Bund für vereinfachte rechtschreibung (BVR)
Verwendung des begriffs
Hans-Jürgen Grosser, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 29. 7. 2000, leserbrief
Warum benutzen Sie den Begriff „alte“ Rechtschreibung? Diese Sprachregelung stammt von den Reformern, die ihr Machwerk als neu und modern erscheinen lassen wollen. In Wahrheit ist die klassische Rechtschreibung, wie wir sie seit 1901 kennen, viel moderner als die barock anmutenden Neuschreibungen […].
Die Axel Springer AG, die auch die WELT herausgibt, hält daran fest, in ihren Print- und Online-Publikationen die klassische deutsche Rechtschreibung anzuwenden.
Die Axel Springer AG und der SPIEGEL-Verlag kehren in ihren Print- und Online-Publikationen zur klassischen deutschen Rechtschreibung zurück.
Welt am Sonntag, 8. 8. 2004
Christian Wullf: Jetzt bin ich sehr zuversichtlich, dass wir zur klassischen Rechtschreibung als Ausgangsbasis zurückkehren können.
Weil keiner genau überblickt, was nun gilt, schreibt jeder, wie er will. Deshalb brauchen wir schnellstmöglich eine neue Verbindlichkeit: die klassische Rechtschreibung.
Die Tagespost, 10. 8. 2004
Mit Genugtuung ist im Vatikan die Rückkehr zweier großer deutscher Verlagsgruppen zur klassischen Rechtschreibung aufgenommen worden.
Edmund Stoiber (62/CSU), Ministerpräsident Bayern: „Ich bin für klassische Rechtschreibung, weil mit der Reform erhebliche Unsicherheit über das richtige Schreiben eingetreten ist.“
Udo Jürgens (69), Star-Entertainer: „Es wäre mir lieb, wenn wir zur klassischen Rechtschreibung zurückkehren würden.“
Rainer Brüderle (59), FDP-Fraktionsvize: „[…] Die klassische Schreibweise hat sich bewährt, wird von den meisten Deutschen genutzt.“
CDU-Bundes-Vize Christoph Böhr zu BILD: „Die Kultusminister müssen jetzt schnell einen Vorschlag vorlegen, wie wir schon zum 1. Januar 2006 zur klassischen Rechtschreibung zurückkehren können!
Hans-Joachim Neubauer, Rheinischer Merkur, 12. 8. 2004
Auch der RM entscheidet sich für die klassische Schreibweise
oberverwaltungsgericht Niedersachsen, 9. 6. 2005
Sollte der derzeitige Berufswunsch der Klägerin, Schauspielerin zu werden, in Erfüllung gehen, werde sie mit Klassikertexten konfrontiert werden, die durchgängig in klassischer deutscher Orthographie gedruckt seien.
Gerichtsurteil: Schülerin darf klassische Rechtschreibung benutzen.
Berliner Morgenpost, 28. 2. 2006
Nach einer Umfrage von Infratest schreiben mehr als zwei Drittel der Deutschen (68 Prozent) weiterhin nach den klassischen Rechtschreibregeln
Pressemitteilung der Axel Springer AG, 7. 3. 2006
Die Axel Springer AG wird eine reformkonforme Rechtschreibung in ihren Publikationen umsetzen. […] Der Verlag wird nach Umstellung auf reformkonforme Schreibung bei optionalen Schreibweisen weitestgehend die klassische Rechtschreibung anwenden. Bei der Rückkehr zur klassischen Rechtschreibung im August 2004 hatte die Axel Springer AG an die Vernunft der Reformer sowie an Verlage und Nachrichtenagenturen appelliert, eine Korrektur der durch kultusbürokratische Überregulierung verursachten Fehlentwicklung nach Kräften zu unterstützen.
Hamburger Abendblatt, 8. 3. 2006
Die Axel Springer AG, zu der auch das Hamburger Abendblatt gehört, wird eine reformkonforme Rechtschreibung in ihren Publikationen umsetzen. […] Das Abendblatt wird bei optionalen Schreibweisen weitestgehend die klassische Rechtschreibung anwenden.
Die Welt, ausgabe Hamburg, 15. 3. 2006
Der Nobelpreisträger und Schriftsteller Günter Grass hat als erster einen bundesweiten Aufruf des Deutschen Elternvereins mit Sitz in Kiel unterzeichnet. Mit der Aktion werden Unterschriften für den Erhalt der klassischen Rechtschreibung gesammelt. „Der Gebrauch klassischer Schreibweisen darf an den Schulen nicht länger als fehlerhaft diskriminiert werden“, forderte Vereinsvorsitzender Ulrich G. Kliegis.
