Bund für vereinfachte rechtschreibung (BVR)
Stämpfli & Cie.
STÄMPFLI & CIE.
buchdruckerei und verlag
BERN
Bern, im april 1931
Betrifft kleinschreibung
An unsere geschäftsfreunde!
Vor ungefähr einem jahr haben wir Ihnen mitgeteilt, dass wir in unserem geschäftsverkehr die kleinschreibung durchführen werden, und zugleich bemerkt, welche gründe uns zu diesem vorgehen bestimmten. Nachdem viele zuschriften unseren schritt begrüsst und unterstützt haben, halten wir es im interesse der sache für angebracht, Ihnen zu berichten, welche erfahrungen wir mit der neuerung gemacht haben.
Nach innen, das heisst in unserem geschäftsbetrieb, übersteigt die wirkung der änderung unsere erwartungen. In der kürzesten zeit hatten sich alle angestellten mit der kleinschreibung vertraut gemacht. Insbesondere vereinfachte sich die bedienung der schreibmaschinen in einem masse, dass niemand, der an der schreibmaschine arbeitet, zur alten schreibweise zurückkehren möchte. Bemerkenswert ist auch, dass zahlreiche angestellte und arbeiter von sich aus für ihren eigenen schriftverkehr zur kleinschreibung übergegangen sind.
Die wirkungen nach aussen liessen sich, wie bereits bemerkt, aus zahlreichen zuschriften und zeitungsartikeln erkennen, die mit freudiger überzeugung unser vorgehen guthiessen. Noch erfreulicher war, dass einige grosse firmen und eine anzahl von privaten unser beispiel befolgten. Bezeichnend für die werbekraft der idee scheint es uns, dass die zeitschrift des bernischen gymnasiums, die „Gymertribüne“, ebenfalls in kleinschrift gedruckt wird. Auch hier wird sich der satz bewahrheiten: wer die jugend hat, der hat die zukunft. — Dass sich auch die gegner melden würden, war zu erwarten. Überraschend aber berührte es, die schwäche ihrer begründung schwarz auf weiss zu sehen. Stichhaltige gegengründe wurden keine genannt, dagegen machte man reichlich von den schlagworten gebrauch, die je und je gegen alles neue ins feld geführt worden sind. Insbesondere soll die althergebrachte ordnung nicht ohne mitwirkung der hohen obrigkeit gestört werden. Wenn behauptet wird, dass dank der grossschreibung der dingwörter nirgends so viel gelesen wird wie im deutschen sprachgebiet und dass mit der abschaffung der grossschreibung ein kultureller rückschritt eintreten werde, so wirkt das weniger überzeugend als komisch. Schon mehr zu denken gibt die tatsache, dass einige kunden den bezug von büchern unseres verlags ablehnten, weil sie mit einem geschäft, das eine solche „modetorheit“ mitmacht, nicht zu verkehren wünschen.
Wird die bewegung zur einführung der kleinschreibung fortschritte machen? Wir glauben und hoffen es. Dabei versprechen wir uns, abgesehen von der zielbewussten arbeit des bundes für vereinfachte rechtschreibung, am meisten von der einsicht derjenigen, denen die praktische brauchbarkeit mehr bedeutet, als der streit um grosse worte. Es wirkt doch immer etwas sonderbar, wenn gegen die vereinfachung einer schreibgewohnheit gleich das grobe geschütz der Kulturfrage (mit einem grossen K) aufgefahren werden muss.
Allfällige mitteilungen über versuche und erfahrungen mit der kleinschreibung werden wir stets dankbar entgegennehmen.
Mit vorzüglicher hochachtung
Stämpfli & Cie.