Deutsches schriftzeichen für die wiedergabe des stimmlosen s-lautes. In den schulen der Schweiz und Liechtensteins wird es nicht gelehrt und durch ss ersetzt.
signographie.de: Versal-Eszett: Neuigkeiten und Hintergründe
Pro
literaturcafe.de, 3. 7. 2008
»In der deutschen Rechtschreibung ist das ß durchaus unentbehrlich, und gegen seine Beseitigung, die in der neuen Schweizer Schulschrift leider durchgeführt ist, sollte sich jeder wehren.« Das schrieb der berühmte Typograf Jan Tschichold in seinem Meisterbuch der Schrift bereits 1952.
Immerhin verfügt das Deutsche im „ß“, dem „Eszett“ oder „scharfen S“, über eine Art Alleinstellungsmerkmal, wenn auch nur in seiner Schrift. Die Aussprache ist nämlich bei weitem nicht präzise genug, als dass sich aus ihr der rechte Gebrauch des „ß“ schlüssig herleiten ließe. […] Tatsächlich kann man mit Rückgriff auf die zweite Lautverschiebung die These vertreten, dass nicht nur die Konjunktion „dass“, sondern auch der Artikel „das“ mit „ß“ respektive, nach der letzten Orthographiereform, mit „ss“ geschrieben werden sollte […]. Ausgesprochen werden sie gleich, doch ist es eine zweifellos nützliche Übereinkunft, dem strukturellen Unterschied zwischen ihnen durch eine unterschiedliche Schreibung Rechnung zu tragen.
Das ß iſt ein hoͤchſt alberner Buchſtab. Ein reines s oder ſſ kan uns die naͤmlichen Dienſte, wie andern Sprachen, thun.
Entschliessung des deutschen germanistentages vom 14. 2. 1973
ß kann durch ss ersetzt werden.
Basler Zeitung, 29. 5. 2007, s. 3, rubrik Bazillus
Ein schlagendes Argument gegen das scharfe S hat der aus Deutschland stammende Basler Typograf Jan Tschichold, eine Weltautorität notabene, schon vor über sechzig Jahren geliefert. 1943 schrieb Tschichold, das scharfe S sei eine «Monstrosität», weil es als Buchstabe aus der (bei den Nationalsozialisten beliebten) Frakturschrift schlicht nicht in die damals wie heute übliche Antiquaschrift passe. Recht hatte und hat er. Aber wer liest heute schon das «Basler Schulblatt» von 1943, in dem Tschichold seine Erkenntnis versenkte?
Der Buchstabe "ß" ist überflüssig, ich werde, ähnlich wie das Volk der Hirten und Bankiers, künftig "ss" schreiben.
Urs Bühler, Neue Zürcher Zeitung, 20. 11. 2018
Schliesslich hat der hierzulande seit Jahrzehnten praktizierte Verzicht auf das mitunter differenzierende Eszett diese Nation auch nicht in eine Flut der Missverständnisse gestürzt. Gut, vielleicht bechert mancher Patient auf den schriftlichen Rat seines Arztes hin, den Alkohol nur noch in Massen zu geniessen, massenweise statt mit Mass. Aber dahinter steckt wohl eher eine mutwillige Fehlinterpretation als ein orthographisches Problem.
Florian Asamer, Die Presse, 2. 7. 2017
Es lässt sich ohne großes Risiko die Prognose wagen, es wird dem scharfen s, noch bevor alle Schriften und Fonds den neuen Großbuchstaben übernommen haben, nach und nach an den Kragen gehen. Zu artfremd ist es unter den international geläufigen Zeichen.
Sonderfall Schweiz
Andrea Neitzel, Frankfurter Rundschau,
Dabei könnte ein Blick auf die Schweiz zeigen, dass die Kommunikation auch funktioniert, wenn man den Plural von "Bus" genauso schreibt wie das, was in Deutschland "Buße" heißt: "Busse" – das "ß" ist in der Schweiz schon lange abgeschafft.
