Anlass, die eigenen Ansichten über die NS-Kulturpolitik zu überprüfen, gibt die Untersuchung Rechtschreibreform und Nationalsozialismus (Wallstein Verlag) von Hanno Birken-Bertsch und Reinhard Markner reichlich. Die Absicht der Autoren beschränkt sich aber nicht darauf, Gründe zu liefern, einige Nazi-Klischees zu kassieren. Ihre Rekonstruktion eines "Kapitels aus der politischen Geschichte der deutschen Sprache" zielt auf die zentralen Voraussetzungen der aktuellen Rechtschreibreform und lässt eine programmatische Kontinuität erkennen, die man schlecht wird ignorieren können. Die entscheidende Übereinstimmung zwischen der Reform von 1944 und der anno 1996 besteht im Primat, das beide der gesprochenen Sprache einräumen.
Bund für vereinfachte rechtschreibung (BVR)
Aus presse und internet
2000-10-31
Würden in Millers Repertoire nicht ab und an Wörter wie Rechtschreibreform oder Handy auftauchen, könnte man sich vollends in die kabarettistischen Achtziger zurückversetzt fühlen.
2000-10-30
«Rechtschreibreform und Nationalsozialismus» heisst das Buch, […] dessen suggestiver Titel sich vorzüglich dazu eignet, Aufmerksamkeit und böses Blut zu stiften. Als 1998 das Bundesverfassungsgericht seine Anhörung zur Rechtschreibreform durchführte, hatte Christian Meier auf die Reformversuche des nationalsozialistischen Erziehungsministers Rust in den vierziger Jahren hingewiesen und pointiert, das gegenwärtige Bestreben, eine bei der Bevölkerung unerwünschte Orthographie staatlich durchzusetzen, erinnere doch sehr an die Ambitionen der Nazis ein Vergleich, für den er sich entschuldigen musste und den er jetzt in Darmstadt auch nur wiederholte, um ihn zu verneinen. Mit dem nun vorliegenden Buch freilich bleibt die Suggestion in der Welt. […] Hoch ging es her in Darmstadt, es war die lebhafteste Veranstaltung der Akademie seit langem.
Mit Ausnahme der Rechtschreibreformen der Nationalsozialisten 1941 und 1945 sei es bisher eine "gute deutsche Tradition" gewesen, nichts gegen den Willen des überwiegenden Teils der Sprachgemeinschaft zu tun.
Und wo wir schon bei Nazis sind: Auch die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung setzt ihren Anti-Reform-Alarmismus fort. "Rechtschreibreform und Nationalsozialismus" heißt ihre jüngste Publikation, von der die Akademie uns schreibt, sie provoziere mit dem Ergebnis, dass die 1996 beschlossene Neuordnung der deutschen Orthographie in ungebrochener Kontinuität auf den Reformbemühungen der Nazis aufbaut, und liefere so einen tabubrechenden Beitrag für die aktuelle Diskussion. War uns gar nicht bekannt, dass Dämlichkeit ein deutsches Tabu ist.
2000-10-28
Mit einer Attacke gegen die Reform der deutschen Rechtschreibung hat sich die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung zu Wort gemeldet.
Zu DDR-Zeiten oder heute - das Prinzip seiner Arbeit lautet: "Sonden in die Verhältnisse zu senken." Der 61-jährige, in Berlin lebende Autor wird am heutigen Sonnabend in Darmstadt mit dem Büchner-Preis geehrt. […] Braun: "Die Rechtschreibreform ist auf ihre Weise desaströs wie die Entindustrialisierung, aber Dummheit kann man korrigieren, einen Erdrutsch nicht."
2000-10-27
Aus Überzeugung hält der Berliner an Altbewährtem fest. Und das sind nicht nur seine Cowboy-Stiefel mit Metallbeschlag. "Ich singe nach der alten Rechtschreibung, lasse mir mein ß nicht wegnehmen und ein ph, das wie f klingt, habe ich auch untergebracht", raunt Mey trotzig.
Bei einem Bankett im Presseclub Concordia machte Marcel Reich-Ranicki wieder einmal Rundumschläge. […] Alle 100 Jahre darf einmal die Rechtschreibung reformiert werden.
2000-10-26
Jedenfalls für die juristische Fachliteratur läßt sich daher leider nicht feststellen, sie sei "von vornherein bei den alten Regeln geblieben".
2000-10-25
Wer sich in Deutschland mit Sprache beschäftigen will, kommt nach wie vor nicht darum herum, sich um die Große Rechtschreibungsreform und um die kleine Reform der Reform und um die Reformverweigerer zu kümmern. Wem Sprache wichtig ist, dem kann Schreibung nicht völlig unwichtig sein.
Zum Artikel von Wolfgang Illauer […] (F.A.Z. vom 5. Oktober) […]. Nicht genug damit, daß sich der Augsburger Lehrer als antifaschistischer Kämpfer gegen die nach "Verhaltensmustern totalitärer Machthaber" agierenden Kultusminister stilisiert und mit scharfer Feder deren Geiseln - seine "kleine fünfte Klasse" - gegen solche "erpresserischen" Maßnahmen zu verteidigen sucht, belästigt er auch noch Ihre Leser mit einem Aufruf zum "Kampf" gegen die Orthographierepressalien der Willkürherrscher. Ist diese martialische Rhetorik wirklich nötig? Abgesehen davon, daß sie die skurrile Vorstellung einer orthographieterroristischen Avantgarde bei mir weckt, an deren Spitze Illauer und die F.A.Z. den Schulterschluß üben, muß man sich angesichts der auch von ihm selbst zugestandenen Erkenntnis, daß die Rechtschreibreform im Grunde "unbedeutend" sei […], fragen, ob dieser Grad der Exaltation der Reform angemessen ist.
