zugrundeliegt, die eng mit der Vorstellung zusammenhängt, dass Sprache statisch sei: nämlich die Idee, dass es ganz klar richtige und falsche Formen gibt. Auch hier sind wir teilweise durch den Schulunterricht vorgeprägt: Wir denken über Sprache im Sinne von Normen nach. Wir fragen uns, was das standardsprachlich Richtige ist. Und tatsächlich gibt es ja auch Normen, die teilweise verbindlich sind – sowohl in der Schule als auch in Behörden müssen wir uns weitgehend an verbindliche Regelwerke halten. Das gilt vor allem für die Schriftsprache, wo es amtliche Rechtschreibregeln gibt. Auch diese gelten aber natürlich nur in offiziellen Kontexten – wenn eine Privatperson beschließt, von nun an nur noch klein zu schreiben, dann kann sie das tun, und wenn ein privatwirtschaftliches Unternehmen beschließt, ab sofort sein eigenes Regelwerk einzuführen, weil es die amtlichen Rechtschreibregeln für doof hält, hindert es auch niemand daran.
«… sowohl in der Schule als auch in Behörden müssen wir …» Wir? Für eine grosse mehrheit der bevölkerung gilt bezüglich der schule «mussten», und nur eine kleine minderheit arbeitet bei einer behörde. Für letztere ist auch nicht die behörde entscheidend, sondern der (ebenso freiwillige wie weit verbreitete) status als angestellter. Dass sich die behörden hinwiederum an die schulrechtschreibung halten, ist verständlich, aber nicht zwingend, wie Bismarck und mehrere schweizer gemeinden gezeigt haben.
2021-01-05
„Dass das das darf!“, wunderte sich ihre Tochter. Es ist nicht bekannt, ob Pauline diesen Dialog fehlerfrei zu Papier bringen könnte, wobei sie die Konjunktion „dass“ damals natürlich als „daß“ mit Eszett hätte schreiben müssen. Wir können allerdings annehmen, dass in jenen Jahren jede Berliner Schülerin und jeder Berliner Schüler die Grundlagen der Rechtschreibung in der Schule gelernt hat, und zwar an sechs Tagen in der Woche. Am Sonnabend war Unterricht, und am Freitag wurde gebüffelt und nicht demonstriert. Friday for Spelling!
2021-01-03
1871 legte Duden […] seinen ersten Vorschlag für eine Rechtschreibreform vor. 1876 war er einer der führenden Köpfe auf der Berliner Konferenz zur „Herstellung größerer Einigung in der deutschen Rechtschreibung“. Duden gehört zur Partei der Wissenschaftler, die die Buchstaben f, v und ph durch einheitliches f ersetzen wollten. Das Dehnungs-h wollten sie auch weitgehend abschaffen. Dann hätte man nicht mehr Vieh, sondern fi geschrieben.