willkommen
kontakt
impressum
suchen

Bund für vereinfachte rechtschreibung (BVR)

presseartikel → 8. 2004
nachgeführt , 2023-07-04
ortografie.ch ersetzt sprache.org ortografie.ch ersetzt in zukunft sprache.org

Aus presse und internet

2004-08-31

: Streit um Rechtschreibreform. Akademie sucht Kompromiss. Basler Zeitung, , s. 33, Feuilleton (73 wörter)
Schriftsteller wie Günter Grass, Martin Walser, Tankred Dorst, Siegfried Lenz und Elfriede Jelinek forderten dagegen erneut eine «völlige Rücknahme der inhaltlich verfehlten und teuren Rechtschreib­reform».
: In Kürze. Kompromiss gefordert bei Rechtschreibung. Tages-Anzeiger, , s. 54, Kultur (92 wörter)
Die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung warnt vor einer Spaltung der deutschen Sprache. Gleichzeitig hat sie einen Kompromiss im Streit um die Rechtschreib­reform gefordert.
: Schriftsteller gegen Ja und Amen. Kritik am Darmstädter Rechtschreibkompromiß. Berliner Zeitung, , Feuilleton (562 wörter)
Gestern fand in der Berliner Akademie eine Gastvorstellung der Darmstädter Akademie für Sprache und Dichtung statt. Die Darmstädter Akademie hatte eine Delegation unter der Anführung ihres Präsidenten Klaus Reichert in die Hauptstadt entsandt, um neuerlich für ihren Vorschlag zur Wiederherstellung des Rechtschreibfriedens zu werben.
: Kein Schisma. Frankfurter Rundschau, , s. 15, Feuilleton, Times mager (429 wörter)
Friedrich Dieckmann, Vizepräsident der Sächsischen Akademie der Künste, fuhr schweres Ge­schütz auf. Seit letztem Jahr liege der Kompromiss­vorschlag von neun deutschen Akademien der Künste und der Wissen­schaften zur Recht­schreibung vor — von staatlicher Seite sei man aber nur "rüde abgefertigt" worden. […] In der Berliner Akademie der Künste fanden gestern vorwiegend Repräsentanten der Darmstädter Akademie zusammen, um mit Verve für ihren und ihrer Kollegen Kompromiss­vorschlag zu werben.

30. 8. 2004

: Meine Titelstory. Tages-Anzeiger, , s. 17, Bellevue (333 wörter)
Mit dem Namen Meier werde ich eh nie ein Star? Wahrscheinlich haben Sie Recht, und ich sollte mich mal um etwas Vernünftigeres kümmern als um mich. Um die deutsche Rechtschreib­reform zum Beispiel. Ein sexy Thema, oder? Wird aber von jedem Klatsch­heftli kommentiert, und jeder minimal bekannte TV-Serien-Heini und jedes Castingshow-Heidi darf seinen Senf dazu geben. Ich nicht. Noch nicht.
: Frieden ist möglich. Die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung stellt ihren Kompromissvorschlag im Streit um die Rechtschreibreform vor. Berliner Zeitung, , Feuilleton (861 wörter)
An diesem Morgen keimt im fünften Stock des ersten Gebäudes der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, in einem winzigen Büro des Romanischen Seminars, die Hoffnung auf baldigen Frieden — dauerhaft und ehrenvoll für beide Lager. Denn Hans-Martin Gauger, emeritierter Professor für Romanistik und Sprach­wissenschaft, stellt einen Kompromiss­vorschlag vor, den er mit einigen Kollegen im Auftrag der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt erarbeitet hat. "Das ist", sagt Professor Gauger, "ein Angebot, das beide Seiten akzeptieren können müssten. Denn es ist vernünftig." […] Das Angebot, das Gauger im Namen der Akademie unterbreitet, ist jedenfalls sehr übersichtlich (es steht auf 141 Seiten) und — sollte es am Ende angenommen werden — ein Meilen­stein in der Geschichte des Kompromiss­wesens.

Wenn die gegner nicht, wie sie selbst zugeben, geschlafen hätten, hätten sie schon manchen meilenstein in der geschichte des kompromisswesens miterlebt. Das ist nicht vernunft, sondern eine asymptote.

: "Völkischer Aufbruch." Der Spiegel, , nr. 36, s. 161 bis 164, Kultur (1512 wörter)
Während der NS-Zeit planten linguistische Eiferer eine radikal veränderte Rechtschreibung. Zwar stoppte Hitler selbst das Projekt - aber die Ideologen machten nach Kriegsende weiter. […] "So viel Material zu finden, das hätten wir kaum für möglich gehalten", erzählt Markner, 37. […] was sie entdeckten - und in einem präzise recherchierten Buch auch publik machten - liefert ein geschichtliches Lehrstück der ungewohnten Art. […] Erst die 68er-Bewegung brachte einer neuen Generation von Reformern den nächsten Auftritt. Mit der Botschaft, Schüler sollten weniger Fehler machen, nutzten die Schreibänderer nun die linke Vision der Chancengleichheit als Vehikel ihrer Pläne. Und diesmal drang das "Volksbeglückungsprojekt" (Markner) nach Jahren der Lobbyarbeit tatsächlich durch: Mit vielen Abstrichen wurde 1996 eine Schrumpf-Version des Neuschriebs beschlossen; 1998 trat sie in Kraft. Die Folgen spüren Leser und Schreibende bis heute. Reinhard Markner meint lächelnd: "Eigentlich hätte Helmut Kohl die Sache damals leicht stoppen können - mit ein paar gezielten Anrufen."

Die idee mit dem kanzlerbefehl analog dem führerbefehl lässt befürchten, dass sich seit dem untersuchungs­zeitraum nicht viel geändert hat in Deutschland – oder vielleicht auch nur bei leuten wie Reinhard Markner.

28. 8. 2004

: Mit dem neuen amtlichen Führer durch die deutsche Sprache. Basler Zeitung, , s. 37, Feuilleton (1097 wörter)
Von diesem Wochenende an ist der neue Duden erhältlich: Ein Lektüreversuch nebst ein paar Anmerkungen zur Rechtschreib­reform. […] Wenn selbst die deutsche Oppositionsführerin Angela Merkel verlauten lässt, «nichts sei schlimmer als weitere Ver­unsicherung über die Schreibungen», dann hat es das Thema in die obersten Ränge geschafft und der Duden-Verlag seine Geschäfts­grundlage gesichert. Denn wer oder was soll bei so viel schlimmer Ver­unsicherung helfen wenn nicht der Blick ins bewährte gelbe Lexikon? […] Wir können uns noch immer schlimmere Dinge vorstellen als weitere Ver­unsicherung beim Schreiben. […] Frau Merkels «schlimme Verunsicherung über die Schreibung» deutet eher auf beeinträchtigte Sprach­kompetenz als auf Unheil aus der Rechtschreib­reform.
: Rechtschreibreform: Kompromissvorschlag. Tages-Anzeiger, , s. 50, Kultur (89 wörter)
Im Streit um die Rechtschreib­reform wird die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung am kommenden Montag in Berlin einen Vorschlag für einen Kompromiss vorlegen.
: Rechtschreibregeln weltweit. (Deutsche Welle), , Kultur
Die deutsche Rechtschreib­reform bewegt die Sprachhüter. Doch auch andere Länder haben mit veränderten Schreibregeln zu ringen. Zum Teil - wie bei Englisch, Spanisch oder Portugiesisch - über Staatsgrenzen hinweg.
: Sommer pur. Frankfurter Rundschau, , s. 8, Rund-Schau (322 wörter)
Auf dass die Erregung über die Rechtschreib­reform noch in den Altweiber­sommer – und damit, so viel Kalauer muss sein, ins Altweiber­sommerloch – hinüber­gerettet werden kann, wendet sich die Deutsche Akademie für Spra­che und Dichtung in dieser Angelegen­heit am Montag, 30. August, in Berlin an die Presse, jenes Institut also, das die Debatte – aber auch die deutsche Sprache – um den Begriff "Rückbau der Reform" be­reichert hat.
: Experten für so genannten „Rückweg zur Vernunft“. Frankfurter Rundschau, , s. 15, Feuilleton (221 wörter)
Für einen "klaren Neuanfang" und einen "Rückweg zur Vernunft ohne Gesichtsverlust" bei der um­strittenen Rechtschreib­reform wollen Sprach­experten an diesem Montag in Berlin plädieren. Dabei wird die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung im Vorfeld der nächsten Treffen der Minister­präsidenten und der Kultus­konferenz noch einmal an ihren Kompromiss­vorschlag von 2003 erinnern.

27. 8. 2004

: Bewährte Änderungen. Ende des Glaubenskriegs um die Rechtschreibreform? Morgen erscheint die neue Auflage des Duden. die tageszeitung, , nr. 7446, s. 16, Kultur (753 wörter)
Angesichts der pragmatischen Begründungen, mit denen der Duden die amtlichen Regelungen von 1996 umsetzt, fällt die vom FAZ-Redakteur Johann Georg Reißmüller begonnene und von seinen Kollegen Heike Schmoll und Hubert Spiegel fort­gesetzte Kampagne gegen die Rechtschreib­reform wie ein Kartenhaus in sich zusammen. An linguistischen Argumenten fehlte es ohnehin von Anfang an. […] Die Reformer traten mit dem Anspruch an, die Recht­schreibung zu vereinfachen. Dieser richtige Anspruch ist unzulänglich umgesetzt worden, aber das liegt weniger an den Reformern als am mangelnden Mut der Kultusminister­konferenz zu einer großen Lösung, die wenigstens die gemäßigte Kleinschreibung und die Streichung des ß enthalten müsste. Lehrer bestätigen, dass das Zusatz­häppchen Vernunft, das die Reformen erlauben, den Rechtschreib­unterricht erleichtert hat — für die Kinder.

2004-08-26

: Keine Sprachreglementierung durch Staat. St. Galler Tagblatt, , leserbriefe (106 wörter)
[…] die Urfrage zu stellen, die ich hiermit in Form einer Bitte ausdrücke: Man begründe mir logisch schlüssig die Not­wendigkeit der Reglementie­rung der Rechtschreibung durch den Staat. Ich freue mich auf die Erläuterungen.

Ob eine notwendigkeit besteht, ist schwer zu sagen. So oder so hat aber irgendjemand die schulpflicht erfunden, und irgendwer sagt(e) dem lehrer, dass er den schülern die schreibungen Thür, illustrirt und Schiffahrt beibringen muss(te) bzw. später Tür, illustriert und jetzt halt Schifffahrt. — Als vor jahren die realschule Muttenz tür (also klein) schreiben wollte, griff der staat reglementierend ein.

: Der dänische Majonæsekrieg. Berliner Zeitung, (488 wörter)
Neuauflagen des amtlichen Rechtschreibbuchs boten dem Sprachrat jeweils die Gelegenheit, sich der Öffentlichkeit in Erinnerung zu bringen. So enthielt die Ausgabe von 1985 die Schreibweisen „majonæse“, „krem“ und „remulade“ gleichberechtigt neben den hergebrachten französischen. Eine große Mehrheit der Dänen goutierte das nicht. Der heftig geführte Majonæsekrieg endete mit einem glanzvollen Sieg der Internationalisten. Das „Retskrivningsordbog“ von 2001 führte die anstößigen Varianten nicht mehr auf.
: Zeit der Todesengel. Vor der Debatte zur Sterbehilfe. Frankfurter Rundschau, , s. 15, Feuilleton (675 wörter)
Dass ein Kranken­pfleger im bayerischen Sonthofen eine noch ungeklärte, aber hohe Anzahl von Senioren, die sich in seiner Obhut befanden, vom Leben zum Tod befördert habe. […] Die Debatte, die von den Nachrichten aus Sont­hofen hätte stimuliert werden können – wäre die öffentliche Aufmerksam­keit nicht gerade von der Rechtschreib­reform und Hartz IV absorbiert worden –, diese Debatte handelt von der Sterbehilfe und ist ja keines­wegs ab­geschlossen.
: Nur nicht fährtig machen! Die Furche (), , Gesellschaft (1287 wörter)
Orthographie ist (anders als Geographie) keine eigentliche Wissenschaft, sondern eine Anweisung mit normativem oder empfehlen­dem Anspruch. […] In diesem Verständnis ist die neue Rechtschreibung keine dramatische, gar revolutionäre Veränderung, sondern eine gemächliche Justierung, die vielleicht manchmal vorsichtiger, in anderen Punkten fort­schrittlicher hätte sein können. Eine Rück­nahme der Reform brächte wenig. Vor allem aber soll die jetzt heran­wachsende Generation, sollen die Schüler und ihre Eltern nicht unnötig (und mit hohen Kosten) ver­unsichert werden. Denn bei aller möglichen Kritik: an der Schreib­weise einzelner Wörter hängen weder hohe ethische Werte noch künftige kulturelle Perspektiven des Abend­landes.

2004-08-25

: Außerhalb jeder rigiden Ahndung. In dieser Woche erscheint der neue Duden; für mehr Klarheit wird er nicht sorgen. Berliner Zeitung, , Feuilleton (915 wörter)
In der jetzigen Situation gilt es nicht so sehr die reformierte Rechtschreibung zu reformieren, als vielmehr die deutsche Sprache zu kurieren, die an diesem fehlgeschlagenen Experiment Schaden genommen hat. Der Heilungsverlauf wird schwierig sein und sich voraussichtlich längere Zeit hinziehen. Wem an einer raschen Besserung gelegen ist, wird nicht zum neuen Duden greifen.

2004-08-24

: Wortwechsel im Sprachenstreit. Basler Zeitung, , s. 33, Feuilleton (268 wörter)
Der Streit um die deutsche Rechtschreibung, der gegenwärtig je nach Weltgegend mehr tobt oder dümpelt, wird nicht mit lebens­bedrohenden Waffen ausgefochten, sondern mit den un­blutigen Waffen des Wortes. Das ist das Gute, das Friedliche und Zivile an diesem eigen­tümlichen Krieg, der durchaus feindliche Lager, Angriffslinien, Verteidigungs­bastionen und Überläufer kennt.
: «Die Reform ist beschlossen.» Tages-Anzeiger, , s. 58, Kultur (260 wörter)
In Wien beriet eine Beamtenrunde aus der Schweiz, Deutschland und Österreich über die Rechtschreib­reform. […] Auf der Tagesordnung: Die Umwandlung der trilateralen Rechtschreib-Kommission in einen permanenten Rat für die deutsche Rechtschreibung. […] Laut dem Schweizer EDK-General­sekratär Hans Ambühl wurde am Treffen noch nicht entschieden, wie der Rat personell zusammen­gesetzt sein soll.

2004-08-23

neu : Braucht es eine Einheitsorthographie von Göschenen bis Flensburg? Adolf Muschg und Horst Sitta diskutieren Sinn und Unsinn der Rechtschreibreform. Neue Zürcher Zeitung, , 225. jg., nr. 195, s. 21, Feuilleton (2497 wörter)
Ein Jahr bevor die neue Rechtschreibung in Schule und Verwaltung hätte verbindlich werden sollen, ist die Debatte um Sinn und Unsinn der Reform noch einmal aufs Heftigste entbrannt.
: In Kürze. «Rat für deutsche Rechtschreibung.» Tages-Anzeiger, , s. 46, Kultur (63 wörter)
Aus Protest gegen die Rechtschreib­reform ist in München ein «Rat für deutsche Recht­schreibung» gegründet worden. Der Verein will sich für die Wieder­herstellung der Recht­schreibung einsetzen, wie sie vor der Reform üblich war.
: Protest-Rat für deutsche Rechtschreibung. Berliner Zeitung, , s. 31, Feuilleton (141 wörter)
Der Verein bezeichnet sich selbst als "Rat für deutsche Rechtschreibung" und will dem Grundsatz Geltung verschaffen, "dass die Sprache dem Volk gehört". Zu den ersten Ehrenmitgliedern gehören die Schriftsteller Elfriede Jelinek, Wulf Kirsten, Günter Kunert und Reiner Kunze. Vorsitzender ist der Journalist Hans Krieger. Gründungsmitglieder sind unter anderem der Weilheimer Deutschlehrer Friedrich Denk, der Verleger Walter Lachenmann und der Konstanzer Rechtswissenschaftler Bernd Rüthers.
: Herrschaftswissen. Frankfurter Rundschau, , s. 7, Standpunkte, Leserbriefe (173 wörter)
Man sollte, statt auf der Schifffahrt herum­zuhacken, mal Bal­lettanz und Bal­letttruppe – ein Unsinn der alten Recht­schreibung hervor­heben.
Auch Loriot hilft Schreib-Rebellen. Münchner Merkur (merkur-online.de), , Politik
Die Wahl ihres Gründungsorts war bereits Programm: Statt eines elitären Restaurants wählten die acht Sprach-Experten das Paulaner Bräuhaus in München, um den unabhängigen "Rat für deutsche Rechtschreibung" ins Leben zu rufen (wir berichteten). Die Kritiker der neuen Rechtschreibung kämpfen für die Rückkehr zu den alten Regeln - und geben sich volksnah: "Wir vertreten den erklärten Willen der Mehrheit der Deutschen", betont der neue Vorsitzende Hans Krieger.