Es gibt in Stadt und Kreis Gießen eine klare Mehrheit für die Rückkehr zur alten Rechtschreibung.
2000-10-21
Aufs Korn genommen wurden Rechtschreibreform und die Gefährdung der Arbeitsplätze, egal wie sich die Menschen verhalten.
[…] liefern sie bissige Polemik: Über jenes bedeutende Blatt Deutschlands, das gewichtig mit der Rechtschreibreform aufmachte, obgleich zum gleichen Zeitpunkt in Düsseldorf ein fremdenfeindlicher Anschlag erfolgte […]
2000-10-20
Die Frage «Bist du reformiert oder katholisch?» ist schon lange der Frage «Schreibst du kennen lernen getrennt oder zusammen?» gewichen. […] Weshalb man bei der rechtschreibreform nicht gleich nägel mit köpfen gemacht statt alten wein in neuen schläuchen verkauft hat, bleibt im verborgenen (ja, kein überlegen, ob gross oder klein!).
Bei der Tagung […] ging es auch um die Rechtschreibreform mit ihren Fallstricken, die aber den Tschechen, wie sich herausstellte, weniger Probleme bereitet als vielleicht erwartet. "Man kann's lernen", meinte eine Seminarteilnehmerin. Das gelte für Schüler wie für Lehrer.
Weil ich die Rechtschreibreform zumindest zum großen Teil befürworte […], bin ich tief in meinem Innersten ein Nazi und arbeite von mir unbemerkt daran, zum „späten Vollstrecker des NS-Willens“ zu werden. […] Seit längerer Zeit ist zu beobachten, dass den Reformgegnern anscheinend die Argumente ausgehen, und so greift man zur vermeintlich schärfsten Waffe […].
Ich würde mir wünschen, dass Sie diesen Weg der kritischen Auseinandersetzung mit Sachargumenten weitergehen würden[,] und hoffe sehr, dass Sie sich am Ende dieser Auseinandersetzung dazu durchringen, dem Schritt der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, die alte Rechtschreibung zu verwenden, zu folgen.
Einschliesslich kommaregeln, alt oder neu.
Hans Kriegers Artikel ist ein Beispiel für die politische Unkultur in unserem Land. […] Versuchten die Gegner der Rechtschreibreform ursprünglich, die Reformer als Alt-68er hinzustellen, die nachträglich ihre sozialistischen Utopien durch die Reform umsetzen wollten, so sollen sie jetzt als Nazis diffamiert werden.
2000-10-19
Jedenfalls ist die deutsche wie jede Sprache jederzeit politisch und ästhetisch zu missbrauchen, partiell im Wortschatz verschlissen und in einigen Fällen für eine Weile unbenutzbar geworden durch unerträgliche Assoziationen […]. Trotzdem sollte man ihre Karikatur, dazu gehören die Wortvergewaltigungen einer Bürokratiesprache durch ungehemmten Prä- und Suffixgebrauch wie auch die Highlights der aktuellen Rechtschreibreform, nicht mit ihr selbst verwechseln.
Keine andere Sprache wurde derart verschandelt, beschädigt, verdorben, vergewaltigt wie die deutsche, keiner anderen hat man Ähnliches angetan. Die Nazis haben unwiederbringlich diese herrliche Sprache verdorben, in einigen Jahren stellten sie die «Lingua Tertii Imperii» auf, ein Verbrechen gegen die Sprache, wie es kein anderes gab, davon bleiben leider noch viele Wendungen erhalten, und die so genannte Rechtschreibreform ist davon ein Erbe.
Bla bla. Es gab und gibt noch andere totalitäre staaten, und die Schweiz, in der die Weltwoche seit 1933 erscheint, war keiner. Und der 1924 gegründete Bund für vereinfachte rechtschreibung ist wohl ein rückdatiertes erbe.
Merkwürdig finde ich es, nebenbei, daß niemand von einer anderen Orthographiereform redet, die tatsächlich stattgefunden hat. Natürlich ist es im strengen Sinn keine Orthographiereform, aber doch etwas in die Nähe Kommendes. Ich meine die Einführung der lateinischen Schrift und die gleichzeitige Abschaffung der bisherigen, der Sütterlin-Schrift. […] Gut, dies ist ein anderes Kapitel, aber daß es in Zusammenhang mit der Rechtschreibreform überhaupt nie aufgemacht wird, ist schon ein wenig überraschend. […] Man kann auch gegen die Kleinschreibung sein, aber daß dies eine wirkliche Reform gewesen wäre und auch eine wirkliche Vereinfachung jedenfalls fürs Schreiben kann wirklich nicht bestritten werden. Als dies nicht ging, da konnten nur noch Kinkerlitzchen bleiben, die nun irritieren.
Zur fraktur: «Überhaupt nie» ist nicht ganz richtig, wie eine suche nur schon auf diesen seiten zeigt.
Heinz Wilgenbusch, schulpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion, begründete den Antrag mit der Rechtschreibreform […]
Und er sang, wie er augenzwinkernd erzählte, «nach der alten Rechtschreibung».
