Bund für vereinfachte rechtschreibung (BVR)
Zu Peter von Matt, «Auf die Sprache hören; ein Plädoyer für eine Lockerung der Fronten», Neue Zürcher Zeitung, 14. 8. 2004
Nachweis unter presse und internet
«Der Prozess wird lang sein.» Das war und ist er bereits! Nur haben ihn nicht alle mitbekommen. Fürwahr, man ist auf die journalistenverbände, die schriftstellerorganisationen, die verlage usw. usw. zugegangen! Dass die Schweiz «eine breite Vernehmlassung verhindern half», ist eine böswillige unterstellung und — zusammen mit ausdrücken wie «blanker Unsinn» und «albern» — kaum geeignet, «ein neues Gesprächsklima zu schaffen».
Eine katastrofe ist es, wenn sprachwissenschafter den propagandaspruch von der wortzerstörung nachbeten. Was als wort zu gelten hat, ist einerseits eine unwichtige formalie, anderseits nicht eindeutig zu definieren. Für den normalen sprachbenützer darf offen bleiben, ob «wiedersehen» («Ich wiedersehe dich?») in jeder hinsicht 1 wort ist. Leerzeichen zwischen den wörtern setzten sich erst nach dem jahr 1000 durch. Wörter gab es schon vorher, sogar vor der verschriftung, also werden sie wegen ein paar leerzeichen mehr oder weniger nicht «zerstört» und «verboten». In der tat sollte man mehr auf die sprache und weniger auf die ortografie hören!
Hängt von einem leerzeichen die bedeutung ab? «Wenn ein Dieb ‹im Dorf wohl bekannt ist›, heisst das etwas anderes, als wenn er ‹im Dorf wohlbekannt ist›.» Ja, natürlich in diesem konstruierten, in einer bestimmten absicht formulierten, isolierten satz. Aber nur hier. Und in unzähligen (oft lustigeren) witzen. Man kann auch «Bank» und «Bank», «Gericht» und «Gericht», «Fall» und «Fall», «Ton» und «Ton», «Aufgabe» und «Aufgabe», «schwarzes Schaf» und «schwarzes Schaf» oder «oder» und «oder» nicht unterscheiden! Und wie ist das mit den 3 (!) bedeutungen von «gross schreiben» / «grossschreiben»? Nach meiner einschätzung vermehrt die neuregelung solche ambiguitäten um 0,000001 prozent und vermindert sie an anderen stellen (stillleben, ck-trennung) um 0,0000008 prozent.
Rührend ist es, wenn sich der herr professor emeritus um die schulkinder sorgt: Sie «werden bestraft, wenn sie so schreiben, wie sie es in vielen Zeitungen sehen, die zu Hause herumliegen, und in fast allen Büchern, die ihre Eltern lesen». Gewiss haben durchschnittliche eltern nur gehobene belletristik und allenfalls zehnjährige computerbücher zu hause. Und die Bild-zeitung verursacht keine probleme, solange die schüler nur die bums-sprache und die nackedeis in die schule mitnehmen — aber nun die zweikonsonantenregel und die ungetrennten st! Es gab eine zeit, als kinder die briefe ihrer grosseltern nicht lesen konnten. Heute haben sie mit den grosselterlichen sms, die vielleicht sogar in irgend einer rechtschreibung abgefasst sind, keine probleme. Was sollen also die katastrofenszenarien?
Bund für vereinfachte rechtschreibung, Rolf Landolt, Zürich (vorsitzer)