2004-08-21

: Können Politiker Wörter liquidieren? Eine Replik auf Peter von Matt. Neue Zürcher Zeitung, , 225. jg., nr. 194, s. 46, Feuilleton (884 wörter)
Durch den ganzen Beitrag von Peter von Matt zieht sich ein Gedanke, der im Feuilleton ebenso wie offenbar in der Literatur­wissenschaft unproblematisiert gilt, dass nämlich (Recht-)Schreiben Sprache ist. Folgerichtig ist dann bei Peter von Matt die Rede davon, dass die Orthographie­reform «Eingriffe in den Wortschatz» gemacht habe, «Wörter zerstört» habe und dass von den Erziehungs­direktoren «nicht ersetzbare Wort­verbindungen verboten» worden seien. Dem­gegenüber möchte ich festhalten: Zwischen Sprache und (Recht-)Schreibung ist scharf zu unterscheiden. […] Es fehlte nicht an Einladungen zur Vernehmlassung, wohl aber an Resonanz. Insofern haben sich die Schweizer Erziehungs­direktoren durchaus korrekt verhalten.
: Die Wahl der Mittel. Doris Knecht stellt fest, dass Trotzkinder und Erwachsene meist aus den gleichen Gründen in Rage geraten. Das Magazin (Tages-Anzeiger), , nr. 34, s. 35
[…] bin ich stets aufs Neue überrascht, wie unter­schiedlich die Menschen in Rage geraten: Da unterscheiden sich Erwachsene oft kaum von Zweijährigen; auch nicht in der Unverhältnis­mässigkeit ihrer Gründe. Zum Beispiel habe ich an einem Abend Michael Moores «Fahrenheit 9/11» gesehen und am darauffolgenden eine Fernsehdiskussion über die Rechtschreib­reform. Im Verlauf der Debatten­beobachtung wandelte ich mich zur entschiedenen Verfechterin der Beibehaltung der neuen Rechtschreibung, unter anderem, weil der Chefredaktor von «Bild am Sonntag» entschieden für die Wieder­einführung der alten eintrat. Er tat das mit Argumenten, deren bildungs­bürgerlicher Impetus mit dem intellektuellen Anspruch seines Blattes meiner Ansicht nach nur mässig korrespondiert, und mit einem Ausdruck gelangweilter Arroganz in seinem arttypischen Jungmanager-Gesicht, wo ich sagen muss, da packt mich spontane Gewalt­bereitschaft.
: Mutige Revolte. Berliner Zeitung, , s. 4, Meinung (149 wörter)
Den Österreichern platzt der Kragen. Wegen der Rechtschreibreform. […] Die Deutschen streiten wieder einmal herum und die Österreicher, die unbestreitbar die gleiche Schriftsprache verwenden, sind nur Zaungäste. Jetzt haben sich österreichische Autoren zusammengeschlossen.
: „Österreichisches Deutsch“ & Schweizer Amüsement. In den anderen deutschsprachigen Ländern findet man die Debatte um die Rechtschreibreform nicht (mehr) lustig. Frankfurter Rundschau, , 60. jg., nr. 194, s. 6, Politik (987 wörter)
Amüsiert haben die Schweizer anfangs verfolgt, wie heftig in Deutsch­land um die Rechtschreibung gestritten wird, und den aus ihrer Sicht typisch deutschen Eiertanz als Sommer­theater belächelt. Seit der Eindruck herrscht, die Reform sei gefährdet, finden sie die Diskussion nicht mehr so lustig. Nicht begeistert hat die öster­reichische Öffentlich­keit auf die erneute Debatte in Deutschland über die Rechtschreib­reform reagiert. Vor allem mit Rücksicht auf die Akzeptanz des gedruckten Wortes bei den Schülern wollen die Zeitungs­redaktionen bei der neuen Schreib­weise bleiben.
: Sorge um Hauptschüler. Frankfurter Rundschau, , 60. jg., nr. 194, s. 7, Leserbriefe (186 wörter)
Vielmehr sorge ich mich um die unzähligen Haupt­schüler, die sich ja bekanntlich zu einem großen Anteil aus Migranten rekrutieren. Diesen kann man mit Hilfe der neuen Recht­schreibung die deutsche Schrift­sprache durchaus auch mit logischen Argumenten (Stängel, Fluss/Flüss­chen?) näher bringen, was mit der alten Recht­schreibung seltener gelang.
: Wohltuend abgesetzt. Frankfurter Rundschau, , 60. jg., nr. 194, s. 7, Leserbriefe (82 wörter)
Natürlich müssen sich Literatur­nobelpreis­träger um die 80 und Chef­redakteure kurz vor ihrer Pensionie­rung nicht mehr an neue Schreib­weisen gewöhnen, wenn sie damit über­fordert sind.
: Gut versteckt. Frankfurter Rundschau, , 60. jg., nr. 194, s. 7, Leserbriefe (102 wörter)
Die Behauptung, daß jeder sich früher an der Diskussion hätte be­teiligen können, ist der leere Mythos der ge­scheiterten Reformer, denn sie haben es stets vor­gezogen, sich in der Klausur der angeblich kompetenten Experten abzuschotten.
: Die Rückkehr. Die Welt, Literarische Welt, , nr. 195/34, s. 1, Editorial (312 wörter)
Was aber bleibt von der Diskussion dieses Sommers? Die Erkenntnis, dass es durchaus Reform­bedarf gibt und dass man mit der Negierung der bisherigen Rechtschreib­reform nicht gleich alle vernünftigen Be­gradigungen der Schreib­weisen in die Lexik-Geschichte verbannen sollte. Dass der Tod der Rechtschreib­reform nur der Beginn einer neuen Reform sein kann.

2004-08-20

: Heiligtum der Franzosen. Berliner Zeitung, , Politik (476 wörter)
Der deutsche Rechtschreib-Krieg ist in Frankreich stark beachtet worden. „Kein Mensch versteht, was bei denen vor sich geht“, wunderte sich die Pariser Zeitung Le Monde.
Duden-Newsletter vom 20. 8. 2004. (Duden-Newsletter),
Es rauscht im Blätterwald. Das Thema Recht­schreibung beherrscht die Medien und erhitzt die Gemüter. In unserem heutigen Newsletter möchten wir Sie über einige Aspekte dieses Themas informieren, die in der Diskussion bisher kaum zur Sprache gekommen sind. Hierzu gehört beispiels­weise der Hinweis auf die Rechtschreib­reform von 1901, die sich bei näherem Hinsehen gar nicht so sehr von der heutigen unter­scheidet.
: Ausgerechnet Koch im windigen Zeitgeist? Frankfurter Rundschau, , s. 22, Frankfurt & Hessen (472 wörter)
Auf der Internet­seite der Landes­regierung finden sich "Zehn gute Gründe für die Rechtschreib­reform" – und noch "Zehn gute Gründe, warum es kein Zurück geben kann". […] Seit 1998 hätten rund 12,5 Millionen Kinder und junge Leute "ohne nennens­werte Probleme unsere Schrift nach den neuen Regeln gelernt", argumentiert die CDU-Regierung.
: Malaise überwinden (I). Süddeutsche Zeitung, , s. 16, Leserbriefe (96 wörter)
Die in der Stellung­nahme der SZ-Redaktion geäußerte Zurück­haltung ist lobens­wert.
: Malaise überwinden (II). Süddeutsche Zeitung, , s. 16, Leserbriefe (95 wörter)
Ich schlage vor, die neue ss/ß-Regel in das alte Regel­werk zu integrie­ren.
: Entstellte Muttersprache (I). Süddeutsche Zeitung, , s. 16, Leserbriefe (94 wörter)
Seit der ersten Klasse Grund­schule hatte ich nie ein Problem mit der deutschen Recht­schreibung, aber heute mit 70 lese ich neue Bücher auch von jungen Autoren nahezu ausnahms­los mit daß und muß und in den Tages­zeitungen kuriose bis mir un­verständliche Schreibungen der nun so merkwürdig ent­stellten Mutter­sprache.
: Entstellte Muttersprache (III). Süddeutsche Zeitung, , s. 16, Leserbriefe (56 wörter)
Der mit der neuen Orthografie immer wieder verbundene Sinn­verlust hat die neue Recht­schreibung oft zu einer „Recht­schreibung für Leute, die nicht schreiben können“ gemacht.
: Anmaßende Kultusminister (I). Süddeutsche Zeitung, , s. 16, Leserbriefe (152 wörter)
Nicht hinzunehmen ist das Ver­halten der Kultus­minister, die sich anmaßen, dem Volk die neue Recht­schreibung endgültig aufs Auge drücken zu können. Wer hat ihnen dazu die Legitima­tion gegeben?
: Anmaßende Kultusminister (II). Süddeutsche Zeitung, , s. 16, Leserbriefe (176 wörter)
Es kommt deshalb darauf an, die Regeln für das Schreiben so zu gestalten, dass der Leser die zu Papier gebrachten Gedanken des Schreibenden richtig, also unmiss­verständlich, und leicht, das heißt ohne unnötige optische Störungen im Schrift­bild, aufnehmen kann. Dabei kann nicht ins Gewicht fallen, ob die Rechtschreib­regeln mehr oder weniger leicht zu erlernen sind.
: Mehr lautgerecht schreiben (I). Süddeutsche Zeitung, , s. 16, Leserbriefe (259 wörter)
Je laut­getreuer eine Sprache ist (etwa Latein oder Italienisch), desto leichter ist es für die Schüler, desto weniger Legastheni­ker gibt es. Also sollte die Rechtschreib­reform noch viel weiter gehen, um mehr laut­getreues Schreiben zu er­möglichen.
: Mehr lautgerecht schreiben (II). Süddeutsche Zeitung, , s. 16, Leserbriefe (31 wörter)
Unser Sohn lernt seit sechs Jahren die neue Recht­schreibung. Er hatte damit keine Probleme, was auch für seine Schul­kollegen gilt.
: Lange Übergangszeit planen. Süddeutsche Zeitung, , s. 16, Leserbriefe (85 wörter)
Im Ergebnis wird es uns mit der neuen Recht­schreibung ergehen wie mit dem nicht minder erfolg­losen neuen Preis­system der Deutschen Bahn: Alle werden er­leichtert sein, wenn der Spuk endlich vorbei ist.

2004-08-19

: Staatssprache Österreichisch. Ein Rechtschreibmanifest der Dichter. Neue Zürcher Zeitung, , 225. jg., nr. 192, s. 41, Feuilleton (497 wörter)
«Keine deutsche Rechtschreib­reform mehr!» Jetzt proben einige österreichische Schrift­steller den Aufstand und fordern Unerhörtes: «Öster­reichisch» als eigene Sprache. Robert Schindel, Marlene Streeru­witz, Christian Ide Hintze und der Wiener Poet Roland Neuwirth haben sich zusammengetan, um ein Manifest aus­zuarbeiten […]. Auch Elfriede Jelinek und Alois Brand­stetter haben bekannt­gegeben, eine allzu grosse Abhängigkeit von deutscher Normierung zu empfinden. Peter Henisch sympathisiert mit dem Manifest, verwahrt sich aber doch gegen heimat­tümelnde Tendenzen. Robert Menasse hat in der «Süd­deutschen» angekündigt, weiterhin «das grosse, weite und tiefe Deutsch» schreiben zu wollen, «das die Reformer nicht verstehen». Auf der Seite der Befürworter der neuen Recht­schreibung finden sich Wolfgang Bauer (er nennt sie «liebenswerter» als die alte) und Franzobel, dem die Änderungen jedoch nicht weit genug gehen.
: Spag(h)etti und das Erbe Dantes. Tages-Anzeiger, , s. 55, Kultur (477 wörter)
Die nationalistische Einfärbung fremder Termini etwa, bleiben wir bei den Spag(h)etti, akzentuiere die Trennung der Völker. «Was wir an lebendigem und antikem Sprach­schatz teilen, lässt uns über die Sprach­grenzen hinaus als Verwandte fühlen.»

Deshalb im italienischen ortografia und im deutschen Orthographie. Spagetti (meistens schp… ausgesprochen und gross geschrieben) sind uns so wenig fremd wie kaffee, und die schreibung ohne h ist nicht nationalistisch, sondern inter­nationalistisch — das deutsche ist keineswegs allein.

: Reform als Zarenerlass. Berliner Zeitung (), , Politik
Den bislang letzten Vorstoß zu einer Rechtschreib­reform unternahm der "Rat für Russische Sprache der Regierung der Russischen Föderation" vor vier Jahren. Grammatikalisch sinnlose Rechtschreibregeln sollten beseitigt und den Schulkindern das Erlernen der Schriftsprache erleichtert werden. Doch die Vorschläge der Kommission missfielen der Regierung. Als schließlich selbst die Gattin des Präsidenten, Ludmilla Putina, sich in der Öffentlichkeit für den Schutz der russischen Sprache vor modischen Neuerungen stark machte, zogen sich die Experten ver­schüchtert zurück.
: Weit hergeholt: Plat du Jour. Frankfurter Rundschau, , s. 29, FRPlus Kultur (564 wörter)
Der Pariser Garten verhält sich zum Berliner Straßen­beet wie der hochhackige Schuh von Manolo Blahnik zum australi­schen Ugg Boot. Man darf ihn sich getrost als Paradies vorstellen. […] Und das ist das eigentlich paradiesi­sche an diesen Gärten: Es sind zwar Orte des Rückzugs vor dem Unbill der Stadt […]. All das klingt nach der besten aller möglichen Welten. Man stelle es sich vor: Gärten, in denen Hartz IV und Rechtschreib­reform Fremdworte sind.
: Am Ende mit dem Latein. Die Furche (), , Feuilleton
Wir leben immerhin in einem Land, in dem der Kanzler verkünden kann, "Österreich" würde bei den Errungen­schaften der Rechtschreib­reform bleiben, weil er weiß, dass sich sämtliche Zeitungen des Landes in freiwilliger Gehorsams­lust der amtlichen Sprach­regelung unter­werfen.

2004-08-18

neu : Nichts für Ignoranten und einfache Frauen. Frankreichs gescheiterte Rechtschreibreformen. Neue Zürcher Zeitung, , 225. jg., nr. 191, s. 44, Feuilleton (1116 wörter)
«Reform» und «Frankreich», das sind zwei Wörter, die sich nicht gut vertragen. Diese Tatsache lässt sich auch im Bereich der Orthographie verifizieren, wo seit über hundert Jahren kein einziger Reformversuch Erfolg hatte. Eine Bestandesaufnahme.
: Die Schreibreform. (Deutsche Welle), , Kultur
"Wired News" ist eine amerikanische Website, die zum spanischen Internet-Konzern Terra Lycos gehört und ihren Namen mit dem einflussreichen US-Magazin "Wired" teilt. "Wired News" also lässt uns […] wissen, dass es seine ganz eigene Rechtschreib­reform beschlossen habe: Statt vom "Internet" mit dem Groß­buchstaben, der im Englischen nur Wörtern am Satzanfang, Eigennamen und besonders wichtigen Dingen (wie dem "President" oder dem "Big Mac") vorbehalten ist, wolle man künftig lieber vom "internet" mit kleinem Anfangs­buchstaben schreiben und damit das Netz in eine Reihe stellen mit dem Radio (englisch: "radio"), dem Telefon (englisch: "telephone") und dem Fernsehen (englisch: "TV", aber Ausnahmen bestätigen nur die Regel). Der Grund: Das Internet (im Deutschen bitte immer noch mit großem "I"!) sei im Leben eines Amerikaners nichts spezielles mehr und müsse deshalb auch nicht durch Groß­schreibung hervorgehoben werden.

2004-08-17

: Dante, Duden und Spag(h)etti. Berliner Zeitung, , Politik (466 wörter)
Der Einstieg war den „langen, dünnen, schnurartigen Nudeln“ (Duden) gewidmet, die die Deutschen nach neuem, eingedeutschten Kanon ohne h schreiben sollen – Spagetti. Absurd findet das Francesco Sabatini, renommierter Linguist und Präsident der altehrwürdigen Florentinischen Accademia della Crusca […]. Die nationalistische Einfärbung fremder Termini akzentuiere die Trennung der Völker, höhle den historisch gewachsenen kulturellen Reichtum aus. „Was wir an lebendigem und antikem Sprachschatz teilen, lässt uns über die Sprachgrenzen hinaus als Verwandte fühlen.“ Das nun vereinfachen zu wollen, sei nicht nur falsch, sondern auch dumm.

Will uns der italienische professor sagen, wir sollten rhythmus, theater usw. nicht dem ilaienischen, spanischen usw. angleichen?

: Einstimmigkeit als Falle. Berliner Zeitung, , Feuilleton (371 wörter)
Anlass für den Unmut ist das Hin und Her der Kultusminister in der Rechtschreibreform. […] Das Prinzip, das die KMK lähmt, war einst fortschrittlich gemeint. Indem sich die Länder auf Einstimmigkeit verpflichteten, sollten ideologische oder parteipolitische Übermächte für alle Zeiten verhindert werden. […] Das Prinzip wird jedoch zur Falle, wenn es nicht mehr um die Abwehr von Gleichmacherei, sondern um gemeinsame Reformen geht.
: Unerträglichkeit des Jeins. Berliner Zeitung, , Feuilleton (373 wörter)
Sie ist das älteste Ministergremium der Bundesrepublik, und sie hört wenig Schmeichel­haftes: rückwärts kriechende Schnecke, griechische Landschildkröte, reaktionärer Club – so hat man die Kultus­minister­konferenz (KMK) genannt. […] Der Deutsche Kulturrat […] will das Prinzip der Ein­stimmigkeit aufheben, das die Minister der 16 Bundes­länder in ihren Entscheidungen lähmt. Künftig soll es nur noch Mehrheits­entscheidungen geben. Anlass ist die Entscheidungs­schwäche der Kultus­minister in der Rechtschreib­reform.
: Abgeben nach unten. KMK abschaffen. Die Welt, , Kultur (317 wörter)
Wie glänzend stünde die KMK heute da, wenn sie der Versuchung wider­standen und die Recht­schreibung dorthin delegiert hätte, wo sie hin­gehört: ganz weit nach unten also, in die Hände der Bürger.