2000-10-18
Die 22. Auflage des Rechtschreib-Duden verkauft sich nach Angaben des Mannheimer Bibliographischen Instituts überdurchschnittlich gut. […] Die Hamburger Thalia-Buchhandlung verkauft den Duden zehnmal so oft wie die "Deutsche Rechtschreibung" von Bertelsmann. […] Im Gegensatz zu 1996 zeigten sich die Käufer diesmal nicht verunsichert. "Damals haben die Leute noch nach der alten Rechtschreibung gefragt", erinnert sich eine Hugendubel-Mitarbeiterin. Inzwischen habe man sich gewöhnt - auch Gerüchten, daß möglicherweise wieder alles anders werde, begegneten die Kunden mit Gelassenheit.
Die auf vier Bände angelegte Edition soll im Herbst 2003 abgeschlossen sein. In der vorliegenden Form kann sie allerdings nur als verderbt bezeichnet werden: Selbst der verhängnisvolle Hinweis am Schluß der Einleitung, daß die Ortographie „behutsam und stillschweigend“ den heutigen Regeln „notabene vor der Rechtschreibreform“ angepaßt worden sei, entpuppt sich angesichts von schönen Archaismen wie „Versandt“, „hienüber“, „etz.“ als irreführend […].
Man fühlt sich zurückversetzt in die frühe Zeit Jelineks, wo sie eine junge Popliteratin war, ätzend und flink; man erinnert sich an Die Liebhaberinnen (1975, noch in Kleinschreibung) oder an die herrliche, viel zu wenig beachtete Kriminalkomödie Die Ausgesperrten (1980).
2000-10-17
Es scheint, als ob aus dem Duden-Wörterbuch, von dem erwartet wird, das es richtungweisend für die Rechtschreibung sein soll, ein Verzeichnis der Möglichkeiten geworden ist. Wer ob der Vielfalt der Möglichkeiten irritiert wird, den verweist der Duden-Verlag auf das im Oktober 1998 erschienene Praxiswörterbuch zur neuen Rechtschreibung, «denn es zeigt für alle Wörter in der Regel nur eine Schreibvariante».
Der Skeptiker hat laut Michael Oakeshott eine Begabung, […] sich eine Katastrophe vorzustellen, ein Gespür für fernes Donnergrollen. Dieses Talent, durch Erfahrung geschult, findet im Horizont seiner Erfahrungswelt auch seine Grenze, und so hat man Oakeshott, den Bürger der glücklichen Insel, nicht des naiven Optimismus überführt, wenn man feststellt, daß er sich ein Fiasko wie die deutsche Rechtschreibreform nicht hat vorstellen können. In dem nachgelassenen Manuskript über zwei Grundtendenzen neuzeitlicher Politik, das Timothy Fuller herausgegeben hat, dient die Vereinfachung der englischen Schreibregeln als Beispiel einer skeptischen, die Textur der Überlieferung respektierenden Reform und wird mit der Reform des englischen Rechts verglichen, die sich auf die Harmonisierung von Verfahrensregeln beschränkte. Der Versuch, die Verfahren der Politik zu vereinfachen, entspräche nach Oakeshott dagegen dem Unternehmen, die Sprache selbst simpel zu machen durch Beschneidung des Wortschatzes und Verstümmelung der Syntax. […] Wie das deutsche Experiment gezeigt hat, genügt eine Änderung der Schreibregeln, um den Wortschatz zu berauben und die Syntax zu malträtieren. Der Skeptiker darf sich auch bestätigt sehen, wenn seine schlimmsten Befürchtungen überboten werden. Man kann die deutsche Rechtschreibkatastrophe als klassisches Beispiel für die Verheerungen des von Oakeshott in einem Essay von 1962 geschilderten "Rationalismus in der Politik" betrachten.
Die Schreibweise ist kein Irrtum und hat auch nichts mit der umstrittenen Rechtschreibreform zu tun. Die ungewohnte, «eingedeutschte» Schreibung ist vielmehr Programm: «Das Verbrechen ist von deutschem Boden ausgegangen.
2000-10-16
Der Grund: die von den deutschen Verlagen immer häufiger angewandte Rechtschreibreform. […] Die wenigen eingesparten Kommata reichen kaum aus, um das diesjährige Buchstabengesamtgewicht der Messe unter die zulässige Höchsttonnage zu drücken. Das Buchstabengewicht hat sich durch die teilweise Abschaffung des "ß" zugunsten von "Doppel-s" deutlicher erhöht als zunächst vermutet.
Angesichts der rauhen/rauen Wellen, die die Orthografieglaubensfrage derzeit schlägt, heißt es gegenüber den wahren Tücken: Ruhe bewaren. Entschuldigung: Rue bewahren. Nein, auch falsch. Unerhört schwierig, keine Fehler zu machen.
Es umfasst knapp 500 Seiten, wiegt zwei Kilo und hat einen himmelblauen Plastikeinband: Das offizielle "Handbuch des Bayerischen Landtages". […] Wie gewissenhaft der Landtag seine Informationen überarbeitet, zeigt auch der Blick auf die neue Rechtschreibung: Der gute alte "Ausschuß" (sic!) heißt ab sofort "Ausschuss", genauso wie aus dem SPD-Abgeordneten Johannes Straßer (sic!) ein Strasser wurde auf eigenen Wunsch, wie der Landtag betont, "er hat sogar sein Geburtsregister ändern lassen".
