willkommen
kontakt
impressum
suchen

Bund für vereinfachte rechtschreibung (BVR)

stichwort → einheitlichkeit
nachgeführt
ortografie.ch ersetzt sprache.org ortografie.ch ersetzt in zukunft sprache.org

einheitlichkeit

Definition

geografisch
Das bestreben, im ganzen sprachgebiet in der schule die gleiche norm zu lehren. Problem: grosse sprachgebiete erstrecken sich über mehrere staaten; dazu kommt eine föderalisti­sche organisation innerhalb der staaten, z. b. in Deutsch­land und in der Schweiz. Im deutschen sprachgebiet wurde die einheitlich­keit zu beginn des 20. jahr­hunderts erreicht, allerdings mit ausnahme der verwendung des ß. Die neuregelung von 1996 hat daran nichts geändert.
anwendung der norm

Das bestreben, alle sprach­teilnehmer dazu zu bringen, die schulnorm mit möglichst wenig spielraum anzuwenden. Damit wird die einheitlich­keit zum argument gegen

  • varianten von schreibungen
  • reformen
  • varianten von regel­systemen
vgl. auch
varianz

«… ist in der Tat alles, was man bei solchen Dingen suchen muß»

Rudolf von Raumer, 1855

Auch eine minder gute Ortho­graphie, wofern nur ganz Deutschland darin überein­stimmt, ist einer voll­kommeneren vor­zuziehen, wenn diese voll­kommenere auf einen Theil Deutschlands beschränkt bleibt und durch eine neue und keineswegs gleich­gültige Spaltung hervorruft.

Peter Eisen­berg, Frankfurter All­gemeine Zeitung, 17. 4. 2009

Einheitlich­keit der Schrei­bung bleibt das stärkste Band im viel­fältig ge­gliederten deut­schen Sprach­gebiet.

Horst Haider Munske, Frank­furter All­gemeine Zeitung, 29. 7. 2000

Das war auch die größ­te Leistung Kon­rad Dudens: dass er in seinem Or­tho­graphischen Wörter­buch von 1880 - gegen eigene frühere Reform­ideen - der tra­ditionellen Recht­schreibung in der Form der ver­einheitlich­ten preußi­schen und bayerischen Regeln zum Durchbruch verholfen hat.

Hans Krieger, Süd­deutsche Zeitung, 14. 8. 1998

Einheitliche Geltung im gesamten Sprach­raum aber ist zentraler Zweck jeder ortho­gra­phischen Regulierung; wird sie preis­gegeben, so hat die Normierung jegli­chen Sinn verloren, und damit entfällt auch der Grund wie die Legitimie­rung für eine Reform dieser Normierung.

Gerhard Augst, zitiert von Alexan­der Smoltczyk, Der Spiegel, 25. 7. 2005

Die deutschen Lehrer ha­ben im 19. Jahrhun­dert vom Staat eine ein­heitliche Recht­schrei­bung er­beten. Das war der Sün­den­fall. Aus dem kommen wir jetzt nicht mehr heraus. Die Bürger wollen Regeln, der Duden antwortet mit Kasuistik und wird dick und dicker.

Fred Sinowatz, öster­reichischer unterrichts­minister, 1976

Ich möchte betonen, daß ein Allein­gang Öster­reichs nicht in Frage kommt.

prof. Völker, St. Gallen, Pädagogi­scher Beobach­ter, 8. 4. 1876

Warum sollten es aber die Schweizer, die es wagten, einen freien Staat mitten unter mo­narchi­schen und despoti­schen Staaten zu gründen, die andern Nationen vor­an­leuchten in humanen Institutio­nen und die durch ihre Girards, Pestalozzis und Fellen­berge eine gänzliche Um­gestaltung, in Deutsch­land wie in der Schweiz, im Erziehungs­wesen bewirkt haben, nicht auch wagen dürfen, den ersten Schritt zu thun für eine eigent­liche Recht­schreibung, die gewiss nicht nur von allen Lehrern, sondern auch von der Masse des Volkes freudig begrüsst würde? Die Bahn einmal ge­brochen (und in der Schweiz beginnt sie sogar schon sich zu ebnen) würden die deutschen Staaten gewiss bald nach­folgen und auch andere Nationen, wie Franzosen und Engländer, würden ein Beispiel nehmen und der Zeitge­winn für er­spriesslichen Unterricht würde kein un­beträchtlicher sein.