2004-08-16

: Aufregung um die Rechtschreibreform. Neue Zürcher Zeitung, , s. 22, Briefe an die NZZ (178 wörter)
Kürzlich wurde die kleine Maus, die der grosse Reform­berg geboren hatte, von den deutschen Kultus­ministern mit zahlreichen Kann-Regelungen bereichert, was in meinen Augen bereits verdächtig nach einer ver­steckten Konkurs­erklärung aussah.
: Ärgerliche Schreibweisen. Neue Zürcher Zeitung, , s. 22, Briefe an die NZZ (125 wörter)
Die NZZ hat zum Glück die so­genannte neue Recht­schreibung nur zum Teil über­nommen. Trotz­dem gibt es einige Schreib­weisen, die mich ärgern. Es handelt sich haupt­sächlich um folgende: rau, Ja sagen, Nein sagen, fürs Erste […], aufs Neue […].

«Ja sagen», «Nein sagen» schrieb die NZZ schon immer.

: Eine praxisgerechte Presse-Norm. Neue Zürcher Zeitung, , s. 22, Briefe an die NZZ (208 wörter)
Wenn die einfluss­reichen Medien­häuser des deutschen Sprach­raums ihre Haus­orthographien mit­einander ab­glichen, um eine praxis­gerechte Presse-Norm zu entwerfen, könnten sie damit wohl nach­haltigen Ein­fluss auf die weitere Ent­wicklung der deutschen Recht­schreibung nehmen, und das ohne all den Druck­versuchen von ver­schiedensten Seiten aus­gesetzt zu sein, die die Arbeit der Rechtschreib­kommission damals be­hinderten (und schliesslich die Reform auch ver­wässerten).
: Ein Glaubenskrieg. Neue Zürcher Zeitung, , s. 22, Briefe an die NZZ (267 wörter)
[…] man einigte sich auf die übliche Linie der all­seitigen mittleren Un­zufriedenheit, begnügte sich mit einigen sprach­logischen Ver­besserungen und bot den Gegnern mit ein paar will­kürlichen Entscheidungen so viele Angriffs­flächen, dass der Streit erst recht ent­flammte.
: Ein Ausweg. Neue Zürcher Zeitung, , s. 22, Briefe an die NZZ (179 wörter)
Was als Vereinfachung und Ver­einheitlichung an­gepriesen wurde, er­setzte bis­herige Wider­sprüche durch neue und ver­minderte die Differenzierungs­möglichkeiten der Sprache.
: Präzedenzfall für weitere Eingriffe. Neue Zürcher Zeitung, , s. 22, Briefe an die NZZ (236 wörter)
Mir fällt es schwer, zu glauben, dass es am Beginn des 21. Jahr­hunderts demokratische Regierungen gibt, die der Auf­fassung sind, sie hätten eine Verfügungs­gewalt über die Sprache.
: In der Schweiz kein ß. Neue Zürcher Zeitung, , s. 22, Briefe an die NZZ (136 wörter)
Seine [EDK-Präsident H. U. Stöckling] Aussage, es sei un­denkbar, «dass an Schweizer Schulen andere Sprach­normen gelten als in Deutsch­land», bedarf einer Ein­schränkung. Eine der besten Leistungen der neuen Recht­schreibung ist es, klare Regeln für ß und ss zu bieten.
: Tohuwabohu im Druckgewerbe (I). Süddeutsche Zeitung, , s. 19, Leserbriefe (274 wörter)
Sollen wir also das ß gänzlich abschaffen? Um Masse (Maße = Abmessun­gen) von Masse (Menge, un­geformtes Substrat) zu unter­scheiden, könnten wir ja auf die Schreib­weisen Masze/Masse zurück­greifen […]. Damit ließen sich freilich Probleme bei der Schreibung von Wörtern mit ß bei Verwendung von Groß­buchstaben lösen.
: Tohuwabohu im Druckgewerbe (II). Süddeutsche Zeitung, , s. 19, Leserbriefe (170 wörter)
Ich unterrichte Deutsch und sehe mich seit Einführung der Reform außer­stande, zum Beispiel die Regeln der Getrennt- und Zusammen­schreibung zu unter­richten, weil ich sie nicht nach­vollziehen kann.
: Tohuwabohu im Druckgewerbe (III). Süddeutsche Zeitung, , s. 19, Leserbriefe (43 wörter)
Aufgabe der Schule ist es, den Schülern die vielfältigen Ausdrucks­möglichkeiten der deutschen Sprache nahe zu bringen und nicht den Weg des geringsten Wider­standes […] zu gehen.
: Bitte zum Diktat! Süddeutsche Zeitung, , s. 19, Leserbriefe (309 wörter)
Österreich und die Schweiz schauen, eher spöttisch als amüsiert, auf ein auf­geregtes Deutsch­land. […] Wer diskutiert? Es sind einige populisti­sche Politiker, wenige kon­servative Verleger und Journalisten, manche meiner Professoren­kollegen sowie einige Großschriftsteller, die sich – wie Hans Magnus Enzens­berger – noch nie um Rechtschreib­regeln gekümmert haben. Das Chaos freilich, das sie mit ihrem Aufstand gegen die Rechtschreib­reform vor allem in den Schulen anrichten, ist ihnen egal.
: Rechtschreib-Debatte oder Seuchenalarm im Feuilleton. Kleine Zeitung, , s. 6, Tribüne, Leitartikel (350 wörter)
Die Medien ent­zaubern sich wieder einmal gründ­lich.

2004-08-15

: Meinungsmacher gegen Rechtschreibreform. (Deutsche Welle), , Deutschland
Immer wenn man fürchtet ins Sommerloch zu fallen, kommt jemand und füllt schnell das drohende Vakuum. In diesem Jahr machen es "Springer" und "Spiegel" gleich selbst: Sie kehren zur alten Recht­schreibung zurück. […] Besser dran sind offenbar die Öster­reicher und Schweizer: Pressehäuser in beiden Ländern hatten sich entweder gar nicht oder nur teilweise der Reform angeschlossen, auch hatten beide Länder immer schon ihre spezifischen Eigenarten der Orthografie. Und man sieht den nächsten Ent­wicklungen dort mit einiger Gelassenheit entgegen. Solche Gelassenheit wäre vielleicht auch in Deutschland angemessen gewesen: Statt die Sprache per "Anweisung von oben" reformieren zu wollen, hätten die Reformer vielleicht einfach mehr Freiheit zu geben brauchen. Oder sie hätten dem Volk "auf's Maul - beziehungsweise den Griffel - schauen" sollen […].

Genau das hat man gemacht: Man hat dem volk auf den griffel geschaut. Ein problem war nachher nur der leser­brief­griffel. Mit der neu­regelung kamen zusätzliche freiheiten – aber das war ja auch nicht recht.

neu : FDP-Chef Westerwelle und CDU-Vize Böhr fordern: Schafft die Konferenz der Kultusminister ab! Bild am Sonntag, , 51. jg., nr. 33, s. 4, Politik (252 wörter)
Der Streit um die Rechtschreibreform – jetzt gehen CDU und FDP auf die Kultus­minister­konferenz (KMK) los, fordern eine Abschaffung des Gremiums!
neu : In der Grundschule geht es nur um 24 Wörter. Bild am Sonntag, , 51. jg., nr. 33, s. 47, Politik (119 wörter)
Mich ärgert das Krisengeheule von Pseudopädagogen, die behaupten, eine Rückkehr zur bewährten Recht­schreibung sei den Schülern nicht zumutbar. Tatsächlich geht es nur um wenige Wörter.

2004-08-14

: Baustelle Sprachreform. Neue Zürcher Zeitung, , s. 17, Inland
Vor allem in Deutsch­land hat sich die Kontro­verse um Sinn und Unsinn des ganzen Unter­nehmens verschärft, seit grosse Verlags­häuser mit­geteilt haben, dass sie zur alten Recht­schreibung zurück­kehren werden - was immer dies genauer meinen mag. […] Namentlich Öster­reich, die Schweiz und Liechten­stein sind vom Ausgang der Debatte wesentlich mit­betroffen.
: Auf die Sprache hören. Ein Plädoyer für eine Lockerung der Fronten. Neue Zürcher Zeitung (), , 225. jg., nr. 188, s. 43, Feuilleton (859 wörter)
Die Schweizer Erziehungs­direktoren warnen vor einer Katastrophe, wenn die von ihnen verordneten Rechtschreibe­vorschriften nicht in Kraft gesetzt würden. Schön wär's. Die Katastrophe ist bereits da, hier und jetzt und ausgewachsen. […] Die Kinder werden bestraft, wenn sie so schreiben, wie sie es in vielen Zeitungen sehen, die zu Hause herum­liegen, und in fast allen Büchern, die ihre Eltern lesen. Die sogenannte Umsetzung der Reform bedeutet nur eines: den Beginn der Sanktionen gegenüber den Kindern, die nicht nach den obrigkeitlichen Vorschriften schreiben. […] Die Aufgabe der Schulen ist es, die Kinder einzuführen in das Lesen und Schreiben der deutschen Sprache, so wie sie in der Gegenwart gebraucht wird.

stellungnahme.

: Sparmodelle. Diesel, Super, Strom oder Gas – vier Alternativen zum herkömmlichen Ottomotor und den steigenden Benzinpreisen. Berliner Zeitung, , s. 2, Beilage
Würde man eine Hitliste mit den derzeit in Deutschland meistdiskutierten Themen erstellen, so würden Hartz IV und die Rechtschreibreform darin zweifelsfrei ganz vorn rangieren. Doch schon auf Platz drei wären mit Sicherheit die Kraftstoffpreise […].
: Frühere Schreibweise war keinesfalls logisch. Berliner Zeitung, , s. 35, Leserbriefe (92 wörter)
Besonders originell finde ich einen immer wieder gegen die Rechtschreibreform vorgetragenen Grund, nämlich dass drei gleiche Konsonanten aufeinander folgen könnten. Dass dies auch nach der alten Schreibweise vorgeschrieben war, wenn nämlich ein weiterer Konsonant folgt (Beispiel: Sauerstoffflasche), ist offenbar nicht überall bekannt.
: Der wütende Verleger. Kampagne der Kronen-Zeitung gegen Rechtschreibreform. Berliner Zeitung, , s. 37, Media (356 wörter)
Dem mächtigen Herausgeber der Kronen-Zeitung ist wieder einmal der Kragen geplatzt. „Schluß damit“ polterte der 83-jährige Hans Dichand unter seinem Pseudonym „Cato“ in einem seiner rar gewordenen Leitartikel. Stein des Anstoßes ist die Debatte um die neue Rechtschreibung, die nun auch in Österreich losgebrochen ist. Die „überflüssige bürokratische Regulierungswut“ habe zu der „irrsinnigen Reform“ geführt.
: Duden-Demo. Frankfurter Rundschau, , s. 29, Frankfurt (147 wörter)
Des Gebabbel von weesche Reschtschreib­reform geht mer aach schon widder uff die Ge­rösdede.
: In Kürze. Frankfurter Rundschau, , s. 30, Frankfurt
Die Junge Union Frank­furt […] möchte darüber hinaus, dass es eine Volks­abstimmung zur Recht­schreibung gibt.
"Österreichisch" als eigene Sprache! Der Standard (), , s. 31, Kommunikation
Keine "deutsche" Rechtschreib­reform mehr! – Ein Manifest.
: Der alte Mann und die Mär vom Sprachbankrott. Was Hans Dichand mit Christian Ide Hintze verbindet. Der Standard (),
Und erst die Argumente. Zum Beispiel ewig dieses Geseiere wegen der Gämsen. Wie oft schreiben diese Leute eigent­lich über Gämsen, frag ich mich, dass sie sich andauernd darüber aufregen. Soll er [Christian Ide Hintze] das nächste Mal halt über Ziegen was dichten, der Herr Hintze, wenn er Gämsen nicht schreiben mag, oder über Stein­böcke, das sind auch lustige Tiere […]. Und weil er als Pro-e-Argument noch anführt, dass wir Gemsen mit e schließlich auch so aussprechen: Gähnen sprechen wir (Öster­reicher) auch mit e aus. Und keiner käme auf die Idee, ich gehne zu schreiben oder ich gene (obwohl das ja schon wieder irgendwie zur Krone passen würde).
Stefan Aust: Wir sind keine Gralshüter. Der Standard, , Album
Er ist einer der Initiatoren der erneuten Diskussion um die Rechtschreib­reform: "Spiegel"-Chef­redakteur im STANDARD-Gespräch. […] Da sie die alten Bücher aber nicht mehr verändern können und sich die neue Recht­schreibung offen­sichtlich aus genau diesen Gründen nicht durch­gesetzt hat, ist es vernünftiger, zur alten zurück­zukehren als den Unsinn weiter mitzumachen. […] Im Übrigen würde kein Land der Erde auf die Idee kommen, eine neue Rechtschreibung von staatlicher Seite zu entwickeln. […] Es hat immer Entwicklungen gegeben, die irgendwann in die Regularien über­nommen worden sind. Das ist auch richtig so. Aber es ist ein gewaltiger Unterschied, ob sich Sprache evolutionär entwickelt, oder ob sich eine Gruppe von selbst ernannten Experten bzw. von den Kultus­ministern ernannten Experten, hinsetzt und ein neues Sprachsystem entwickelt, das mit dem, was gebräuchlich ist, nichts zu tun hat. […] Der Grund­gedanke derer, die die Rechtschreib­reform eingeführt haben, war eine Liberalisierung der Sprache, in der die Bandbreite, was ein Fehler ist und was kein Fehler ist, vergrößert wurde. Man könnte so liberal sein und sagen, jetzt gehört auch die alte Rechtschreibung in dieses Spektrum.

Was will uns Aust sagen? Dass das neue mit dem alten «nichts zu tun hat» oder dass es damit sehr viel zu tun hat, so dass es nur eine frage der «Bandbreite» ist? Wurde das neue system «von staatlicher Seite» entwickelt oder, was ja wirklich nicht dasselbe ist, «von selbst ernannten Experten»?

2004-08-13

: Rolf heißt heute Stefan. Konrad Dudens Erben können die Aufregung über „Dienst Habende“ und „allein Stehende“ nicht recht verstehen. Frankfurter Rundschau,
Eine Woche ist es her, dass die Groß-Wesire des Spiegel- und des Springer-Verlages, Stefan Aust und Mathias Döpfner, die Gegen­reformation ausriefen […]. Vielleicht, mutmaßt der Mannheimer Sprachwächter, wäre ja alles anders gekommen, hätte man für die Rechtschreib­reform wie seinerzeit für die Umstellung der Postleitzahlen einen „Rolf“ erfunden. Damals, sagt Wermke, seien auch alle gegen die fünfstelligen Orts­kennziffern gewesen, „und dann kam Rolf“, diese putzige Fünf-Finger-Figur mit Sonnenbrille und gewinnendem Lächeln. Ein PR-Coup vom Feinsten. Die fünfstelligen Zahlen, so Wermke, habe zwar keiner ohne weiteres auswendig gelernt - „aber völlig egal: Wir hatten ja Rolf, und Rolf hat uns beruhigt.“ So dumm kann's laufen: Die Rolfs dieser Tage heißen Stefan und Mathias. Und sie lächeln nicht.
: Alt, aber nicht bewährt. Frankfurter Rundschau, , s. 7, Standpunkte, Leserbriefe (246 wörter)
Bitte übernehmen Sie nicht die Reizwörter der Gegner der Rechtschreib­reform, wie zum Beispiel die "be­währte" Recht­schreibung. […] Die alte Recht­schreibung hat sich genauso wenig "bewährt" wie das "bewährte" Schul­system, das von denselben Leuten (zum Beispiel Heike Schmoll von der FAZ) für den Erhalt des "gegliederten" bzw. "tra­ditionellen" Systems ins Feld geführt wird, das uns zu dem miserablen Ab­schneiden bei Pisa geführt hat.
: Möhren und Sprache. Frankfurter Rundschau, , s. 7, Standpunkte, Leserbriefe (197 wörter)
Nichts führt "zu einer Wieder­herstellung einer ein­heitlichen deutschen Sprache", denn eine ein­heitliche deutsche Sprache hat es nie gegeben.
: Künftige Chefredakteure. Frankfurter Rundschau, , s. 7, Standpunkte, Leserbriefe (231 wörter)
Wenn diese Kinder dann selbst Chef­redakteure sind, werden sie in den Zeitungs­archiven vom Sommer 2004 lesen und sich wundern, wie man sich damals ereifert hat.
: Im Unterricht mehr Gewicht auf Schreiben und Lesen setzen. Frankfurter Rundschau, , s. 42, Offenbach, Gastbeitrag (409 wörter)
Katja Harjes leitet seit 1992 die Kinder- und Jugend­bibliothek in der Isenburger Stadt­bücherei. […] Im ge­wohnten Schriftbild […] hinter­lässt die neue Recht­schreibung wenig auf­fällige Spuren. "Fantasie", "Biografie" und "Getto" und vieles mehr sind ungewohnt, aber auch von er­wachsenen "Umlernern" sicher erlernbar.

In der tat: Phantasie/Fanta­sie und Ghetto/Getto waren vorher schon doppel­formen.

: Die Vernunft siegt. Rechtschreibreform I: Die publizistischen Marktführer einigen sich auf das bewährte Schriftdeutsch und stellen damit die Weichen für den Ausstieg. Junge Freiheit (), , nr. 34/04, s. 10, Hintergrund (1602 wörter)
Die Wurzeln der Rechtschreib­reform reichen weit zurück. Seit Bestehen der Bundes­republik befaßt sich die Kultus­minister­konferenz (KMK), von der Öffentlich­keit wenig beachtet, mit einer Reform der Recht­schreibung. Dabei griff man auf Pläne des national­sozialistischen Reichserziehungs­ministers Bernhard Rust zurück.

2004-08-12

: «Das Chaos ist schon da.» St. Galler Tagblatt, , Hintergrund (1707 wörter)
Eine Kommission ohne Sensibilität für Sprache hat eine Reform beschlossen, die sich nicht durchsetzen kann. Kinder lernen in der Schule eine Schreibweise, die sie in Büchern nicht finden. […] Als echte Porno-Grafen erweisen sich die Reformer auch, […] wenn eine Frau bei der Beerdigung sagt, sie habe ihrem Mann (nach neuer Regelung) immer die Stange gehalten.