2000-10-15
Ich wäre sehr für eine Rückkehr zur alten Rechtschreibung. Ob wir das bei unseren Kultusministern schaffen? Ich glaube nicht, denn Minister wollen sich ungern revidieren.
2000-10-14
«Um neun Uhr morgens werden die Camions geladen, und dann werden die Buchhandlungen in der Schweiz beliefert», so Hanspeter Joos, Leiter der Verlagsauslieferung, im Vorfeld. […] Und auf die Frage, ob er schon mal einen solchen Run erlebt habe, meinte er: «Höchstens, als der neue Duden aufgrund der neuen Rechtschreibung erschien.»
2000-10-13
Meys auf die Rechtschreibereform gemünzte Bemerkung «Ich bin schon zu alt, um umzulernen» («Haben Sie gehört im letzten Lied waren einige Phs drin»), lässt sich ohne weiteres auf sein ganzes dichterisches Selbstverständnis übertragen.
Vor allem aber inszeniert das «FAZ»-Feuilleton mit Inbrunst und grossen rhetorischen Gesten gesellschaftspolitische «Debatten» und besetzt selbstbewusst viele der Themen mit, die Traditionalisten eigentlich für politische Ressorts reservieren möchten. […] Ohne Scheu hat Frank Schirrmacher, der junge für Kultur verantwortliche Herausgeber, eine etwas skurrile Kampagne für die Rückkehr zur alten Rechtschreibung losgetreten. Mancher Leser wäre freilich schon dankbar, wenn die Zeitung beim Redigieren der Artikel etwas mehr Sorgfalt walten liesse und nicht so viele Druck- und Grammatikfehler produzierte.
Aber auch in der Bundesrepublik sei der Föderalismus ausgehöhlt wie seit 1949 nicht. Neben der Finanzpolitik sei «der ballonartig aufgeblähte Apparat der Kultusministerkonferenz dabei ein Hauptschuldiger. Die Konferenz gehöre abgeschafft, inklusive der überflüssigen Rechtschreibreform», forderte Schmidt unter spontanem Beifall des Auditoriums.
Der Nobelpreis für den gebürtigen Weimarer Herbert Kroemer hat nicht nur das Rathaus bewegt. Alte Schulfreunde, das Schillergymnasium und ehemalige Nachbarn kramen in Erinnerungen und suchen nach Spuren des plötzlich weltberühmten Wissenschaftlers. […] Auch der Mathe-Leistungskurs der zwölften Klassen hat einen Brief geschrieben. "Dabei haben wir uns entschlossen, die Rechtschreibreform außen vor zu lassen. Damit kann der Professor bestimmt nichts anfangen", fanden die Schüler. In dem Brief heißt es: "Wir sind sicher, daß es nicht nur in unserem Interesse liegt, Sie willkommen zu heißen. Wir vermuten, auch Sie sind neugierig, wie das Friedrich-Schiller-Gymnasium und Weimar heute aussehen."
In diesem Zusammenhang, so sein Vorschlag, könne auch umgehend die "aufgeblähte Bürokratie der Kultusministerkonferenz abgeschafft werden" einer Einrichtung, die auch noch eine überflüssige Rechtschreibreform geschaffen habe. Die Kultusministerkonferenz habe keine Existenzrechtfertigung: "Wenn etwas bundeseinheitlich zu regeln ist, ist das Sache von Bundesregierung und Bundestag."
2000-10-12
Unsere Kinder sind von der deutschen Sprache total überfordert, ihre Kenntnisse katastrophal. Statt Frühenglisch wäre Frühdeutsch nötig. […] Von Orthografie und Grammatik, Konjugation und Deklination scheinen viele Schulabgänger nichts begriffen zu haben. Stattdessen behelfen sie sich mit fonetischer Schreibweise […].
Getilgt wird flächendeckend jeder Straßenname, der unzeitgemäßerweise ein "ß" hinter kurzem Vokal aufweist […]. 17 Aachener Straßen sind betroffen […]. Angesichts von etwa 3000 Straßennamensschildern in Aachen (bei einer Gesamtzahl von 30.000 Verkehrszeichen) findet die Rechtschreibreform nur relativ geringen Niederschlag im Stadtbild. Dennoch gibt es kritische Stimmen, die fragen, ob es in Zeiten leerer Kassen so dringend nötig sei, einige tausend Mark wegen ein paar Veränderungen am deutschen Schriftgut auszugeben (die Lebensdauer eines Schildes beträgt in der Regel zehn bis 15 Jahre).
Der Bayerische Philologenverband ist seit langer Zeit ein williges Werkzeug des bayerischen Kultusministeriums. […] Daß es an den deutschen Schulen auf Jahre hinaus zu einem unerträglichen Rechtschreibchaos gekommen ist, liegt am Desinteresse oder an der Inkompetenz von Verbandsfunktionären, die keine Germanisten sind.
[…] die Internetseite des CDU-Bürgermeisterkandidaten Ralf Wolter. Der letzte Eintrag übrigens stammt vom CDU-Kreisvorsitzenden und Landtagsabgeordneten Axel Wintermeyer. Der äußert sich […] lobend über Wolters Internet-Seiten. Allerdings hat er seinen gesamten Beitrag ohne Großbuchstaben abgefasst. Ein neuer Vorschlag zur Reform der Rechtschreibreform?
