Kurt Reumann, Frankfurter Allgemeine Zeitung,
Unterschiedliche Denkweisen und Strategien ergeben sich auch aus den Vorstellungen von den Adressaten ihrer Arbeit: Die auf Reform erpichten Linguisten denken an (oder für) die Schreiber — und zwar an die unsicheren Schreiber, die Anfänger und schwer Belehrbaren. Sie wollen also auch Anwälte sein. Dagegen wenden sich die schreibenden Journalisten an die Leser – und zwar an die kundigen Leser. Natürlich sei es richtig, daß man beim Erlernen einer Sprache nicht gleich mit den Ausnahmen anfange; selbstverständlich müsse man den Anfang didaktisch leicht machen. Aber deshalb brauche man doch nicht gleich die Sprache zu ändern, warnen die Journalisten, und der Aachener Linguist Stettner stimmt ihnen mit einem bildkräftigen Vergleich zu: „Wenn jemand Schwierigkeiten mit dem Autofahren hat, wird ja auch nicht gleich die Verkehrsordnung geändert, und auch die Chausseebäume werden nicht gleich gefällt.“
1. Ein interessengegensatz zwischen dem schreiber und dem leser ist ein beliebtes narrativ, wohl basierend auf einem dualismusdenken: Was dem einen nützt, muss dem anderen schaden. Und es wird nicht als widerspruch empfunden, dass der schreiber die interessen des lesers am besten vertritt. Unsere meinung: Eine gute rechtschreibung ist für alle gut, eine schlechte ist für alle schlecht. 2. Die sprache wollen wir nicht ändern. 3. Selbstverständlich werden die verkehrsordnung (ein weiteres menschenwerk) geändert und bäume am strassenrand gefällt (oder die strasse verlegt).