Uns fehlt es wirklich an sensibilität für sprache: Wie sagt es die frau nach alter regelung?

: Richtig D(d)eutsch. Tages-Anzeiger, , s. 1, Kommentar (276 wörter)
Mindestens 60 Prozent aller lesenden Deutschen werden in Zukunft Printmedien nützen, welche die Regeln der neuen Rechtschreibung nicht mehr anwenden. […] Eloquente Chefredaktoren, unterstützt durch prominente Schriftsteller, setzen sich brillant in Szene, während eine kommunikativ unbeholfene Kultusministerkonferenz mit einer Mitleid erregenden Vorsitzenden für die Fortführung plädiert. […] Hier wird ein Stellvertreterkrieg ausgetragen: Der lamentable Zustand der Regierung Schröder provoziert eine beispiellose Aufgeregtheit in deutschen Landen. […] Unsere Kinder haben in den letzten Jahren die neuen Regeln gelernt und wenden sie problemlos an. Und wir haben nicht den Eindruck, das kulturelle Abendland sieche deswegen dahin.
: Grosse Akzeptanz an den Schulen. Tages-Anzeiger, , s. 44, Gesellschaft (1165 wörter)
Die Einführung der neuen Rechtschreibung in der Schule war in allen Ländern gut vorbereitet. […] Der Unterricht nach den neuen Regeln verläuft ohne Probleme. […] Wo Kritik geäussert wird, richtet sich diese oft nicht gegen Veränderungen durch die Neuregelung, sondern dagegen, dass die Veränderungen nicht weiter gegangen sind. Entsprechend aufschlussreich sind die geäusserten Vorschläge, die in unter­schiedlicher Gewichtung deutlich einer Weiter­führung der Reform das Wort reden. Verschwindend gering sind Voten, die eine Rückkehr zur alten Rechtschreibung präferieren. […] Die Neuregelung verdient gegenüber der alten Rechtschreibung den Vorzug, nicht etwa - wie oft zu hören ist - weil eine Rückkehr zur alten Rechtschreibung unnötig teuer wäre oder weil man aus psychologischen Gründen nicht mehr zurück kann, sondern weil sie die regelungsmächtigere ist und weil sie leichter lehr-, lern- und handhabbar ist.
: Rechtschreibreform – Erfolg oder Debakel? Wir fragten unsere Leser nach ihrer Meinung – das Ergebnis ist so gespalten wie die Medienlandschaft. Berliner Zeitung, , s. 8, Leserbriefe (450 wörter)
Etwa die Hälfte der Leser, die unserem Aufruf gefolgt sind, plädiert für die Rückkehr zu den alten Schreibweisen. […] Vor allem Schüler, Lehrer und Eltern verweisen darauf, dass die junge Generation mit den neuen Regeln gut zurecht komme. […] Welche Schlussfolgerungen ziehen wir daraus für die Berliner Zeitung? […] Unsere Entscheidung fällt zu Gunsten der neuen Rechtschreibung. Nicht weil wir das Reformwerk rundum gelungen fänden. Sondern weil wir meinen, dass in der Zeitung nicht anders geschrieben werden sollte als in der Schule gelehrt wird.
: Ein Kompromiss muss her. Berliner Zeitung, , s. 8, Leserbriefe (54 wörter)
Da sollten nicht nur die Sprachwissenschaftler gefragt sein, sondern auch der "gesunde Menschenverstand", der bei der Rechtschreibreform zu kurz gekommen ist.
: Noch ist Sprachgefühl vorhanden. Berliner Zeitung, , s. 8, Leserbriefe (85 wörter)
Mit der Einführung der gemäßigten Kleinschreibung hätte man endlich eine richtige Reform, die – trotz des zu erwartenden Widerstands von Traditionalisten und Ästheten – rasch allgemein akzeptiert würde, da sie einfach ist und die deutsche Sprache von einem Teil ihrer selbst verschuldeten Umständlichkeit befreit.
: So überflüssig wie ein Blinddarm. Berliner Zeitung, , s. 8, Leserbriefe (40 wörter)
Wer früher nicht wußte, wann ein "das" als "daß" zu schreiben war, weiß auch nach der sogenannten Rechtschreibreform nicht, wann es ein "dass" ist.
: Bild verblüfft. Berliner Zeitung, , s. 34, Media (301 wörter)
Am Dienstag druckte die Springer-Zeitung Bild auf der Titelseite die Aussagen von fast 50 überwiegend prominenten Zeitgenossen, die allesamt die „Schlechtschreib-Reform“ (Bild) abschaffen wollen. Darunter fand sich auch Uwe Knüpfer, Chefredakteur der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ) […]. In einem Fax an die Bild-Redaktion stellte Knüpfer am Mittwochnachmittag noch einmal klar, dass er nicht zurück zur alten Rechtschreibung will.
: Rechtsprechung. Die Ecke. Frankfurter Rundschau, , s. 1 (107 wörter)
Auch die stets konflikt­freudige SPD-Bundestags­fraktion nahm sich des Streits gerne an. Der bildungs­politische Sprecher Jörg Tauss antwortete einem reform­unwilligen Kollegen: "Dieter Wiefelspütz hat nun gesagt, dass er sich von Bürokraten nicht vor­schreiben lassen wolle, wie zu schreiben sei. Schade, dass mir dieses gute Argument damals in der Schule nicht bei Klassen­arbeiten ein­gefallen ist."
: Ein Schritt zurück: „Das kommt mir ziemlich affig vor.“ Frankfurter Rundschau, , s. 42, Offenbach (459 wörter)
Schülerinnen und Schüler aus dem Neu-Isen­burger Westend halten nichts davon, die Rechtschreib­reform wieder zu kippen. Sie haben nichts anderes gelernt und wollen dabei bleiben.
: Absolutes Chaos jenseits der Grenzen. Das Ausland reagiert distanziert auf den Boykott der Verlage. Rheinischer Merkur, , 59. jg., nr. 33, Politik (537 wörter)
Auch in Österreich und der Schweiz existieren geteilte Lager, hier wie dort gibt es Anhänger und Gegner der neuen Regeln. Entsprechend fallen die Reaktionen auf die deutsche Debatte aus. Allen, die sich an diesem Streit be­teiligen, ist klar, wie wichtig die Diskussion beim deutschen Nachbarn ist. […] Aus Schweizer Sicht erscheinen die deutschen Querelen nicht immer ver­ständlich. Schließlich haben eid­genössische Tastaturen kein ß. Damit fällt das augen­fälligste Signal der neuen Schreibung weg.
: Sind wir Deutschen ein Volk von Empörern? Rheinischer Merkur, , 59. jg., nr. 33, Politik (398 wörter)
Schön ist es mit­anzusehen, wie sich manche Leute über eine Rechtschreib­reform auslassen, die weder die alte noch die neue Rechtschreibung be­herrschen. […] Wie fragwürdig diese Reform auch gewesen ist, den Deutschen geht es gar nicht wirklich darum. Sie gefallen sich einfach nur in ihrer Empörung.
: "Der pedantischen unart gipfel." die tageszeitung, , nr. 7433, s. 1 (225 wörter)
Selbstverständlich haben hier nach wie vor die inhalte des geschriebenen priorität vor sprachregelungen. Aber wir möchten die debatte um die rücknahme der Rechtschreib­reform auch mal um einen konstruktiven beitrag bereichern. Es ist zwar schön, dass sich Springer und Spiegel um die "nachfolgenden generationen" in Deutschland sorgen: zurückgehen ist aber konservativer kulturkampf, wir gehen lieber nach vorn. […] Wir hoffen, damit verwirrungen aufzulösen, damit auch anderenorts wieder spielraum für das wesentliche entsteht: die inhalte.
: "Der kompromiss eines kompromisses." die tageszeitung, , nr. 7433, s. 3, Themen des Tages, Interview (622 wörter)
Für den Bund für vereinfachte rechtschreibung war die kleinschreibung schon 1924 ein "nahziel". Seinem vorsitzenden Rolf Landolt geht die jetzige Rechtschreib­reform denn auch nicht weit genug: "nach der reform ist vor der reform"
: Mehrheit der Deutschen will Rechtschreibreform kippen. Die Welt, , Politik (465 wörter)
Die neue Rechtschreibung ist nicht konsens­fähig, weil sich die Über­einkunft, wie man spricht und wie man schreibt, von allein ergeben muss. Die Schreibe muss dem Schreib- und Sprach­gefühl entsprechen. Sie darf […] nicht von oben ver­ordnet, sie muss von unten gelebt werden.

Ja! Unten – da sind wir. Unten sind auch die schüler, die «nach gehör» schreiben.

: Komplott im Sommer. Wie man richtig schreibt: Zur Machtprobe zwischen Verlagen und der Kultusbürokratie. Die Zeit, , 59. jg., s. 1, Politik, Kommentar (599 wörter)
Die Rechtschreib­reform […] von 1996 habe zu »Ver­unsicherung« geführt und gleiche gar einer »staatlich ver­ordneten Legasthenie«. So begründeten vorige Woche einige Chef­redakteure, Heraus­geber und Verlags­leiter ihre verabredete Rück­kehr zur Ortho­grafie wilhelmini­schen Ursprungs. Einen Beweis der flotten Behauptung sind sie schuldig geblieben.
neu : Wohlbekannt oder wohl bekannt. Wer will wirklich zurück zur alten Rechtschreibung? Eine Umfrage unter deutschen Buchverlegern [4]. Die Zeit, , 59. jg., nr. 34, s. 38, Feuilleton, Zitat (212 wörter)
Der Bestand der in- und ausländischen Bibliotheken an deutscher und übersetzter Literatur sowie die Produktion der belletristischen Verlage wurden damit schlagartig als veraltet deklariert. Brutaler kann man nicht verhindern, daß sich eine ohnehin nicht gerade lesefreudige Generation der Weltliteratur öffnet.
neu : Wohlbekannt oder wohl bekannt. Wer will wirklich zurück zur alten Rechtschreibung? Eine Umfrage unter deutschen Buchverlegern [5]. Die Zeit, , 59. jg., nr. 34, s. 38, Feuilleton, Zitat (203 wörter)
Die Vermittlung literarischer Tradition (und zeitgenössischer Literatur) ist eine ganz, ganz andere Aufgabe als das Einpauken eines verbindlichen Regelwerks. Da ist alte oder neue Rechtschreibung fast gehupft wie gesprungen […].
neu : Wohlbekannt oder wohl bekannt. Wer will wirklich zurück zur alten Rechtschreibung? Eine Umfrage unter deutschen Buchverlegern [6]. Die Zeit, , 59. jg., nr. 34, s. 38, Feuilleton, Zitat (204 wörter)
Die Hauptkatastrophe der Rechtschreibreform besteht gar nicht so sehr in den Änderungen, die sie vorsieht, sondern in der langen Zeit des Übergangs. Die dabei entstehende Un­sicherheit wirkt sich auf alle anderen Erziehungsbereiche aus. Die Sprache ist zur Manövriermasse geworden […].
neu : Wohlbekannt oder wohl bekannt. Wer will wirklich zurück zur alten Rechtschreibung? Eine Umfrage unter deutschen Buchverlegern [8]. Die Zeit, , 59. jg., nr. 34, s. 38, Feuilleton, Zitat (109 wörter)
Kein staatliches Gremium sollte über die Orthographie bestimmen. […] Wenn das in den Schulen Verwirrung stiftet – in Ordnung. Verwirrung ist gut.
neu : Wohlbekannt oder wohl bekannt. Wer will wirklich zurück zur alten Rechtschreibung? Eine Umfrage unter deutschen Buchverlegern [9]. Die Zeit, , 59. jg., nr. 34, s. 38, Feuilleton, Zitat (224 wörter)
[…] der fulminante Michael Klett (Klett Verlag) hat sich auch schon zu Wort gemeldet: Man solle die Reform »in kleineren Schritten« zurücknehmen, und – man höre und staune – die Schulbuchverlage sollen in eigener Herrlichkeit über Schrittfolge und Schritttempo dieser Rücknahme bestimmen. Vielleicht muss man in diesem Zusammenhang bemerken, dass der Klett Verlag sein Geld damit verdient, dass er Schulbücher an den Staat verkauft – mit einer »schrittweisen« Regelung lässt sich freilich trefflich langfristig kalkulieren.
neu : Das Englische: Glücklich im Chaos. Die Zeit, , 59. jg., nr. 34, s. 38, Feuilleton, Zitat (366 wörter)
Erlaubt ist viel; siehe die 14 Wörterbücher in Word – von Englisch (Australien) bis Englisch (Zimbabwe). Niemand käme auf die Idee, Belize und Trinidad, England und USA in einem großen Rechtschreibrat zu versammeln, um der Sprache Logik, Ordnung und »foneetische« Korrektheit zu verordnen.
: Rechtschreib-Theater. Die Furche (), , Gesellschaft (591 wörter)
Die Rechtschreib­reform ist in wesentlichen Punkten verfehlt. Ihre Kritiker müssen es wissen, sie haben sie ja selbst ver­wässert. Dagegen auftreten hätte man früher müssen. Jetzt wäre ein Zurück ein Schlag ins Gesicht vor allem der Schüler und Lehrer. […] Das Kräfte­messen auf der Sommertheater­bühne verlängert aber nur das Chaos, das es vor­geblich bekämpfen will.

11. 8. 2004

: «Sich verstehen und verständigen» I. Basler Zeitung, , s. 28, Forum, Briefe (85 wörter)
Jitz wohlen die die noie Rechschreibe­ohrdnung wihder rük­gengig mache, wo ich mich doch ebe gerade gewönnt habe dran.
: «Sich verstehen und verständigen» II. Basler Zeitung, , s. 28, Forum, Briefe (114 wörter)
Nach meinen 6-jährigen Er­fahrungen mit der neuen Recht­schreibung bei Korrektu­ren für die Zeit­schrift «Das Mark­gräfler­land» finde ich die Recht­schreibe­reform gut.
: «Sich verstehen und verständigen» III. Basler Zeitung, , s. 28, Forum, Briefe (174 wörter)
Wie kann man jahre­lang streiten, ob nun «aufwändig/aufwendig» von Aufwand oder eher von auf­wenden abstammen soll? […] Man hätte statt der erfolgten Retouchen beispiels­weise die Gros(s)?schrei­bung der Nomen ab­schaffen können.
: «Sich verstehen und verständigen» IV. Basler Zeitung, , s. 28, Forum, Briefe (54 wörter)
Kaum dass in deutschen Landen das Wort «Rechtschreibe­reform» aus­gesprochen war, lagen in der helveti­schen Provinz die ersten «re­formierten» Lehr­mittel auf dem Tisch. Ein bisschen Besonnen­heit wäre hier wohl angebracht gewesen.
: «Sich verstehen und verständigen» V. Basler Zeitung, , s. 28, Forum, Briefe (102 wörter)
Hier ein paar einfache Änderungen, welche die Schreib­weise ver­einfachen und leicht zu lernen sind: aus «th» mach «t», aus «ph» mach «p», Doppel­konsonanten fallen weg. Das wären doch Änderungen, die was bringen […].
: «Sich verstehen und verständigen» VI. Basler Zeitung, , s. 28, Forum, Briefe (104 wörter)
Sollten Zeitungen und Zeit­schriften die deutsche Sprache unter­schiedlich schreiben (mehr als heute), erwarte ich von den Lehrern, dass ver­schiedene Arten der Recht­schreibung als korrekt gelten. Oder sollen die Schüler mit Recht­schreibung so gestresst werden, dass das in­haltliche Aufnehmen von Texten weiterhin zu kurz kommt?
: «Sich verstehen und verständigen» VII. Basler Zeitung, , s. 28, Forum, Briefe (153 wörter)
Natürlich ist die Sprache ein wichtiger Bestand­teil unserer Kulturen, aber die deutsche Sprache wurde doch nicht revolutio­niert, nur teil­weise retouchiert.
: Für eine Akademie der Sprachwächter. Tages-Anzeiger, , s. 46, Kultur (770 wörter)
Als vor Jahren in Deutschland verlautbart wurde, die Rechtschreibung werde re­formiert und an unsere zurzeit gültigen Bedürfnisse der Vereinfachung, wie von allem und jedem, hier aber im Speziellen im Hinblick auf die Aufnahme­kapazitäten unserer Aus­zubildenden, angepasst, liess mich das kalt. Doch dann nahm das Reformwerk Formen an. […] Unsere Verlags­werke, bestimmte ich, mit der Rücken­deckung unserer Autoren, sollten weiterhin nach der bewährten klassischen Orthographie gedruckt und publiziert werden. […] Jedenfalls ist ein existentieller Streit im Gange, soviel zeichnet sich ab, geht es doch nicht um weniger als uns selbst, merkt doch endlich auf, Leute!, unsere Sprache und darum, wie sie für alle verbindlich zu schreiben ist — damit wir uns auch schriftlich eindeutig verständigen können, notabene. […] Kann es sein, dass wahl­abhängige Politiker bestimmen, wie zu schreiben ist? Kann es sein, dass die Duden-Redaktion bestimmt, wie zu schreiben ist? Nein. Politiker dekretieren heute die Verschickung von Friedens­truppen und morgen das Subventions­geld für Milchkühe, und das wollen und sollten wir uns nicht bieten lassen, dort, wo es um unser teuerstes Gut, unsere Sprache geht. […] Ein Vorschlag zum Schluss: Unterhalten wir an der Berliner Akademie, deren Vorsitz zurzeit Adolf Muschg innehat, eine ständige Sprach­kommission, die wir zu unseren nicht herrschaftlichen, sondern demokratischen Sprach­wächtern machen. […] dann haben wir so etwas wie eine ver­gleichbare Institution, wie sie in Frankreich seit 1635 existiert.