"Hoher Bogen" oder "Hohenbogen"? Mit dieser Frage setzte sich Ludwig Baumann in seinem Vortrag am Dienstag beim Wald-Verein in Kötzting auseinander. […] Die Getrenntschreibung […] ist eine Mode unserer Zeit. […] Das Sprach- und Schreibwirrwarr um den "Hohen Bogen" gehört für unsere Redaktion seither der Vergangenheit an, zumal "Hohenbogen" für Transparenz und Vereinfachung sorgt. Was man von vielen Bestandteilen der Rechtschreibreform nicht gerade behaupten kann.
Von wegen wolstand in Deutschland. Richtig, man kann hir zimlich alles kaufen, aber wievil stunden braucht man dazu! […] Vor 10 jaren dachte man, nach der widervereinigung würde sich der osten an den westlichen standard anpassen, aber wenn ich die schlangen hir se, muss ich sagen, es is wol verkeert rum gelaufen.
2000-10-10
Der erwartete Run auf das Buch sei wohl nur mit dem Sturm auf den neuen Duden nach der Rechtschreibreform vergleichbar, heißt es in einer großen Düsseldorfer Buchhandlung.
2000-10-09
Nur die rechtsextremen Republikaner fordern, im Südwesten zu den alten Rechtschreibregeln zurückzukehren.
Deutschland ist im Harry Potter-Fieber: Tausende lesehungrige Fans des Zauberers zählen die Tage bis zum Erscheinen des vierten Bandes «Harry Potter und der Feuerkelch» an diesem Samstag. […] Der erwartete Run auf das Buch sei wohl nur mit dem Sturm auf den neuen Duden nach der Rechtschreibreform vergleichbar, heißt es in einer großen Düsseldorfer Buchhandlung.
2000-10-08
Anders als die Reformer von heute hätten sich die Nationalsozialisten aber nicht getraut, ihre Pläne gegen die Öffentlichkeit durchzusetzen.
Wir haben den vätern der neuregelung immer vorgeworfen, dass sie zu sehr auf die akzeptanz schielten. Oh, wie haben wir uns getäuscht! Es waren die zartbesaiteten nationalsozialisten, denen die akzeptanz das höchste war. Eine Rechtschreibreform lag oberhalb, der millionenfache mord dagegen unterhalb der akzeptanzschwelle. Eine interessante geschichtsauffassung! In dieser abstufung nimmt sich das, was sich die heutigen reformer getrauen, entsprechend schlimm aus. (Nicht zu reden von dem, was der BVR will.) Jetzt verstehen wir, warum gegner wie Jürgen Frielinghaus nur noch beten können.
2000-10-07
Im Ernst, der Präsident der Akademie sollte uns verraten, was er im Sinn hat. Will er Korrekturen, die «leid» und «Leid» betreffen, oder will er die Rechtschreibreform zu Klumpatsch schlagen? Merke: Ein Euphemismus ist eine besonders tückische rhetorische Figur.
Mit der von Hitler gestoppten Rechtschreibreform war eine andere von ihm gewollte Reform einhergegangen: Die Abschaffung der Frakturschrift […]. Wir empfinden diese Modernisierung nicht als Willkürakt der Diktatur. Auch sie ging auf die Brüder Grimm zurück. In der Einleitung zum Deutschen Wörterbuch hatte Jacob Grimm die deutsche Schrift als "unförmlich und das auge beleidigend" bezeichnet und zur Orthographie bemerkt: "in den letzten drei jahrhunderten, trägt die deutsche schreibung so schwankende und schimpfliche unfolgerichtigkeit an sich, wie sie in keiner anderen sprache jemals stattgefunden hat, und nichts hält schwerer als diesen zustand zu heilen. Berlin 2. merz 1854." Merke: Geschichte ist kein ideologischer Selbstbedienungsladen.
Die Herbsttagung der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung steht vor der Tür […]. Am Freitag (27.) gibt es um 14.30 Uhr im Maritim-Konferenzhotel eine Buchvorstellung: „Rechtschreibreform und Nationalsozialismus“.
Erst am Ende ging Lemke auf die Rechtschreibreform ein. […] In dem Gesamtbericht soll sie [die kommission] Ende 2001 auch die Ergebnisse ihrer Gespräche mit Schulbuchverlagen, Zeitschriftenverlagen und Nachrichtenagenturen berücksichtigen. Von Literaturverlagen ist nicht die Rede. Daß überhaupt Bewegung in die bislang auf die Verteidigung der Reform konzentrierte Kultusministerkonferenz kam, ist nach dem Urteil von Beobachtern der Rückkehr der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zur alten Rechtschreibung und dem Engagement der hessischen Wissenschaftsministerin und FDP-Vorsitzenden Wagner zu verdanken.
Bereits Ende des Jahres 2001 werden die Erfahrungen mit den neuen Rechtschreibregeln zusammengefasst.
Die Kultusminister sehen nach den jüngsten Protesten Handlungsbedarf. Jetzt muss ihnen Mut zugesprochen werden, vor allem Mut dazu, die unseligen Getrenntschreibungen wieder abzuschaffen.
