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Bund für vereinfachte rechtschreibung (BVR)

stellungnahmen → Zu: «Zermürbung der Hirne durch Schreibreform»
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Der Bund für vereinfachte rechtschreibung nimmt stellung

Zu Ickler, «Zermürbung der Hirne durch Schreibreform», Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10. 11. 2000

Als vorsitzer eines 76-jährigen schweizerischen schreibreformvereins kann ich die deutsche diskussion um reformbestrebungen im Dritten reich nur mit kopfschütteln betrachten. Theodor Icklers artikel ist immerhin nicht undifferenziert, aber die linguistischen schlussfolgerungen scheinen mir doch sehr diskutabel zu sein. Das mit den «schulen» habe ich irgendwie anders in erinnerung, aber wahrscheinlich gibt es in der interpretation der schulen auch ver­schiedene schulen. Dass hier sehr «vergröbernd» dargestellt wurde, zeigt schon der begriff «fonetisch». Da wäre noch einiges klarzustellen, aber Ickler schreibt ja noch ein buch.

Immerhin ist anzunehmen, dass die «erfinder» der buch­stabenschrift nicht zur historischen schule gehörten, sonst hätten wir jetzt keine schrift oder vielleicht eine chinesische. Wir sind jedenfalls der meinung, dass es auch ein standpunkt ist, eine sache «im sinne des erfinders» zu betrachten. Und in diesem sinne ist die entwicklung, die die englische schreibung hinter sich und die deutsche ohne gelegentliche renovierung vor sich hat, nichts anderes als eine ver­wahrlosung. Sie gefährdet die buchstaben­schrift; diese ist auch ein kulturelles erbe. Oder hat die englische schreibung einen vorzug, den die italienische nicht hat? Natürlich nicht; ältere literatur wird wohl in beiden gebieten ungefähr gleich schnell vergessen oder auch nicht. Schon gar nicht kann man annehmen, dass das lesen und das schreiben im englischen leichter fallen. Ganz im gegenteil, wie erkenntnisse des hirn­forschers Ernst Pöppel (dpa, 24. 11. 2000) sowie eine in der Welt (4. 1. 2000) und in der NZZ (9. 2. 2000) erwähnte untersuchung zeigen. Kein wunder, dass es u. a. im englischen und im französischen sprachgebiet reformbestrebungen gibt. Wie auch immer — nicht zufällig hat der Bund für vereinfachte rechtschreibung anno 1924 die eigennamen­grossschreibung zum hauptziel gemacht. Sie lässt sich aus beiden von Ickler definierten schulen rechtfertigen.

Rolf Landolt, Bund für vereinfachte rechtschreibung