Überlassen wir den politikern so unwichtige dinge wie den globalen umweltschutz und den weltfrieden. Für wichtiges wie die rechtschreibung schaffen wir sich selbst konstituierende ältestenräte — und nennen das auch noch demokratisch. Es steht herrn Muschg natürlich frei, noch eine kommission zu bilden, nur ist dann noch ein problem zu lösen: Wer gibt ihr das weisungsrecht für die volksschule?

: Für etwas Durcheinander. Tages-Anzeiger, , s. 46, Kultur (167 wörter)
Die Reform ist nie angenommen worden, weil nie ein Bedürfnis nach einer Reform bestand. Wir haben uns gegenseitig immer bestens lesen können […].

Dass alle bestens lesen können, ist neu.

: Es gibt eine Pflicht zum Kompromiss. Drei Standpunkte zur Zukunft der Rechtschreibung und zum Schicksal der Reform. Berliner Zeitung, , s. 25, Feuilleton (356 wörter)
Denn es wäre doch eine Illusion anzunehmen, dass sich die neue Schreibunsicherheit durch eine Rückkehr zum Duden von 1991 plötzlich auflöste. Im Gegenteil würde dies auch die wenigen Vorteile der Reform rauben, die das Lesen und Schreiben besser machen. […] Die angezettelte Reform kann aber in ihrem desaströsen Zustand auch nicht den Verlagen überlassen werden, sondern muss politisch zu Ende gebracht werden.
: Handelsblatt, ARD und ZDF halten an Reform fest. Berliner Zeitung, , s. 30, Media (143 wörter)
Der ARD-Vorsitzende Jobst Plog sagte: „Übereilte Schritte scheinen uns nicht geeignet, die nach dem Vorstoß zweier Verlagshäuser eingetretene Konfusion zu verringern. Deshalb bleiben wir bis auf weiteres bei den Regeln, die in den Schulen unterrichtet werden.“
: CDU stellt Rechtschreib-Ultimatum. Bild,
Der CDU-Politiker fordert: „Wir müssen der Rechtschreib­kommission, die schon die letzte Reform verbockt hat, das Heft des Handelns aus der Hand nehmen!“ Böhr schlägt stattdessen vor: „Die Duden-Redaktion hat täglich mit der praktischen Sprache zu tun – sie könnte den Kompromiss-Vorschlag erarbeiten.“
: „Die Reform ist kaputt.“ Bild-Interview mit Wolf Schneider. Bild,
Herr Schneider, hat die Rechtschreib­reform noch eine Zukunft? Wolf Schneider: Ich hoffe nicht! Die Reform ist kaputt, seit die geballte Macht von Springer Verlag, „Spiegel“, „Süddeutsche Zeitung“ und „FAZ“ dagegen aufbegehrt.
: Eine regel. Lesermeinung zur Rechtschreibung. Frankfurter Rundschau, , s. 7, Standpunkte (in eigennamen­gross­schreibung, 370 wörter)
Statt uns unsinnige rechtschreib­reformen verordnen zu lassen, sollten wir alle die einfachste und wirksamste reform ab sofort selbst durch­setzen. Sie besteht aus einer einzigen regel und hilft allen, vor allem schülern und aus­ländern, die deutsch lernen: "Alles wird klein geschrieben, außer am satz­anfang, ferner eigen­namen und ,Du' und ,Sie' in der anrede."
: „Ich bevorzuge eine Mischung.“ Frankfurter Rundschau, , s. 42, Offenbach (354 wörter)
Die Neu-Isen­burgerin Angela Föll sammelt als Leiterin der Selma-Lagerlöf-Schule seit sechs Jahren Er­fahrungen mit der Rechtschreib­reform. […] Föll, die in Neu-Isenburg Stadt­verordnete der CDU ist, plädiert dafür, nicht wieder alles um­zukrempeln, sondern die Reform zu lockern.
Debatte über die Rechtschreibung. Süddeutsche Zeitung, , 184, s. 1, Inhaltsverzeichnis (84 wörter)
Über die Leidenschaft der Debatte hier zu Lande können sich Österreicher und Schweizer nur wundern. In beiden Ländern denkt man nicht daran, die Reform zu kippen, wie unsere Korrespondenten berichten.
: Rätselhaftes Deutschland. Viele Österreicher halten die Diskussion hier zu Lande für Sommertheater, auch wenn sie die Reformskepsis teilen. Süddeutsche Zeitung, , 184, s. 6, Politik (698 wörter)
Teutonischer Ernst hat den österreichischen Nachbarn noch immer Rätsel aufgegeben. So sind sich Österreichs Medien und die politische Klasse noch immer nicht sicher, ob die Sache mit der Rechtschreibreform nicht doch in der Abteilung Sommertheater abzulegen wäre. Das Echo auf den in Deutschland so heftigen Disput ist folgerichtig äußerst verhalten. War das Thema nicht seit Jahren erledigt? Warum bläst man es ausgerechnet zur Ferienzeit auf? Die entscheidende Behörde des immerhin zweitgrößten Landes im deutschen Sprachraum, das Unterrichtsministerium in Wien, hält sich vorerst heraus.
: Alemannische Gelassenheit. Die Schweizer wundern sich über den deutschen Rechtschreibstreit – und folgen ihren ganz eigenen Regeln. Süddeutsche Zeitung, , 184, s. 6, Politik (505 wörter)
Die Schweiz machte wenig Aufhebens von der Einführung der Schreibreform. Es kam weder zu ähnlich verbissenen Kontroversen wie in Deutschland noch zum Wunsch nach einer Volksabstimmung. Das liegt zum einen daran, dass die Schweizer um die Machtverhältnisse zwischen ihnen und dem großen Deutschland wissen. Zum zweiten fühlen sie sich als geborene Dialektsprecher ohnehin nicht zum Hüter des korrekten Hochdeutschen berufen. Vor allem aber kommt darin ihr Pragmatismus zum Tragen, der sich etwa bei der Einführung einer simplen, dafür aber funktionstüchtigen Schwerverkehrs-Abgabe bewährte.
: Alles zurücknehmen I. Süddeutsche Zeitung, , 184, s. 7, Leserbriefe (84 wörter)
Herzlichen Dank für den mutigen Schritt der SZ aus der Sackgasse Rechtschreibreform […]!
: Alles zurücknehmen II. Süddeutsche Zeitung, , 184, s. 7, Leserbriefe (178 wörter)
Nur die Deutschsprachigen leisten sich den Luxus, ihre Rechtschreibung durch Groß- und Kleinschreibung zu komplizieren. Auch die jetzige Reform ist hier keine Hilfe. Oder ist es sinnvoll, dass nun geschrieben werden soll: etwas Anderes, im Voraus, die allein Erziehenden?

: Wie Nessie I. Süddeutsche Zeitung, , 184, s. 7, Leserbriefe (152 wörter)
Ein Hauptargument fürs Zurückschwimmen ist ja immer, „die Bevölkerung“ nehme die Rechtschreibreform nicht an. Ja, wer glaubte eigentlich, die 30- bis 70-Jährigen würden sich freiwillig noch einmal in den Rechtschreibunterricht begeben, noch einmal unbedingt umlernen wollen?
: Wie Nessie II. Süddeutsche Zeitung, , 184, s. 7, Leserbriefe (113 wörter)
Schrecken erfüllt mich darüber, dass die SZ ins Lager der FAZ und des Professors Theodor Ickler überlaufen könnte.
: Kraft eigener Willkür I. Süddeutsche Zeitung, , 184, s. 7, Leserbriefe (132 wörter)
Die Rückkehr der SZ zur „alten“ Schreibweise aber ist arrogant und verantwortungslos.
: Kraft eigener Willkür II. Süddeutsche Zeitung, , 184, s. 7, Leserbriefe (195 wörter)
Begibt sich die SZ hier nicht auf die sehr deutsche Schiene, die da heißt: Früher war alles besser?
: Kraft eigener Willkür III. Süddeutsche Zeitung, , 184, s. 7, Leserbriefe (240 wörter)
In Wirklichkeit befördert die SZ so, was zu verhindern sie nach außen hin behauptet: die Beliebigkeit in der Orthografie.
: Kraft eigener Willkür IV. Süddeutsche Zeitung, , 184, s. 7, Leserbriefe (48 wörter)
Das Lächerlichmachen der Reform ist arrogant – auch gegenüber den Schweizern und Österreichern […].
: Kraft eigener Willkür V. Süddeutsche Zeitung, , 184, s. 7, Leserbriefe (93 wörter)
Der Schulterschluss mit der Redaktionslinie innerhalb der FAZ ist im aktuellen politischen Umfeld unserer Republik sachlich durch nichts zu rechtfertigen.
: Zurück ins 19. Jahrhundert I. Süddeutsche Zeitung, , 184, s. 7, Leserbriefe (29 wörter)
Herzliches Beileid zur orthografischen Rolle rückwärts.
: Zurück ins 19. Jahrhundert II. Süddeutsche Zeitung, , 184, s. 7, Leserbriefe (36 wörter)
Den Nachweis, dass wir ein lächerliches Volk sind, sollte man nicht Wirtschaft und Politik allein überlassen.
: Zurück ins 19. Jahrhundert III. Süddeutsche Zeitung, , 184, s. 7, Leserbriefe (273 wörter)
Ist der SZ-Redaktion schon einmal aufgefallen, wer sich gegen die Rechtschreibreform sträubt? Fast alle sind y-Chromosom-Träger jenseits der Lebensmitte. Vielleicht ist es da etwas schwierig, von alten Gewohnheiten abzuweichen.
: Nur Verwirrung gestiftet I. Süddeutsche Zeitung, , 184, s. 7, Leserbriefe (109 wörter)
Die Reform ist […] auch vom Verfahren her Unsinn, weil kein Minister und kein Ministerialbeamter das Recht hat, die deutsche Sprache und deren schriftliche Wiedergabe neu regeln zu wollen.
: Nur Verwirrung gestiftet II. Süddeutsche Zeitung, , 184, s. 7, Leserbriefe (45 wörter)
Bitte teilen Sie mir den Tag mit, von dem an die SZ in der bewährten Rechtschreibung erscheinen wird. Von dann an werde ich sie für ein Jahr abonnieren.
: Nur Verwirrung gestiftet III. Süddeutsche Zeitung, , 184, s. 7, Leserbriefe (87 wörter)
Die Reform aber bitte konsequent zurücknehmen, einschließlich der ß-Regel, denn Wortungetüme wie „Flussstrecke“ mag ich als Autor nicht.
: Nur Verwirrung gestiftet IV. Süddeutsche Zeitung, , 184, s. 7, Leserbriefe (26 wörter)
Für mich war die neu eingeführte Schreibweise keine Reform, sondern eine überflüssige Veränderung.
: Nötiger ziviler Ungehorsam I. Süddeutsche Zeitung, , 184, s. 7, Leserbriefe (178 wörter)
In Bevölkerung und Parlamenten hatten die oft wirren Ideen der Reformer nicht die geringste Chance.
: Nötiger ziviler Ungehorsam II. Süddeutsche Zeitung, , 184, s. 7, Leserbriefe (205 wörter)
Dem Leser sollte es gleichgültig sein dürfen, wie viel Mühe der Schreiber aufwenden musste, um ordentliche Texte zuwege zu bringen. Interessiert es jemanden, wie intensiv der Bäcker lernen musste, um wohl schmeckendes Backwerk herzustellen?
: Die unsichtbaren Fäden des Wirklichkeitssinns. Warum den Deutschen nichts übrig bleibt, als den Streit um die Rechtschreibung weiterzuführen. Süddeutsche Zeitung, , 184, s. 11, Feuilleton (1265 wörter)
Man denke an den Aufstand gegen die Volkszählung in den achtziger Jahren oder den Kampf um die Ladenschlusszeiten, der unlängst die Entscheidungshöhen des Bundesverfassungsgerichts erreicht hat. […] Die Sorgen um die Rechtschreibreform sind so wenig nichtig wie die früheren um die Daten einer Nation oder die Zeiten, zu denen ihre Läden schließen. In allen Fällen sehen sich die Bürger von etwas betroffen, das sie alle, vom ersten bis zum letzten, angeht. Wie im Fall der persönlichen Daten spüren sie auch in der Rechtschreibreform den arroganten Zugriff der Macht auf eine immaterielle Habe, die ihnen teuer ist – teurer als so manches materielle Stück: Dort war es die Intimität der Person, hier ist es das mit allen geteilte und zugleich am innigsten persönlich besessene Gut, die Sprache.

Für eine klare mehrheit gehört die rechtschreibung bekanntlich nicht zum persönlich besessenen gut: stichwort schreiben.

: Rassistisch, neoliberal, reaktionär. Wider eine gestrige und zwangsassimilierte Rechtschreibung. Süddeutsche Zeitung, , s. 11, Feuilleton (368 wörter)
Drittens ist diese Reform auf geradezu groteske Weise rückwärtsgewandt. […] Die angeblich neue Doppel-s-Regelung hatten wir genau so schon einmal unter dem Namen „Heysesche s-Regel“ vor hundert Jahren. Sie ist untergegangen und vergessen worden. Warum wird diese Leiche wieder ausgegraben?

Angeblich neu – hat das jemand behauptet? Übrigens ist auch die von uns be­fürwortete eigen­namen­grossschreibung auf geradezu groteske Weise rückwärts­gewandt, weil manchmal das alte besser ist.

: Hauptsache schlüssig. Ahmt das angelsächsische Vorbild nach: Schafft die einheitliche Rechtschreibung ab! Süddeutsche Zeitung, , 184, s. 7, Feuilleton (867 wörter)
Warum sollen alle gleich schreiben? Wieso feiern wir einerseits die Vielfalt regionaler Sprachfärbungen, mühen uns um aussterbende Dialekte, zwingen uns aber andererseits in eine Korsett einheitlicher Schreibweisen? Warum nicht auch hier Vielfalt? Deutschland braucht nicht mehr, sondern weniger Vorschriften bei der Rechtschreibung.

Ja, das ist auch das ziel der neuregelung von 1996 und unserer bestrebungen.

: „Die Entscheidung, was wir ändern, wird erst fallen.“ Die künftige Rechtschreibung in der SZ. Süddeutsche Zeitung, , 184, s. 7, Leserbriefe (276 wörter)
Die SZ-Redaktion unterstützt jede Initiative, die zu einem möglichst einheitlichen Erscheinungsbild der deutschen Schriftsprache führt. Das hat die Reform nicht erreicht. Deshalb strebt die Süddeutsche Zeitung eine Regelung an, die vernünftige Neuerungen übernimmt.
: Tip(p)-Verwirrung. Süddeutsche Zeitung, , 184, s. R1, Politik (256 wörter)
Wie kommt also der Stoiber’sche Sinneswandel? Kein Wandel, sagt der Ministerpräsident, „ich war nie Anhänger der Rechtschreibreform“. Warum stimmt er dann erst jetzt in den Chor der Kritiker ein? Nun, Stoiber ist es gewohnt, Mehrheiten hinter sich zu haben. Und die Mehrheit der deutschen Medienlandschaft, so wähnt er, schwenkt gerade in Sachen Rechtschreibung um.

2004-08-10

: Sommertheater um die neue Rechtschreibung. Basler Zeitung, , s. 1, Front
Um die Zukunft der Rechtschreib­reform herrrscht in Deutschland weiter erbitterter Streit. Die Präsidentin der deutschen Kultusminister­konferenz (KMK), Doris Ahnen, erteilte am Montag Forderungen nach einer Volks­abstimmung eine Absage.
: Lehrer streiten für die Reform. Basler Zeitung, , s. 3, Tagesthema (479 wörter)
Aufmerksam verfolgen Lehrerinnen und Lehrer der Nordwestschweiz den Streit um die Rechtschreib­reform. Ihr Grundtenor: Die Reform sollte nicht rückgängig gemacht werden. Sie sei grundsätzlich sinnvoll und mache es den Schülerinnen und Schülern leichter, die deutsche Sprache zu erlernen und mit ihr umzugehen.
: Proteststurm im Sommerloch. Basler Zeitung, , s. 3, Tagesthema (496 wörter)
Das Machtwort von Springer-Verlag («Welt» und «Bild»), «Spiegel» und «Süd­deutscher Zeitung», die nun ankündigten, zur alten Recht­schreibung zurück­zukehren, kam jedenfalls ziemlich spät - und wurde dafür mit dem heroischen Gestus eines Fahrgastes vorgetragen, der angesichts eines hoffnungslos unfähigen Zugführers und eines sich in rasender Geschwindigkeit nähernden Abgrunds die Notbremse zieht. […] Nun herrscht gerade Sommerloch, die ideale Jahreszeit für leidenschaftliche Medien­auftritte. […] Sobald die technischen Voraussetzungen geschaffen sind, wollen Springer, «Spiegel» und «Süddeutsche» zur alten Rechtschreibung zurückkehren - aber nicht ganz. Denn Reform­vorschläge, die als «sinnvoll» erachtet wurden, könnten durchaus beibehalten werden, hiess es im «Spiegel» und in der «Süddeutschen». Nach richtiger Rückkehr klingt das nicht. Eher nach Reform der Reform.
: Eymann: «Nur kein Aktionismus bei der Rechtschreibung». Basler Zeitung, , s. 3, Tagesthema (561 wörter)
Seit einigen Jahren platzt er regelmässig ins Sommerloch: der Streit ums richtige Schreiben. Verschärft wird er diesmal durch den Entscheid deutscher Grossverlage, zur alten Schreibweise zurück­zukehren. Der Basler Erziehungs­direktor Christoph Eymann, ein Reform­skeptiker, will auf keinen Fall zurück­buchstabieren.
: Österreich will nicht zurück. Basler Zeitung, , s. 3, Tagesthema (132 wörter)
Auch die Zeitungen «Standard», «Kurier», «Presse», «Krone», «Salzburger Nach­richten» und «Kleine Zeitung» wollen bei der neuen Recht­schreibung bleiben.
: Unsere Kinder baden es dann aus. Basler Zeitung, , s. 29, Forum, Briefe (153 wörter)
Dass der Diskurs in Deutschland bereits im Partei­politischen versumpft ist und hierzulande der Basel­bieter SD-Politiker R. Keller seine Motion von 1998 auch nochmals reaktiviert, stärkt Schiblis These, dass es hüben wie drüben nicht um die Sache, sondern um Profilierung geht.
: Wozu die Aufregung? Basler Zeitung, , s. 30, Forum, Briefe (114 wörter)
Weder vor noch nach der Reform hat nach meinen Beobachtungen die Schweiz das ß benutzt. […] Da ja also ohnehin keine Einheitlichkeit der Recht­schreibung existiert (gestern las ich auch, Schweizer Verleger hätten erklärt, sie seien den Neuerungen nie ganz gefolgt), wozu dann die Aufregung über ein mögliches Kippen der «Reform» in Deutschland?
: Flehen um Klarheit. Doch einheitliche Rechtschreibregeln sind fraglicher denn je. Berliner Zeitung, , s. 26, Feuilleton (638 wörter)
Jeder darf schreiben, wie er will. Aber wer kann das wollen?