Wie in Deutschland kannten die frühen Antiquadrucke in der Schweiz kein Eszett, obwohl die Zweite Orthographische Konferenz von 1901 es auch für Antiqua zwingend vorschrieb. Der Beschluss wurde in Deutschland nach und nach umgesetzt, in der Schweiz (und in Liechtenstein) aber nie durchgängig. […] Seit Beginn des 20. Jahrhunderts wurde das Eszett in der Schweiz mehr und mehr durch ein Doppel-s ersetzt.
[…] ZDF-Journalistin und Sachbuchautorin Petra Gerster […]: Ich sehe das oft in meinem Redaktionsalltag. Viele jüngere Kollegen finden die ß-Regeln so schwierig, dass sie das ß gar nicht mehr benutzen und nur noch ss schreiben.
Bravo!
Notbehelf bei fehlendem ß
Der Große Duden; Rechtschreibung, 11. aufl., 1934, s. 12
Bei Benutzung von Schreibmaschinen, die noch kein ß enthalten, gebrauche man als Notbehelf auch in Kleinschrift ss.
Duden, die deutsche Rechtschreibung. 27. aufl., 2017, D 160
Fehlt das ß (z. B. bei einem Computerprogramm), schreibt man dafür ss.
In der Schweiz galt schon immer diese regelung. Nach 1996 – nicht vorher – tauchte in der Schweiz vereinzelt die alte dudenschreibweise auf (fundsachen).
Grossbuchstabe
Duden, Rechtschreibung, 1915, s. XII
Für ß wird in großer Schrift sz angewandt, z. B. MASZE (Maße) – aber MASSE (Masse) –, STRASZE, PREUSZEN, Meiszner, Vosz. Die Verwendung zweier Buchstaben für einen Laut ist nur ein Notbehelf, der aufhören muß, sobald ein geeigneter Druckbuchstabe für das große ß geschaffen ist.
Der Große Duden; Rechtschreibung, 12. aufl., 1942, s. 16
Für ß wird in großer Schrift allgemein SS angewandt, z. B. STRASSE, PREUSSEN, doch kann man, um Verwechslungen vorzubeugen, auch SZ anwenden […]. [Fussnote:] Die […] Regel, daß für ß »in großer Schrift sz«, also SZ, eintritt, hat sich nicht durchgesetzt.
Das „ß“ fällt auch dadurch auf, dass es keinen Großbuchstaben zur Seite hat. […] Seit 130 Jahren wird über ein großes „ß“ nachgedacht, bisher ohne überzeugendes Ergebnis, was darauf hindeutet, dass es die Sprachgemeinschaft ohne Schmerz entbehren kann.
Ein großes "ß" gab es bisher im Deutschen auch deshalb nicht, weil in den alten deutschen Schriften nicht komplett IN VERSALIEN GESCHRIEBEN werden durfte. Das war typografisch falsch. […] Der Computer erlaubt das, die Regeln für den Schriftgebrauch nicht.
Duden, die deutsche Rechtschreibung. 27. aufl., 2017, D 160
Bei Verwendung von Großbuchstaben steht traditionellerweise SS für ß. In manchen Schriften gibt es aber auch einen entsprechenden Großbuchstaben; seine Verwendung ist fakultativ.
In Dokumenten kann bei Namen aus Gründen der Eindeutigkeit auch bei Großbuchstaben anstelle von Doppel-s bzw. großem Eszett das kleine ß verwendet werden.
Darüber hinaus empfiehlt der Rat den staatlichen Stellen eine […] Erweiterung des Regelwerks […]: Die Erweiterung betrifft die Ergänzung um einen dem Kleinbuchstaben <ß> entsprechenden Großbuchstaben - nicht zuletzt, um für amtliche Zwecke, insbesondere Personaldokumente wie Personalausweis und Pass, die Einheitlichkeit der Schreibweise z. B. von Personennamen zu sichern.
Freilich wird ein großes ß ein Nischendasein fristen, denn selten schreibt man in GROßBUCHSTABEN, und ein Wort mit einem ß am Anfang gibt es im Deutschen nicht. Ob es der neue Buchstabe auf das offizielle Tastaturlayout schaffen wird, bleibt offen.