Ob man Schlossstraße oder Schloßstraße schreibt? In der Mannheimer Dudenredaktion reagiert man auf die Frage routiniert: "Am 1. August 2005 ist die neue Rechtschreibung maßgeblich für Behörden, dann sollten die Straßenschilder geändert sein", erklärt die freundlich-kompetente Stimme am Beratungstelefon (01 90/87 00 98). […] In der "Schloss-clinic" in Bensberg (Schloßstraße 20) sieht man das nicht ganz so locker: Zwar habe man sich 1999 beim Einzug für das Doppel-S im Namen entschieden, erzählt Ulrike Gelker, weil das Schriftbild besser aussehe. Die Straßenschilder aber sollten bleiben, wie sie sind, meint sie: "Briefbögen, Außenschilder, Stempel, Prospekte. . . . alles müsste geändert werden. Nein Danke, auf die Kosten können wir verzichten!" Das findet grundsätzlich auch Sigrid Mommer. Sie wohnt im Greuel. […] Muss das nach neuer Rechtschreibung nun Gräuel heißen […]? […] 01 90/87 00 98 weiß auch da Rat: "Klarer Fall von historischer Schreibung", sagt sie kurz und knapp. Also: Greuel kann Greuel bleiben.
Die Kritik an den neuen Regeln bewerten die Minister als eine „von einzelnen Medien während der Sommermonate hervorgebrachte“. Es gebe wichtigere Bildungsfragen als die Rechtschreibreform, sagte KMK-Präsident Lemke.
Ratsrechtsaußen Jürgen Schützinger hat da einmal ins bildungspolitische Feld hinein geschnüffelt und als vermutlich ohnehin Anhänger altgermanischer Runenschrift die innig diskutierte Rechtschreibereform auserkoren. […] So recht mochte freilich nicht mal der Hinweis ziehen, dass solches Aufständlertum nach innen nichts kostet und nach außen kostenlose Werbung bringt. Zwar, grummelte Alt-OB Gebauer zum Thema, könne auch er der modernisierten Fassung deutscher Rechtschreibung nicht sonderlich viel Positives abgewinnen, noch weniger allerdings der Aussicht, dass sich Villingen-Schwenningen gegen die neue Rechtschreibung ausspricht, Donaueschingen vielleicht dafür, während ein dritter Ort möglicherweise den heilenden Ausweg im Esperanto sieht. Und ein gesellschaftpolitisch bedeutsames Thema auf dem Altar der schnellen Schlagzeile zu opfern? Nein, irgendwie hat man sich unter den Kommunalpolitikern unter medial wirksamen Events etwas anderes vorgestellt.
Zu dem jetzt beschlossenen Verfahren sagte Wagner der WELT, die Termine für die "Reform der Reform" würden um mehrere Jahre vorgezogen. So solle die zwischenstaatliche Rechtschreibkommission in Mannheim bereits im nächsten Jahr eine "Bilanz" der Reform vorlegen. Schon im Jahr 2002 werde sie dann ihre Änderungsvorschläge präsentieren.
"Wir möchten zu dem Appell keine Stellung nehmen, weil sich nichts Neues daraus ergibt", sagte die Pressesprecherin des Ministeriums, Brigitte Waltenberger, auf Anfrage der WELT. "In den vergangenen fünf Jahren haben wir uns ausführlich mit der neuen Rechtschreibung befasst und sie en détail diskutiert. Die Reformgegner sind nach wie vor dieselben und tragen mit ihrem Appell keine neuen Fakten zur Diskussion bei."
Trotz massiver Kritik hält die deutsche Kultusministerkonferenz an der Rechtschreibreform fest.
Eine kleine Nebenbemerkung für die Reformer: Daß Eure Volksbelästigung zu 100% verschwinden muß, bedeutet, daß sie völlig, komplett, von A bis Z eliminiert werden muß! Verstanden? Bei Euch weiß man ja nie, ob Ihr das kleine Einmaleins beherrscht, Ihr 0,05%-Theoretiker. Merkt Euch: Mit Eurer Rechtschreibfolterei seid Ihr ein paar Jahrhunderte zu spät dran. […] Die Ku-Minister wollten uns in einen Rechtschreibkerker sperren. Doch wir sind das Volk[,] und wo der Wille des Volkes sich Bahn bricht, da fallen Mauern und Stacheldraht […].
2000-10-06
Hessens Wissenschaftsministerin Ruth Wagner (FDP) hatte zuvor in der "Welt" gefordert, die KMK müsse dafür sorgen, dass die geplante Überprüfung der Rechtschreibreform durch eine zwischenstaatliche Kommission nicht erst 2003 erfolge. KMK-Präsident Lemke wandte sich gegenüber der StZ gegen eine Reform der Reform. Denkbar seien allenfalls kleinere Korrekturen am Regelwerk.
Wer in der Parteispendenaffäre gräbt, darf sich vor gut gemeinten Hinweisen nicht fürchten. So gab am 31. Januar diesen Jahres ein Apotheker der Wiesbadener Staatsanwaltschaft den Tipp, die anonymen Zahler in den Reihen der Großverlage zu suchen, die mit der Rechtschreibreform kräftig Kasse gemacht hätten. Angesichts des Unsinns der Reform müssten hohe Bestechungsgelder geflossen sein.
Die Rechtschreibreform ist ein Flop und soll wieder abgeschafft werden, fordert Stadtrat Jürgen Schützinger. Der Rechtsaußen hat einen förmlichen Antrag gestellt.
An der umstrittenen Rechtschreibreform sollte nach dem Willen einer großen Mehrheit im Landtag festgehalten werden.
Grundsätzlich brauche die Umstellung allerdings Zeit. Eltern und Lehrer dürften nicht durch eine neue Änderungsdiskussion verunsichert werden, wie es bei der turnusmäßigen Konferenz der Schul- und Wissenschaftsminister am Donnerstag in Bremen hieß.