«… gerade durch die Reform bedroht»

Jeder Verſuch die feſt­geſetzte Schrei­bung zu verändern, auch wenn er der veränderten Ausſprache ſich anzupaſſen ſucht, wird leicht zu einer Gefährdung für die Einheit der Schrift­ſprache und ſtößt eben darum auf Wider­ſtand bei den­jenigen, welchen an der Auf­recht­erhaltung dieſer Einheit gelegen ist.

Christian Meier, Frank­furter All­gemeine Zeitung, 13. 8. 1997

Die Einheitlich­keit der deutschen Recht­schrei­bung ist also gerade durch die Re­form bedroht. Denn es geht ja nicht nur darum, daß in den ver­schiedenen Bun­des­ländern samt Öster­reich und den Schweizer Kantonen das gleiche gelehrt wird, sondern auch darum, daß die ver­schiedenen Teile der deutsch­sprachigen Gesellschaft und nicht zuletzt die Schrift­steller die gleiche Schrift schrei­ben.

Fernando Wassner, Frank­furter All­gemeine Zeitung, 24. 12. 1997

Natürlich steht es die­sem oder jenem Poe­ten, sagen wir Ernst Jandl, frei, alles groß oder alles klein zu schreiben und - das gibt es - mit der Recht­schreibung spie­lerisch musikali­sche Scherze zu treiben ("Dasdadur"). Aber das Leben wird - das ist ja nichts Schlechtes - zu­nehmend von Computern geprägt wie von Autos. Und da wird es dann brenz­lig, denn die Pro­grammierer müssen weit­hin dieselbe Sprache schreiben wie die Benutzer. Denn falls ein Auto­me­chaniker-Lehrling ein "Kappel" für die Batterie sucht, um den Strom­speicher mit der Licht­maschine zu verbinden, dann gehen teure Arbeits­stunden ver­loren, wenn der Pro­grammierer des Ersatzteil-Lager­verzeichnis­ses noch "Kabel" ge­schrieben hat. Woraus folgt, daß die Recht­schreibung gewiß lang­same Wandlungen auch rechtlich verträgt, aber keine Re­volutionen und keine Beliebigkeit.

Wenn der lehrling jetzt erkennt, dass es vor­teile bringt, sich an schreib­regeln zu halten, ist es ja nicht zu spät. Anders gesagt: Die schreibung ist auch ohne zwang so einheitlich, wie sie sein muss. Ein elektroni­scher such­vorgang ist im übrigen ein gutes beispiel – für die um­gekehrte schluss­folgerung: Pro­grammierer wollen uns gar nicht zu einheitlich­keit zwingen, ganz im gegenteil. Immer raffiniertere such­algoritmen und frontend­techniken erleichtern den umgang mit varianten und tippfehlern.

Thomas Steinfeld, Frank­furter Allgemeine Zeitung, 26. 7. 2000

Es gibt keine ein­heit­liche deutsche Ortho­graphie mehr.

Josef Kraus, Die Woche, 4. 8. 2000

Das eigent­liche Ärger­nis ist der Verlust der Ein­heitlichkeit der Schrei­bung.

Fried­rich Denk, Tages-Anzeiger, 9. 8. 2003

«Errungen­schaft» be­zeichnet, «dass eine Sprach­gemeinschaft ei­ne ein­heitliche Schrei­bung pflegt». Nur wurde diese dank Konrad Duden seit 1903 existie­rende Ein­heitlichkeit von den Recht­schreibe­reformern für lange Zeit zerstört.

Reiner Kunze, suedkurier.de, 15. 8. 2008

«Die Einheitlich­keit der deutschen Recht­schrei­bung ist zerstört, die Sprache wird eine lange Leidens­zeit haben.»

Axel Springer AG, presse­mitteilung, 7. 3. 2006

Eine Einheitlich­keit exi­stiert mit re­formier­ter Recht­schreibung nicht mehr.

