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Bund für vereinfachte rechtschreibung (BVR)

zielebegründung der eigennamengrossschreibung → sicht des lesers
ortografie.ch ersetzt sprache.org ortografie.ch ersetzt in zukunft sprache.org

Die eigennamengrossschreibung aus der sicht des lesers

aus der sicht des lesers

Ist die eigennamengrossschreibung (= substantivkleinschreibung, gemässigte kleinschreibung) ebenso gut lesbar wie die substantivgrossschreibung?

Zu grundsätzlichen aspekten vgl.

Untersuchungen

Mehrere untersuchungen befassen sich mit der frage, wie sich die grossschreibung auf das lesen auswirkt. Einen überblick bietet das buch «Der Majuskelgebrauch im Deutschen» von Hans-Georg Müller: «Keine der dargestellten Untersuchungen kann einen tragfähigen empirischen Beweis für Hypothese einer leseerleichternden Wirkung der satzinternen Groß- und Kleinschreibnorm erbringen. […] Eine Interpretation der vorgestellten Experimente als Argument für die Beibehaltung der satzinternen Groß- und Kleinschreibung wird hingegen von der Datenlage nicht hinreichend gestützt. Obwohl aus dem Fehlen eines statistischen Nachweises nicht auf das Fehlen eines tatsächlichen Effektes geschlossen werden kann, ergibt sich für die leseerleichternde Funktion der deutschen Groß- und Kleinschreibung ein eher pessimistisches Bild.»

Die Lesbarkeit der Groß- und Kleinschreibung; eine experimentelle Untersuchung

Von Johannes Burkersrode und Friedrich Burkhardt. Pädagogisch-Psychologische Arbeiten aus dem Institut des Leipziger Lehrervereins. 1932, band XIX, 2. teil. Seite 1 bis 50. Leipzig: verlag d. Dürr'schen Buchhandlung. insges. 76 s. abb. tab 8°.

I. Anordnung, Durch­führung und Auswertung der Versuche

1. Die Aufgabe der Versuche. 2. Die Versuchs­personen. 3. Das Versuchs­material. 4. Die Methode. 5. Die Auswertung.

II. Ergebnisse

a) Fortlaufendes Lesen. 1. Lesen sinn­vollen Stoffes. 2. Lesen von Wörter­tabellen. 3. Lesen sinn­leeren Stoffes.

b) Tachisto­skopisches Lesen. 1. Richtig gelesene Wörter. 2. Richtig erkannte Buch­staben. 3. Die Anfangs­buchstaben. 4. Pro­zentuale Er­füllung der Einzel­buchstaben. 5. Einfluß des Anfangs­buchstabens auf die Dominanzen. 6. Einfluß der Anfangs­buchstaben auf Wörter gleicher Struktur. 7. Einfluß der Anfangs­buchstaben auf die Üb­barkeit

Hauptergebnis: Die Versuchs­ergebnisse zeigen einige Male Gleich­heit der Leistungen, in der Mehr­zahl der Fälle aber eine wesentliche Über­legenheit der Klein­schreibung über die Groß­schreibung.

Die Lesbarkeit der Kleinschreibung; experimentelle Untersuchungen zu Fragen der Rechtschreibreform

Von Herbert Haberl. Wien 1976.

Bericht von Viktor Ledl in der zeitschrift tribüne, 63/1975:

Die streitfrage, ob die kleinschreibung die lesbarkeit von texten positiv oder negativ beeinflusst, ist experi­mentell von H. Haberl, direktor des pädagogischen und berufspädagogischen institutes des bundes in Salzburg, erstmals 1969 an 10—12-jährigen haupt­schülern untersucht worden (vgl. tribüne nr. 43/1970).

Da H. Haberls ergebnisse damals von gegnern der kleinschreibung wegen der bedingten ver­allgemeinerung (versuchs­personen waren hauptschüler) und der verwendeten texte (texte aus lesebüchern) angezweifelt worden waren, wiederholte er 1975 im rahmen eines forschungs­auftrages des bundes­ministeriums für unterricht und kunst seine untersuchung an studenten der pädagogischen akademie in Salzburg unter leicht ver­änderten versuchs­bedingungen (vgl. tribüne nr. 62/1975).

Zu beginn seiner zweiten arbeit gibt H. Haberl einen überblick über die tätigkeit der arbeits­kreise zur rechtschreib­reform und nimmt zu ihren ver­öffentlichungen stellung. Nachdem er die ergebnisse von untersuchungen zur gross- und klein­schreibung verschiedener autoren (H. Moser, Ch. Winkler, L. Kötter) referiert und einer kritik unterzogen hat, kommt er zu seiner eigenen unter­suchung. An dieser nahmen 46 studenten (29 männlichen und 17 weiblichen geschlechts) teil, welche nach einer überprüfung der leseleistung in zwei hin­sichtlich ihrer leistung gleich­wertige gruppen (versuchs- und kontrollgruppe) eingeteilt wurden. Nach der überprüfung von insgesamt sechs hypothesen kommt er zu folgenden ergebnissen:

  1. Die grossen anfangsbuchstaben der substantive gliedern den text sinnwidrig und wirken sich daher beim lesen störend aus.
  2. Die erfassung des inhalts (sinnerfassung) wird durch die klein­schreibung nicht beeinträchtigt, sondern sogar erleichtert.
  3. Der zeitliche aufwand, der zum lesen und durch­arbeiten von texten notwendig ist, um den sinn zu erfassen, ist bei kleinschreibung geringer.
  4. In klein­schreibung abgefasste texte werden dort, wo es sich um detailwissen handelt, weniger gut behalten. Dieser effekt dürfte sich durch die umstellung auf die klein­schreibung erklären lassen, der bei ent­sprechender gewöhnung an das neue schriftbild eliminiert würde.
  5. Komplexe und abstrakte texte werden schneller bewältigt, wenn sie klein geschrieben sind.
  6. Bei der einführung der "ge­mässigten klein­schreibung" würde eine erleichterung beim lesen nicht bei allen personen und texten sofort zum tragen kommen. Es ist aber anzunehmen, dass diese umstellungs­schwierigkeiten bald verschwinden würden.

Aufgrund der untersuchung H. Haberls, die im anhang dem leser das gesamte statistische material darlegt, können eindeutig die be­hauptungen, dass die klein­schreibung das lese­verständnis und die auffassungs­geschwindigkeit beim lesen beeinträchtigen, methodisch sauber widerlegt werden.

H. Haberl hat durch seine 2. untersuchung bewiesen, dass, gleichgültig ob es sich um erwachsene oder kinder handelt, die klein­schreibung schon nach kurzer gewöhnung leichter bzw. genau so gut gelesen wird wie die gross­schreibung.

Man wird im lager der rechtschreib­reform­gegener in zukunft be­rücksichtigen müssen, dass die gross­schreibung für den leser keine hilfe ist, wie dies immer behauptet wird. Selbst­verständlich können mit dieser arbeit ideologische argumente der gegner einer reform in richtung ästhetischer und traditioneller natur nicht entkräftet werden, es bleibt aber zu hoffen, dass der verstand über emotions­geladene meinungen und festgefahrene vorurteile die oberhand gewinnt.

Die experimente von Michael Bock et al. (1985—90)

Bock versucht, gewöhnungseffekte durch verschiedensprachliche texte sowie durch deutsche und niederländische versuchs­personen auszuschliessen. Er kommt zum ergebnis, dass sich die substantiv­grossschreibung positiv auf die lese­geschwindigkeit auswirkt.

Dazu Hans-Georg Müller: «Die dar­gestellten Unterschiede in der maximalen Lese­geschwindigkeit von deutschen und nieder­ländischen Versuchs­personen deuten nicht darauf hin, dass das deutsche Schriftsystem dem nahe verwandten nieder­ländischen gegenüber systematische Vorteile biete — eher im Gegenteil.»

Disambiguierung

Verteidiger der substantiv­grossschreibung heben ihren beitrag zur disambiguierung (auflösung von mehr­deutigkeiten) hervor. Beispiel: «Sie war immer gut zu vögeln.» Eine sammlung von 55 solcher beispiele findet sich als anhang in der (ablehnenden) schweizerischen stellung­nahme zu den wiesbadener empfehlungen vom 20./21. 8. 1963. Sie sollen belegen, dass schreiber, auch schriftsteller, die disambiguierungs­möglichkeiten bewusst einsetzen und die texte nach einer regel­änderung nicht mehr lesbar sind.

Unsere gegentesen:

, Die Ortho­graphie in den Schulen Deutsch­lands, , s. 169

Wo liegt denn überall der Grund für die Möglichkeit eines Miß­verſtänd­niſſes? Wir haben Wörter, die ver­ſchiedenen grammatiſchen Kategorien an­gehören, aber in ihren Lauten zuſammen­fallen: Braut braut, Recht recht, Zeugen zeugen, Wagen wagen, Macht macht, Wert wert u. v. a. Es können ferner Wörter, die nicht Subſtantiva ſind, die Funktionen von Subſtantiven über­nehmen, und doch zuweilen in eine Verbindung treten, die ihre ſubſtantiviſche Funktion verdunkelt. Als Beiſpiele genügen das bekannte Rätſel: „Wer iſt Bräutigam und braut zugleich“, und der bibliſche Spruch: „Chriſtum lieb haben iſt beſſer als alles Wiſſen“, (Wiſſen als Subſt., alles als Attribut), oder: „als alles wiſſen“ (alles als Objekt, wiſſen als Verbum). — Aber folgt aus dieſer Möglich­keit einer Verwechſe­lung, daß alle Haupt­wörter immer müſſen groß ge­ſchrieben werden? Der Wunſch, das Ver­ſtändnis zu ſichern, würde nur die Vor­ſchrift recht­fertigen, daß man den großen Anfangs­buch­ſtaben da ſetze, wo Gefahr einer irr­tümlichen Auf­faſſung dadurch ver­mieden werden kann. Ganze Bücher wird man ſchreiben können, ohne von dieſem Mittel Gebrauch zu machen. Die Sätze, mit denen Klüglinge das Publikum zu ſchrecken oder zu beluſtigen pflegen, ſind mit Mühe auf­geleſen oder aus­getüftelt, und ihre Lehren reichen trotz der Ver­ſchwendung von Majuskeln nicht einmal aus, überall eine falſche Aus­legung zu ver­hindern.

Unsere schlussfolgerung

Auch für das deutsche gibt es nur eine lösung: eigennamen­grossschreibung.