2000-10-05
Dem hielt Kultusstaatssekretär Rudolf Köberle (CDU) entgegen, die „Republikaner“ versuchten lediglich eine überflüssige Sommerlochdebatte zu verlängern.
An einer "Reform der Reform" würde sich die Akademie allerdings nicht beteiligen, wenn sie nur Zuarbeiter der Zwischenstaatlichen Kommission sein solle, schränkt Meier ein. Das sei keinem Mitglied der Akademie zuzumuten, zumal nicht "dem besten Mann auf diesem Felde", dem Potsdamer Sprachwissenschaftler Eisenberg, der aus der Rechtschreibkommission ausgetreten war […].
Anstatt weiter um Verständigung zu ringen, warf sich die Kultusministerkonferenz 1995 auf die Reform der Rechtschreibung, auf die sie sich Ende des Jahres einigte. Man tritt dem Präsidenten der Konferenz, Reck, nicht zu nahe, wenn man feststellt, daß er das Ausmaß und die Wirkung des neuen Regelwerks nicht durchschaute. Sein Nachfolger im Präsidentenamt, der niedersächsische Kultusminister Rolf Wernstedt (SPD), war unglücklich darüber, daß er sich 1996 vornehmlich mit der Rechtschreibreform herumzuschlagen hatte und als "Rechtschreibpräsident" in die Geschichte einzugehen drohte. Viel lieber hätte der in der DDR geborene und zur Schule gegangene Politologe seine Kollegen, aber auch Lehrer und Schüler zum "Nachdenken über Deutschland" angeregt.
Die Geschichte der Rechtschreibreform läßt sich mit einem Staffellauf vergleichen, bei dem der Stab unabhängig davon weitergereicht wurde, ob in Deutschland eine Monarchie, eine Diktatur oder eine Demokratie den Herrschaftsrahmen abgab. Unablässig variierten die "Neuerer" alte Vorschläge; nur die ideologische Verbrämung änderten sie von Fall zu Fall. Sie waren sich bewußt, daß die Öffentlichkeit ihre Pläne nicht billigen werde.
Manchmal zeigt sich bei scheinbar harmlosen Kleinigkeiten Erschreckendes, geradezu Unheimliches. Es gibt viele Beispiele für diese Binsenweisheit, eines davon ist die Einführung der Rechtschreibreform. Das Ausmaß an arroganter Machtausübung, an Manipulation […], an hartnäckiger Desinformation und Irreführung der Öffentlichkeit, das sich unsere vorbildlich demokratisch gesinnten Kultusminister bei der Durchsetzung der Reform geleistet haben und immer noch leisten, hätte ich nicht für möglich gehalten. Es ist unheimlich, wie da Verhaltensmuster totalitärer Machthaber aufblitzen.
Die Initiative "Für eine vernünftige Rechtschreibung" hat am Dienstag in der bayerischen Landeshauptstadt den Münchner Appell "Für die Einheit der Schriftsprache" veröffentlicht. Zu den Erstunterzeichnern gehören die Schriftsteller Siegfried Lenz, Ilse Aichinger, Ota Filip, Elfriede Jelinek, Günter Kunert und Reiner Kunze.
Die neue "ß/ss"-Regel ist ziemlich inkonsequent. […] Wir schrieben bisher die Anrede "Du" groß. Und da sagen die nun: Wenn man jemanden duzt, dann besteht kein Anlass, ihm eine besondere Ehrerbietung zu bezeugen also klein schreiben! Aber wenn ich jemanden duze, dann bezeuge ich ihm ja gerade besondere Ehre.
Wissen das mit der besonderen ehre alle? Wenn ja, muss man es nicht jedes mal mit dem grossbuchstaben signalisieren. Wenn nein, wie löst man das problem in der gesprochenen sprache? Ein gross geschriebenes Sie würde es deshalb auch nicht brauchen, und man würde es auch kaum neu erfinden, aber man behält die unterscheidungsschreibung bei.
2000-10-04
Mit einem riesigen Aufwand haben die Reformer nur ein paar Mängel durch andere ersetzt.
Es wäre jetzt wünschenswert, dass möglichst alle mitmachen würden; wer nicht umlernen will, verweigert dies in der Regel einfach aus Bequemlichkeit. Dass beim und nach dem Umgewöhnen noch Fehler passieren werden, ist selbstverständlich und nichts Schreckliches.
Peter Gallmann und die so genannte Expertenkommission zur Neuregelung der deutschen Rechtschreibung wollten also die geschriebene Sprache vereinfachen warum haben sie es nicht getan?
Die Lobeshymnen der Rechtschreibreform beschränken sich immer auf ein paar einleuchtende Beispiele, die breiten Beifall finden. Ich bringe ein paar andere […].
Die Reform […] "ist ein obrigkeitsstaatlicher Eingriff in die lebendige Sprache, wie es ihn bisher nur in der NS-Zeit gegeben hat", heißt es in dem Aufruf.
Die vielen Professoren, Schriftsteller und Pädagogen hatten kaum Platz am langen Konferenztisch, und ihre Ansprachen trieften nur so von Untergangsszenarien […].
Die Initiative für eine vernünftige Rechtschreibung […] hatte am 19. August mit ganzseitigen Anzeigen in sechs Tageszeitungen zu der Abstimmung aufgerufen. Reaktionen darauf kamen fast ausschließlich von Gegnern der neuen Rechtschreibung: Von knapp 100.000 Einsendungen sprachen sich 98,6 Prozent für eine Zurücknahme der Rechtschreibreform aus.