Wir. Und andere wohl auch, sonst wäre es nicht so.

: Bordo oder so. Die Debatte um die Rechtschreibreform ist bei „Christiansen“ angekommen. Berliner Zeitung, , s. 30, Media (541 wörter)
Und obwohl selbst Gastgeberin Christiansen gleich zu Beginn süffisant lächelnd fragte, ob wir „nicht eigentlich drängendere Probleme“ hätten, hatte sie eine prima Runde um sich geschart: Neben Rüttgers und Ahnen saßen dort als kompetenter Fachmann auch der Österreicher Karl Blüml, Vorsitzender der Rechtschreibkommission, und ein Schulbuchverleger sowie der Publizist Wolf Schneider als frankophiler Reform-Gegner, der keinen Bordeaux mehr trinken möchte, wenn er sich „Bordo“ schriebe oder so, obwohl das gar nicht zur Debatte steht.
: 7 Wahrheiten über die Schlechtschreibreform. Bild klärt auf. Bild,
Die neuen Regeln sind weder einfacher noch kürzer als die klassischen.
: Sprachverlust. Frankfurter Allgemeine Zeitung, , nr. 184, s. 8, Briefe an die Herausgeber (390 wörter)
Um mit einem kontrastierenden Gedankenspiel zu erhellen, um welche Grundhaltung es hier geht: Könnte man es sich vorstellen, daß eine Sprach-Eingreiftruppe von dieser wohl unauslöschlichen deutschen Art die englische Recht­schreibung mal auf Vordermann bringt?

Ja, man könnte es sich vorstellen: Spelling society.

: Agitation. Frankfurter Allgemeine Zeitung, , nr. 184, s. 8, Briefe an die Herausgeber (267 wörter)
[…] schreibt Heike Schmoll unter anderem, daß die Such­möglichkeiten in Katalogen, Daten­banken und Text­systemen durch vermehrte Schreib­varianten immens erschwert werden. Das Problem unterschiedlicher Schreibweisen gab es schon immer, zum Beispiel in den mannigfachen Transliterationen […]. Und wenn man heutzutage in immer größeren Verbünden von Daten­banken recherchieren kann, so kann man doch nicht im Ernst erwarten, daß ein einzelner Begriff in immer der gleichen Weise geschrieben wird. Zudem lassen moderne Systeme unscharfe Suchanfragen zu oder machen von sich aus Alternativ­vorschläge.
: Der Rechtschreiber. Frankfurter Allgemeine Zeitung, , nr. 184, s. 10, Zeitgeschehen (453 wörter)
Ickler gehört zu den wenigen außerhalb der Rechtschreibkommission, die sich schon 1995 intensiv mit den neuen Regeln befaßt haben.

Schon? Erst!

: Dann ist es ja Wurscht! Zwanzig Jahre Deutschunterricht: Die Erfahrungen eines Lehrers. Frankfurter Allgemeine Zeitung, , nr. 184, s. 31, Feuilleton (1254 wörter)
Insgesamt erlaubt meine Erfahrung nach zwanzig Jahren Deutschunterricht weder das Urteil, die neue Recht­schreibung sei komplett zu verwerfen, noch, sie sei um jeden Preis beizubehalten. Der wichtigste Einwand ergibt sich aber genau aus dieser Fest­stellung: Hat sich der immense Aufwand dieser Reform gelohnt, von der man selbst bei wohlwollender Betrachtung nur sagen kann, daß sie einige Dinge möglicher­weise etwas besser gemacht hat? Die Einheit der Recht­schreibung ist dahin. […] Mögen ihre Normen auch in Teilen willkürlich sein, mochte es auch fragwürdig sein, daß eine nicht­öffentliche Instanz wie die Duden-Redaktion quasi­amtliche Aufgaben ausübte - der jetzige Zustand, in dem jeder macht, was er will, ist gräßlich.
: Reform wird verteidigt. Widerstand gegen Kurswechsel bei Rechtschreibung. Frankfurter Rundschau, , s. 1 (254 wörter)
Die SPD ist fest ent­schlossen, eine Rück­nahme der Rechtschreib­reform zu verhindern. Weder in der Kultus­minister­konferenz noch unter den Minister­präsidenten werde es Zu­geständnisse an die Reform­gegner geben, hieß es am Montag.
: Rückfall in prä-seeelefantöse Zeiten. Was Schüler und Lehrer vom Boykott der Rechtschreibreform halten. Frankfurter Rundschau, , s. 2, Thema des Tages (844 wörter)
Viele Lehrer an seiner Gesamt­schule in Berlin-Köpenick hätten es mit der Rechtschreib­reform nicht so genau ge­nommen, sagt Alexander Freier. Zumindest nicht in den Klassen, die sich 1998 umstellen mussten. Be­sonders die älteren Kollegen hätten gerne mal beide Augen zugedrückt. "Die fanden die Reform selber doof", glaubt Alexander.
: Operation am offenen Wort. Frankfurter Rundschau, , s. 2, Thema des Tages (539 wörter)
Ignoranz allent­halben: Die Be­fürworter der Rechtschreib­reform übersahen das Vermittlungs­problem, die Gegner tauchten spät auf.
: Vom deutschen Thron. Frankfurter Rundschau, , s. 3, Die Seite Drei, Kommentar (645 wörter)
Natürlich können die Gegner der Rechtschreib­reform auf Un­gereimtes verweisen. Das gelingt ihnen um so besser, als sie vorsätzlich unter­schlagen, wie kompliziert und wider­sprüchlich Teile der alten Rechtschreibung waren. Der Konsens, dass man im Sinne der Deutsch Lernenden – und damit der Sprache selbst – etwas tun müsse, war während des Reform­prozesses der 90er Jahre wesentlich breiter, als die Reform­gegner heute wahr­haben wollen.
: Bloß nichts Neues. Frankfurter Rundschau, , s. 6, Standpunkte, Leserbriefe (167 wörter)
Interessanter­weise sind das aber zugleich diejenigen, die seit Jahren durch die Lande ziehen und den Bürgern in Leitartikeln regelmäßig unter die Nase reiben, dass grund­legende Reformen un­erlässlich sind und dass man sich neuen Situationen stets flexibel anzupassen habe ... und eben diese sehen nun den kultu­rellen Untergang der Republik, wenn es um so etwas Belang­loses wie die Frage geht, ob es "radfahren" oder "Rad fahren" heißt!
: Altes war nicht bewährt. Frankfurter Rundschau, , s. 6, Standpunkte, Leserbriefe (152 wörter)
Aber alles ist besser als die alte, keines­wegs "bewährte" Recht­schreibung, deren weitaus zahl­reicheren Macken wir meist nur aus Gewöhnung nicht mehr bemerken.
: Logisch und lernbar. Frankfurter Rundschau, , s. 6, Standpunkte, Leserbriefe (111 wörter)
Mit den Änderungen vom Juni 2004 scheinen mir die wichtigsten Sinnlosig­keiten der Rechtschreib­reform (vor allem die Getrennt­schreibung bei zusammen­gesetzten Partizipien wie "weit gehend", "besser verdienend", "allein erziehend" etc.) behoben.
: Frühere Dummheit. Frankfurter Rundschau, , s. 6, Standpunkte, Leserbriefe (389 wörter)
Der neuen Recht­schreibung kann man nur vor­werfen, dass sie nicht weit genug gegangen ist, aber nicht, ihre Regeln seien falsch.
: Redaktioneller Amoklauf. Frankfurter Rundschau, , s. 6, Standpunkte, Leserbriefe (59 wörter)
Seit Jahren unter­richte ich Deutsch als Fremd­sprache und kann – trotz allem gegen­teiligen Presse-Jammern – fest­stellen, dass es die Reform den Schülern tat­sächlich ein bisschen leichter macht.
: Vom Volk abgelehnt. Frankfurter Rundschau, , s. 6, Standpunkte, Leserbriefe (128 wörter)
Ausgehend von der bewährten Recht­schreibung soll geprüft werden, welche der Neuerun­gen allseits anerkannt sind und diese über­nommen werden.

Die bewährte kommasetzung hat sich schon mal nicht bewährt: 1. Komma nach «Recht­schreibung» (duden 1991, R 105). 2. Komma vor «und» (duden 1991, R 117, auch heutige regelung; allerdings geht es grammatikalisch nicht ganz auf).

: Als Leserin gegen die Neue. Frankfurter Rundschau, , s. 6, Standpunkte, Leserbriefe (97 wörter)
Was das Schreiben er­leichtert, er­schwert das Lesen.

Nein; eine gute rechtschreibung ist für alle gut.

: Umkehr geboten. Frankfurter Rundschau, , s. 6, Standpunkte, Leserbriefe (105 wörter)
Die Älteren schreiben nach der alten Schule, die Jüngeren müssen nach der neuen schreiben.
: Obrigkeitshörig. Frankfurter Rundschau, , s. 6, Standpunkte, Leserbriefe (70 wörter)
Statt den grund­legenden Blödsinn der Reform an­zuprangern […], nämlich Recht­schreibung per Verfügung von oben regulieren zu wollen und sie nicht ihrer natürli­chen Ent­wicklung folgen zu lassen, machen Sie sich auch noch zu Apologeten dieses Regulierungs­wahns.
: Befreiungsschlag. Frankfurter Rundschau, , s. 6, Standpunkte, Leserbriefe (177 wörter)
Die Neu­regelungen erschweren das Text­verständnis, sind teil­weise sinn­entstellend, etymologisch ver­unklärend, Nuancen nivellierend, die Sprach­betonung ver­schiebend und zuweilen sogar grammatika­lisch falsch ("Er tut mir Leid."). Die ver­meintlichen Er­leichterungen der Reform sind aus­schließlich für den Schreibenden gemacht, nie für den Lesenden.
: „Eine Machtprobe auf Kosten junger Leute.“ Ministerin Karin Wolff sieht keinen Anlass, die neue Rechtschreibung zu kippen, bisher keine bessere Lösung. Frankfurter Rundschau, , s. 38, Frankfurt (538 wörter)
Karin Wolff (CDU) ist seit 1999 Kultus­ministerin und seit 2003 auch stell­vertretende Minister­präsidentin Hessens. Die 45-jährige gelernte Lehrerin für Geschichte und evangeli­sche Religion mahnt dazu, in der Debatte über die Rechtschreib­reform auch an die Schülerinnen und Schüler zu denken, die nach den neuen Regeln ausgebildet werden und wurden. Eine Wieder­inkraftsetzung der "alten" Recht­schreibung mit ihren 52 ver­schiedenen Komma­regeln lehnt die Ministerin ab.
Worüber das Volk abstimmen darf, sollte es selbst entscheiden. EU-Verfassung und Co. , , politik
Für eine Volksabstimmung über die Rechtschreib­reform hatte sich am vergangenen Wochenende der Chef­redakteur der "Bild am Sonntag", Claus Strunz, gefordert. Gegen eine solches Bürger­votum hatte sich Doris Ahnen, Präsidentin der Kultusminister­konferenz ausgesprochen. […] Nicht nur eigene Gesetz­entwürfe sollten die Bürger zur Abstimmung stellen können, sondern auch vom Parlament beschlossene Gesetze - wie z.B. die Rechtschreib­reform. "Wenn 500.000 Bürger mit ihrer Unterschrift dazu aufrufen, sollte ein vom Bundestag verabschiedetes Gesetz zur Volksabstimmung gestellt werden", schlug der Mehr Demokratie-Sprecher vor.
: Schröder gegen Rücknahme der Reform. Süddeutsche Zeitung, , s. 5, Politik (467 wörter)
Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) ist gegen eine Rücknahme der Rechtschreibreform. „Es gibt seitens der Bundesregierung keine Überlegungen, die Rechtschreibreform rückgängig zu machen“, sagte der stellvertretende Regierungssprecher Hans-Hermann Langguth. […] Langguth erinnerte zudem an die Zuständigkeit der Länder in dieser Frage.
: Zwischenzeit: Spraches Schnitzer. Süddeutsche Zeitung, , s. 12, Feuilleton (521 wörter)
Die dpa gibt aus aktuellem Anlass eine Meldung mit folgender Überschrift heraus: „Schüler Union kritisiert Diskussion um Rechtschreibreform.“ Bei allem Sinn für die gebotene Kürze: Den Vornamen des Schülers Union hätte man schon dazusetzen können. Oder wollte man sich bewusst an Friedrich Torbergs „Schüler Gerber“ anlehnen?
: „Gefragt sind wirkliche Vereinfachungen.“ Die neue Rechtschreibung hat wenige Freunde gefunden, aber zurück zur alten will fast niemand. Süddeutsche Zeitung, , s. 39, Bayern, München (662 wörter)
„Grundsätzlich unzufrieden“ mit der Rechtschreibreform ist etwa Marianne Baier, die Vorsitzende des Münchner Lehrerinnen- und Lehrerverbandes. […] Das einzige Argument für erneute Änderungen ist laut Baier deshalb „eine mutige Reform“, die wirkliche Vereinfachungen brächte und etwa die Groß- und Kleinschreibung als „größte Fehlerquelle“ abschaffen würde.
: Einheitlichkeit der Sprache. Süddeutsche Zeitung, , s. 16, Leserbriefe (231 wörter)
Seit Samstag erreichen uns täglich Hunderte von Anrufen, E-Mails und Briefen, in denen Leser der Süddeutschen Zeitung ihre Meinung zur öffentlich diskutierten Rücknahme der Rechtschreibreform bekunden.
: Polit-Schwachsinn I. Süddeutsche Zeitung, , s. 16, Leserbriefe (50 wörter)
Mit mehr als 40 Dienstjahren als Gymnasiallehrer kann ich mir ein Urteil darüber erlauben. Keinen Tag habe ich an die Dauerhaftigkeit dieser blödsinnigsten aller bisherigen Reformen im Bildungsbereich geglaubt.
: Polit-Schwachsinn II. Süddeutsche Zeitung, , s. 16, Leserbriefe (68 wörter)
Herzlichen Glückwunsch zu der Entscheidung, zur korrekten deutschen Rechtschreibung zurückzukehren!
: Polit-Schwachsinn III. Süddeutsche Zeitung, , s. 16, Leserbriefe (92 wörter)
Ich möchte allen Verantwortlichen und Mitarbeitern der SZ […] danken, aber auch gratulieren, dass sie sich nicht von staatlicher Seite vorschreiben lassen wollen, wie zukünftig geschrieben werden soll.
: Unendlich dankbar I. Süddeutsche Zeitung, , s. 16, Leserbriefe (116 wörter)
Wenn die SZ die Rechtschreibung umstellt, bin ich ihr unendlich dankbar. Ich danke ihr als Journalist und Werbetexter. Ich danke ihr als Vater zweier Söhne, von denen einer nächstes Jahr eingeschult wird. Ich danke ihr als Demokrat, der die Anmaßung der Reformclique nie hingenommen hat.
: Unendlich dankbar II. Süddeutsche Zeitung, , s. 16, Leserbriefe (105 wörter)
Band 10 dieser Reihe – John Irvings „Das Hotel New Hampshire“ – habe ich nach ein paar Dutzend Seiten beiseite gelegt, weil ich es nicht ertrug, mich unentwegt über eine fehlerhafte Interpunktion […] und Rechtschreibung zu ärgern (gerißen, rißig, angebißen, naßen).
: Unendlich dankbar III. Süddeutsche Zeitung, , s. 16, Leserbriefe (27 wörter)
Die Rechtschreibreform ist eine der größten Dummheiten, die von der Intelligenz je gemacht wurden.
: An der Vollendung mitwirken I. Süddeutsche Zeitung, , s. 16, Leserbriefe (87 wörter)
Mit einigem Entsetzen entnehme ich der SZ, sie plane, wieder die so genannten alte Rechtschreibung zu nutzen.
: An der Vollendung mitwirken II. Süddeutsche Zeitung, , s. 16, Leserbriefe (19 wörter)
Die Entscheidung der SZ ist ein weiterer Beweis für die Reformunfähigkeit dieses Landes.
: An der Vollendung mitwirken III. Süddeutsche Zeitung, , s. 16, Leserbriefe (44 wörter)
Ich finde es schade, dass die SZ zur alten Rechtschreibung zurückkehren will.
: An der Vollendung mitwirken IV. Süddeutsche Zeitung, , s. 16, Leserbriefe (45 wörter)
Mit Verwunderung lese ich, dass auch die SZ wieder die alte Rechtschreibung einführen will und sich damit dem Kreis der Ewiggestrigen anschließt.
: An der Vollendung mitwirken V. Süddeutsche Zeitung, , s. 16, Leserbriefe (211 wörter)
Von der SZ hätte ich in Sachen Rechtschreibreform etwas mehr Seriosität erwartet! Bei der Bild-Zeitung ist es wohl egal, in welcher Rechtschreibung sie erscheint, denn die Mehrheit ihrer Leser wird den Unterschied sowieso nicht wahrnehmen […].
: Beweis der Immobilität I. Süddeutsche Zeitung, , s. 16, Leserbriefe (298 wörter)
Die Liste der widersinnigen Schreibungen ist bei der alten Rechtschreibung wesentlich länger als bei der neuen. Die Rückkehr zur alten Rechtschreibung wäre ein Beweis für Immobilität und Denkfaulheit der Deutschen. Es muss doch möglich sein, die offensichtlichen Schwächen der neuen Rechtschreibung zu korrigieren, ohne sie gleich ganz aufzugeben.
: Beweis der Immobilität II. Süddeutsche Zeitung, , s. 16, Leserbriefe (81 wörter)
Am einfachsten und vernünftigsten erscheint mir: 1. Übernahme der nach 1945 eingeführten Kleinschreibung im Niederländischen und im Dänischen.