Romanus Otte, Welt am Sonn­tag, 30. 7. 2006, Editorial

Die Recht­schreib­re­form […] hat Ver­wir­rung gestiftet, das Land ge­spalten und die Ein­heitlich­keit der Schreib­weise zerstört.

Jan Henrik Holst, janhenrikholst.de, 2. 2005

[…] heute ist die Ein­heitlichkeit der deut­schen Recht­schreibung zerstört und unsere Schrift­kultur dem Dahin­siechen preis­gegeben.

Jens Jessen, Die Zeit, 3. 8. 2006

Was damit auf ab­seh­bare Zeit nicht zurück­kommt, ist freilich die Ein­heitlichkeit der Schrei­bung jen­seits der Schulen. Die Re­form­gegner, die das beklagen, müs­sen sich aller­dings auch an die eigene Nase fassen: Sie haben mit ihren Blocka­den den Zustand der neuen or­tho­grafischen Freiheit mit erzeugt. Das Ergebnis ist nicht ohne Ironie. Die An­hänger einer unwandel­baren Recht­schreib­autorität haben diese Autorität durch partisanen­hafte Abweichung ihrer­seits beschädigt.

«… die Grundsatzfrage nach dem Stellenwert der Einheitlichkeit»

Peter Wap­newski, Süd­deutsche Zeitung, 3. 12. 1997

In einer Reihe von Kon­ferenzen zwi­schen 1880 und 1902 wurde fest­gelegt, was noch heute im wesentli­chen gilt: ein Regel­system, das der Schulmann Konrad Duden auf der Basis des Preu­ßischen Ortho­graphie-Wörter­buchs her­gestellt hatte. Man hat nicht gehört, daß diese Ver­einheitlichung die deutsche Sprache merklich ver­ändert habe – obwohl sie radikal vor allem da­durch war, daß sie die regional bis dahin gültigen Schreib­weisen außer Kraft setzte.

Matthias Wermke, Sprach­spiegel, 4. 2001

Auch hin­sichtlich der ge­schriebenen Spra­che gibt es trotz der amtlichen Regelung von 1901 nur eine relative Einheit­lich­keit. Bis heute werden Leser mit Texten kon­frontiert, die nicht der amtli­chen Regelung von 1901 entsprechen.

Robert Nef, Schweizer Monats­hefte, 11. 2003

Schliesslich stellt sich auch die Grundsatz­fra­ge nach dem Stellen­wert der Einheitlich­keit. Wie wichtig ist die rigorose Aus­schaltung von Streit­fragen und Grenz­fällen, wie schädlich ist eine Bandbreite, die regionalen Eigen­heiten und per­sönlichen Vorlieben Raum lässt?

Robert Nef, ,

Zentralismus wird in der Regel für fort­schrittlich und effizient gehalten […]. Aber ist Einheitlich­keit in einer viel­fältigen Rea­lität tat­sächlich ein erstrebens­wertes Ziel? Man kann auch einheitlich irren und etwas Falsches tun. Ist es nicht viel besser, wenn zwar Gleiches gleich, aber Un­gleiches nach Mass­gabe seiner Un­gleichheit auch unter­schiedlich geregelt wird? Vielfalt statt Einfalt! […] Zudem ist die zentrale Lösung nicht automa­tisch die optimale, und bei unter­schiedlichen Lösungs­ansätzen können die weniger Erfolg­reichen von den Er­folg­reicheren lernen. Es hat sich im Lauf der Geschichte auch immer wieder gezeigt, dass sich so­genannt rück­schrittliche Strukturen plötzlich wieder als modern und fort­schrittlich erwiesen haben. Zentrali­sierung birgt immer auch die Gefahr einer “Ver­einheitlichung ge­mäss dem neuesten Stand des wis­sen­schaftlichen und politischen Irrtums” in sich. Keine Regierung ist davor gefeit. Lauter kleine non-zentrale Irrtümer, die gegen­einander konkurrieren, sind hin­ge­gen auf die Dauer auch bezüglich Freiheits­gehalt und Lern­fähigkeit im Vergleich mit einem grossen, hoch zentrali­sierten System effizienter und – nach aussen und innen – weniger ge­fährlich.