Inzwischen ist Werder-Willi Senator. Wenn er chattet, lässt er heute schreiben am Montag von einem Mitarbeiter des Internet-Vereins "politik-digital" […] zum Thema Bildungspolitik. Lemke liest die Fragen von "spaceboy", "hamburgerjung" oder "sakarus" […], diktiert routiniert druckfrische Politiker-Sätze über die Verbeamtung der Lehrer, darüber, dass er die Orientierungsstufe in Bremen "auf den Prüfstand" stellen möchte und dass es wichtigere Themen als die Rechtschreibreform gebe.
Was von den Reformpädagogen der 68er-Bewegung als Waffe gegen ein repressives Bildungssystem verstanden wurde, war seinem Ursprung nach ein Erzeugnis des repressivsten Staatswesens, das in Deutschland je regiert hat.
«Ursprung» würde ja wohl bedeuten, dass es vorher nichts gegeben hat. Unser Bund für vereinfachte rechtschreibung wurde 1924 gegründet, und die angelegenheit war damals schon ein alter hut.
Namhafte Kritiker der Rechtschreibreform haben am 3. Oktober, dem Tag der Deutschen Einheit, in München auch eine Rückkehr zur Einheit der deutschen Schriftsprache gefordert.
2000-10-03
Mich ärgert an der neuen Rechtschreibung besonders, wie sie eingeführt wurde nämlich wie in einer Diktatur.
Und wie hätte man es machen sollen?
[…] selbstverständlich ist, daß wir uns nicht mehr von Amts wegen vorschreiben lassen, wie wir zu schreiben haben.
2000-10-02
Jandl rührt durch seinen kindlichen Ton, die Rechtschreibreform des Herzens.
Wenn wenigstens die Rente sicher wäre und der nächtliche Gang durch die Fußgängerunterführung, wenn zumindest der Euro stabiler wäre und der Ausweg aus der Globalisierungsfalle erkennbar, wenn die Klimakatastrophe nicht wäre und die Hypothek auf dem Eigenheim, der hohe Ölpreis und die Wachstumsrate, das Desaster der Rechtschreibreform und der persönliche Haarausfall, wenn mit anderen Worten die Dinge anders lägen in Deutschland, dann wäre der 3. Oktober 2000 ein Tag der Freude.
Birken-Bertsch und Markner arbeiten überzeugend heraus, daß die Nationalsozialisten sich dabei von praktischen und ideologischen Erwägungen leiten ließen.
Wer hätte das gedacht!
Licht in ein dunkles Kapitel der Sprachgeschichte, das in allen historischen Darstellungen der Rechtschreibproblematik geflissentlich ausgespart blieb, bringen jetzt zwei junge Wissenschaftler aus Jena und Halle. […] Das vielleicht Erschreckendste jedoch ist der Nachweis der Studie, wie stark die Denkmuster von damals unerkannt bis in die Gegenwart fortwirken.
Hoffentlich wird wenigstens im buch nicht ausgespart, dass es noch eine Schweiz gibt, in der auch deutsch gesprochen wird. Vgl. z. b. «20 jahre Bund für vereinfachte rechtschreibung» aus dem jahr 1944.
Marx stellte eine bislang noch nicht veröffentlichte Untersuchung vor, bei der 200 Lehramtskandidaten für den Grundschulunterricht auf ihre Kenntnisse der neuen Rechtschreibregeln getestet wurden. Danach verstehen und handhaben nur 60 Prozent der künftigen Lehrer die neue Regel für die "ß/ss"-Schreibung richtig.
Das Publikum äußerte sich anschließend zu den „Top-Themen“ Sprachverfall, Anglizismen und Rechtschreibreform […].
2000-10
Abstract: Da die Neuregelung der deutschen Rechtschreibung mit Blick auf die Fremdsprachler kaum diskutiert wird, möchte der Beitrag aus der speziellen Sicht des Lehrens und Lernens von Deutsch als Fremdsprache zur Diskussion beitragen – vor allem hinsichtlich des Grundkonzepts der Reform, ihres Werdegangs, ihrer Rezeption und besonders der neuen Regeln und Einzelfestlegungen. Trotz gewisser Unstimmigkeiten in der Reform ist das Fazit positiv: Die Rechtschreibung ist in vieler Hinsicht einfacher, weil systematischer geworden (z. B. infolge konsequenterer Schemakonstanz). Die Neuregelung vereinfacht das Schreiben und erleichtert damit das Vermitteln, Erlernen und Behalten.
Sicher bin ich auch, dass einige Leser in diesen Zeilen eine erneute Stellungnahme zur Rechtschreibreform erwarten […]. Ist es nicht wunderschön, dass jetzt im Land des unbändigen staatlichen Regulierungswahns die Schreibung mehr und mehr wieder - wie einst zu Goethes Zeiten - zu einer individuellen, persönlichen Angelegenheit wird? […] Die FAZ (u.a.) auf der einen Seite und ihre ideologischen Gegenüber am anderen Rechtschreibufer werden jetzt stur an ihrer jeweiligen Schreibung festhalten. Am Ende wird daraus - und hier wage ich eine Prognose - ein „dringender Fall” für unsere Politiker werden, einen in der Politik so typischen neuen Kompromiss zu finden.