2004-08-09

: Streit um Gämse/Gemse mobilisiert nun die Politiker. Basler Zeitung, , s. 1, Front (202 wörter)
Die grossen Verlage in Öster­reich und in der Schweiz wollen dem Aufruf von Spiegel und Springer nicht folgen. In Deutschland lehnt die Mehrheit der Bundes­länder eine Rückkehr zur alten Regelung ab. Umso lauter machten gestern Reform­gegner auf sich aufmerksam - etwa der Minister­präsident Nieder­sachsens, Christian Wulff. Es sei an der Zeit, «das Scheitern der Rechtschreib­reform» ein­zugestehen, sagte er.
: Der Triumph der Intellektuellen. Basler Zeitung, , s. 5, Inland (516 wörter)
Die vorab in den deutschen Feuilletons geführte Debatte trug über weite Strecken den Charakter einer Ersatzdebatte, die vor allem der Profilierung einiger Reform­gegner und der Ablenkung von ihrem mittler­weile verwelkten Polit-Engagement diente. […] In vager Erinnerung an das Antikriegs-Engagement der sechziger und siebziger Jahre witterte mancher Geistesarbeiter die Chance, sich doch noch einmal in radikaler System­kritik zu üben. […] Die Herren Reich-Ranicki, Walser, Enzensberger, Muschg etc. — allesamt Autoren in vorgerücktem Alter — haben mit Erfolg einen Reform­prozess verweigert, an dem sie sich nicht aktiv beteiligt hatten, als die Dinge noch im Fluss waren. […] Ihr Erfolg beruht auf einer unheiligen Allianz von muffiger Reform­feindlichkeit und diffuser Staats­ferne. Und er vermag nicht zu kaschieren, dass den meisten Intellektuellen deutscher Zunge zu brennenden Zeit­fragen […] schlicht nichts mehr einfällt.
: Experten stützen Rechtschreibreform. Basler Zeitung, , nr. 184, s. 5, Inland
In der Schweiz stösst die neue Rechtschreibung also auf mässigen Widerspruch - in Deutschland hingegen gerät sie unter massiven Druck.
: Auf der Kippe. Zu den jüngsten Vorgängen um die Rechtschreibreform. Neue Zürcher Zeitung, , 225. jg., nr. 183, s. 19, Feuilleton (1094 wörter)
Dass die Reform gefährdet ist, mag richtig sein, gekippt freilich ist sie noch lange nicht. […] Bedenklich stimmt es, wenn die genannten Grossverlage die Abkehr von der neuen Regelung nun unter die etwas demagogische Begründung stellen, die Mehrheit der Bevölkerung sei gegen die neue Orthographie. Denn ginge es danach, so wäre vermutlich jede Rechtschreibregelung überflüssig. Un­verhältnismässig ist es, die erst fünf Jahre nach Übernahme der Neuregelung vollzogene Rückkehr zur alten Rechtschreibung als einen […] «Akt des zivilen Ungehorsams» zu bezeichnen. […] letztlich wird die Wirklichkeit das derzeit tatsächlich bestehende Durch­einander spielend lösen: In drei Jahr­zehnten werden die heutigen Grundschüler auf den Sesseln der jetzt amtierenden Chef­redaktoren sitzen; Grass und Enzensberger werden von einer neuen Schriftsteller­generation abgelöst sein; in den Verlagen werden Lektoren sitzen, die heute erst das Schreiben und Lesen lernen: Niemand wird mehr von der Reform reden […]. Und wohl wird man auch, ohne zu zögern, in dem getrennt geschriebenen sitzen bleiben die Mehrdeutigkeit erkennen, wie man ohnehin gelernt hat, die Sprache als etwas — glücklicherweise — Schillerndes, nie gänzlich auf Eindeutiges und Wort­wörtliches Festlegbares zu begreifen.
: Vorwärts, zurück zum ß! Berliner Zeitung, , s. 4, Meinung (624 wörter)
Jetzt fahren Spiegel und Bild schwere Geschütze auf: Eine Konterrevolution muss her, obwohl es eine Revolution nie gegeben hat. Das Zentralorgan der deutschen Intellektuellen im Verbund mit dem der deutschen Prolos – im Durchschnitt wird daraus solides deutsches Mittelmaß, das jeglicher Reform widersteht.
: Wer schreiben kann, der soll entscheiden. Geteiltes Echo auf neuen Rechtschreibreform-Streit. Berliner Zeitung, , s. 25, Feuilleton (187 wörter)
Über die Ankündigung einiger Medienkonzerne, ab heute wieder die frühere Orthografie einzuführen, äußert der Philosoph Peter Sloterdijk in der Financial Times Deutschland vom Montag Unverständnis: „Die Verlage sind genauso wenig befugt, eine Rechtschreibreform durchzuführen[,] wie die Kommission, die das seinerzeit beschlossen hat. […]“, so Sloterdijk. Tatsächlich könnten nur die Schreibenden selbst entscheiden – „die Schriftsteller und das alphabetisierte Volk“.

Warum sollen verlage und die entscheider über die schulrechtschreibung nicht zum alfabetisierten volk gehören?

: BAMS. Nicht der große Bums. Berliner Zeitung, , s. 30, Media (299 wörter)
Die Bild am Sonntag, auch BamS genannt, erschien gestern in neuer Form am Kiosk. […] Auffälliger, als die Neuerungen es sind, ist in der BamS ohnehin eine Haltung, die sich im Umgang mit dem Streit über die Rechtschreibreform wieder schön zeigt. Am Freitag hatten das Magazin Spiegel, die Süddeutsche Zeitung und der Springer Verlag bekannt gegeben, zur alten Rechtschreibung zurückkehren zu wollen. Und während die Bild-Zeitung mit blindem Hurra auf den Konzernkurs einschwenkt, berichtet die Bild am Sonntag wohltuend differenziert und sachlich über den Vorgang.
: Ruck zurück. (Deutsche Welle), , Deutschland
[…] die Debatte über die Reform der Rechtschreibung ist durchaus symptomatisch für die derzeitige Lage in Deutschland. […] Vor einigen Jahren sagte der damalige Bundes­präsident Roman Herzog, es müsse ein Ruck durch Deutschland gehen. Doch an dem Ringen um eine neue Recht­schreibung sieht man, wie es wirklich um Deutschlands Reform­willen steht: Gewünscht wird der Ruck zurück.
: KMK-Präsidentin gegen Volksabstimmung. Meinung bei Autoren geteilt; Kommissionsvorsitzender glaubt nicht an Rücknahme der Rechtschreibreform. (Frankfurter Rundschau),
Die Axel Springer AG und der Spiegel-Verlag hatten am Freitag die "schnellstmögliche" Umstellung auf die alten Schreibweisen angekündigt, die "Süd­deutsche Zeitung" will folgen. […] Der Vorsitzende der zwischen­staatlichen Rechtschreib­kommission, Karl Blüml, hat den zur alten Rechtschreib­reform zurück­gekehrten Verlagen "pädagogische Verantwortungs­losigkeit" vorgeworfen. […] Die Autorin Noll erklärte, Sprache sei ein Teil der Kultur, die Rechtschreibung sei aber nur ein Hilfsmittel. "Darum so viel Wind zu machen, finde ich kleinkariert." Autor Wolfgang Menge erklärte, ihm sei unklar, warum die Initiative jetzt komme: "Wahrscheinlich hängt das mit dem Sommerloch zusammen." Der Philosoph Peter Sloterdijk nannte die Verlage "genauso wenig befugt, eine Rechtschreib­reform durchzuführen, wie die Kommission, die das seinerzeit beschlossen hat. Das sind zwei Formen der Anmaßung, die sich gegenseitig aufheben". Dagegen sagte Kempowski, er habe sich "sehr gefreut" über die Initiative der Verlage und hoffe, dass ihnen andere folgten.
: Fluss und Delfin spalten sogar Koalitionen. Frankfurter Rundschau, , s. 1 (428 wörter)
Vor allem die Politik ist plötzlich wieder tief gespalten über Fluch und Segen der Rechtschreib­reform und intoniert selbst inner­halb ein und derselben Partei eine Kakophonie über Fluch und Segen der Rechtschreib­reform.
: Die Rechtschreib-Wende begeistert Länder kaum. Frankfurter Rundschau, , s. 4, Politik (559 wörter)
Nur wenige sehen in der Ent­scheidung der Axel Springer AG und des Spiegel-Verlags einen Grund, ebenfalls für die Rück­kehr zur alten Recht­schreibung zu votieren. Im folgenden die Positionen der 16 Bundes­länder.
: Auf den Inhalt kommt es an. Frankfurter Rundschau, , s. 8, Standpunkte, Leserbriefe (205 wörter)
Da wir (und gewiss auch andere meiner Alters­gruppe, bzw. Jüngere) uns jetzt irgendwie umgestellt haben (wird "keineswegs" nach der neuen Schreibung so, oder "keines Wegs" geschrieben?) , appelliere ich an die FR, bitte die neue Rechtschreibung bei­zubehalten.
: Zurück auf Null. Frankfurter Rundschau, , s. 8, Standpunkte, Leserbriefe (159 wörter)
Liebe FR, als Spiegel- und FR-Abonnent moechte ich Ihnen mitteilen, dass ich die Ent­scheidung von Spie­gel+Springer sehr begruesse. Waere das nicht auch der Zeit­punkt fuer die FR, sich hier an­zuschliessen?
: Andere Probleme. Frankfurter Rundschau, , s. 8, Standpunkte, Leserbriefe (115 wörter)
Das Volk hat weit größere Primär­probleme als Komma­verschiebung oder ähnliche Mickrig­keiten, für die dann wiederum Konferenzen sich den Hintern platt sitzen würden.
: Times Mager: Simulation. Frankfurter Rundschau, , s. 12, Feuilleton (387 wörter)
Jetzt scheint, am Rande des weiten Feldes namens Reform­politik, ein Refugium für Nostalgiker auf: In der Debatte um die Rechtschreib­reform wird der Konser­vativismus nach seinem Ende noch einmal simuliert.
: Hausmitteilung. Betr.: Rechtschreibung. Der Spiegel, , nr. 33, s. 3 (554 wörter)
Vorschläge der Reformer, die von der schreibenden und lesenden Mehrheit als sinnvoll erachtet werden, könnten durchaus in Zukunft übernommen werden. Aber eines hat der anhaltende, wachsende Widerstand gegen die Neuregelung - mittlerweile eine eindrucksvolle, partei­übergreifende Bürger­bewegung - klar gemacht: Die Sprache gehört nicht der Kultus­bürokratie. Sie ist Kern der Demokratie. Sie lässt sich nicht auf dem Verordnungs­wege vergewaltigen. Wir hätten damals auf Rudolf Augstein hören und den ganzen Unsinn nicht mitmachen sollen. Aber es ist ja nicht zu spät. Sobald die technischen Vorausset­zungen geschaffen sind, wird der SPIEGEL zur alten Form zurückkehren. Und er wird nicht allein bleiben.
: "Geschichtsklitterung." Zurück zur klassischen Schreibweise? Der Linguist Gerhard Augst verteidigt sein Reformwerk. Der Tagesspiegel, , s. 25, Wissen & Forschen, Interview
Herr Augst, die Verlage, die jetzt zur alten Schreibweise zurückkehren wollen, erklären die Arbeit der zwischen­staatlichen Kommission für die deutsche Rechtschreibung, deren stellvertretender Vorsitzender Sie sind, für sinnlos. Sind Sie mit dem Reformwerk gescheitert? [Augst:] Das wollen wir nicht hoffen. Wir haben eine gute Reform gemacht und sind entsetzt über das, was derzeit passiert.
Die Kultusminister sollen an der Rechtschreibung festhalten. , , nachrichten
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) fordert die Kultusminister­konferenz auf, an der Rechtschreib­reform festzuhalten und sich nicht von den Allein­gängen ver­schiedener Verlage unter Druck setzen zu lassen. "Es ist unverant­wortlich, wir hier auf Kosten von Kindern, Eltern und Schulen Stimmung gemacht wird, um das Sommerloch zu füllen und die eigene Macht zu demonstrieren", so Marianne Demmer, die Schul­expertin im Geschäfts­führenden Vorstand der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft.

2004-08-08

: "Es war ein Fehler" I. (Spiegel Online),
Springer, der Spiegel und die "Süddeutsche Zeitung" wollen dem Beispiel der "FAZ" folgen und zur alten Rechtschreibung zurückkehren. Ein Gespräch mit den Verantwortlichen. […] Herr Aust, warum kehrt der Spiegel nach fünf Jahren zur alten Recht­schreibung zurück? [Aust:] Es kann nicht angehen, daß eine kleine Gruppe von Experten eine Neufassung der deutschen Sprache beschließt, ohne zu berücksichtigen, ob die Bevölkerung das eigentlich will oder ob es notwendig ist.
: "Es war ein Fehler" II. (Spiegel Online),
Herr Kilz, alte Rechtschreibung, neue Rechtschreibung: Was ist die Haltung der "Süddeutschen Zeitung" in dieser Sache? [Kilz:] Wir müssen jeden Tag eine Zeitung machen, da braucht man einen zielorientierten Pragmatismus, und das heißt: möglichst wenige Orthographiefehler. Mit der neuen Rechtschreibung wurde das nicht erreicht. […] Ich wurde von meinen früheren Kollegen beim Spiegel angesprochen, wie wir das denn nun handhaben sollten mit der Rechtschreibung und ob man darüber reden könne, und dann wurde ein Treffen in Hamburg vereinbart zwischen Spiegel, Springer und der "SZ", vertreten von unserem Rechtschreib­experten Hermann Unterstöger. Auch von Suhrkamp nahm jemand teil.
: "Es war ein Fehler" III. (Spiegel Online),
Herr Döpfner, Zeitungen und Verlage unterschiedlicher politischer Richtungen schließen sich zusammen, um eine Reform zu Fall zu bringen. Ist das, was wir gerade erleben eine Rebellion? [Döpfner:] Wenn F.A.Z., "Süd­deutsche Zeitung", Spiegel, "Welt" und "Bild" einer Meinung sind, dann muß es ein wirklich über­geordnetes Interesse geben. Das ist hier der Fall. Es geht um die deutsche Sprache. Die Rechtschreib­reform war von Anfang an miß­glückt. Nach fünf Jahren Erprobung gibt es Menschen, die nach alter Recht­schreibung schreiben, Kinder, die die reformierte Recht­schreibung lernen, Verlage, die ihre eigene Version der Reform umgesetzt haben, und seit einiger Zeit gibt es noch eine über­arbeitete Form der Reform. Das Ergebnis ist Chaos. […] Wenn auf diese Entwicklung die Politik, die das ganze Unheil in Gang gesetzt hat, nicht reagiert, müssen die Haupt­betroffenen, die Verlage, handeln. […] Unser Vorstoß ist ein Appell zur Umkehr, und wir hoffen, daß dem möglichst schnell möglichst viele folgen.
: Beharrlich auf dem Weg zur Regierungsmacht. Als Bildungspolitikerin hat Annette Schavan einen guten Namen; jetzt will sie Ministerpräsidentin werden. Welt am Sonntag, , nr. 32, s. 5, Politik
Auch die Rechtschreibung fällt in ihren Verantwortungsbereich. Das macht Schavan zu einer der gefragtesten Politikerinnen dieser Tage, ist sie doch auch Sprecherin in allen Bildungs­fragen der CDU-geführten Länder in Deutschland. Sie selbst hat die Rechtschreib­reform mit beschlossen und hält an ihr fest. Auch jetzt, da sich vier Minister­präsidenten der Union für eine Abschaffung der Reform stark machen und mit der Axel Springer AG sowie dem Spiegel zwei Groß­verlage angekündigt haben, zur alten Rechtschreibung zurückkehren zu wollen, bleibt sie gelassen. "Ich rate zur Besonnenheit", sagt sie. Sie sagt es so ruhig, als würde eine Rücknahme der Reform nicht eine gewaltige Niederlage für sie bedeuten. "Die Vorstellung, dass mit einem schlichten Zurück Ruhe einkehren würde, ist doch illusorisch."

