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Bund für vereinfachte rechtschreibung (BVR)

stichwort → I. ortografische konferenz
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I. ortografische konferenz

jahr, ort
, Berlin
zweck
Expertentagung; vereinheitlichung und systematisierung der rechtschreibung. Diskussion der vorlage v. Raumers (regel- und wörterverzeichnis).
inhalt

Gemässigt fonologischer standpunkt. U. a.:

  • Verzicht auf längenkennzeichnung z. b. bei faren, mäne, boren, löne, stul;.
  • Ersetzung von <th> durch <t> (Tier).
  • Eindeutschung von lehnwörtern (vor allem <k> statt <c>, z. b. Akzent statt Accent).
  • Trennung von <s-t>.
  • <ss> nach kurzvokal, <ß> nach langvokal/difthong (Kuss/Küsse, Gruß/Grüße, weiß/weiße).
folgen
Akzeptanz der vorlage durch die konferenzteilnehmer. Schlechtes presseecho, öffentliche polemik. Keine politische durchsetzbarkeit der vorschläge.
presseartikel
Wolfgang Krischke, Die optimale Sprache dem Kint mit Leffeln eintrichtern, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10. 8. 2011

Zitat

Neue Zürcher Zeitung,

Ihre Beſchlüſſe fanden nicht ſehr Anklang. Den einen vereinfachten ſie zu wenig, den andern ſchon zu viel, namentlich durch Entfernung des th aus allen deutſchen Wörtern; praktiſche Bedeutung erhielten ſie nicht, keine der deutſchen Regierungen führte die von der Berliner Konferenz feſtgeſetzte Orthographie ein.

Konrad Duden, Recht­schreibung, in: Encyklo­pädisches Hand­buch der Pädagogik, 1898, band 5, s. 764

Diese Versammlung, die „Orthographische Konferenz“, der kein Vertreter der historisch-etymolo­gischen und kein An­hänger der streng phonetischen Schreibung angehörte, war dazu berufen, „eine größere Einigung in der deutschen Recht­schreibung“ herbei­zuführen. Es sollten also keine grund­stürzenden Neuerungen versucht, sondern nur die viel­fachen Ver­schieden­heiten der Schreibung, die thatsächlich vor­handen waren, mög­lichst beseitigt werden. Daß dabei auch die Beseitigung offen­barer Mängel, die die Hand­habung und besonders die Erlernung der Recht­schreibung in der Schule erschwerten, also eine Ver­einfachung der Schreibung, mit ins Auge zu fassen sei, be­trachtete man als selbst­verständlich.

Das Ergebnis der Beratungen der Ortho­graphischen Konferenz fand nicht den erhofften Anklang. Den einen gingen die Beschlüsse zu weit, den anderen nicht weit genug, andere wollten über­haupt von einer Regelung der Recht­schreibung durch die Regierung nichts wissen. Bei den abfälligen Urteilen ging man vielfach von einer ganz irrigen Vor­aussetzung aus. Man übersah, daß die Arbeit der Konferenz nur dazu bestimmt war, für die Schule die Grund­lage der Unter­weisung zu bilden und dem un­erträglichen Übel­stand, daß jeder Lehrer seine eigene Ortho­graphie hatte und bei seinen Korrekturen zur Geltung brachte, ein Ende zu machen, daß es aber keines­wegs die Absicht war, den der Schule Entwachsenen eine Änderung ihrer Schreib­weise aufzu­nötigen. Anderer­seits vergaßen die Anhänger einer rein phonetischen Schreibung, die mit allen Mängeln unserer Schreibung auf einmal gründlich auf­geräumt haben wollten, daß die Konferenz nicht die Aufgabe hatte, eine neue Recht­schreibung zu schaffen, sondern daß sie die vor­handene in der Richtung, in welcher sie sich seit langer Zeit ent­wickelt hatte, unter möglichster Schonung das Bestehende einen Schritt weiter­führen und die vielen schwankenden Fälle nach den die Schrift beherrschenden Grund­sätzen entscheiden sollte.

[…] Widerspruch der Tages­presse und einiger Schrift­steller, die zum Teil ohne jede Sach­kenntnis das Werk der Konferenz ihrer Kritik unterzogen […]

, Die Ortho­graphie in den Schulen Deutsch­lands, , s. 21

Die Hoffnung, die gar mancher auf dieſe ortho­graphiſche Konferenz geſetzt hatte, war gänzlich geſcheitert, der un­leidliche Zuſtand in keiner Weiſe ge­beſſert; im Gegen­teil, die Ver­wirrung war durch den ergebnis­loſen Verlauf der Konferenz noch geſteigert.

Denn die Konferenz hatte zwar zu einer ver­beßerten Deutſchen Recht­ſchreibung die Bahn gebrochen, war aber doch, wie es bei der eigen­thümlichen Art ihrer Zuſammen­ſetzung nicht gut anders möglich war, mehr als ein Mal vom rechten Wege abgekommen und vor allen Dingen, was ſich beſonders fühlbar macht, auf halbem Wege ſtehn ge­blieben. Zahl­reiche Stimmen haben ſich denn auch ver­beßernd und ergänzend, durchweg billi­chend nicht eine, über die Konferenz­beſchlüße vernehmen laßen. Zwei unter ihnen, die von Duden, einem der eifrigsten Mit­glieder der Konferenz, der aber nicht ſelten in der Minorität geblieben war, und die ebenfalls ge­wichtige von Bezzenberger, haben nicht wenig zur Klärung der ortho­graphiſchen Frage bei­getragen.