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Bund für vereinfachte rechtschreibung (BVR)

stellungnahmen → Ein jurist will recht haben
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Der Bund für vereinfachte rechtschreibung nimmt stellung

Ein jurist will recht haben

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Nachweis unter presse und internet

Hinweis auf diese stellungnahme: .

Für einen juristen (und auch für die vielen rechtschreib­ratgeber) sind einfache normen natürlich nichts erstrebens­wertes; man könnte sich ja nicht mehr streiten. Das gilt auch für die substantiv­grossschreibung, in der Michael Rami einen vorzug unserer sprache sieht. Da hilft auch das argument nicht, dass die ganze übrige welt ohne auskommt. Streiten kann man sich beispiels­weise über die geringen änderungen von 1996, auch wenn sie in der praxis keine rolle spielen, weil es bei den fehlern des durchschnitts­schreibers um viel banaleres geht: Weit verbreitet sind zum beispiel kleinschreibung von subs­tantivierungen und gross­schreibung von verben. Was machen da ein paar zusätzliche gross­schreibungen aus? Aha, «Pseudo­substantive, die uns Gegen­stände vorgaukeln, die es gar nicht gibt»! Was sind denn echte gegen­stände so besonderes, dass sie durch die recht­schreibung hervor­gehoben werden müssen? Werden sie beim sprechen hervor­gehoben? Muss die welt in gegen­stände und übriges eingeteilt werden?

Wann «recht» und «leid» «hauptwörter» sind und wann nicht, interessiert den sprecher nicht und muss auch den schreiber nicht interessieren. Um so mehr, als es eine wahrscheinlich­keit von ungefähr fünfzig prozent gibt, dass der leser über mehr grammatik­kenntnisse verfügt als der schreiber. Was soll dann das ganze zur kommunikation bei­tragen?

Wer mit 2 sorten buchstaben (grossen und kleinen) aufwächst, mag das für unentbehrlich halten. Wenn es 3 wären (das war in gewisser weise bei der fraktur so), wäre es ebenso. Wer mit 1 aufwächst, was für grosse teile der welt gilt, vermisst nichts. Die deutsch­sprachigen können nicht besser lesen als andere, im gegenteil.

Wir haben nun mal gross­buchstaben; gegen ihre abschaffung spricht, dass es sie in allen sprachen gibt, die unsere oder eine ähnliche schrift verwenden. Immerhin können wir bei den anderen (und beim früheren gebrauch im deutschen) lernen, wie man sie optimal einsetzt. Es gibt eine sorte von wörtern, die sich grund­legend von anderen unter­scheidet: die eigennamen. «Eigen­namen gehören nicht in derselben weise zum bestand einer bestimmten sprache wie wörter; es ist also zweckmässig, sie im zuge des geschriebenen zu signalisieren, und dafür sind grosse anfangs­buchstaben ein geeignetes mittel.» (Leo Weisgerber, sprach­wissenschafter.) Die wörter einer sprache haben eine bedeutung (z. b. fischer = jemand, der fische fängt), man kann sie in eine andere sprache übersetzen. Eigen­namen haben keine bedeutung; sie bezeichnen etwas (Fischer = eine person, die mit fischerei nichts am hut hat). Die grenze zwischen substantiven und den übrigen wortarten ist künstlich, die zwischen den eigen­namen und den wörtern einer sprache ist natürlich. An beiden grenzen kann man fälle finden oder konstruieren, wo die bedeutung scheinbar von der gross­schreibung abhängt. Wenn «der gefangene floh» die notwendigkeit der substantiv­grossschreibung beweisen soll, ist wohl auf der anderen seite «Deutschland braucht Bayern» (das bundesland) bzw. «bayern» (personen) ein argument für die eigennamen­grossschreibung und damit für die abschaffung der substantiv­grossschreibung. So weit gehen die über­legungen Ramis leider nicht. Für ihn ist «gemässigte klein­schreibung» eine gross­schreibung mit einem defekt; wir nennen sie «eigennamen­grossschreibung», um die positive begründung zu betonen. Die verschiebung der grenze von den substantiven zu den eigennamen bringt sowohl einen qualitativen gewinn (sinnvolle statt mechanische regelung) wie auch einen quantitativen (geringere häufigkeit). Das gilt sowohl für den menschlichen als auch – immer wichtiger – für den maschinellen anwender der schrift.