Bund für vereinfachte rechtschreibung (BVR)
Nicht alle sollten «richtig» schreiben
Zu Stefan Arndt, «Alle sollten richtig schreiben», Hannoversche Allgemeine, haz.de, 24. 7. 2018
Fragen an Schulbuch-Expertin Andrea Watermeyer.
[Arndt:] 3 Rechtschreibreformen gab es bislang im deutschen Sprachraum: 1876, 1944 und 1996 […].
Wir kommen eher auf 2 (siehe chronik). 1876 und 1944 gab es anläufe (ebenso 1954 und 1958 usw.), aber leider keine reform. Die neuregelungen von 1901 und 1996 kann man als reformen bezeichnen, wenn man grosszügig ist.
[Watermeyer:] Es gab ja Widerstände gegen die Reform: Viele hielten weiterhin an der alten Rechtschreibung fest, auch viele Zeitungen. Das führte zu Widersprüchen.
Es waren sehr wenige zeitungen, nur 1 bedeutende. Dass freie menschen eine neuerung unterschiedlich schnell annehmen, nennt man nicht «widersprüche», sondern normalen lauf der welt.
[Arndt:] Wäre es da nicht eigentlich vernünftig, sich in einer weiteren Reform auf nur eine verbindliche Version festzulegen?
Das wäre eigentlich vernünftig, aber leider unmöglich, weil eben die verbindlichkeit fehlt. Die erklärung findet man unter unserem stichwort varianz.
[Watermeyer:] Ein Problem der Rechtschreibreform war aber, dass sehr viel auf einen Schlag gemacht wurde. Sie kam ziemlich abrupt und enthielt wenig Kompromisse.
Ein problem der rechtschreibreform war, dass sehr wenig gemacht wurde. Sie kam erst nach endlosen diskussionen und enthielt zu viele kompromisse.
[Watermeyer:] Der Duden hat vor der Reform immer Anpassungen der Schreibweisen vorgenommen. Darum schreiben wir jetzt ‹Tür› ohne h.
Nein, das war die staatliche ortografische konferenz von 1901.
[Arndt:] Wer also an seinem Schulwissen festhält, schreibt irgendwann falsch?
Ältere leute, die an ihrem schulwissen festhalten, können nicht in Deutschland herumreisen, weil sie plötzlich vor einem stacheldraht zu stehen glauben. Aber irgendwann sind sie tot; so gibt es nur noch wenige leute, die die deutsche kurrentschrift benützen. Es wäre aber nach wie vor nicht falsch, nur unpraktisch. Es gibt im leben nicht nur «richtig» und «falsch», ausser man ist in der geistigen entwicklung nicht über die eines volksschülers hinaus gekommen.
[Watermeyer:] Ich fände es gut, wenn alle richtig schreiben würden und sich auch im täglichen Umgang bei E-Mails und Kurznachrichten ein bisschen mehr Mühe damit geben würden.
Das fänden wir auch gut. Aber erstens halten wir es für besser, eine sache (die rechtschreibung) zu ändern als den menschen. Und zweitens kann jeder erwachsene mensch selbst entscheiden, was für ihn richtig ist. Wir zum beispiel halten an der alten eigennamengrossschreibung fest.
Rolf Landolt