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Bund für vereinfachte rechtschreibung (BVR)

stichwort → anredepronomen
nachgeführt
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anredepronomen

definition
Personal­pronomen (persönliches fürwort) in der speziellen funktion der anrede. Anrede­pronomen sind Sie und du ein­schliesslich der possessiv­pronomen Ihr (zu Sie) und dein (zu du), historisch auch Ihr und Er.
zweck
Die anrede soll den kontakt zwischen sprecher und hörer herstellen und aufrecht erhalten. Im fall von Sie geht es auch um eine unter­scheidung von 3. person und anrede. Sie wird als «höflichkeits­anrede» bezeichnet, im gegensatz zur informellen anrede du. Der begriff verleitet dazu, auch bei du eine höflichkeits­form zu fordern und es gross zu schreiben.
regeln zur
gross­schreibung
  Sie du
vor 1996 immer gross in briefen gross, sonst (z. b. in lehr­büchern) klein
neuregelung 1996 immer gross immer klein
2006 immer gross klein, kann in briefen gross ge­schrieben werden

duden.de/sprachwissen

BVR-regeln
Sie gross, du immer klein.
grund­sätzliches

Formen der höflichkeit und der ehr­bezeugung (honorative) ver­tragen sich nicht mit dem prinzip der buchstaben­schrift (schichten­modell).

Die höflichkeits­gross­schreibung ist im volk tief verankert; trotzdem ist die fehler­quote sehr hoch (fundsachen).


Zitate

Das [schreibweise HERR in der bibel] iſt ein ähnliches Motiv, wie wenn man ſagt, die Anrede­wörter in Briefen müſſe man „aus Höflich­keit“ groß ſchreiben. Wäre das der Grund, ſo müſte man, um noch höflicher zu ſein, alle Buch­ſtaben des Pronomens ver­größern. Bei „du“ kann keine Zwei­deutigkeit ent­ſtehen, aber „Sie, Ihnen“ kann einige Be­rechtigung in Anſpruch nehmen, weil dieſe Wörter eigentlich auf mehrere Perſonen fich beziehen.

, Die Ortho­graphie in den Schulen Deutsch­lands, , s. 173

Die Ehr­erbietung trug jeden­falls viel dazu bei, dem großen Anfangs­buch­ſtaben in Titeln ſein Recht zu be­gründen; ſie führte auch dazu, die Pronomina (perf. und poſſ.), welche ſich auf die an­geredete Perſon beziehen, groß zu ſchreiben. Der erſte, der dieſen Gebrauch erwähnt, iſt Girbert. In Hochzeit- und andern Gedichten werde das „fornänwort“ mit dem man eine Perſon anredet, oft groß geſchrieben: „Got gäbe Dir vil glück und ſägen“. Stieler findet es nicht uneben, wenn man großer Herren und vornemer Leute Beziehungs­wörter (Pronomina relativa) mit einer größern Letter ausdrücket“. Freyer erkennt wider­willig den Uſus an, erklärt es aber für einen Miß­brauch, Du und Euch zu ſchreiben, da doch dieſe Worte für keinen Menſchen be­ſondere Ehren­worte ſeien. Auch Wippel be­trachtet „Sie, Ihnen“ als eine Konceſſion: „denn mancher bildet ſich ein, man reiße ihm eine Perle aus der Krone, wenn man dis verſäumet“. — Jetzt gilt der Gebrauch allgemein in Briefen, wird vielfach aber auch ſonſt beobachtet in Dramen, Ge­ſprächen und in der Wieder­gabe von Reden.

, Ham­burger Abend­blatt,

Bis 1996 mussten die Pronomen der 2. Person im Brief immer groß­geschrieben werden – aber nur im Brief und nicht in der wört­lichen Rede! Mit der Rechtschreib­reform brachen die Jahre des kleinen „du“ an, auch im Brief, und zwar amtlich und nur so. Leider erzwang der Springer-Konzern 2006 eine Reform der Reform, und danach durfte das Du wieder groß­geschrieben werden – jedoch, wenn’s beliebt (fakultativ), auch nach wie vor klein.

, Süd­deutsche Zeitung,

Zehetmair betonte, dass man manche Irrita­tion rückgängig machen konnte: […] Man dürfe auch „Du“ wieder groß schreiben: „In einem Brief an Partei­freunde hätte ich mit dem kleinen du keine Probleme, aber in einem Liebes­brief möcht’ ich es groß schreiben“, frotzel­te er.

Möcht’ Er doch, wie es früher üblich war, die angebetete siezen! Unsere irrita­tion: Braucht man wirklich eine erlaubnis, um in einem liebes­brief von der schul­rechtschreibung abzuweichen?

Wenige Tage vor der Wahl Joseph Rat­zingers zum Papst stellte die Internet­ausgabe der „Bild“-Zei­tung ihren Lesern die Frage: „Wird einer von Ihnen der neue Papst?“ Die­jenigen bild.de-Leser, die sich darauf­hin Hoff­nungen auf einen kom­fortablen Lebens­abend in einem römi­schen Palazzo machten, wurden bitter ent­täuscht, denn wie sich heraus­stellte, waren nicht sie gemeint, sondern die Kardinäle auf dem Foto.