2004-08-07

: Gämse oder Gemse - was gilt nun?. Basler Zeitung, , s. 10, Letzte (132 wörter)
«Die BaZ bleibt vorderhand bei der neuen Recht­schreibung», sagt Chef­redaktor Ivo Bachmann. Für den Chef­redaktor des «Tages­anzeigers», Peter Hartmeier, hat sich mit den Entscheiden in Deutschland aber auch bei uns etwas geändert. Er will deshalb mit anderen Schweizer Verlagen Kontakt aufnehmen, um gemeinsam zu einer Neu­beurteilung zu kommen. Bei der «Neuen Zürcher Zeitung» sieht man keine Not­wendigkeit, sich ab­zusprechen.
neu : Neuer Wirbel um die Rechtschreibreform. Drohendes Chaos an den Schulen? Neue Zürcher Zeitung, , 225. jg., nr. 182, s. 1, Ausland (102 wörter)
Sechs Jahre nach Einführung der deutschen Rechtschreibreform werden das deutsche Nachrichtenmagazin «Der Spiegel», die «Bild»-Zeitung und die «Süddeutsche Zeitung» zu den alten Schreibweisen zurückkehren, zusammen mit sämtlichen andern Titeln der drei Grossverlage.
neu : «Es gäbe Chaos an Schulen.» EDK-Präsident Stöckling zur drohenden Rückkehr zur alten Rechtschreibung. Neue Zürcher Zeitung, , nr. 182, s. 14, Inland (400 wörter)
Wenn nun die Behörden im Rückwärtssalto wieder andere Regeln festlegen, deren Referenz völlig unklar ist, dann führt das zu riesiger Unsicherheit. Ich hoffe, dass die deutsche Kultusministerkonferenz hart bleibt, sonst droht ein Scherbenhaufen.
neu : Die neue Rechtschreibung im Gegenwind. Mehrere Grossverlage verabschieden sich von der Reform. Neue Zürcher Zeitung, , 225. jg., nr. 182, s. 43, Feuilleton (349 wörter)
Der «Focus»-Verlag Burda erklärte, man wolle den Kampf um die Rechtschreibung nicht auf dem Rücken der jungen Leser austragen. Bindend sei, was in der Schule gelehrt werde.
neu : Die Position der NZZ. Neue Zürcher Zeitung, , 225. jg., nr. 182, s. 43, Feuilleton (129 wörter)
Auf die Rechtschreibung in der NZZ hat der Beschluss der deutschen Grossverlage derzeit keine Auswirkungen.
: Einstimmigkeit erforderlich. Berliner Zeitung, , s. 2, Tagesthema (247 wörter)
Sollte nach den Entscheidungen der Medien jetzt eine Rückkehr zur alten Rechtschreibung beschlossen werden, müssten im Oktober alle Kultusminister, die am 3. Juni für die Reform stimmten, ihre Meinung ändern und dagegen stimmen. Die KMK ist ein so genanntes Einstimmigkeitsorgan, wenn ein Land dagegen stimmt, tritt die neue Regel nicht in Kraft. Theoretisch wäre es sogar möglich, dass jedes Bundesland seine eigenen Regeln einführt.
: Verwirrende Schreibweisen. Berliner Zeitung, , s. 2, Tagesthema (363 wörter)
Gegen die Rückkehr zur alten Rechtschreibung haben sich unter anderem die Frankfurter Rundschau sowie die Magazine Stern und Focus ausgesprochen. Hier werde "im Zusammenspiel zwischen Journalismus und Politik eine Kampagne vorangetrieben", wetterte Focus-Chefredakteur Helmut Markwort.
: Die Hartz-Reform der Rechtschreibung. Berliner Zeitung, , s. 4, Kommentar (225 wörter)
Das Gift der Kompromisslerei zwischen Bund und Ländern, Interessengruppen und Parteien verseucht jeden Ansatz, jeden klugen Entwurf einer konsequenten Reformpolitik, gleich, ob für den Arbeitsmarkt, das Gesundheitswesen oder eben die Rechtschreibung.
Zurück zur alten Rechtschreibung? (Frankfurter Rundschau), , Topthema
Wenn Sie es sich aussuchen dürften – wie wollten Sie schreiben? 1. Ich bevorzuge nach wie vor die alte Rechtschreibung (62% stand 7. 8., 53,5% stand 13. 8.). 2. Ich habe mich an die neue Schreibweise gewöhnt (26%, 32,5%). 3. Ich wünsche mir eine weitere, aber ordentliche Reform (12%, 14%).
: Bei Springer und Spiegel verliert das „dass“ sein Doppel-S. Frankfurter Rundschau, , 60. jg., nr. 182, s. 1 (348 wörter)
Richtig weg war sie nie – nicht im Alltag, nicht in der Literatur. Die klassi­sche Recht­schreibung hält sich zäh. Nun kehren auch Springer und Spiegel zu ihr zurück.
: Zwischen Muss und Muß. Frankfurter Rundschau, , 60. jg., nr. 182, s. 3, Die Seite Drei, Kommentar (317 wörter)
Kaum jemand hat sich die Mühe gemacht zu prüfen, wo das Projekt zu Er­leichterungen und Verein­heitlichun­gen führt (zum Beispiel in Sachen "ß" und "ss") und wo fehlende Praxis­tauglichkeit als erwiesen gelten kann (zum Beispiel bei der Getrennt­schreibung). Statt dessen verschanzt man sich in Maximal­positionen und überhöht sie, vor allem auf Seiten der fundamen­talistischen Gegner, mit Grabreden auf die ganze deutsche Sprache.
: Rechtschreibdeform. (Schlabonskis Welt), (615 wörter)
Weder Ümläüte noch das ß, Geißeln der Computerwelt, sind abgeschafft. Ebensowenig die Großschreibung […]. Statt­dessen reformiert man, ohne dabei aber den Lernaufwand nennenswert zu verringern, die Auseinander-oder-zusammen-Schreibung […], ändert ohne Not die Vokale einiger Wörter […], verballhornt Fremdwörter […], ersetzt eine sinnlose Trennregel (Trenne nie st, denn es tut ihm weh) durch eine andere (Trenne nie ck, denn es geht ihm nah) und verkauft's vor allem als Riesenfortschritt, ß nach kurzen Vokalen durch ss ersetzt zu haben.
: Traditionalisten in der Minderheit. Unter den Ministerpräsidenten gibt es einige Zweifler, eine Reform der Reform wollen die meisten nicht. Der Tagesspiegel, , Politik (518 wörter)
Der Mainzer Regierungschef Kurt Beck (SPD) sieht keinen Handlungs­bedarf […]. Er könne sich auch nicht erklären, warum es so schlimm sein solle, wenn Delfin mit f geschrieben werde, sich beim Wort Fotograf aber niemand aufrege. Beck nennt die neue Diskussion um die Reform, die 30 Jahre lang vorbereitet worden sei, ein reines Sommerthema. […] Die Sprecherin des Cornelsen-Verlags in Berlin, Irina Pächnatz, sagt: „Diese Umstellung ist absurd. Es gibt sechs Millionen Schüler, die keine andere Rechtschreibung kennen.[…]“
: Die Nachbarn wundern sich über die Deutschen. Wien und Bern bleiben bei der Rechtschreibreform. Der Tagesspiegel, , Politik (503 wörter)
Doch im Gegensatz zu Deutschland gab es in Österreich mit der Umsetzung bislang keinerlei Probleme. […] Sämtliche Schulbücher sind in Österreich seit Jahren auf die neuen Rechtschreibregeln umgestellt. Erst kürzlich ergab eine im Auftrag des Unterrichtsministeriums erstellte Studie, dass die Rechtschreibsicherheit der Jugendlichen durch die neuen Regeln deutlich zugenommen hat […]. Im Gegensatz zu anderen Themen, bei denen innerdeutsche Diskussionen mit etwas Verzögerung nach Österreich überschwappen, sind in Sachen Rechtschreib­reform keine Aufstände zu erwarten. […] Auch in der Schweiz löst die deutsche Debatte eher Erstaunen aus.
: Auf gut Deutsch. Da alles Wesentliche geregelt ist, können wir ja jetzt über Rechtschreibung streiten. Der Tagesspiegel, , Meinung (560 wörter)
Wir werden uns gedulden müssen, bis die Schreibung wieder einheitlicher wird – wenn wir es denn überhaupt als dramatisch empfinden, dass es mehrere Optionen gibt. Mindert es die Klarheit der Schriftsprache wirklich, wenn sie über einen gewissen Zeitraum, oder gar auf Dauer, in einzelnen Fällen mehrere Schreibweisen zulässt? Nein – und was Springer und Spiegel gestern als Vorgabe präsentiert haben, nach der die Nation sich nun richten solle, wirkt ziemlich anmaßend, in dieser Form auch undemokratisch. Und es geschieht nicht zum Nutzen der Kinder, sondern wird sie verwirren; falls sie Zeitung lesen.
: Die Chronik einer verkrachten Übung. Die Welt, , nr. 183, s. 3, Deutschland (901 wörter)
Die Geschichte der Rechtschreib­reform gleicht der aller anderen Reformen, sie ist lang, beschwerlich, ruhmlos und chaotisch. […] Dies jüngste und traurigste Kapitel der deutschen Reform­agenda begann vor sechs Jahren. Damals beschlossen die Kultus­minister, sich der Rechtschreibung an­zunehmen […]. Von da an ging's bergab.

Die kultus­minister haben sich der sache nicht angenommen, sie sind dafür zuständig

: „Sprache entzieht sich politischer Verordnung.“ Mit Peter Müller (CDU), Ministerpräsident des Saarlands, sprach Ansgar Graw. Die Welt, , nr. 183, s. 3, Deutschland (447 wörter)
Müller: […] bisher habe ich zu kaum einem Thema so viele schriftliche Reaktionen bekommen wie zu meiner Forderung, zu den alten Regeln zurück­zukehren. Es waren sicher mehrere hundert Zu­sendungen, und 90 Prozent der Absender haben mir zugestimmt, nur zehn Prozent haben die Rechtschreib­reform verteidigt.
: Schreibet recht und tuet Gutes! Der Standard, (1195 wörter)
Gott ist unbeweisbar, die politischen Strukturen bröckeln, alle Grenzen verstückelt, un­durchsichtig das Weltall, die Lebensmittel nur noch Geschmacks­verstärker, wer weiß, wie lang die Flüsse noch stromabwärts fließen, und auch sonst, wenn sogar Griechenland Europameister wird, kann man sich auf nichts und niemand mehr verlassen und dann auch noch die Rechtschreibung? Alles, was Recht ist. […] Die Argumente dagegen kamen aus allen Löchern, reichten vom Vorwurf der In­konsequenz über die Ästhetik, Unvermittelbar­keit, hoher Kosten bis zum Wozu brauchen wir jetzt das. Im Kern aber wurde und wird Sprache wohl als etwas Gott­gegebenes und Unab­änderliches angesehen, als virtueller Gradmesser seiner eigenen Gültigkeit, Kindheits­relikt, Restidentität, Erbgut, was auch in der immer latenten Angst vorm Sprachverfall zutage tritt - ohne einzusehen: Sprache ist lebendig, verändert sich, sonst würden wir immer noch so sprechen wie im Hildebrands­lied oder im Muspili.

6. 8. 2004

: Spiegel und Springer kehren zur alten Rechtschreibung zurück. NZZ Online, (123 wörter)
Die zum Spiegel-Verlag und zu Axel Springer gehörenden Titel, die nach eigenen Angaben rund 60 Prozent der Bevölkerung in Deutschland erreichen, werden ihre Schreibweise «schnellstmöglich umstellen».
Spiegel-Verlag und Axel Springer AG kehren zur klassischen Rechtschreibung zurück. In eigener Sache. Spiegel Online, (540 wörter)
Die zu beiden Verlagen gehörenden Titel, die rund 60 Prozent der Bevölkerung in Deutsch­land erreichen, werden ihre Schreibweise schnellst­möglich umstellen. SPIEGEL-Verlag und Axel Springer AG fordern andere Verlage auf, ebenfalls zur alten Rechtschreibung zurück­zukehren und damit gemeinsam dem Beispiel der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" zu folgen […]. Ziel dieser Maßnahme ist die Wiederherstellung einer einheitlichen deutschen Rechtschreibung. […] Dr. Mathias Döpfner, Vorstands­vorsitzender der Axel Springer AG[,] und Stefan Aust, Chefredakteur des Nachrichten­magazins DER SPIEGEL, betonen: "Wir befür­worten sehr dringend notwendige und sinnvolle Reformen in unserer Gesellschaft. Doch die Rechtschreib­reform ist keine Reform, sondern ein Rückschritt. Die deutsche Sprache braucht keine kultus­bürokratische Überregulierung. Spätestens die neuerliche Reform einer ohnehin unaus­gegorenen Reform führt ins völlige Chaos. […]"

2004-08-05

: Der gescholtene Ballhorn und die geplagten Lehrer. Frankfurter Allgemeine Zeitung, , nr. 180, s. 7, Briefe an die Herausgeber (208 wörter)
Insofern haben die geplagten Lehrer jetzt vielleicht die Rolle des gescholtenen Buchdruckers Balhorn inne, die Zeug unters Volk bringen sollen, das andere verbrochen haben, wenn sie den Schülern die sogenannte Rechtschreibung beibringen […].

2004-08-04

: Lanze für die Rechtschreibreform. Frankfurter Allgemeine Zeitung, , nr. 179, s. 6, Briefe an die Herausgeber (309 wörter)
Ehrlich staune ich oft über manche Leserbriefe und Beiträge zur neuen Recht­schreibung, in denen pingelig irgendwelche Details genannt werden, an denen man sich trefflich hochziehen und den Untergang der deutschen Kultur beklagen kann. Ich selbst als Vielschreiber und -leser mit großem Latinum und Graecum […] habe die neue Rechtschreibung als Offenbarung begrüßt, wegen ihrer wesentlich größeren Logik und ihrer größeren Freizügigkeit. […] Ob man Einzelheiten noch ändert, sollte den Fachleuten überlassen bleiben, auf jeden Fall nicht den Alten und nicht den Politikern.

2004-08-03

: Selten ist Globalisierung so schön. Das Grimmsche Wörterbuch – geschrieben in China. Berliner Zeitung, (366 wörter)
Dreizehn junge Chinesinnen saßen 36 Monate in einem Büro in Nanjing und tippten zur Sicherheit gleich zweimal die 300 Millionen Zeichen des Grimmschen Wörterbuches ab. Die Frauen können kein Wort deutsch. Sie haben keine Ahnung, welche Schönheiten ihnen beim Abschreiben entgingen. Zum Beispiel gleich der erste Eintrag: „A, der edelste, ursprünglichste aller laute, aus brust und kehle voll erschallend, den das kind zuerst und am leichtesten hervor bringen lernt ...“ Wie viele Fehler hätte hier nicht ein Abschreiber machen können, der auch ein Leser gewesen wäre? Wäre er nicht über die konsequente Kleinschreibung gestolpert? Wäre er nicht geneigt gewesen „hervorbringen“ zu schreiben, wie wir es gewohnt sind und überraschend auch nach der neuesten Reform weiter tun können?
: Nachrichten für Kinder: Politiker streiten über Rechtschreibung. Frankfurter Rundschau, , s. 14, Aus aller Welt (168 wörter)
Es gibt Streit unter Politikern über die neue deutsche Recht­schreibung. Manche von ihnen wollen die alten Regeln wieder­haben.

2004-08-02

: Verleger für Rücknahme der Rechtschreibreform. Frankfurter Allgemeine Zeitung, , nr. 177, s. 1, Politik (166 wörter)
Mehrere deutsche Verleger widersprachen dem Verband der Schulbuchverlage, der vor den Kosten einer Rücknahme der Reform warnt. "Die langfristige wirtschaftliche Belastung durch die weitgehend absurde Rechtschreibreform ist mit Sicherheit höher zu veranschlagen als die kurzfristigen Mehrkosten für eine Rückführung", sagte Wolfgang Balk, Verleger des Deutschen Taschenbuchverlags, der Sonntagszeitung.
: Nur Mut. Frankfurter Allgemeine Zeitung, , nr. 177, s. 6, Briefe an die Herausgeber (308 wörter)
Das Ende der ständigen Nachbesserungen würde Kosten sparen und wäre verantwortungsvoll gegenüber den Schülern, die noch gezwungen sind, in mehreren Rechtschreibwelten zu leben.

Hat vielleicht in den anscheinend etwas verkrusteten schülergehirnen noch unsere rechtschreibwelt platz?

: Anglizismen. Frankfurter Allgemeine Zeitung, , nr. 177, s. 6, Briefe an die Herausgeber (152 wörter)
Unsere Sprache geht weniger durch die Rechtschreibreform vor die Hunde als durch das gedankenlose Nachplappern englischer Ausdrücke und ihre Übernahme in die deutsche Sprache und Schrift.
: „Unzweifelhaft eine Katastrophe.“ Marcel Reich-Ranicki zur Debatte über die Rechtschreibreform. Der Spiegel (), , nr. 32, s. 144, Kultur
Was tun? Die Beibehaltung des jetzigen Zustands ist undenkbar. Aber zur Rückkehr zur alten Rechtschreibung ist es schon zu spät. Sie hat sich bewährt, doch heilig ist sie nicht. So läuft alles auf einen Kompromiss hinaus, einen wohlbedachten, nicht wohl bedachten.
: Schreib-Streit. Vom langen Ringen um die einzig wahre Orthografie. Die Welt, , Kultur (252 wörter)
Weit gehend spurlos scheint die leiden­schaftliche Diskussion um die Orthografie an den Menschen vorbeizugehen, die Deutsch lernen wollen. Von einer "Massen­flucht aus dem Deutsch­unterricht kann nicht die Rede sein", betont das Goethe-Institut. […] Dass Lernende von der Um­stellung kaum etwas mit­bekommen haben, verwundert indes weniger: Nur wenige dürften mit den alten Regeln vertraut gewesen sein.

8. 2004

: Ästhetische Logik im System der deutschen Rechtschreibung. , , Verschiedenes
Die dt. RS ist historisch gewachsen, d.h., sie hat allen Versuchen systematischer Ver­änderungen wider­standen. Es soll hier gezeigt werden, daß die deutsche Recht­schreibung, ähnlich wie der englischen und französischen, eine ästhetische Qualität besitzt und einen un­schätzbaren Beitrag zur kulturellen Identität des deutschen Sprach­raums leistet.