Einheit auch in ortho­graphiſchen Dingen iſt ein ſchö­ner Gedanke, „iſt des Schwei­ßes der Edeln werth.“ Aber eins ſteht uns doch noch ungleich höher, und dieſes eine geben wir nicht preis um Alles in der Welt: das iſt die Wißen­ſchaft und — das Ziel der Wißen­ſchaft — die Wahrheit. Wo es gilt eine augenfällig wahre und wißen­ſchaftlich so feſt begründete Schreib­weiſe, wie es die hiſtori­ſche Schreibung der S-laute iſt, […] in Ehren zu halten und hoch zu halten, da iſt Nach­gibigkeit Verrath an der Wißen­ſchaft, da iſt und bleibt unſer Wahlſpruch: Tu contra audentior ito!

Die Forderung nach völ­lig lücken­loser Uni­formi­tät der Schrei­bung ist keines­wegs zwingend; im Bereich der schönen, auch der wissen­schaftlichen Literatur, erheben sich sogar sehr ernst­hafte Einwände gegen eine ortho­graphische Einheits­tyrannei.

Rudolf Walther, die tages­zeitung, 4. 12. 2006

Der Fetisch der Ein­heit­lich­keit dient dazu, die mit der Recht­schreib­reform (und zum Teil gegen deren ur­sprüngliche Motive!) ge­wonnene Freiheit der Wahl aus ver­schiedenen Schreib­varianten zu denunzieren.

Martin Walser, Der Spiegel, 14. 10. 1996

Soll doch jeder, auf ei­genes Risiko, schrei­ben, wie er will. Er will ver­standen werden, soll er's ver­suchen auf seine Art. Wie gut und eigen­artig hat das Goethes Mutter in den Briefen an ihren Sohn praktiziert.

Hans Magnus Enzens­berger, Der Spiegel, 14. 10. 1996

Ich zitiere Ihnen einen be­liebigen Satz aus Wie­lands "Ge­sprächen unter vier Augen": "Von einer Republik, die auf die Rechte der Menschheit ge­gründet seyn will, und mit den großen Zauber­worten, Freyheit und Gleichheit, Vernunft, Filosofie und Filanthro­pie, so viel Geräusch und Ge­klingel macht, sollte man doch wohl mit gutem Fug ein besseres Beyspiel er­warten dürfen." Wie viele "Schreib- und Komma­fehler" würden die Anbeter des Dudens in diesem Satz finden, je nach­dem, welche Auflage ihrer heiligen Schrift sie gerade zu Rate ziehen? Sechs? Sieben? Acht? Dabei muß man schon ein ganz be­sonderer Trottel sein, um nicht zu begreifen, was Wieland meint und was niemand besser aus­drücken konnte als er.

Das zentrale Argument aller Rechtschreib­nor­mierer ist, daß in der Moderne die Ein­heit­lichkeit der Schrift­sprache höchste Priorität habe. Worauf sich diese Ein­heitlichkeit gründe, sei sekundär. […] Hauptsache, die Anzahl der konkur­rierenden Schreib­varianten werde re­duziert. Die Orthographie­reformer der Moderne hatten und haben tatsächlich regel­rechte 'Aus­rottungs­phantasien', was die Existenz von Varianten betrifft. Opfer sind dabei nicht nur die Buch­staben. Geopfert wurde und wird nicht nur die Regel­haftigkeit und Motiviert­heit der Schrift. Die Ver­nichtung von Va­rianz ist eine Geistes­haltung, die viele Bereiche usurpiert. Das Prinzip der Ver­nichtung von Varianz ist ein 'Gedanken­gift', das nicht nur den Sprachen, den Dialekten und Soziolek­ten gefährlich werden kann.

Unser land darf nicht ab­warten, bis sich sämt­liche kultus­mini­ster, erziehungs­direk­toren, alle romanti­ker und alle rationa­listen zu einheits­glauben an die klein­schreibung be­kehrt haben: Jeder­mann und jedes land sollte den schritt vollziehen, wann es ihm beliebt.

, Neue Zürcher Zeitung,

Sollte sich aber eine inter­nationale Lösung als un­möglich erwei­sen, so würde die Al­ter­native eines Allein­gangs in diesem oder jenem Staate eben doch aktuell werden.