Diese Versammlung, die „Orthographische Konferenz“, der kein Vertreter der historisch-etymologischen und kein Anhänger der streng phonetischen Schreibung angehörte, war dazu berufen, „eine größere Einigung in der deutschen Rechtschreibung“ herbeizuführen. Es sollten also keine grundstürzenden Neuerungen versucht, sondern nur die vielfachen Verschiedenheiten der Schreibung, die thatsächlich vorhanden waren, möglichst beseitigt werden. Daß dabei auch die Beseitigung offenbarer Mängel, die die Handhabung und besonders die Erlernung der Rechtschreibung in der Schule erschwerten, also eine Vereinfachung der Schreibung, mit ins Auge zu fassen sei, betrachtete man als selbstverständlich.
Das Ergebnis der Beratungen der Orthographischen Konferenz fand nicht den erhofften Anklang. Den einen gingen die Beschlüsse zu weit, den anderen nicht weit genug, andere wollten überhaupt von einer Regelung der Rechtschreibung durch die Regierung nichts wissen. Bei den abfälligen Urteilen ging man vielfach von einer ganz irrigen Voraussetzung aus. Man übersah, daß die Arbeit der Konferenz nur dazu bestimmt war, für die Schule die Grundlage der Unterweisung zu bilden und dem unerträglichen Übelstand, daß jeder Lehrer seine eigene Orthographie hatte und bei seinen Korrekturen zur Geltung brachte, ein Ende zu machen, daß es aber keineswegs die Absicht war, den der Schule Entwachsenen eine Änderung ihrer Schreibweise aufzunötigen. Andererseits vergaßen die Anhänger einer rein phonetischen Schreibung, die mit allen Mängeln unserer Schreibung auf einmal gründlich aufgeräumt haben wollten, daß die Konferenz nicht die Aufgabe hatte, eine neue Rechtschreibung zu schaffen, sondern daß sie die vorhandene in der Richtung, in welcher sie sich seit langer Zeit entwickelt hatte, unter möglichster Schonung das Bestehende einen Schritt weiterführen und die vielen schwankenden Fälle nach den die Schrift beherrschenden Grundsätzen entscheiden sollte.
[…] Widerspruch der Tagespresse und einiger Schriftsteller, die zum Teil ohne jede Sachkenntnis das Werk der Konferenz ihrer Kritik unterzogen […]