[…] im Bereich der Schulen und der Behörden, wo man […] vor einer Rückkehr zur Einfachheit und Klarheit der früheren Rechtschreibung zurückschreckt. Da am kommenden 31. Juli die dreijährige Übergangsfrist, während der die klassische Schreibweise noch toleriert wurde, ausläuft […], tritt die SOK mit dem Appell an die Öffentlichkeit […], über den 1. August hinaus den bisherigen Zustand zu belassen.
Kritik des begriffs
Siehe vor allem rechtschreibung, bewährte.
Jens Jessen, Die Zeit, 29. 7. 2004
Die alte Schreibung wird zu Unrecht als klassisch empfunden; sie entstand im Kern durch die Rechtschreibkonferenz von 1901. Auch sie war das Ergebnis einer Expertenkommission und keiner demokratischen Volksbewegung.
Jörg Schindler, Frankfurter Rundschau, 13. 8. 2004
„Das ist natürlich starker Tobak“, sagt Matthias Wermke […]. Der vollbärtige Sprachpfleger grinst, wenn er auf „die klassische Rechtschreibung“ angesprochen wird, zu der Aust und Döpfner zurückkehren wollen. „Was meinen die eigentlich?“, fragt er dann. Die Regeln von 1991? Die von 1902? Eine Mischung? Und wenn ja: welche?
Thomas Kundert, Die Südostschweiz, ausgabe Glarus, 21. 9. 2004
Na toll, gerade hatte ich mich an die neue Regelung gewöhnt, und schon kehren der Spiegel-Verlag und die Axel Springer AG zurück zur klassischen Rechtschreibung. Aber was bitteschön ist die «klassische» Rechtschreibung? Etwa die zu Schillers Zeiten? Und wieso steht da eigentlich ein Bindestrich zwischen Spiegel und Verlag, aber nicht zwischen Axel, Springer und AG? Alles ungeklärte Fragen - trotz neuem Duden.
Was der Spiegel absurderweise »klassische« Rechtschreibung nennt, ist doch bloß der über ein Jahrhundert leicht modifizierte Orthografiebalg der staatlichen Rechtschreibreform von 1901, der mit den Schreibgewohnheiten zum Beispiel unserer Klassiker aber auch gar nichts zu tun hat.
Amory Burchard, Der Tagesspiegel, 9. 8. 2004
Die Verlage sprechen nicht von der Rückkehr zur „alten“ Rechtschreibung, sondern zur „klassischen“. Gerhard Augst: Das ist ganz schlimme Geschichtsklitterung. Zurück zur Sprache von Goethe und Schiller? Deren Texte im Original wären heute für die meisten Menschen unlesbar. Außerdem wollen die selbst ernannten Retter der klassischen Rechtschreibung den Eindruck erwecken, dass die alte Schreibweise vollkommen in Ordnung gewesen sei. Aber schon Konrad Duden sagte 1901: „Jetzt haben wir die Einheitlichkeit der deutschen Rechtschreibung, jetzt brauchen wir die Einfachheit.“ Im Laufe des letzten Jahrhunderts wurde die Rechtschreibung dann immer komplizierter. Wir haben dann mit unserer Reform die von Konrad Duden geforderte Vereinfachung verwirklicht.
Matthias Richter, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10. 8. 2004
Machen wir uns nichts vor: Die deutsche Rechtschreibung ist schwierig. Sie war es auch nach den alten Regeln, ob man sie nun für „bewährt“ hält oder gar für „klassisch“.
Steffen Grimberg, tageszeitung, 13. 8. 2004
„Gratulation zur taz in der ganz klassischen rechtschreibung samt ‹appell an die grossverlage›! Das ist natürlich ein noch gemeingefährlicherer Akt (FAZ) als die andere neuregelung”, schreibt enthusiasmiert der „Bund für vereinfachte rechtschreibung”.
Die eigennamengrossschreibung ist klassisch!
Warum ist uns «klassische rechtschreibung» nicht früher für unsere schreibweise eingefallen? Vor 96 jahren, als unser Bund für vereinfachte rechtschreibung gegründet wurde, hätte man nur auf den schriftsteller Gottfried Keller hören müssen; er bezeugte 1860 seine sympatie für eine «klassisch abbrevierte schreibart etwa im grimmschen sinne»!